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Oktober!" — wenn man heute sieht, wie sich die innenpolitische Lage immer rascher kompliziert. Denn sie ist letzten Endes doch nur ein Reflex unseres wirtschaftlichen Notstandes. Und wenn sich in diesem die Spannungen ständig verschärfen, die Gegensätze zuspitzen, so überträgt sich das schnell auch aus den innenpolitischen Kamps. Es Hai keinen Zweck, dieses Wort „Kampf", „weitere Verschärfung und Zuspitzung der Gegensätze" zu vermeiden. Und man kann — und soll — auch nicht die Äugen dagegen verschließen, daß die Dinge in einer gefahrdrohenden Entwicklung vorwärtstreiben. Der Schiedsspruch über den Lohnabbau im rheinisch-westfälischen Kohlenbergbau ist sofort von Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite abgelehnt worden. Der Zechenverband verlangt eine Lohnsenkung von 12 Prozent, weil er voller Sorge einem Ansturm der englischen Kohle entgegensieht, die durch die Pfundent- wertung geradezu eine Exportprämie erhält und bisher schon mit größter Mühe an einem weiteren Vordringen nach Deutschland hinein verhindert werden konnte. Für sie Bergarbeiter bedeuten ja die 7 Prozent Lohnherab- setzung des Schiedsspruches eine Einkommensverminde rung, die vielleicht noch ertragen werden könnte, wenn der Bergarbeiter voll beschäftigt wäre. Leider ist das aber nicht der Fall; die Zahl der Feierschichten hat eine geradezu unheimliche Höhe erreicht. Und die Währungsnöte auch in den Ländern unseres Kohlenabsatzcs erschweren dort noch den Kampf gegen den englischen Wettbewerb. Sollen nun im deutschen Bergbau die Stillegungen sich noch ver mehren oder soll es gar zu einer sozialen Auseinander setzung kommen, die in seinen Untergründen mehr wäre als nur ein Lohnkampf? * Auch die große Erklärung, das Programm, das die Ipitzenverbände der deutschen Wirtschaft sem Reichskanzler soeben vorgelegt haben, ist mehr als rein wirtschaftlicher Natur. Sie sagt es selbst, daß sie ven Kampf für die Privat- oder „individualistische" Wirt schaft und gegen die staatlichen Eingriffe ganz grundsätz lich durchführen will und nur auf diesem Wege eine Über windung der Wirtschaftskrise erhoffe, zum mindesten eine erhebliche Besserung. Das wird sofort in unser partei politisches Leben hinüberreflektieren als ein Kampf für sen „Kapitalismus" und gegen den „Sozialismus". Daß man aber die Schmälerung des Wirtschaftsertrages durch sie staatliche Steuer- und Tarifpolitik, durch die Abgaben und Gebühren der Gemeinden usw. weitestgehend Ver bindern, also einen Abbau dieser Belastung herbeiführen will, dürfte aus grundsätzlichen Widerspruch allerdings aum stoßen, liegt auch in der Richtung der unter schwer sten persönlichen Opfern eingeleiteten und mit rücksichts losem Durchgreisen arbeitenden Sparpolitik in Reich, Ländern und Gemeinden. Anders aber ist es mit dem Punkt 2 des Programms der Wirtschaftsverbände: Re- orm des Tarif- und Schlichtungswesens im Sinne einer starken Verminderung der staatlichen Eingriffsmöglich- keiien und unter eigener Verantwortlichkeit der Arbeit geber und -nehmer. Dawn weiter: Anpassung der Löhne und Gehälter an die gegebenen Wettbewerbsverhältnisse, — beides zusammen letzten Endes also die Wieder einführung der individuelleren Lohnge staltung. Daß hier von Arbeitnehmerseile der Haupt widerstand einsetzen wird, ist ohne weiteres zu erwarten, gleichzeitig damit natürlich auch der Kampf der partei politischen Organisationen, soweit sich diese als Jnteressen- vertreter einer Arbeiterschaft betrachten, die bisher den gerade entgegengesetzten Weg gegangen ist und das Er reichte nicht aufgeben will. Man kann sich daher denken, welches Echo jene Vorschläge dort finden werden, und des weiteren, daß die Stellung des Kabinetts Brüning, partei politisch gesehen, dadurch alles andere als gestärkt wird. . * Demgegenüber verschwindet selbst der „Fall Cur- lius" im Hintergrund, in den er ja zeitweise schon durch den Besuch der französischen Minister gedrängt wurde. Er verliert an Bedeutung als Einzelfall, ebenso wie ja vor läufig die außenpolitischen Interessen ganz hinter den wirtschafts- und damit auch den innenpolitischen zurück- ireten. Bedeutung kann er nur von diesem innenpoli- lischen Standpunkt aus haben sür die Stellung des Kabi- nötts selbst, wenn natürlich auch nicht unmittelbar. Denn von viel größerer Wichtigkeit wird es werden, wie Brü ning sich zu dem Aufeinanderprallen der oben geschilder- icn Gegensätze wirtschafts- und vor allem sozialpolitischer Art verhalten wird. Er hat erklärt, mit seinem Wirt- schaftsprogramm nicht eher hervorzutretcn, als bis sich sie Entwicklung des englischen Pfundes einigermaßen übersehen lasse. Anders aber steht es mit einer Reihe von Punkten, die von jener Voraussetzung mehr oder weniger unabhängig sind und einer schleunigen Neuregelung harren, meist steuerpolitische, aber auch einzelne sozialpolitische Reformaufgaben. Doch auch in ihnen stoßen die sozialpolitischen Gegensätze schon hart aufeinander, innenpolitisch noch verschärft durch Ten denzen, die überhaupt ein Herumwerfen des Steuers nach rechts hinüber anstreben. Gewiß wird überall und immer in der Politik nichts so heiß gegessen, wie man es in Zer KM «dks MMMMM. Sturm auf Brüning? Das Manifest der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft hat in Kreisen der Neichsregierung be greiflicherweise größte Beachtung gefunden. Wenn jedoch ein Berliner Mittagsblatt, so wird an zuständiger Stelle erklärt, in diesem Zusammenhang von einem Sturm auf Brüning spreche, so sei das falsch. Die Reichs regierung empfinde das Manifest nicht als einen Angriff auf sie, sondern ganz im Gegenteil als eine Unter stützung. Es sei besonders hervorzuheben, daß sich unter den Unterzeichnern des Manifestes Verbände von der Staats Part ei bis zu den Deutsch natio nalen befänden. Die in dem Manifest klar heraus gestellte Feststellung, daß die S e l b st h i l f e der Industrie den Regierungsmaßnahmen vorauszugehen habe, sei eine Auffassung, die auch von der Reichsregierung geteilt werde. Hierzu schreibt die Abendausgabe des Vorwärts, des Zentralorgans der Sozialdemokratischen Partei: „Diese Erklärung von zuständiger Seite könnte von größter Bedeutung sein, wenn sie die Auffassung des ver antwortlichen Regierungschefs, des Reichskanzlers Dr. Brüning, wiedergeben würde. Wäre dies der Fall, so würde eine solche Stellungnahme der Reichsreaierung zu den ultimativen Forderungen der Unternehmer ge eignet sein, grundlegende Veränderungen der innenpolitischen Lage herbeizuführen. Sie würde eine offene Kampfansage an die gesamte deutsche Arbeiterschaft ohne Unterschied der Partei bedeuten. Der Reichskanzler wird auf das schnellste die Frage klären müssen, ob diese Stellungnahme gewissen Ressort wünschen entspricht, oder ob sie seine eigenen Ausfassungen wiedergibt!" Das steht fast wie eine Schwenkung aus, die die Sozialdemokratische Partei in ihrer Haltung der Re gierung gegenüber einzunchmen gedenkt. Sollte sie aus den Differenzen in ihrem eigenen Lager den Schluß ziehen, daß sie in ihrer Unterstützung des Regierungsprogramms zu weit gegangen ist? Wenn man dazurechnet, daß aus den verschiedensten politischen und wirtschaftlichen Jnter- essentengruppen die Neichsregierung mit einem Sturm von Protesten und Forderungen zur Ausgestaltung des Winterprogramms überschüttet wird, so wird man fest stellen müssen, daß sich die Aufgabe des Kabinetts immer schwieriger gestaltet, je mehr es zögen, die ge planten Maßnahmen endgültig bekanntzugeben. * Ois Sozialdemokraten bei Brüning. Über die Verhandlungen ihrer Unterhändler mit dem Reichskanzler gibt die sozialdemokratische Reichstags fraktion eine Mitteilung heraus, wonach die sozialdemo kratischen Vertreter die in der neuen Notverordnung zu regelnden Fragen zur Sprache brachten. Sie unterrich teten den Reichskanzler nochmals eingehend über ihren Standpunkt, namentlich in bezug auf die Frage der Neu regelung der Arbeitslosenversicherung und der restlosen Aufrechterhaltung des Tarifrechtes. Sie legten besonderes Gewicht darauf, daß eine weitere Herabsetzung der Unterstützungssätze in der Arbeitslosenversicherung nicht zu tragen sei. Im Zusam menhang damit wurde nochmals betont, daß die zuaesaate psvrm von Programmen, tsritarungen uns Beschlüssen aus sen Tisch stellt; aber „Gewitter über Deutsch land" ist noch ein recht zurückhaltender Ausdruck für das, was auch über dem Kabinett Brüning schwebt. Oer Wohnheimfiattengesetzentwurf. Erklärungen Stegerwalds im Reichstags au s s ch u ß. Der Wohnungsausschuß des Reichstages beschäftigte sich mit einem sozialdemokratischen Antrag über einen Wohnheimstättengesetzentwurf, der den Bau neuer Klein wohnungen Vorsicht. Dabei nahm Reichsarbeitsminister Stegerwald das Wort. Er sagte u. a.: Dem Ausschuß sei bisher noch kein bis ins einzelne ausgearbeiteter Negie rungsentwurf unterbreitet worden, da das Wohnheim stättengesetz stark in die Zuständigkeit der Länder cingrcife. Auf Grund der zum größten Teil vorliegenden Abände rungsvorschläge der Länder müsse der Referentenentwurf neu bearbeitet werden. Ein zweiter Grund, weshalb die Reichsregierung sich noch nicht mit einem Wohnheim stättengesetz befaßt habe, liege in der gegenwärtigen Ge samtlage Deutschlands. Perzögerungsabsichten kämen nicht in Frage. Er werde jedenfalls auf möglichst schnelle Vorlegung des Entwurfes im Kabinett und im Reichs rat drängen, über die Neugestaltung der Hauszinssteuer Beseitigung der schlimmsten sozialen Härten aus der Juni - Notverordnung nunmehr in der kommenden Notverord nung erfolgen müsse. Der Reichskanzler erklärte, daß das Neichskabinctt sich bereits in den nächsten Tagen abschließend mit dem Inhalt der neuen Notverordnung befassen werde. Im Verlauf der Aussprache erklärte der Reichskanzler, daß die Meldungen, wonach sich die Reichsrcgicrung mit dem Pro gramm der Wirtschaftsvcrbände identifiziere, und die dar aus gezogenen Schlußfolgerungen der Begründung ent behren. * Die bevorstehende neue Notverordnung. Berlin, 1. Oktober. Die Beratungen des Reichskabi netts und seine Verhandlungen mit den maßgebenden sinanz- nnd wirtschaftspolitischen Stellen sowie mit den Parteien sind soweit gediehen, daß sich von der bevorstehenden Notverord nung, die voraussichtlich am Sonnabend herauskommt, nach einer Meldung Berliner Blätter folgende Maßnahmen Mit teilen lassen: Verlängerung des laufenden Haushaltjahres von» 1. April bis zum 30. Juni 1932, Kürzung einzelner Sachaus gaben, soweit sich Kostensenkungen durch die eingetretenen Preisherabsetzungen vornehmen laßen, Ersparnisse am Perso- naletat in Höhe von 50 bis 60 Millionen, wobei eine Auf- rückungssperre für die Beamten n. die Herabsetzung der Höchst pensionen auch weiterhin im Vordergrund stehen, einzelne Aen- derungen des Tabaksteuergesetzes im Sinn von Erleichterungen, die sich als notwendig erwiesen haben, Senkung der Hauszins steuer um ein Viertel ihres jetzigen Satzes mit der Maßgabe, daß ein weiteres Viertel in drei bis fünf Jahren absinken und der Rest als Hypothek mit 10- oder 15jähriger Tilgungsfrist kapitalisiert wird, Erhöhung des Fonds für notleidende Gemein den von 60 auf 200 Millionen mit dem Ziel, die kommunalen Mohlfahrtslasten zu erleichtern, Einführung der Arbeitslosen- lanbsiedlung, Aenderung der früheren Notverordnung über die Arbeitslosenversicherung durch Erleichterung der Vorschriften für die Unterstützung jugendlicher Arbeitsloser. Zu diesen Maß nahmen finanzpolitischen Charakters soll sich dann noch die an- geköndigte Einrichtung von Sondergerichten hinzugesellen so wie die Neuregelung des Automobilspeditionswesens in Zu sammenwirken mit der Reichsbahn (Schenkervertrag). Soweit Maßnahmen auf dem Gebiet der Arbeitsolsenversicherung in betracht kommen, handelt es sich lediglich um Vorschriften, die das Präsidium der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung von sich aus erlaßen kann, wie Neuregelung -er Unterstützungs dauer usw. Aus der Notverordnung werden in Abweichung von den ursprünglichen Plänen dagegen voraussichtlich sämtliche be absichtigten Maßnahmen auf dem Gebiet der Kartell- und Ta rifpolilik, eventuell auch die beabsichtgte Senkung der Spitzen gehälter in der Privatwirtschaft herausbleiben. Zu den vor läufig zurückgestellten wirtschaftspolitischen Maßnahmen gehört auch das Projekt einer reichsgesetzlichen Regelung der Natu ralversorgung von Arbeitslosen. Es haben sich in den Verhand lungen, die das Reichsarbeits- u. Reichsernährungsministerium geführt haben, zahlreiche Schwierigkeiten für eine zentrale Re gelung ergeben, so daß man gemeindeweise vorgehen wird; und die zukünftige Gestaltung der Bauwirtschaft könne er noch keine Einzelheiten mitteilen, ohne der Entscheidung des Reichspräsidenten vorzugreifen. Von einem plötzlichen Abbau der Wohnungsbau zwangswirtschaft könne keine Rede sein. Jedoch könne man weitere Lockerungen vornehmen. Die Auswanderung aus den Städten nach dem Lande nähme heute immer mehr zu. Infolgedessen bedürfe es einer ein gehenden Prüfung, damit Kapitalfehlleistungen auf dem städtischen Baumarkt vermieden würden. Schließlich wurde die sozialdemokratischeEntschließung zugunsten der Ncubelebnng des Wohnungsbaues mit den Stimmen der Antragsteller und der Kommunisten ange nommen. Einspruch des Stahlhelms. Gegen das Ergebnis des Volksentscheids. Das Bundesamt des Stahlhelm hat an das Waht- prüfungsgericht beim Preußischen Landtag ein Schreiben gerichtet, in dem gegen das Abstimmungsergebnis des Volksentscheids auf Landtagsauflösung in Preußen, wie es der Landcswahlausschuß festgestellt hat, Einspruch er höbe« wird. In dem Schreiben wird eine Anzahl von Gründen aufgcführt, die nach Ansicht des Stahlhelms be weisen, daß Übergriffe im Sinne einer Abstimmungs- behindcrung oder irreführenden Beeinflussung durch die Behörden stattgcfunden haben und daß die in der Ver- fasiuna voraesebcne Abstimmunasfreiheit und das Ab-