Volltext Seite (XML)
MMufferMeblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das ^Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung glich Abtrag- . ... , gebübr. Einzelnummern lORpfg.AllePostansialten fÜk U. PostbotenundunsereAus- tragerund Geschlistsstellcn ' " . - > nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Kreg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Slückscndung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die 4geipaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3 gespaltene Aeklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor- Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annahine bis vorn».1VUHr. Für die Nichtigkeit der durch Fernruf übermittelte» Anzeigen übern, wir Kline Marantie. Jeder Rabattantpruch erlisch», wenn der Betrag durch Klage eingczogcn werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anz. nehmen alleDermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadrrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 266 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" 'n- .n - 7.V.7" - - .-7.7'"' ...^>"7 Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 14. November 1931 Das Drama gehl weiter. Kurzer Rausch. — Das nächste taktische Ziel. — Proble matische Zinssenkung. Das „Ll. „Llsmber vk Larliumeut" (Mitglied des Unterhauses) auf der Visitenkarte zu zeigen, ist für den Engländer von heute mehr als nur die hohe Ehre, Mit glied der englischen Volksvertretung zu sein, zur „Mutter der Parlamente" zu gehören. Es ist vielmehr und vor allem eine verantwortungserfüllle Pflicht. Denn nicht nur zittern die Säulen, auf denen dieses Weltreich ruht, sondern die Welt selbst steht an einer Wende ent scheidender Art. Ganz kurz war darum der Rausch der Stunde nach dem Ergebnis der englischen Wahlen, sofort wandte sich vielmehr alles den schweren Auf gaben der Gegenwart und Zukunft zu, und zwar einhellig Ministerpräsident, Regierungspartei, Oppo sition. Man hält keine „Leichenreden" über die Wahl, wie dies anderswo in neugewählten Parlamenten tage- oder wochenlang „des Landes so der Brauch" ist. Ganz charakte ristisch auch wieder war der Punkt, an dem sich Macdonald und der Oppositionsführer strategisch zusammenfanden Liquidierungder internationalen Kriegs lasten aus schnellstem und gründlichstem Wege; denn sic sind „zweifellos einer der Hauptgründe für die Weltlage, deren Opfer auch England sei". Viel schärfer, drastischer, temperamentvoller sagte es Lord Lansbury, der Oppo sitionsführer, dem ja eine politische Amtsverantworilichketi die Zunge nicht bindet. Es fallen Worte, die dieser Sitzungssaal noch nie hörte und die auch fast unerhört sind für England als Teilnehmer am Versailler Diktat, ja am Kriege selbst. „Die finanziellen Lasten des Versailler Friedens sind im Geiste der Rache beschlossen worden." Schade, daß Lloyd George, der ja auch zur Opposition gehört und einst jenen Frieden der „Rache" mit diktierte diese Worte nur las, nicht anhörte! Und Macdonald solle schleunigst namens der englischen Nation den übrigen Völkern „erklären, datz die Anklage der Alletnschuld Deutschlands am Kriege moralisch nicht haltbar sei"; Mac donald winkte ab, denn die M e i h o d e sei falsch. Da Hai er ja recht! Aber er sagt nur, daß er taktisch anders denke spricht nicht vom strategischen Ziel, weil eben das seim und das so laut geäußerte der Opposition — dasselbe ist * Anders denkt, spricht, handelt der Hauptakteur dein Versailler Rachedrama. Der Akt „Kampf um der Young-Plan" wird aus der Bühne der Politik gc spielt; rings im Chor, nicht als Zuschauer, sondern mir spielend und mitleidend, steht das deutsche Volk. Ge schürzt sind die Knoten der Entwicklung, aber noch laß sich über den weiteren Fortgang, über die nächsten Szene; nichts Genaues sagen. Daß Frankreich mit Zähnen unt Klauen die weltwirtschaftliche Absurdität des Youno Plans verteidigt, ihn zum mindesten juristisch, Völker rechtlich unbedingt erhalten will —, daran scheint sich vor läufig nichts ändern zu sollen. Das n a ch st e t a k t i s ch « Ziel, auf das die deutsche Politik hinstrebt, ist ein G? neraluntersuchung unserer Zahlungsfähigkeit, die Fest stellung unserer generellen Zahlungsunfähigkeit für pol; tische Schuldverpflichtungen, denen eine Gegenleistung nicht entsprach, entspricht und entsprechen würde. Ser vierzehn Tagen sind die Staatsmänner in Berlin unt Paris am Raten und Beraten. Die Völker müssen dafüi die „Tagegelder" bezahlen. Daß Deutschland zunächst der Sachverständigenausschuß der Baseler Tributbank zweck' Untersuchung seiner Zahlungsfähigkeit im Rahmen de- Young-Plan wird einberufen lassen, scheint bisher das einzige Ergebnis dieser Tagungen in Berlin und Paris zu sein Das wäre ein sehr mageres Resultat, weil da von der größere Teil der Young-Plan-Zahlungen gcn nicht berührt werden würde; besser schon wäre dies Er gebnis, wenn es zum mindesten überleiten würde zu eine: Weltkonferenz, auf der ganz allgemein das Problem de; Kriegslasten auf der Tagesordnung stünde, es also „auf- gelockert" werden würde. Die Ungewißheit nun darüber, wie die nächsten Tzenen dieses Dramas aussehen werden, lastet als ichwerer Druck auf allen Versuchen der deutschen Regie rung ihres Wirtschaftsbeirats und überhaupt des deut schen Polkes, unsere allernächste wirtschaftliche Zukunst besser zu gestalten. Auch die so heftig ausgeflammte Dis kusston über das Für und Wider einer Zwangs senku ng der Zinssätze ist letzten Endes doc Wieder völlig abhängig von der endgültigen Gestalturi unserer Schuldverpflichtungen, der politischen sowohl wie der privatwirtschaftlichen, des Stillhalteabkommen wie des Young-Plans Die Reichsregierung selbst brav chr Schweigen nur durch die Erklärung, datz eine Zins lenkung für die im Ausland aufgelegten deutschen An- wlhen nicht in Frage komme, die A u s l ä n d e r h i e r - j>ber ganz beruhigt sein könnten. Aber: Ms dem Ausländ e r iecht ist, müßte doch dem inlän i^Aen Geldgeber billig sein, zumal jener uns hohe Zins lia. > und uns überhaupt schlecht bc lan^'Außerdem ist der Anslandskredit für Deutsch- und private Wirtschaft gewiß von großer r"uß daher sehr pfleglich und rücksichtsvoll be- werden, um nicht zu verkümmern und zu ver- — - aber von viel größerer Bedeutung ist kür Ar »em NkMMNMlhMllWll Reichskanzler Dr. Brüning spricht in Mainz. Auf Einladung des hessischen Zentrums sprach in der starkbesuchten Stadthalle zu Mainz Reichskanzler Dr. Brüning. Er führte u. a. aus: Deutschland steht vor entscheidenden Stunden. Alles, was sich in Jahren zusammengedrängt hat, wartet jetzt auf eine Lösung, die in spätestens einem Monat hoffent lich fallen wird. In den Reparationsverhandlungen Hosse ich, daß bald die sachlichen Entscheidungen reif geworden sind. Auch die Welt drängt zu einer ganzen Entscheidung. Die Schwierigkeiten verschärfend wirkte die Tatsache, daß Deutschland bis zum Hoover-Jahr Reparationen, die es vorher aus Anleihen und Krediten zahlte, jetzt zum ersten Male aus eigener Kraft zahlen mutzte. Das hat die Ein sicht in der ganzen Welt geschaffen, daß Reparation? leistungen in dem Matze nicht möglich sind, und nur durch einen wachsenden Ausfuhrüberschuß geleistet Werder; können. In der Ausfuhr sind wir an der Spitze aller Nationen angekommen. Ferner ist die Einsicht in der Welt eingekehrt, daß eine Liquidierung der bisherigen Wirtschaftsverhältnisse in der Welt notwendig ist. Ein großer Teil der Leiden und Nöte ist nicht nur auf finanz- und wirtschaftliche Gebiete zurück zuführen, sondern beruht auch auf der Zertrümmerung der Pertrauensgrundlage. Daher kommt die Zerrüttung der Kreditverhältnisse, die Beunruhigung des Geld Marktes und die Nervosität unter der Bevölkerung. Dieser Weg ist für alle ein Weg der Not, aber auch ein Werg auf dem die Völker die Notwendigkeit einer Umgestal tung ihrer Verhältnisse zueinander erkennen können. Man glaube nicht, datz cs leicht gewesen ist, den Weg nach Paris und London zu finden. Das waren schwere Tage, aber erfolgreich deswegen, weil wir den Mut hatten, offen zu sagen, daß wir von der freiwilligen Zusammenarbeit die Rettung erwarten und daß wir bereit sind, die Initiative dazu zu ergreifen. Weil es möglich gewesen ist, alle Maßnahmen Schritt für Schritt durchzuführen, ist es auch möglich geworden, das Volk bis heute durchzubringen. Die Kritik von rechts darf uns nicht stören. Die Rechte hat ja in den Jahren, in denen die schwersten Fehler gemacht wurden, selbst in der Regierung gesessen. Es gilt, einen Weg zu be reiten für bessere Verhältnisse in der Zukunft. Ich meine da unter anderem auch die Aktienrechts- und die Bank reform. 99 Prozent der Wirtschaft stehen mit der Reichs regierung aus dem Standpunkt, daß die Wirtschaft in der Zukunft nach gesunden und ehrlichen Prinzipien geführt werden müsse. Skandale wie Favag, Nordwolle und Schultheiß haben viel mehr das Ansehen im Auslände geschädigt, als man annehmen möchte. Der notwendige Kamps gegen die Spekulanten in der Wirtschaft muß aufs schärfste durchgeführt werden. Fehl leitungen von Kapital dürfen in Zukunft nicht noch ein mal Vorkommen. Es darf nicht mehr geschehen, daß solche Unternehmungen Riesensummen von Geld bekommen, während der Mittelstand nicht weiß, wo er sein Geld her nehmen soll. Hierher gehört auch die Zinssrage. Die Reichsregierung hat sich nicht mit der Zwangssenkung der Zinssätze beschäftigt. Die Reichsregierung teilt den Glauben mit dem Volk, daß es möglich ist, alle Angriffe gegen die deutsche Währung abzuwchren. Will man die Währung stabil halten, muß die Wirtschaf stabiler werden. Die Gestehungskosten müssen auf einer elastischen Grundlage stehen. Diese Dinge sind durchführ bar, wenn Verständnis und Wille zur Mitarbeit im Volke vorhanden sind. Deshalb wurde auch der Wirtschasts- beirat geschaffen, um die Vertreter des Volkes zur Ver antwortung mit heranzuziehen. In der Prcisbildungsfrage hängt alles davon ab, ob die Einsicht für die Notwendigkeit der zu treffen den Maßnahmen !m Volke vorhanden ist. Wir sind in einer so furchtbaren Notlage, weil man sich in den vergangenen Jahren nicht schnell genug entschlossen hat. Jetzt heißt es: Nerven behalten, indem man sich nicht beirren läßt, mutig in die Zukunft zu blicken und nicht den Augenblick der Popularität abwarten will. Wir haben jetzt die Hoffnung, das Voll aus der Not und Ernie drigung wieder herauszusühren. MMm her gesamte« heWe« Wirtschaft. "Teilweise deM-tzmzöWk MW«. Wie von unterrichteter Seite zur Frage der d e u t s ch - franz ötischen Verhandlungen mitgeteilt wird, sind sich die deutsche und die französische Negierung mate riell dahin einig geworden, daß die gesamte Lage Deutschlands nachgeprüft werden muß. Jedoch ist eine Reihe von Formalien noch nicht geklärt, so daß es noch einige Tage dauern dürfte, bis die Verhandlungen zu einem endgültigen Ergebnis führen. Man ist also anscheinend schon darin überein gekommen, daß sich die Nachprüfung der Zahlungsfähig keit Deutschlands sowohl auf die Reparations zahlungen als auch aus die kommerziellen Verpflichtungen dem Auslande gegenüber erstrecken soll. Offen ist noch die Frage, ob der Tributausschuß nach entsprechender Erweiterung seiner Zuständigkeit beide Gruppen von Schulden behandeln soll, oder ob neben dem Tributausschnß mit seiner nach den Bestimmungen des Young-Planes aus die Reparationen allein festgelegten Prüfungsbefugnis etwa noch ein Bankicrausschuß einberufen werden soll, der, ähnlich wie bei dem Stillhalte abkommen, gesondert die Privatverpflichtungen Deutsch lands seststellen und die Möglichkeit ihrer Tilgung unter suchen soll. Inzwischen ist man im Auslande eifrig an der Arbeit, je nach der Interessiertheit des einen oder des anderen Landes an der Reparation oder den kommerziellen Schulden Vorschläge für die Lösung dieses die ganze Weltwirtschaft dringend angehenden Pro- Leuljcytands Wtrnchafl doch der inländische Kapital- und Kreditmarkt! Diese Bedeutung wächst sogar noch in dem selben Maße, als der ausländische Geldmarkt uns ein: immer ungnädigere Miene zeigt; aber wenn nun die zwangsweise Zinssenkung unsern Kapital- und gar unsern Geldmarkt schwer bedrohen würde, dann sind die Folgen für unsere Wirtschaft vom Inlands kredit markte her sehr viel verhängnisvoller als vom Aus lände her. Ein gewisser, aber richtiger Instinkt Hai uns in Deutschland im allgemeinen — auch in jüngster Zeit — blems zu machen. In englischen Wirtschaftskreisen betrachtet man es als ausgemachte Tatsache, daß auf der Konferenz von Vertretern Deutschlands und seiner Bankengläubiger, die Ende des Monais in Basel statt finden soll, die Bedingungen des Stillhalteabkom mens abgeändert werden. Die Gläubiger seien bereit, so heißt es, das Abkommen auf weitere drei Monate zu erneuern, vorausgesetzt, daß ein gewisser Teil der Schulden zurückgezahlt werde. Man spreche von l5 Prozent, dieser Hundertsatz unterliege aber noch weiteren Verhandlungen. Ferner sei es wünschenswert, daß zwischen den verschie denen Arten von Schulden ein Unterschied gemacht werde. Aus englischen Bankkreisen ist der Vorschlag ge macht worden, drei Kategorien zu bilden: die Akzeptkredite für deutsche Importeure sollten eine besondere Vorzugsbehandlung erfahren, da sie für den deutschen Handel wichtig seien. Auf ihrer Rückzahlung brauche man nicht zu bestehen, da sie sich selbst liquidierten. Man halte es vielmehr für angebracht sie noch zu er höh e n , da sich die jetzigen Grenzen auf die Zahlen des Juli stützten. Der Sommer sei jedoch für die Einfuhr stets eins tote Zeit. Bargeldvorschüsse sollten in langfristige An leihen umaewaudelt werden, für die die deutsche Regierung eine Sicherheit zu geben hätte. Kredite, die sich nicht selbst liquidierten, und andere kurzfristige Verpflichtungen sollten von Deutschland im Laufe von ein bis zwei Jahren amortisiert werden. Zu der Frage des Vorranges der privaten Schulden vor den Reparationen wird von englischer Seile erklärt, daß diese Frage schon im Young Plan geregeli sei Als die Sachverstän oavon serngeyauen, den Kredit und seinen Preis, den Zins, mit allzuvielen Zwangsmaßnahmen zu strapa zieren. Zu eng sind die kreditpolitischen Verflechtungen zwischen Deutschland und der übrigen L'eU, deren ganzes Wirtschaftssystem sich aus dem Kredit aufbaut. Der aber ist heute ein Weltproblem geworden, beherrscht die „Welt lage", von der Lord Lansbury im Englischen Unterhaus sprach. Kriegslasten und Weltkreditproblem — beides ist ineinander verkrallt und taumelt vereint dem Abgrund zu. Das ist der Sinn des W"'chramas.