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Juni 1931 Streifzug durch die Notverordnung. „Hier kam ein Mann an, aus oessen Gesicht die ganze traurige Situation des deutschen Volkes sprach" —, so schrieb ein der englischen Regie rung politisch nahestehendes Blatt, als Di. Brüning den Boden Englands betreten hatte. Und während er es ver sucht, dem englischen Ministerpräsidenten den ganzen Um fang dieser traurigen Situation auseinanderzusetzen, sagt er uns Deutschen zweierlei: »Schwerste Lasten muß die Reichsregierung dem deutschen Volke zumuten, um die Zahlungsfähigkeit des Reiches aufrechtzuerhalten; diese ist die Voraussetzung für die Fortführung der deutschen Wirtschaft; von ihr hängen Millionen und aber Millionen von Kriegsteilnehmern, Sozialrentnern, Beamten und Angestellten in ihrer Eristenz ab." Aber auch das andere, mit allem Nachdruck Festgestcllte: „Die Einsetzung der letzten Kräfte und Reserven aller Bevölkerungskreise gibt der deutschen Regierung das Recht und macht es ihr dem eigenen Polke gegenüber zur Pflicht, vor der Welt aus zusprechen: „Die Grenzen dessen, was wir unserem Volke an Entbehrungen aufzuerlegen vermögen, ist erreicht!" In diesen Sätzen liegt der innere und der äußere G r u n d für den Erlaß der Notverordnungen, liegt ebenso auch ihr innerer und ihr äußerer Zweck. rk Aber nicht nur alle zugesagten und erhofften Erleichte rungen der traurigen Situation Deutschlands durch An nahme des Young-Planes sind von der Wirtschaftskrise und der Steigerung des Goldwertes infolge der Preisbaissc zerstört worden, sondern immer wieder waren dadurch dik Versuche zum schließlichen Scheitern verurteilt, die öffent lichen Finanzen zu sanieren. Wenn jetzt das Defizit in Reich, Ländern und Gemeinden auf zusammen 940 Mil lionen beziffert und das Sanierungsprogramm der Not verordnung auf die Deckung dieser Summe abzielt, so wer den sich hiergegen sofort kritische Stimmen erheben, die das tatsächliche Defizit als viel, viel größer erklären und sich daher aus den Standpunkt stellen, daß man wiederum von einer gründlichen Sanierung gar nicht sprechen könne. Besonders der Fehlbetrag bei den Gemeinden sei in Wirklichkeit mindestens dreimal so groß Wie ihn die Erläuterung zur Notverordnung annimmt Wir würden also in absehbarer Seit vor einer Wieder- holung des jetzt Versuchten stehen, weil dieses unzulänglich sei Selbst wenn das alles richtig wäre, so steht doch einer dann notwendigen entsprechenden Verstärkung des Druckes doch etwas anderes, nicht minder Nichtiges gegenüber: Das deutsche Volk wird in allen seinen Bevölkerungs kreisen durch die Notverordnung wirklich gezwungen, „seine letzten Kräfte und Reserven einzusetzen, und die Grenze dessen, was man uns als Volk an Entbehrungen zumuten kann, ist erreicht." Bei der diesmaligen Notverordnung hat man übri gens ein bißchen auch an die Gemeindenöte ge dacht, während im Dezember 1930 die Ausbalancierung des Reichshaushalls in weiterem Umfange dadurch er- folgte, daß die Überweisungen oder sonstige Verpflichtun- gen des Reiches an die Länder und die Gemeinden be- Nächtlich eingeschränkt wurden Statt besten verwies man Oe hauptsächlich auf die Ausschöpfung der Bürger-, Bier- und Gelränkesteuer, verhinderte aber eine Verschärfung der Realbesteuerung. Auf den ersten Blick zwar zeigte auch die Notverordnung, daß den Gemeinden bzw. den Ländern Einnahmeerhöhungen säst allein durch die ihnen auf- erlegten Gehaltskürzungen bzw. Abschaffung der Lohn- steuerrückcrstaitung erwachsen Also durch Drosselung der bisherigen Ausgaben. Was dabei das Reich und die Län der sparen, wird ganz den Gemeinden überwiesen, — was aber mit etwa wo Millionen nur ein Tropfen auf den heißen Stein der dortigen Fehlbeträge ist. Denn die Lasten Wohlfahrtsfürsorge dürften I93l etwa tragen und sind in den Haushalten der -Hälfte gedeckt. Nun werden ihnen Zu- in lü- Ländern her zugesaqt. aber nur dann, und blt den aufs sparsamste wirtschaften an die Erwerbslosen das Maß E - w e m?n "ich, überschreiten. Und auch E """aus -inem sparen Abschnitt der Not- - wenn sie überhaupt aus ^^.7^ ' aller nicht unbedingt not- wend'gen JuAaben ebenso bedach, wie aus die voll- Nandige verfügbaren Einnahme- guellen". Wofür übrigens eine schärfere und ausdehnbare Fastung des Rechts der Länder sorg,, durch Staatskom- mistarc für eine entsprechende Sparpolitik sorgen zu lasten. Aber es ist auch gleich noch eine dritte Voraussetzuna gemacht: Die Gemeinden muhen ebenso wie die Länder und alle Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht bloß bei den Beamten und Angestellten die Gehalts kürzungen vornehmen, die das Reich für seine eigenen unr für die bei der Neichspost beschäftigten verfügt, sondern sind verpflichtet — was auch wieder für die Länder und jene Körperschaften gilt —. weitere Gehaltskür. zungen vorzunehmen, „soweit die Dienstbezüge ihrer Beamten, Angestellten und Arbeiter höher liegen als die des entsprechenden Perfonenkreises im Reichsdienst" Be kanntlich sind gegen das Voraeben verschiedener Staats- Mageres Ergebnis in Cheqners „In freundschaftlicher Weise wurde die Lage besprochen" Ein historisches Wochenende. Brüning und Curtius bet Macdonald. Dr. Brüning und Dr. Curtius haben sich am Sonn- abcndnachmittag in Begleitung des Lcgationsrates von Blessen und Dr. Schmidt mit dem Automobil nach Chequers begeben. Vorher empfingen der Kanzler und der Reichsautzenminister die Mitglieder der deutschen Kolonie in der Londoner Botschaft. 200 Personen waren erschienen. In einer Rede erinnerte der Kanzler die An wesenden an die schwere wirtschaftliche Lage in der Heimat und die großen Schwierigkeiten der Regierung, der Lage Herr zu werden. Er sprach von der wirtschaft lichen Krisis, die alle Völker, am meisten aber Deutschland, ergriffen habe und erwähnte die großen Opfer, die das deutsche Volk bringe und weiter brächte, um die schweren ausländischen Lasten zu erfüllen und die eigenen Finanzen in Ordnung zu bringen. Er sei nach England gekommen, um sich offen und freundschaftlich mit den eng lischen Staatsmännern auszusprechen. Er hoffe, daß er hier auf einiges Verständnis stoßen werde. Die Gäste be gaben sich dann auf die Terrasse in der deutschen Botschaft, um die Rückkehr des Königs und der Königin von der Königs-Geb urtstags-Paradc anzusehen. Die englische Presse begrüßt die deutschen Minister durchweg recht freundlich. „Daily Herald" betont, daß die Verschiebung der Chequerskonferenz auf das jetzige Datum aus psychologischen Gründen Vorteile habe. Er erkennt die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands voll an, wobei er die Sünden der bisherigen englischen Regierung betont, die die Zukunft Deutschlands verpfändet und über ihre Verhältnisse gewirtschaftet hätte. Nur die „Times" schlägt einen sarkastischen, kritischen und belehrenden Ton an. So beschwert sie sich darüber, daß man in Deutsch land vielfach die Reparationszahlungen als Tribut zahlungen bezeichne, daß man sogar von dem Ausplünde rungssystem des Versaillers Vertrages spreche, obwohl die Reparationen eine absolut gerechte Form der Entschädi gung für erlittene Schäden seien. Das Blatt gibt aber zu, daß die Lage in Deutschland zweifellos sehr ernst sei, und kein Land könne einen Zusammenbruch des Reiches Wünschen. Der Washingtoner Korrespondent der „Times" meldet, daß man in amerikanischen Regie rung streifen die bisher vorliegenden Nachrichten über die Lage in Deutschland einschließlich des Berichtes des amerikanischen Botschafters in Berlin, Sackett, nicht für ausreichend hält (!). Es bestehe der allgemeine Ein druck, daß der Ernst der Lage von den Kreisen in Amerika und im Auslande übertrieben worden sei, die eine Wieder eröffnung der Schuldensragc begünstigten; vielleicht sei der Wunsch der Vater des Gedankens. Französische Beruhigungspitten. Das französische Auswärtige Amt erläßt zur Abwehr nationalistischer Hetzmanöver eine halbamtliche Beschwich- , tigungserklärung zur Ministerzusammenkunft in Chequers. Es handle sich um einen reinen Höflichkeitsbesuch, erklärte der „Petit Parisien" unter mehrfacher Berufung auf seine offiziösen Quellen, der nur zu einem unverbindlichen Meinungsaustausch Anlaß geben könne. Briand habe darüber von dem englischen Außenminister Henderson schon in Genf die befriedigend st enVersiche- rungen erhalten. Auch der deutsche Botschafter v. Hoesch kommtssare in der hier dargelegten Richtung bereits viel fach schärfste Proteste der Kommunalbeamten erfolgt, schon weil eine solche Schematisierung zu zahlreichen unmöglich ertragbaren Gehaltskürzungen führen müßte und die Ver schiedenheit der Verwaltungsausgaben, der Verantwortung und des Amtscharakters ganz unberücksichtigt lasse. Aber es wird ja nicht nur eine Gehaltskürzung an sich festgesetzt, die übrigens bei den in mittleren und kleineren Städten wohnenden Reichsbeamten und -angestellten verschärft ist, sondern — eine aus bevölkerungspo»i- tischen Gründen bedenkliche Bestimmung — auch die Kinderzulage auf die Hälfte herabgesetzt. Was von d^n Bestimmungen der Notverordnung vor- bekannt wurde, entspricht dem, was wir nun amtlich erfahren haVLn. Aber in vielem gehi sie n o ch weil über das Befürchtete hinaus oder macht dieses zur Gewißheit. Große Opfer werden ja selbst von denen gefordert, die von der Wirtschaftskrise an sich schon schwer genug getroffen wurden: von den Arbeitslosen Vor nichts und niemanden macht die Ver- ordnunghalt und wirklich — mit ihr in der Hand ver mochte der Reichskanzler auch den Engländern und nicht nur uns, vielmehr der ganzen Welt zu sagen, daß „die Ein setzung der letzten Kräfte und Reserven aller Bevölkerungs kreise Deutschlands" erfolgt und daß „die Grenze dessen erreicht ist, was wir unferem Volke an Entbehrungen auf zuerlegen vermögen". habe formelle Zusicherungen in gleichen Sinne bei seinem letzten Besuch am Quai d'Orsay abgegeben. Keine politische Frage, die irgendwie eine dritte Nation berühren könnte, werde also in Chequers diskutiert oder gar zum Gegen stand eines Beschlusses gemacht werden. * Der erste Tag. Die Besprechungen in Chequers. Derer st eTag des Besuches der deutschen Ministei M Chequers war von schönstem Sonnenschein begünstigt Nach dem Essen führte Macdonald seine Gäste durch du Räume und zeigte ihnen die vielen interessanten histo rischen Einzelheiten des Hanfes. Er lenkte ihre Aufmerk samkeit besonders auf die alten Erinnerungsstücke ar Cromwell. Hierauf zogen sich die englischen und die deutscher Minister zurück und erörterten die Fragen, die seitens de, deutschen Herren zur Sprache gebracht wurden. Du Unterhaltung dauerte den ganzen Nachmittag. Sie er streckte sich besonders auf die finanzielle Lag, Deutschlands, wobei die von Dr. Brüning gemachten An gaben als Unterlagen dienten. Nach dem Abendesser wurden die Besprechungen fortgesetzt. * Die Reparaiionssrage in Chequers. Eine bedeutsame Kanzlererllärung in London. Der deutschen Presse tn London gegenüber äußert« sich Reichskanzler Dr. Brüning über den Zweck seiner Londoner Besuches etwa wie folgt: Die neuen Not verordnungen würden ein neuer Beweis für di« deutschen Bemühungen sein, mit allen Mitteln die Finan zen in Ordnung zu halten. Es sei nun schon das zweite- mal innerhalb von sechs Monaten und das viertemai innerhalb vvn 14 Monaten, daß die Regierung zu Ge- haltsherabsetzungen und Steuererhöhun gen hätte schreiten müssen. Sie hoffe, dadurch wenigstens zum großen Teil Vorsorge für die noch verbleibenden neu« Monate des Haushaltsjahres getroffen zu haben. Fm das Haushaltsjahr 1932 seien die Aussichten noch wesentlich ungünstiger. Sehr große Sorge be reiteten die Beanspruchungen durch die Sozialver sicherung, die sich schneller als erwartet bemerkbar ge macht hätten. Es bestünden auch noch andere Schwierig keiten. Der Reichskanzler trat weiter ganz energisch den Ge rüchten entgegen, die zurzeit hinsichtlich der deutschen Anleihen in Umlauf seien. ES sei völlig selbstverständ lich, daß die Zinsen für die Anleihen und die sonstigen im Zusammenhang damit übernommenen Verpflichtungen innegehalten würden. Die Anleihen seien reichlich gesichert. Dr. Brüning kam dann aus die Reparations frage zu sprechen und teilte mit, daß er dieses Problem auf jeden Fall in Chequers zur Erörterung bringen werde. Er gebe sich der Hoffnung hin. bei den englischen Ministern Klarheit über die deutsche Leistungsfähigkeit zu schaffen, soweit dies im Rahmen der Besprechungen möglich sei. Die Außenwelt, so hoffe er, werde die großen Bemühun gen und die Opfer, die das deutsche Boll gebracht habe, richtig würdigen. Im Anschluß an die deutsche Presse empfing der Reichskanzler die englische Presse. Inhaltlich schloß sich seine Erklärung im großen und ganzen derjenigen an, die er der deutschen Presse gegeben hatte. Dr. Curtius schloß hieran einige kurze Worte, in denen er seinen Dank für den freundlichen Emp fang aussprach. Er erwähnte hierbei auch die Fahrt auf dem Torpedobootszerstörer „Winchester", die er als eine besondere Aufmerksamkeit ansprach und brachte weiter zum Ausdruck, daß derpersönlicheEmpfang durch den Ministerpräsidenten Macdonald und den Außen minister Henderson von den deutschen Herren mit beson derem Dank ausgenommen worden sei. Rückkehr von einem sre ndschasilichen B such. Amtlicher Bericht über die Zusammen- .tunst in Chequers. Folgender amtlicher Bericht wurde über die Zusam- neukunst in Chequers herausgcgeben: „Während des Wochenendes haben der Reichskanzler und der Reichs außenminister ihren Besuch in Chequers abgestattet. Von mglischen Ministern waren anwesend: der Minister präsident, der Außenminister und der Handelsminister. Am Sonntag gab der Ministerpräsident ein Frühstück. Der Besuch war vor einigen Monaten zum Zweck persönlicher Fühlungnahme vereinbart worden. Bei Ge legenheit dieser zwanglosen Zusammenkunft wurde in freundschaftlicher Weise die Laae erörtert, in der sich das