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MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, N« »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in ber Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung L NM. zuzüglich Abtrag- . . ., . gebühr. Einzelnummern lEpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. triigerund Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be« stellungen entgegen. ZmFallc hSherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Nücksendung eingesandter Schriftstücke «chalgt nur, wenn Porto beiltegt. für Äürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: de «gespaltene Na««zet!e 2V Npfg., diettgespajcheue Zeile der amtlichen Bedanutmachuuge» 4VA«tch«- pfcnnig, die «gespaltene Reklamrzeil« im textlichen Teile 1 Reichsmark. Rachweisungsgebl^br 20 Reich»?fruui-e. geschriebene Erfcheinungs- tage und Platzuorsch^ke» werden rach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Milsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Nuri«-» aunahmebrsvorm.lvUbr. — ' FAr die Richtigkett d« durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Ieder Nabatlanspruch erlischt, wen» derBet»«g d«rch Klage eingezogen werden must oderderAnftrag geber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Dermittlnugsstelleusntg-M-n. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des ForstrenLamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 230 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 2. Oktober 1931 Der Schiedsspruch. Daß nur wenige Stunden vor Ablauf des Lohn- uni Arbeitszeittarifes im Ruhrbergbau die Verbindlich keitserklärung des — abgeänderten Schiedsspruches er folgte, ist ebenso ungewöhnlich wie die andere Tatsache, vaß dem Reichsarbeitsminister durch eine Notverordnung Vie Befugnis erteilt wurde, nach eigenem Ermessen einer verbindlichen Schiedsspruch zu erlassen und damit auch oie Entscheidung zu füllen, gegen die es eine Berufuna oder Ablehnung nicht gibt. Das letztere haben wir jo schon einmal bei Tarifstreitigkeiten im Kohlenbergbau er lebt und Verbindlichkeitserklärungen von Schiedssprüchen im allerletzten Augenblick sind überhaupt etwas oft Vor- iommendes. Das Wesentliche vielmehr ist hier ein anderes, oas sich besonders auf die Geltungsdauer des Schieds spruches auswirkte: Nicht, wie ursprünglich vorgesehen, für vier, sondern nur für zwei Monate soll die vom Rcichsarbeitsminister gefüllte Entscheidung in Kraft bleiben, und zwar ebenso der neue Lohntarif wie die Regelung der Arbeitszeit; außerdem erfolgt die Aufhebung aer Beitragspflicht für die Arbeitslosenversicherung, so saß die hierfür zuständige Reichsknappschaft van der Reichskasse eine Entschädigung erhalten muß. Daher wird aus der Ärbeitgeberseite eine Kostenersparnis sowohl durch Lohnreduzierung wie durch Wegfall der Arbeitslosenbei- :räge erzielt; auf der Arbeitnehmerseite wird die Lohn- l)erabsetzung dadurch gemildert, daß auch hier keine Ar- seitslosenbeiträge bezahlt zu werden brauchen. Aber all dies: jetzige Lohnhöhe und Arbeitszeit, dazu sie Befreiung von einem Teil der Soziallasten, gilt, wie gesagt, nur für zwei Monate und soll durch die hierbei nntretenden Kostenersparnisse bei der Erzeugung und der Verarbeitung eine Preissenkung beim Absatz g erbeiführen. Vor allem bei der Ausfuhr und im Gestrittenen Gebiet, wo überall die deutsche Kohle in den Wettbewerb mit der englischen tritt. Daß diese von der Vfundentwertung bis auf weiteres profitiert, ist ja be gannt. Daß ferner eine andere Konkurrenz, nämlich die polnische Kohle, vom Staat durch übermäßig billige, sie Selbstkosten nicht deckende Eisenbahntarife ganz offen -ubventioniert wird, wissen besonders die Engländer nur allzu genau, denen die Polen dadurch das nordeuropäische Absatzgebiet abnahmen. Und daß schließlich überhaupt die Anfuhr in Länder, die den Goldstandard ihrer Währung aufgegeben haben und deshalb „schwach" geworden sind, run erheblich behindert wird, wenn eben nicht Preisnach- ässe auf die bei ihnen abzusetzenden Waren erfolgen, — auch damit muß wenigstens so lange gerechnet werden, bis sas Währungspendel wieder zur Ruhe gekommen ist und Sie Binnenpreise und -löhne der betreffenden Länder sich auf den neuen Währungsstand eingestellt haben. Das sürfte überall dort sehr schnell geschehen, wo man schon sinmal die „negativen Reize" einer Inflation genossen 'M. Andererseits werden wohl Länder mit stabil ge- Riebener, am Goldstandard festhattender Währung bald ;u zollpolitischen Schutzmaßnahmen gegen das „Valuta- sumping" greifen; Italien hat damit schon angefangen and die Vereinigten Staaten scheinen sich dafür zu rüsten. Der Schiedsspruch für den Ruhrbergbau will also vor allem die Möglichkeit für A u s f u h r „k a m p f"- sreise schaffen; wollen die deutschen Kohlenzechen also nicht ihren Export einbüßen, dann müssen sie die für sie eingetretene Kostenermäßigung voll zur Geltung sringen. Die englische Konkurrenz wird schon dafür chrgen, daß es geschieht. Somit ist — zum erstenmal in sieser Deutlichkeit — die deutsche Lohnpolitik auf einem ganz bestimmten Wirtschaftsgebiet maßgebend beeinflußt ssorden durch wirtschaftliche Entwicklungen, und zwar siesmal im Ausland oder — um das in eine früher oft aufgestellte, aber recht selten befolgte Forderung zu kleiden: Die Löhne müssen an die Preise „gekettet" werden; an sie Preise nämlich, die beim Absatz erzielt werden können. Was wir bisher meist besaßen, war der „Jndexlohn", der oom Stand der Lebenshaltungskosten wesentlich beeinflußt wurde und daher bei Arbeitskümpfen eine Hauptrolle ipielte und vorläufig auch noch spielen wird. Die Ver kettung von Lohn und Preis findet man auch wieder in üner Forderung der D e n k s ch r i f 1, d i e d e r R e i ch s - serband der Deutschen Industrie mit einer Reihe anderer Verbände bekanntlich soeben an die Reichs- cegierung richtete: Anpassung der Löhne und Gehälter an die „gegebenen Wettbewerbsverhältnisse". Das geschieht in einem gewissen Umfang, zumindest grund sätzlich im Schiedsspruch für den Ruhrbergbau. Auf der anderen Seite erfolgt aber — zum zweiten mal und wieder durch eine besondere Notverordnung — ün Eingreifen in das bestehende Schiedsspruchverfahren, sas zwar durchbrochen wird, aber in einem Sinne, der ein weit schärferes und mit noch größerer Verantwortung der Regierung belastetes Vorgehen der öffentlichen Gewalt sarstellt. Will man auch hierbei hinüberfehen auf die ent- prechende Forderung der Reichsverbandsdenkfchrift, so wird darin gerade das Gegenteil verlangt: Be- witigung der Verbindlichkeitserklärung und eigene Per- rntwortlichkeft in beiden Parteien. Aber in dem vor- uegenden Falle ist ja ein — dazu noch befristetes — Rot- eecht geschaffen worden, das von rein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgeht und volkswirtschaftliche Ziele im Kampf mit der Wirtschaft des Auslandes erreichen will. Gekündigte Tarife Ser Kampf um den Lohn. Die Folgen des Schiedsspruchs im Ruhrbergbau. Der durch Notverordnung festgesetzte Lohnabbau im Ruhrbergbau hat keine der beiden streitenden Par teien befriedigt. Arbeitgeber sowohl wie Arbeitnehmer sind mit dem Resultat nicht einverstanden, aber sie fügen sich, wenn auch widerwillig, dem Spruch. Nur ein kleiner Teil der Arbeiterschaft aus dem kommunistischen Lager hat sich bemüht, auf einzelnen Schächten wilde Streiks zu entfesseln. Sie fanden aber nur vereinzelt und in ge ringem Matze unter der Bergarbeiterschaft Gefolgschaft. Fm ganzen Ruhrgebiet herrscht Ruhe, und von der Polizei ist überall ausreichende Vorsorge getroffen worden, um gewaltsame Arbeitsstörungen zu verhindern. Im ganzen gesehen kann, wie der Bergbauverein mitteilt, der Streik bei seiner geringen Ausdehnung als unerheblich bezeichnet werden. Auf mehreren Schächten sind zum Streik hetzende Betriebsratsmitglieder fristlos entlassen worden. Auch oer Lohnstreit im Wurmrevier ist von radikalen Ele menten dazu benutzt worden, um die Belegschaften zu einem Generalstreik aufzufordern. Wie der Eschweiler Bergwerksverein aber mitteilt, ist die Lage auf sämtlichen Gruben als ruhig anzusehen, da nur ein ganz geringer Bruchteil der Belegschaft nicht zur Frühschicht ein gefahren ist. Vom allgemeinen Arbeitgeberstandpunkt aus kritisiert die Kölnische Zeitung die Verbindlichkeits- erklärung des Lohnschiedsspruches im Ruhrbergbau. Sie ichreibt u. a.: Menschlich sei den Bergbauarbeitern eine geringere Senkung ihrer Einkünfte, als sie der Schieds spruch mit sieben Prozent vorsah, durchaus zu gönnen. Die vorgesehene Regelung vermindere ihren Lohnabzug um etwa die Hälfte, und ebenso werde den Arbeit gebern eine weitere Entlastung zuteil. Aber die Er leichterung dieses Wirtschaftszweiges gehe zu Lasten des Reiches. Was dem Kohlenbergbau zugute komme, müßten die anderen arbeitenden Wirtschaftszweige mehr tragen. Die Reichsregierung weiche vor den Konsequenzen aus dem Versagen des Schiedswesens aus. Das Verhalten der Reichsregierung bedeute, daß die Folgen der eng lischen Jnflationskonkurrenz die deutsche Wirtschaft infolge dieser verminderten Kostenentlastung mit verdoppelter Wucht treffen würden. Die Milderung des Lohnabzuges werde mit einem Mehr an Ent lassungen in anderen Zweigen erkauft werden müssen. Zuletzt aber werde man den Schnitt, dem man jetzt aus wich, mit um so größerer schmerzhafter Wirkung tun müssen. Aus schwierigen Lagen Howe immer nur ent schlossenes Handeln herausgeholfen, nicht aber Zaudern und Ausweichensuchen. Bei den zahlreichen noch laufenden Erledigungen ge kündigter Lohntarifc nimmt man an, daß die siebenprozen tige Lohnkürzung im Ruhrbergbau als Muster und eine Art Norm dienen und auch bei anderen Schlichtungsver fahren zur Anwendung kommen wird. * „Elastische Tarifpolitik". Die Ablehnung durch die Gewerkschaften. Der Kampf um das Tarifrechi ist jetzt in ein akutes Stadium getreten. Im Reichsarbeitsministerium ist die Forderung der Arbeitgeber nach einer „e l a st i s ch e r e n Gestaltung der Lohn- und Tarifpolitik" Gegenstand der Beratungen. Mit den gewerkschaftlichen Ipitzenorganisationen ist bereits verhandelt worden Ver schiedene Vorschläge sind dabei erörtert worden: eine völlige oder teilweise Aufhebung der Unabdingbarkeit der Tariflöhne und -gehälter, eine weitgehende Einschränkung der Perbindlichkeitserklärung, die Ermöglichung unter tariflicher Bezahlung usw. Die Gewerkschaften aller Rich tungen haben dem Reichsarbeitsminister und dem Reichs kanzler gegenüber alle Forderungen, die auf eine Beseiti gung oder Gefährdung des Tarifrechts hinauslaufen, ab gelehnt. * Die Gewerkschaften in Front. Gegen die Denkschrift der deutschen Wirtschaft. Die Führer der gewerkschaftlichen Spitzenverbände haben zu der bekannten Denkschrift der deutschen Wirt schaft Stellung genommen. Die Spitzenverbände der Unternehmer haben in gemeinsamer Erklärung die Reichsregierung aufgeforderl, die Wirtschaft von allen staatlichen und sozialen Bindungen zu befreien. Auf diese Weise soll der wirtschaftlich Schwache uneingeschränkt der Willkür des wirtschaftlich Starken ausgeliesert werden. Das würde — wie es in der Entschließung der Gewerkschaften heißt — den hemmungslosen Kampf aller gegen alle und die Auflösung jeder gesellschaftlichen Ordnung be deuten. Seit 1'/- Jahren wird als Ausweg aus der Krise die Senkung der Löhne und Gehälter, sowie der Abbau der Sozialpolitik propagiert und betrieben. Das Ergeb nis ist eine ungeheure Verschärfung der allgemeinen Not. Deshalb verlangen die Gewerkschaften sowohl im Interesse der Arbeitnehmer als auch des Volksganzen oie Abkehr von dem seither beschrittenen Wege und er heben erneut folgende vordringliche Forderungen: Die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung aller Arbeitslosen. Verkürz ungderArbeiRszeit — insbesondere durch Einführung der 40-Stunden- Woche — zum Zwecke der Mehrbeschäftigung von Arbeits kräften. Erhaltung und Steigerung der Kaufkraft der Löhne und Gehälter, Sicherung des Tarifrechts und des staatlichen Schlichtungswesens. Senkung der Zölle mit dem Ziele der stärkeren An passung der deutschen Preise und Lebenshaltungskosten an vas gesunkene Preisniveau des Weltmarktes: Druck auf überhöhte Handels- und Verarbeitungsspannen. Auflocke rung der monopolistischen Preisbindungen in allen Stufen der Wirtschaft bei gleichzeitigem Ausbau der öffentlichen Kontrolle Öffentliche Bankaufsicht mit dem Ziel der Verhütung von Fehlleitungcn des Kapitals und Sicherung volkswirt schaftlicher Kapitalvcrwendung. Rücksichtslose Kürzung der überhöhten Tpttzengehälter und Pensionen in Wirt schaft und Verwaltung. Die Durchführung muß verbunden sein mit der Ab wehr aller die Währung bedrohenden Experimente, ferner mit zielbewusster Förderung der internationalen Verstän digung und Zusammenarbeit zur Sicherung gesunder Kapitalverteilung sowie zur Lösung der Frage der inter nationalen Kriegsverschuldung und der Reparationen. * Ztraksetzung der Dauer der Arbeitslosemmter-öhW Von 26 auf 20 Wochen. Der Vorstand der Reichsanstatt für Arbeitslosenver sicherung und Arbeitsvermittlung Hal beschlossen: Die Untcrstützungsdauer von 26 auf 20 Wochen herabzusctzen, bei Saisonarbeitern auf 16 Wochen. Diese Maßnahme erfolgt bei einer Annahme eines Höchst standes an Arbeitslosen von 6)4 Millionen. Berlin. Die Neuregelung der U n t c r st ü tz u n g s - dauer für Arbeitslose tritt am 5. Oktober in Kraft. Die durch den Beschluß des Vorstandes erzielte Einsparung soll die finanziellen Anforderungen sichcrstellcn, die bei einer Höchstzahl von Millionen Arbeitslosen im kommenden Winter für Unterstützungsleistungen in der Arbeitslosenver sicherung erwachsen werden. Ein abschließendes Urteil über die weitere Entwicklung ist zurzeit nicht möglich. * Wie dleArSMdieuiWcht helfen könnte. Arbeitslosigkeit und Arbeitsdienst. Auf einer Kundgebung der „Reichsarbeits- gemeinschaft für deutsche Arbeitsdienst- Pflicht", der Vertreter der Reichs- und Staatsministerien sowie von sonstigen Behörden, Parteien und Wirtschafts verbänden beiwohnten, legte Geheimrat Böhmer ein Pro gramm vor, das die Reichsarbeitsgemeinschaft der Reichs- cegierung und der Öffentlichkeit unterbreitet und das be sagt, die Arbeitslosigkeit könne größtenteils durch Arbeits- vienstpflicht beseitigt werden. Durch beschleunigte Durch führung von Meliorationen könnte für ein Jahrzehnt Arbeit für 340 000 Arbeitskräfte geschaffen werden, ferner dauernde Arbeit für 350 000 Siedler und über 900 000 Arbeiter außerhalb der Landwirtschaft. Notwendig dazu wäre nur das Anlaufskapital von etwa achtMillionen M a r k. Die Einführung der allgemeinen Arbeitsdienst pflicht und die Verwendung der ' Arbeitsdienstpflichtigen beim H e i m st ättenbau sei der einzige Weg, auf dem oie Mittel, die für die Arbeitslosigkeit aufgewendet werden müßten, der Beseitigung der Arbeitslosigkeit wirklich dienstbar gemacht werden könnten. Laval führt am 16. Oktober nach Amerika Amtlich verlautet, Ministerpräsident Laval werde die Besuchsreise nach Amerika am Freitag, den 16. Oktober, an Bord des Ozeandampfers „Ile de France" antreten. Während seiner Abwesenheit übernimmt Jusüzminister Berard vertretungsweise das Ministerpräsidium, während Landwirtschaftsminister Tardieu als Junenminister am tieren wird.