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MsdmfferTageblatt Nr. 276 — 90. Jahrgang I ^Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Freitag, den 27. November 1931 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forftrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der 2«Nl n den Ausgabestellen L RM. im Mona«, bei z-stellung durch die Boten 2,SO RM., bei Postbestellung L'Wockenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Wer und Geschäftsstellen — nehmen zu jederzeit Be- entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung rr Zeitung oderKürzung des Bezugspreises. — Rücksendung erngesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. 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Mil einiger Ironie ist der älteste Sohn des Königs von England, der Prinz von Wales, als der beste »Propagandareisende für englische Wa ren" bezeichner worden, als er seine große Reise durch Südamerika machte, vorher aber und nachher bei allen möglichen Gelegenheiten seinen Engländern sagte, sie sollten sich möglichst ausschließlich aus den Bezug ein heimischer Waren einstellen. Mit ähnlicher Ironie hörte Man auch sonst von allerhand teils organisierten, teils unorganisierten Anstrengungen, das „englische Waren sind die besten" zu einem großen Propagandafeldzug gegen die fremdländischen Erzeugnisse auszumünzen, und dachte Wohl daran, daß einst das berühmte „macke m Verwanz" einen ähnlichen Zweck gar nicht erreicht hatte, sondern selbst zur Empfehlung der deutschen Waren und damit zu einer unfreiwilligen Propaganda für sie geworden war. Ja, man ironisierte es, daß in England vor kurzem eine Ausstellung nicht etwa einheimischer, sondern gerade fremder Erzeugnisse veranstaltet wurde in der Absicht, den Engländern zu zeigen, wo überall und wie sehr die Jmporturen das tägliche Dasein aller Klassen, Stände, Berufe geradezu überfluten, und zwar in einem Umfang, von dem der einfache Mann in England gar nichts ahne. War die Ironie, die diese gewiß seltsame Ausstellung auch wieder als eine „gute Propaganda für die fremden Einfuhrwaren bezeichnete, wirklich so ganz berechtigt? Heute wird man diese Frage kaum noch bejahen können. Denn inzwischen hat sich der private, bisher höchstens als offiziös zu bezeichnende Propagandafeldzug des „Kauft englischeWaren!" zu einem hochossiziellen ausgestattet und außerdem ist die ganze Staatsmacht auf Grund der letzten Wahlergebnisse eingesetzt worden, um die Einfuhr ausländischer Waren möglichst zu drosseln. Da wird auch uns Deutschen die frühere Ironie recht erheblich gedämpft werden. Wir haben uns zu unserem Nachteil schon recht oft in der Beurteilung des Engländers getäuscht! Die kürzlich veröffentlichte Liste von Fertigwaren, auf deren Einfuhr die englische Regierung einen Wertzoll bis zu MO Prozent legen kann und deren Absatz bzw Konkurrenzfähigkeit in England dadurch schlankweg unmöglich gemacht wird, umfaßt — nach dem Ergebnis des Jahres 1030 — etwa 30» Millionen dieses Waren exportes von Deutschland nach England Weitere Listen sollen folgen. Und es ist für unsern Erport, dessen bester Kunde bisher England war, nur ein sehr geringer Trost, saß alle diese hochschutzzöllnerischen Maßnahmen nur „Notverordnungen" für sechs Monate sind, daß während dieser Zeit eine Gesamtregelung der englischen Handels und zollpolitischen Beziehungen mit dem Ausland erfolgen soll, — die natürlich unter denselben Absichten einer Aus gleichung der Handelsbilanz durch Einfuhrdrosseluna stehen wird. Denn man will damit nicht nur das „Luy britmb", das „Kauf, englische Waren" zum Sieg führen, sondern auch der Einfuhr von Gegenständen des LuruSbedarfs, überflüssiger Genußmittel usw. entgegen wirken, da die Handelsbilanz Englands ja seit Jahren einen rasch ins Bedenkliche gestiegenen Einfuhrüberschuß aufweist So sind bereits für die allernächste Zeit Noi- zollverordnunqen für Frühgemüse, für ausländische Obst sorten und Südfrüchte, Konserven usw. vorgesehen. Und alles ist erst ein Anfang, der freilich auch schon aus die Interessen der Kolonien Englands Rücksicht nimmt, daß man das Handels- und damit natürlich auch das finanz politische Ziel, die Einfuhr besser der Ausfuhr anzu gleichen, von der Seite der Jmportdrosselung her, nament lich für die Fertigwaren, in Angriff genommen hat, findet seine Erklärung hauptsächlich darin, daß man keinerlei Hoffnung hegt, in absehbarer Zeit jenen Ausgleich durch eine beträchtliche Steigerung der furchtbar zusammen geschmolzenen Ausfuhr schaffen zu können. Auch die an sich als Ausfuhrprämie wirkende Wertherabsetzung des englischen Pfund Sterlings hat längst in dem erhofften Maße genutzt, auch nur in beschränktem Umfang als «zmporthindernis Man soll das Kind beim richtigen Namen nennen: Ts ist der englische Zollkrieg. Daß Frankreich 'Hji einem 15prozentigen Wertzoll aus den Jmpori aus eilen Ländern antwortete, die „valutaschwach" geworden ^Nd, Italien überhaupt einen generellen Finanzzoll ein lührte, macht das Bild, unter dem „Welthandelspolitik" beschrieben steht, von Tag zu Tag irrsinniger: denn auch Amerika griff zu ähnlichen Maßnahmen Und das alles Ad doch Staaten, die nicht unter dem furchtbaren Zwang lur Ausfuhr stehen wie das mit Schuldverpflichtungen. Aso zur stärksten Warenausfuhr aenötigie Deutschland Unsererseits sind aber solche Zwangs- und Kampfmaß- vabmen nur in so geringem Umfang geschehen daß wir Alein für den Jmpori von ausländischen Lebens- und ^enußmitteln. die wir zum allergrößten Tei' im eigenen )«nde erzeugen, in den ersten drei Monaten 1031 nicht entger als eine Milliarde ausgegeben haben Aber auch Ferligwareneinsuhr Hai im Monatsdurchschnitt erst v> nnier dem Druck ärgster Not die ll>l> ° Millionen „ enze unterschritten. So können auch wir, die vom be,^! Auslandes gegen fremde Waren am stärksten webr > dem „kW? wittAi" oder sonstiger Ab- °vr deutschen Warenimpons im Anslande immer nn, gleicher Münze antworten: „Kaust deutsche Waren!" Sie smMsßn HWWrdemW Laval in der Kammer. Aufsehenerregende Stellungnahme gegen Deutschland. Ministerpräsident Laval hielt in der Kammer seine große außenpolitische Rede, in der er sich zum Teil in sehr schroffen Worten über Deutschland äußerte. Die Französische Kammer setzte die außenpolitische Aussprache fort. Ministerpräsident Laval führte in zeit licher Reihenfolge die einzelnen politischen Vorgänge seit der Verkündung des Hoover-Feierjahres an. Das Hoover-Moratorium habe die großen Hoffnungen nicht erfüllt, die der ameri kanische Präsident darauf gesetzt hatte. Die allgemeine Krise der Weltwirtschaft' habe sich im Gegenteil verschlim mert und besonders in Deutschland schwere Ausmaße an genommen. „In Paris habe ich über eine Stunde unter vier Augen mit Dr. Brüning gesprochen. Ich kann Ihnen nicht schildern, wie ergreifend diese Unterredung war. Wir haben beide die Möglichkeiten geprüft, die gegenseitigen Beziehungen unserer Länder zu verbessern, und ich ent sinne mich noch, wie der Reichskanzler mir die Frage vor legte, ob denn diese Tragödie zwischen Frankreich und Deutschland ewig andauern solle. An dem Tage, an dem auf der anderen Seite des Rheins die nationalisti schen Kundgebungen aufgehört haben, werden die Ereig nisse auf die Frage des Reichskanzlers antworten. In London haben wir dann versucht, der finanziellen Not lage Deutschlands beizukommen und sind uns dabei über die Verlängerung der kurzfristigen Kredit einig ge worden." Laval sprach dann über seine Berliner und Washingtoner Reise Er erinnerte an die Bildung des Teutsch-französischen Wirtschaftsausschusses, von dem man allgemein eine Ver besserung der Beziehungen erwartet. Seine Washingtoner Reise habe große Hoffnungen aufkommen lassen. In Amerika ist man sich über unsere Lage nunmehr voll kommen im Klaren. Man kennt unsere Sorgen, unsere Opfer und unsere steten Bemühungen in bezug auf die Abrüstung. Wir haben lange über die deutsche Krise gesprochen und sind uns darüber einig geworden, daß der Young- Plan nach Ablauf des Moratoriums wieder in seine Rechte treten muß. Frankreich wird in Zukunft nicht mehr solchen Schritten ausgescetzt sein, wie sie dieser Schritt des Präsidenten Hoover darstellte. Unsere Unterredung hat demnach zu positiven Ergebnissen ge führt, denn wir haben die Zukunft vorbereitet. Laval ergänzte dann diese Erklärungen. Frankreich, so sagte er, hat große Opfer gebracht und sich dennoch be reiterklärt, auf die Dauer eines Jahres aus die Reparationen zu verzichten. Es wäre leicht, den Leicht sinn hervorzubeben, mit dem in Deutschland die Finan zen verwaltet worden sind. Man hat die Schulden mit Anleihen bezahlt, Städte verschönert und die Industrie ausgebaut, und als dann der Zeitpunkt der Rückzahlungen nahte, erklärte man: „Wir können nicht zahlen." Zu gleicher Zeit ergingen sich gewisse Kreise im Reich in lär menden Kundgebungen gegen Frankreich. Zu den kommenden Verhandlungen erklärte Laval, daß Frankreich trotz seiner augenblicklich noch bevorzugten Lage kein Recht habe, sein Geld hin- auszuwersen und verschwenderisch zu sein. Es gibt Grenzen, die wir nicht überschreiten können. Wir werden eine neue Zahlungsregelung nur für eine beschränkte Zeit, d h. für die Dauer der Krise, annehmcn. Wir werden einer Herabsetzung der Zahlungen nur so weit zustimmen, als wir von unseren Kriegsschulden be freit werden. Wir werden niemals dulden, daß die un geschützten Zahlungen angetastet werden und wir werden nicht zugeben, daß man den privaten Schulden Deutsch lands den Vorrang einräumt. Frankreich, so schloß Laval, dessen Ansehen unver gleichlich ist, hat keinerlei Vormachtbestrebungen, sondern will nur den Frieden und die Zivilisation verteidigen und sicherstellen De Erklärungen des Ministerpräsidenten wurden von der Kammer mit nicht endenwollendem Beifall ausgenom men. Die Sitzung wurde daraus unterbrochen. Berlin zur Rede Lavals Berlin, 26. November. Die Kammerrede des franzö- si'chen Ministerpräsidenten Laval hat in Berliner politischen Kreisen keine Ueberrasch ungen ausgelöst. Man hat derartige Aeußerungen erwartet, zumal bei der Rede Ersordernisse der französischen Innenpolitik Pate gestanden haben dürften. Be züglich der kommenden Tributverhandlungen dürsten die Aeußerungen Lavals von dem Wunsch diktiert worden sein, schon jetzt Höchsisorderungen aufzustellen. Wenn Frankreich nach den Erklärungen lediglich gewillt ist, sich nur auf vorläufige Abmachungen für die Dauer der Krise einzulassen, so steht demgegenüber nach wie vor die deutsche Ausfassung, die gerade deshalb eine endgültige Bereinigung fordert, weil die gegen wärtige Krise nicht zuletzt durch die politischen Zahlungslasten Deutschlands verschuldet ist, und weil sie ohne endgültige Rege lungen auch nie behoben werden kann. Die Feststellung Lavals, daß Frankreich nur in dem Maß zurückzustehen bereit sei, in dem auch die Gläubiger Frankreichs Nachlaß gewähren, be trifft das Verhältnis der ehemaligen Alliierten im Weltkrieg. Die von Laval Deutschland nachgesagte Verschwendungssucht schließlich dürste auf einer gänzlichen Verkennung der Tatsache beruhen, daß das durch den Krieg stark mitgenommene und durch den Versailler Frieden gänzlich ausgeplünderte Deutsch land dringend des Wiederaufbaues und also der Reparationen im eigenen Lande bedurfte. * Eine Hetzrede Franklin- Bouillons. Paris, 26. Novemer. Die außenpolitische Aussprache in der Kammer wurde gegen 22 Uhr mit einer Rede Franklin- Bouillons fortgesetzt. Laval habe über die „Banleroltabsichten Deutschlands" in einem Tone gesprochen, den man in der Kam mer schon seit langem nicht mehr gewohnt sei und der glückli cherweise von demjenigen Briands abweiche. Der Abgeordnete wiederholte sodann seine übliche Behauptung von dem schlech ten Willen Deutschlands. Laval habe in sentimentaler Weife von seiner Unterredung mit Dr. Brüning gesprochen, einer Un terredung,, die vollständig zwecklos gewesen sei, weil er genau wisse, daß er vielleicht morgen schon mit anderen Männern in Deutschland zu verhandeln habe, und obgleich er sich noch daran erinnern müsse, daß auch Stresemann mit einem Lächeln die Nheinlandräumung erreichte. Franklin-Bouillon ging sodann aus die kommende Tagung des Baseler Untersnchungsausschns- ses ein und erlkärte, daß es sich im Augenblick überhaupt nicht darum handele, die Zahlungsfähigkeit Deutschlands sestzustel- len, sondern zunächst darum, den Zahlungswillen Deutschlands zu prüfen. Frankreich körne DeutMannd nicht retten. Man müsse Deutschland verpflichten, genau wie in Frankreich wäh rend der Finanzkrise eine Amortisationskasse zu bilden, dis Reinigung seines Haushaltes und vornehmlich seines Kriegs- hcmshaltes sorzunehmen, und es zu zwingen, seine Revisions- Politik aufzugeben. Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen wiederholte Franklin-Bouillon seine Behauptungen von denn schlechten Willen Deutschlands. Großer Lärm entstand, als er erklärte, daß es unmöglich sei, die französischen Interessen z» einer Wahlpolemik auszunützen. Er stellte die Frage, weshalb die deutschen Sozialisten die nationale Vereinigung durchführ ten, indem sie mit dem Kabinett Brüning zusammcnarbeiteten, während die französischen Sozialisten sich gegen eine derartige Politik wendeten. Während fast einer Viertelstunde war es dem Redner nicht möglich, sich Gehör zu verschaffen, da die So zialisten sich heftig gegen diese Beschuldigung wendeten und die Unterstützung Brünings durch die deut'chen Sozialisten damit begründeten, daß sich ihre Haltung vornehmlich gegen die Ge fahr der NationaksGiaWen richten. Franklin-Bouillon schloß seine Erklärungen mit dem Hinweis, daß sich Frankreich einig sein müsse, um den deutschen Forderungen eine geschlossene Front gegenüberzustellen. Anschließend behandelte der Präsi dent des Heeresausschusses der Kammer, Fabry, die Abrü- stungsfraM. Er erklärte, daß die Abrüstung n»r im Rahmen des Völkerbundes möglich lei. Wenn die Abrüstung noch keine großen Fortschritte geinackt habe, so liege das hauvtsäcklich an den lärmenden Kundgebungen der deutschen Rechtskreise l!) Die allgemeine Abrustunq sei eine Utopie ebenso wie die Rö- stvnasgleichheit. Marn dürfe sich auch nickt auf eine prozentuale Abrüstung der verschiedenen Länder einlassen. Ausdehnung von OfthLlfegrundsähen auf das Mich. Beratungen im Reichskabinett. Das Ncichskabinett befaßte sich mit Fragen der Aus dehnung gewisser Grundsätze der letzte» Osthilfe-Notver- ordnung zu Allgemeinmaßnahmen für das ganze Reich, ein Fragenbercich, ans den sich auch Äußerungen des Reichsministers Schlange Schöningen im Haushaltaus schutz des Reichstages bezogen. Von größerer Bedeutung dürfte hierbei sein, daß sür die zur Beratung stehenden Allgemeinmaßnahmen von vornherein abweichende technische Grundlagen gefunden werden sollen. So hat die Landwirischaftskammer Lchles- wig-Holstein Vorschläge unterbreitet, um möglichst einsach den Grundsatz des VollstteckungSschntzes ohne unbillige Schädigung der Gläubiger durchznführen. Weiterhin seien Vorschläge der Grünen Front im Zusammenhang mit der Zinssenkung im Wirtschastsbeirat kurz gestreift worden.