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MsdmfferTageblalt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene A«««zei!e 20 Apfg., die 4gespalten« Zeile der amtlichen Bekannrmachungen 40A^tch»- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile i« textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachareisungsgedl^hr 20 Reich»pfenaige. Dar, geschriebene Erscheinung»- —» . tage und Platzvorschrtstr« werden nach Möglichkeit FevU sv^e M LV : AML Wilsdruff Nk. 6 berücksichtigt. «aZei«e»- annabme bis oorm.lOUKr. -- ' ' — — Für die Richtigkeit dar durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabatlansprnch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eingszogen »erden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Bermittlungsstelleneatgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschast, erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. B«,»,»prei,! Bei Abholung in ^«"bestellen 2 UM. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,3» AM., bei Poftbtstellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend tzellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr. 213 — 90. Jahrgang Sonnabend, den 12. September 1931 Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" SÄ Postscheck: Dresden 2640 Lm Triebwerk. Die Londoner Guillotine. — Mit „Diplomatie" geölt. Der Käfig von Versailles. Die Guillotine arbeitet —, aber man darf dabei nicht an das Menschenköpsen der französischen Revolution denken. Diese „Guillotine" arbeitet nämlich im Engli schen Unterhaus, und was sie „köpft", sind nur Ab geordnetenreden, -anträge, -anfragen. Diese „Mutter der Parlamente" besitzt eine — ungeschriebene, rein gewohn- heitsrechlljche — Geschäftsordnung von größter Schärfe, die etwa eine Obstruktion in bestimmten Fällen einfach zur Unmöglichkeit macht. Vor Mißbrauch schützt die englischen Parlamentarier aber auch wieder dasselbe Gewohnheits recht, das aus der einfachen Erwägung entsteht: Was heute Mehrheit ist, kann morgen — nach etwaigen Neu wahlen — zur Minderheit geworden sein Da hütet man sich als Mehrheit vor Beschlüssen oder Maßnahmen, unter denen man als Minderheit leiden könnte. Ebenso ist's mit den etwaigen „Notverordnungen" des englischen Ministeriums bestellt, das in diesem Falle übrigens nach altem verfassungsgeschichtlichen Gebrauch als „Rat des Königs" fungiert, aber nach demselben Gebrauch auch nur finanzielle „Notverordnungen" erlassen darf; heute handelt rs sich um solche innerhalb des großen englischen Sparprogramms. Trotz diese, auch in der Ge schichte Englands recht ungewöhnlichen Situation arbeitet der ganze, verfassungsrechtlich-parlamentarisch, also recht komplizierte Apparat, ohne zu stocken oder zu Ausnahme bestimmungen seine Zuflucht zu nehmen. Er arbeitet so gar schnell und jene „Guillotine" ist mehr eine Art Drohung. Hat doch das Kabinett Macdonald eine feste Mehrheit hinter sich und daher treibt die Arbeiterpartei zwar Opposition gegen ihren früherem Führer, vermeidet aber - weil zwecklos — eine Obstruktion, die in solchen Fällen, bei derartig folgenschweren und einschnei denden Beschlüssen, wie sie im Sparprogramm der engli schen Regierung gefordert sind, aus dem Komment wohl in allen Parlamenten einsetzen würde. * Um so stockender, unbehilflicher, fruchtloser „arbeitet" der Apparat in Gens, der alles verzögernde, hinaus- schiebende Völkerbund. Nicht etwa, daß dieses Räder werk knarrt oder sonstwie unangenehme Töne hören läßt! Dafür ist das Getriebe viel zu sehr mit „Diplomatie" geölt. Freilich ergibt sich damit auch nur ein Leerlauf! An der Entscheidung des Haager Gerichtshofes über die deutsch-österreichische Zollunion ging die Versammlung „sprachlos" vorbei, nahm sie nur zur Kenntnis, nachdem die „Großen" ihren Spruch getan und — gefällt hauen. Und Diplomatie mag man es nennen, wenn zum Thema: Kommende Abrüstungskonferenz lange Reden gehalten, menschenfreundliche Vorschläge gemacht oder empsohlen werden, — hinter diesen Vorschlägen und Empfehlungen jedoch immer ein „Ja, aber . . ." zu hören ist. Ganz anders selbst als diese rhetorischen Leistungen ist die Wirk lichkeit. Italien hat gerade ein Luftmanöver von phan tastischen Ausmaßen hinter sich - woo Flugzeuge be teiligten sich daran und „malten" ein Bild von der unsag baren Grauenhaftigkeit eines Angriffskrieges von heute — und in Frankreich wird als Herb st Manöver die Marneschlacht des September 1914 „kopiert". Natür- Uch unter Einsetzung des Kriegsmaterials, wie es sich seitdem entwickelt hat. „Generalidee" ist wohl die, fest zustellen, ob der kriegsmächtigste Staat der Welt heute besser gegen einen Einfall von Osten her „gesichert" sei als 1914; da verrichteten nämlich die Engländer das „Wunder an der Marne"! So ganz patzt diese Wirklichkeit aus dem zweimal übertobten Kampfgelände doch Wohl nicht zu den Genfer Reden über Abrüstung und Völker- Versöhnung, aber gleichzeitig ist die französische Öffentlich keit von rechts bis weit nach links hinüber fest entschlossen, auf dem alten Standpunkt zu verharren: Erst „Sicherung", dann „Abrüstung"! Was nun aber für Frankreich „Siche rung" ist, wann man dort mit ihr zufrieden ist,.— darauf gibt es ebensowenig eine Antwort in Genf wie auf der kommenden Abrüstungskonferenz. * Leerlauf seines innenpolitisch-finanziell-wirt- schaftllchen Verwaltungsapparates kann sich das deutsche Volk über nicht „beklagen", obwohl genug Klagen über die Erzeugnisse dieser Notverordnungsmaschine laut geworden sind. Mit Recht oder mit Unrecht, — aber ihre Arbeit ist doch notwendig, weil nichts unterlassen werden darf, um die allgemeine Not zu wenden oder doch zu mildern, sie auszugleichen. Daß eine neue Welle von Ver ordnungen kommt, kommen mutz, jetzt, da wir einem Winter voll schwerster Sorgen enrgcgengchen, ist ja be kannt, und daß sie wieder ties Einschneidendes bringen werden, kann man sich nach den biSheriaen Erfahrungen un schwer denken. Auch hierbei dürfte es sich hauptsächlich um Maßnahmen handeln, die — wie es jetzt gerade schon in Bayern und Preußen selbständig versucht wurde — die haushalte der öffentlichen Hand vom Reich bis zu den Kommunen in Einnahmen und Ausgaben besser aus- gleichen sollen; ähnlich also wie in England - nur unter unvergleichlich größeren Schwierigkeiten! Diese haben ja nicht nur m der ganzen Notlage unseres heutigen Daseins als Volk und Staat ihren Grund, sondern hinzu kommen Ier WknzkWs der LandwirtM. Erklärungen Schieles vor den Agrarministern. In der in Anwesenheit des Reichskanzlers tn der Reichs kanzlei abgehalieuen Konierenz ver Landwirlschaiisiuinlster der Länder gab Münster Schiele einleitend einen Überblick über die agrarpolitifche Entwicklung der leitenden Fahre und legte seine Grundsätze für die künftige Agrarpolitik dar. Er sühnen. a. aus: Mit der Zollpolitik allein ist der Agrarkrise nicht bcizu- kommen. Akute Ursachen der nach wie vor anhaltenden und sich sogar noch weiter verschärfenden Agrarkrise liegen aus mnernurischan- lichem Gebiet Hieraus ergeben sich die Richtlinien für unsere künftige Agrarpolitik. Bei den langfristigen Kapitalumschlägen in der Landwirt schaft ist ein Zinsfuß von 9 bis 15 Prozent und sogar darüber untragbar Es müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um dem Ztnsproblem an den Nerv zu gehen. Die zweite große Aufgabe ist die Ordnung der Absayvcrhältnisse im eigenen Lande. Die Sicherung des Absatzes durch staatliche Maßnahmen ist jedoch nur begrenzt möglich Der Siaai mutz sich darauf be schränken, die Selbsthilfe der Landwirtschaft zu erleichtern Der Minister richtete hierbei einen Appell an die Landwirt- schastsmlNlster der Länder, die ihnen gegebenen Möglichleften des ß M des Milchgeseyes tatkräftig auszunutzen. Neben der Organisation des Absatzes set die Finanzierung des Absatzes dringender denn >e Der Minister legie seine Vorschläge zur Ausdehnung der Absatzitnanzlerung und der damit verbun denen Zinsverbilligung für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie e Weidevieh, Karwsseln, Wein, Obst, Tabak, Hopsen. Hülsen früchle dar. Tie Verlängerung der Dauer der Zinsverbilliguna ist gesichert. Das Lagerscheingesetz, das die Einführung der indossablen Lagerscheine für alle in MW« Mage kommenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse ermöglicht wird mit allen Mitteln forciert, um es alsbald in Kraft setzen zu können Alle Maßnahmen zur Regelung und Finanzierung des Ab satzcs sind dann unzureichend, wenn die Produktion nicht gc nügend nach Menge und Güte dem Verbrauch angepaßt wird Tie mit Erfolg von der Landwirtschaft vorgenoinmene Umstellung in der Getreideproduktion mutz fortgesührt werden. Ich warne vor einer erneuten Aus dehnung der Roggenanbaufläche: der Weizenanbau mutz au seiner Höhe erhalteu werden, notfalls unter Umstellung von Sommer- aus den Winteranbau. Die Haferproduktion muß un bedingt weiter eingeschränkt werden. Dagegen sind der Anbau von Futlergerste und Leguminosen zu Futterzweclcn sowie die Grünlandwirlschaft noch ausdehnungsfähig. Das weitere Anwachsen der Arbeitslosigkeit und der Mangel an Mitteln für die Unterstützung der Erwerbslosen erfordern besondere Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährung der Arbeitslosen im bevorstehenden Winter. In Frage kommen in erster Linie die Bereitstellung von Brot oder Mehl, Kanofseln und Breun stossen, in zweiter Linie Fleisch oder Feil und Milch Über allen technischen Schwiengkeuen mutz der Wille stehen, die Ver sorgung der Erwerbslosen sicherzustellen Der Minister richtete an die Länder die Aufsorderung, zur Durchführung Vieser Ausgabe mit der Reichsregierung Hand tn Hand zu arbeiten * Der deuische Weizenkauf in Amerika abgeschlossen. Das Farmamk bestätigt, daß es an Deutschland 7,5 Millionen Bushels lctwa 200 000 Tonnen! Weizen zu dem 'nn lO. September gültigen Marktpreis verlauft habe. Abrüstung mit Bremse. Das aüe Lieb. Italiens Vertreter Grandi hatte auf der Völkerbund- tagung tn Gens die Anregung gegeben, alle Staaten dieses Bundes sollten zunächst einmal sich ein ganzes Jahr hin durch jeder Rüstungsvermehrung enthalten; dann hatte der englische Vertreter mit größter Schärfe darauf ver wiesen, daß die für den 2. Februar 1932 anberaumte Ab rüstungskonferenz aller Staaten der Welt einfach nicht scheitern, nicht ergebnislos auseinanderlausen dürfe Nicht minder drastisch Halle er über die geradezu ungeheuren wirischafts- und finanzpolitischen Aufgaben und Nöle der Gegenwart deutlichste Worte darüber gesprochen, daß die Welt nur durch ein Zusammenwirken der Völker diese Krise überwinden könne. In beidem, der Abrüstung ebenso wie im Kamps gegen die Weltwirtschaftskrise, ist in Genf bisher jedenfalls nichts erreicht worden und demgemäß ist die Weltkritik gegenüber dem Völker bund nicht gerade mild. Wie stehl nun Frankreich zu dieser Kritik, zu jenen beiden Aufgaben? Briand selbst, der sich sozusagen zum „Pfleger" des Völkerbundes bestellt hat, antwortete ans die Kritik, antwortete auch auf Lord Cecils offene, mahnende Rede. Er antwortete aber nicht auf Grandis Vorschlag, der übrigens inzwischen zum offiziellen Antrag oerdichtet worden ist. Mil einem kurzen Satz erwiderte Briand auch aus die heutigen wirtschaftlichen Aufgaben eines wirklichen Völkerbundes: „In finanziellen und wirt schaftlichen Dingen kann der Völkerbund nichts Konkretes schaffen." Das will Frankreich nämlich dem „Europa- Ausschuß" Vorbehalten, nur konnte der bisher — auch nichts Konkretes schaffen. Und die Abrüstungsfrage? Wertvoll für ans Deutsche ist die Erklärung Briands, daß diese Kon serenz zu veranstalten eine Verpflichtung des Völker bundes sei ebenso wie die Abrüstung selbst, — eine „heilige" Verpflichtung sogar. Aber diese Konferenz soll noch — anders wie tn England — die i n n e n p o l i t i s ch- parlamentarischen Hemmungen. Es kri selt um den Außenminister. Von rechts her macht man ihm schwere Vorwürfe, daß und wie er in Genf den deutsch-österreichischen Zollnnionsplan „revo- ziert" hat. In der politischen Mitte und aus der Linken Hal Dr. Curtius nur noch wenige laue oder gar keine Freunde mehr, weil auch hier seine Haltung im Völker bundrat Tadel findet. Er mußte nach außen hin auf sich nehmen, daß der Schritt Deutschlands hinaus aus dem Käfig von Versailles vergeblich und erfolglos getan worden ist. Und Erfolglosigkeit ist nun einmal der bitterste Tadel gegenüber einem Staatsmann, wobei im Urteil freilich oft unbeachtet bleibt, ob sie verschuldet oder unverschuldet ist. Dr. Pr. nun die alte französische Forderung der „Sicherung" ver wirklichen, soll also die Ausgabe lösen, die man aus fran zösisches Drängen l!>26 im sog. Genfer Protokoll in An griff nahm. Man hörte also in Gens jetzt wieder wie immer: Erst Sicherung, dann Abrüstung. Die bisherigen Friedens-, „Nichtangriffs", Schiedsgerichtspakte zwischen staatlicher oder gar internationaler Natur genüaen also )en Franzosen nicht und wenn die Weltabrüstungskon- serenz mit der Ausgabe, eine „genügende" Sicherung gegen jeden Krieg zu schaffen, noch vor der anderen, ihrer eigent- ichen, betraut wird, dann wäre das die Verwirklichung les bisher immer gescheiterten französischen Planes, die Well zum bündnismäßig festgelegten Garanten der Sicherheit Frankreichs zu machen, also des militärisch kräftigsten Staates der Welt. lind wer garantiert die Sicherheit der Welt gegenüber Frankreich? „Erst Sicherheit, dann Abrostung!" Sagt Briand vor dem Völkerbund. Zu Beginn seiner Rede in der Vollversammlung in Genf führte Briand aus, daß er als Vertreter Frankreichs wie alljährlich auch dieses Mal wieder ein Glaubensbe kenntnis zum Völkerbund ablegen wolle. Die Völker wollten heute den Völkerbund, und er sei zu fest gebaut, als daß er erschüttert werden könne. Man müsse die Mög lichkeiten des Völkerbundes, die er habe, um die Kriegs- mögkichkeiten auszuschalten, voll ausschöpfen. Briand kam dann aus die Frage der europäischen Llnion zu sprechen. Die Ereignisse der letzten Zeit hätten denjenigen. Ke die europäische Union wollten, vollkommen rechIge - z e b e n. Die Notwendigkeit sei klar erwiesen. .Er wies ferner ruf die Besuche der Staatsmänner in Paris, Rom und London hin, weiter aus den Besuch, ver noch zwischen den deutschen tnd sranzösischcn Staats niännern staitjinden «erde. Alle diese Fühlungnahmen seien letzten Endes aus ven Lölkerbnnd zurückzusühren, ver ven Grund nnd Geist dazu ge ichassen habe. Es sei wichtig, daß der nniversclle Charakter des Lölkerbnndes gewahrt bleibe Es wäre versehlt. wenn sich :inzelne zusammensinden wollten, um zu irbeiten. Briand wies dann auf die Ausführungen Lord Cecils hin, und erklärte. Vaß man gerade Vic moralischen Grnnvlagen aichi vernachlässigen vürse. Zwei große Völker, Deutschland und Frankreich, suchten sich seit fünf Jähren zusaunucnzufindcn, nutzten sich neue Friedensgarantien zu geben nnv zu einer An näherung zu gelangen. Er. Briand, selbst, sei einer ver Bau meister dieser Annäherung, nnd er beglückwünsche sich dazu, )enn viese Periode seiner össcnllichev Tätigkeit sei die ehren- oollste seines Lebens Aber viese Zusammenarbeit set nnr mög lich gewesen vank vcni Völkerbund und mii Hilfe des Völker hundes. Ohne Zweifel stoße die Arbeit der Annäherung aus scharfe Kritik und Widerstand Die Staatsmänner seien heftiger Kritik und Schläge ausgesetzt. Er selbst habe dieses an sich erleben müssen, und diese Schläge