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Im Weltkrieg erfocht die Maschine den Sieg über den M e n schon und in der Zeit hernach raste sie förmlich empor zur .Höhe des Triumphes. Im Nationalisicrungsprozeß am laufenden Band der Er zeugung war der Mensch nur ein Rädchen, ein kost spieliges, das wohl nicht ganz mit der Präzision des rein Maschinellen arbeitete, das aber vorläufig doch nicht restlos vom Stahl- und Metallrüdchen ersetzt werden konnte. Die Höchstsieigcrnng — bei .Höchstrationalisie rung — der Erzeugung war das Ziel an sich und man schien ganz vergessen zu haben, daß das Erzeugen doch für jemanden geschehen müsse, — für den Menschen näm lich. Der aber stand und steht zu vielen Millionen draußen, hat keinen Anteil am Prozeß der Erzeugung und kann oder soll auch keinen Anteil mehr am Er zeugten selbst haben. Und — was das Schlimmste ist — in den Millionenheeren der Arbeitslosen verkommt und verfault allmählich das, was den Menschen zum Menschen macht: der Wille zur zweckvollen Arbeit. Zu immer fabelhafteren Maschinen schraubt sich unser Zeitalter hoch, immer arbeits- und kostensparendcr wer den die „Produktionsmittel", reißend breitet sich die Zivilisation aus. Aber ebenso schnell schwindet die Kultur, die an den Maschinen vorbei nur auf den Menschen sieht, an ihn denkt und Ausdrucksweise seines Geistes ist. Wir besaßen beim Kerzenlicht mehr Kultur als bei der strahlendsten Bogenlampe. Wenn der Mann, dessen Ramen für dieses Maschinenzeitalter als der Typ betrachtet wird, wenn Ford ans seiner Muster farm unweit Detroit, wo in seinen Riesenwerken das laufende Band schon sehr viel langsamer vorwärts geht, die landwirtschaftlichen, die arbeits- und a r b e l t e r e r s p a r c n d e n Mas eh inen beiscitestellt und dafür 65b arbeitslos gewordene Angehörigen jener Fabriken zur Handarbeit einstcllt und ihnen damit Brot und Lohn gibt, so ist das mehr als die Laune eines hundertfachen Millionärs. Er hat an sich schon seine Theorien Zusammenstürzen sehen unter dem Sturm der Krise; er, der Mann, der immer die Zahlung möglichst hoher Löhne in der Welt propagierte, um da durch die Massenkaufkraft zu steigern, hat in seinen Fa briken neben der Entlassung von Zehntausenden, neben der zeitweiligen Produktionseinschränkung auch einen Lohnabbau vollziehen lassen der weit über das Maß der z. B. in Deutschland erfolgten Lohnsenkung hinausging. Ford hatte versprochen, kein Arbeiter solle in diesem Winter hungern müssen. Jetzt ließ er Hunderte von ihnen hinausmarschieren auf seine Farm, mit Spaten und Hacken versehen, vorbei an den Dampfpflügen und sonstigen land wirtschaftlichen Maschinen — zur Handarbeit! Der Mensch marschierte. * Und die Erkenntnis, die Vernunft marschierte. Beim Kerzenlicht sprach und schrieb man von „bumAwtas", von Humanität, die den Menschen als solchen höher bewerten wollte als frühere Zeiten es getan hatten. Beim vielhundertkerzigen Schein der elektrischen Lampe rühmt man die Gegenwart als das soziale Zeitalter. Aber ein Blick aus die jetzigen Verhandlungen wegen der deutschen Tribute läßt die Achseln darüber zucken; denn die Milliardenzahlen triumphieren über den deutschen Menschen. Selbst nach amerikanischen Fest stellungen hat Deutschland seit Kriegsende etwa 36 Mil liarden Tributlcistungen ans sich nehmen müssen. Davon erhielt Frankreich über 18 Milliarden, — und beziffert doch selbst seine Kriegsschäden nur auf etwa 16 Milliar- oenl Nach deutschen Feststellungen haben wir etwa 55 Milliarden hergegeben, aber auch das hat nicht genügt, um der Welt die Irrsinnigkeit der französischen Be hauptung klarzumachen, daß „Frankreich den Wieder aufbau seiner zerstörten Gebiete selbst und allein habe be zahlen müssen". Statt jenes verhältnismäßig kleinen Teiles des nord- und ostfranzösischen Gebietes, wo der Krieg Ms Zerstörer raste, wo aber die fast astronomisch hohen Wahlen deutscher Tribute wirksam waren, wurde die Ortschaft eines 65 - Millionen - Volkes zerstört und die Weltwirtschaft aufs furchtbarste erschüttert. Man hat Millionen von Menschen vor Arbeitslostgkett, ^leyh Not gestellt, vor der sie nur durch die kümmer- Ochey Spenden des Staates nicht mehr bewahrt werden wnnen. Und in diesen Millionen Menschen ist mehr Zerstört als nur die äußere, die soziale Daseinsgestaltung; wenn aber in ihnen so viel znsammenbrach, dann ist es natürlich, daß die soziale Welt heute von einem dumpf grollenden Erdbeben geschüttelt wird. * Maschinen, Tributzahlen und die Rückwirkungen dieser beiden Jrrsinnserscheinungen treiben die deutschen Menschen immer tiefer ins äußere und innere Chaos hinein. Wie Ford die Maschinen beiseitestellen ließ, um dem Menschen zu helfen, wie Deutschland die tragisch-groteske Zahlenhöhe seiner Tribntleistungen un bedingt zur Kenntnis und Erkenntnis der Welt bringen AAl deutschen Menschen zu reiten, so sind Wir lelbp letzt gezwungen, zu einer richtigen Ken n Hi s M JeilWM ZahlmMWt. Tribute und Schulden. Der Standpunkt der Reichsregterung in der Frage der Nachprüfung der Zahlungsfähigkeit Deutsch lands ist ziemlich eindeutig festgelegt worden. Es kann sich dabei nicht um eine gesonderte Behandlung von P ri v a t s ch u l d en und Reparationen handeln, sondern nur um eine gemeinsame Prüfung beider. Das Vorhandensein der einen begründet die Unmöglichkeit, die andere zu zahlen und so bildet ihre wechselseitige Ver kettung die Grundlage für Deutschlands Zahlungs- fchwäche. Sollte daher der Ausschuß des Young-Plans einberufen werden, so muß er mit erweiterten Vollmachten ausgestattet werden, die ihn in die Lage versetzen, die Tribute und die Privatschulden in den Kreis seiner Untersuchungen zu ziehen. Gleich diese erste deutsche Forderung scheint auf den scharfen Widerstand Frankreichs zu stoßen. So soll die Antwort der fran zösischen Regierung aus die neuen Vorstellungen des deut schen Botschafters dahin gegangen sein, daß Laval sich weigere, irgendeine Verbindung der Tribute mit den Privatschulden anzuerkennen. Laval habe von Hoesch zu verstehen gegeben, daß die T r i b u l e zuerst geregelt werden müßten und daß sich die Reichsregterung in der Frage der kurzfristigen Kredite direkt mit den Gläubigern äuseinanderseyen solle. Troy der augenblicklichen Mei nungsverschiedenheiten zwischen den beiden Regierungen rechnet man in französischen politischen Kreisen mit der bevorstehenden Einberufung des Ausschusses, dem als letzte Möglichkeit immer noch der Weg offen stehe, die Regelung der Angelegenheit an die Gläuvigerregie- rungen zurückzuverweisen. Die Unterredung, die der deutsche Botschafter mit Finanzminister Flandin hatte, bezog sich in erster Linie aus die Folgen, die die Wiederausnah m e des Young-Plans haben werde, d. h. darauf, in welcher Weise sich die Zahlungen vollziehen werden und die Transferie rung gedacht ist. Über die Pläne Lavals kommen jetzt aus Washington sehr beunruhigende Meldungen, die die Ab sicht Frankreichs zeigen, die finanziellen und wirtschaft lichen Fragen mit politischen zu verquicken. Laval habe, so heißt es, in einer seiner Unterredungen, die er in Washington hatte, ganz offen seiner Absicht Ausdruck ge geben, sich von Deutschland die Zusicherung geben zu lassen, daß es alle Bemühungen zur Änderung des Friedensvertragcs von Versailles einstellen und die Frage des polnischen Korridors während einer bestimmten Anzahl von Jahren nicht anrühren werde. Diejenigen Amerikaner, denen der Inhalt und die Natur dieser Unterhaltung bekannigeworden seien, hegten die ernstesten Besorgnisse für die Zukunft. Sie seien — zu recht oder zu unrecht — daraus gefaßt, daß Frankreich das Ansehen der Brüning-Regierung beim deutschen Volk untergraben wolle, was ernste Folgen haben könne. Sicher sei jedenfalls, daß Amerika keine weiteren Schritte aus wirtschaftlichem Gebiet tun werde. Das Hoover- Jahr werde ohne Nachfolger bleiben, und Amerika werde keinen Beitrag zur Organisation des Weltfriedens in Form einer öffentlichen Übernahme von Verantwort lichkeit mehr liefern. Europa müsse ohne amerikanische Hilfe einen Weg ans seinen Röten finden. Die GWHattefraßs. Die amerikanische» Banken erwarten Teilrückzahlung. Die Besprechungen der amerikanischen Großbanken über die Weiterführung des Stillhalteabkom mens sind bereits in vollem Gange. Man will ver suchen, möglichst noch vor dem 1. Dezember eine Einigung zu erzielen, da die New Yorker Finanzinstitute Bedenken tragen, den deutschen Banken vor einer Verständigung über die zukünftige Behandlung der alten Kredite uns c§rlen n in ls unserer wirtschaftlichen Werte zu kommen, die uns noch verblieben sind. Wir müssen den Zahlen zu Leibe gehen, die heute behaupten, diese Werte wiederzugeben. Wir müssen eine unerbitt liche Bilanz ziehen und dürfen uns dabei vor dem Eingeständnis der Armut nicht scheuen. Schon einmal, nach der Inflation, waren wir zu einer solchen „Gold- mark"bilanz genötigt nnd sie zerstörte „aufgeblasene" Bil lionenzahlen. Zerstörte sie aber äußerlich und innerlich doch noch nicht von Grund aus. Was seitdem noch ver kam und verfaulte, was uns durch die Maschinen und durch die Tribute genommen wurde, muß jetzt „ab geschrieben" werden, um zu einer Sanierung zu gelangen. Um vor allem zu erreichen, daß die „frisierten" Mil lionenzahlen zerplatzen wie Seifenblasen. Um die Menschen in Deutschland und in der Welt vom Jrrtraum der Zahlen und Maschinen zu erwecken und sie vor die Wirklichkeit des nüchternen, unbarmherzig-klaren Tages zn stellen. wenere Aizeptlredtte zu gewähren, die erst nach Ablauf der Stillhaltesrist fällig würden. Die Verhandlungen dürften sicherlich geraume Zeit beanspruchen, um so mehr, als von deutscher Seite noch keine Vorschläge gemacht worden sind. Indessen kann man schon jetzt erkennen, daß die amerikanischen Banken auf die Rückzahlung wenigstens eines Teiles der kurzen Kredite drängen werden. Bei allem Verständnis für Deutschlands Notlage scheint mau zu glauben, daß Sie deutschen Schuldner Ende Februar mindestens 20 bis 25 Prozent der Stillhalte kredite zurüclzahlen können. Die Umwandlung der kurz fristigen Kredite in langfristige Anleihen stößt hier auf entschiedenen Widerspruch, da sich die Banken nicht der Möglichkeit berauben wollen, die kurzfristigen Akzepte auf dem offenen Markt oder bei der Bundesreservebank zu diskontieren, während cs andererseits unmöglich er scheint, langfristige Anleihen beim Publikum untcr- zubrinqen. * Eigenartiger französischer Vorschlag. Deutsche Zölle als Sicherheit für eine große A n l e i lpe 2 Nach Meldungen aus Paris ist dort jetzt der Vor schlag gemacht worden, Die eingefrorenen Kredite in Deutschland, die größtenteils im Februar fällig werden und mit 380 Millionen Pfund beziffert werden, mit Hilfe einer großen internationalen Anleihe zu verlängern. Es soll dabei ein Schuldentilgungsfonds ge bildet werden, für den bestimmte deutsche Zölle, N c i ch s e i ii n a h m e n und S v n d e r st c u e r u als Sicherheit dienen sollen. Die Verwirklichung dieses Vorschlages würde nichts mehr und nichts weniger im Gefolge haben, als die Ein setzung einer internationalen K 0 n t r 0 l l ko m m i s s i 0 n zur Überwachung der deutschen öffentlichen Einkünfte, d. h. einen unerträglichen E i n g r i f f in die staat lichen Hoheitsrechte Deutschlands. Francois Poncet berichtet Laval. Widersprechende Vermutungen. Der französische Botschafter in Berlin, Francois Poncet, ist in Paris eingetroffen. Er wird sich noch an: selben Tage mit Laval in Verbindung setzen. Französischer- seits versichert man, daß der Botschafter dem Ministerpräsi denten die neueste deutsche Auffassung über die Tributfragc unterbreiten werde. Die Vorschläge bezögen sich auf alle Fragen, die in den letzten Tagen Gegenstand von Be sprechungen zwischen Hoesch und Laval gewesen seien. Die deutsch-französischen Besprechungen träten nunmehr in ein entscheidendes Stadium. Demgegenüber wird aus Berlin berichtet, daß diese in der französischen Presse wiedcrgegebenen Gerüchte nicht auf Wahrheit beruhten. Der französische Botschafter sei weder Träger irgendwelcher Vorschläge der Reichsregie rung in der Tributfrage, noch gelte sein Besuch überhaupt der Erörterung dieses Problems. * Revision? Nein? Änderung? Za! Außenpolitische Erklärungen Herriots. Der neugewählte Präsident der radikal-sozialistischen Partei, Herriot, hielt in Paris eine große außenpolitische Rede. Er begann mit der Verteidigung der Partei gegen den Vorwurf, außenpolitisch versagt zu Heven. „Wir haben nicht nur normale Beziehungen mit Deutschland wiederhergestellt, sondern wir haben auch ohne Wider spruch, ohne Lärm, ohne Protest 25 Milliarden Franc in die Taschen Deutschlands geleitet, die nicht wenig dazu beigetragen haben, das Land finanziell wieder auf zurichten." Was aber hätten die anderen getan? „Vor uns nichts! Nach uns nichts! Doch, an die Stelle des Dawes-Planes haben sie den Young-Plan gesetzt!" Man habe der Partei ihre Haltung in der Anschlußsrage vor geworfen. Er sei aber der Meinung, daß die Lehren der Geschichte nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Zur Frage der Revision der Verträge er klärte Herriot, daß der Artikel 19 des Versailler Vertrages die Nachprüfung unanwendbar gewordener Verträge vor sehe. Er widersetze sich nicht der Untersuchung der Möglich keit von Ergänzungen. „Revision der Verträge? Nein! Änderung im Rahmen der Verträge? Ja!" Preissenkung um 20 prozeni. Was die nächste Notverordnung bringen soll. Nach dem Bericht eines Berliner Montagsblattes wird die nächste Notverordnung, die jetzt vom Neichskavi- nett zusammen mit dem Wirtschaftsbeirat vorbereitet wird, den Wert der Mark um 20 Prozent dadurch erhöhen, daß die Kaufkraft der Mark durch Senkuna der Kosten der