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Tharandt, Nossen, Menlehn nnd die UmMNden. Imlsblutt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 137. Donnerstag, den 1S. November " 1886. Bekanntmachung. Diejenigen hiesigen Einwohner, welche sich noch mit der Entrichtung von städtischen Anlagen, Schulgeld und sonstigen Gefällen zu den städtischen lassen in Rückstand befinden, werden hiermit aufgefordert, nunmehr^ spätestens bis den 28. dieses Monats an die Kämmerei Zahlung zu leisten. Nach Ablauf dieser Frist erfolgt sofortige Zwangsvollstreckung. Wilsdruff, am 14. November 1896. Der Stadtrath. Bursian. Butztag. . Die Jahreszeit trägt gegenwärtig einen sehr ernsten Charakter. Durch die Natur geht der Vorbote des Winter todes; ein allmähliches Absterbeu tritt ein. Oede liegen die einst grünenden Fluren da, nnd der Wald steht ent laubt. Todesahnung ist die Stimmung, die dort draußen zum Ausdruck kommt; uud im Einklang damit hält sich das zu Ende gehende Kirchenjahr. Die Evangelien reden vom Ende und von den letzten Dingen, und es schließt mit der Gedächtnißfeier für unsere Heimgegangenen Lieben. In diese ernste Zeit hinein ruft der heutige Tag: Thut Buße! Es ist doch etwas Großes, daß unserem ganzen Volke ein Tag gesetzt ist, der schon durch seinen Namen es an die Buße mahnt. Es giebt ja leider Unzählige, die sonst wohl nie an Buße denken, ja die zum Theil ver gessen haben, was das Wort Buße bedeutet. Der heutige Tag legt es ihnen Allen nahe, sich anf's Neue darum zu bekümmern nnd sich zu fragen: Thut auch mir Buße noth 2 In unserem Volke giebt es Niemand, der sich entschuldigen könnte, er habe nie den Ruf zur Buße gehört; wenn sonst Wirklich Keiner ihm zugernfeu hätte, hier steht im härenen Gewände der Prediger in der Wüste, der Bußtag und spricht: Thut Buße, es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Wohl weiß der Christ, daß die Buße nicht das Werk eines Tages ist. Buße ist nicht ein weiner liches rührseliges Bedauern und Beklagen der begangenen Sünde, dem daun oft die nur allzuschnelle Rückkehr zur Sünde folgt. Buße thun heißt umkehreu aus dein bösen Wege, heißt brechen mit der Sünde; und deswegen redet Luther von täglicher Neue und Buße, und deswegen soll das ganze Leben des Christen ein bußfertiges sei«. Gleich wohl hat auch er seine besonderen Bußtage, die er in be sonders ernster Einkehr verbringt; und wenn in dem heutigen Tage allem Volk ein Bußtag gesetzt ist, so will derselbe das Volk nicht auffordern, heute mit der Buße für ein ganzes Jahr sich abzufinden, sondern er will es Mahnen, heute mit eruster unaufhörlicher Buße zu beginnen. Und wahrlich, wie den Einzelnen sein Gewissen straft, so weiset auch unser Volksgewissen viel Sünde und Unrecht auf und daniit viel Anlaß zur Buße. Möchte sich heute Jeder recht besinnen auf seine eigene und seines Volkes Sünde, an der er doch auch mitverschuldet ist; möchte Jeder hören, was der Bußtag predigt und thun, was er fordert, nämlich ernste Reue und Buße. Unsere Marine. Der dem Reichstage jetzt zugegangene Entwurf des Reichshaushaltsetats für 1897 98 ist namentlich dadurch bemerkenswcrth, daß er ansehnliche Mehrforderungen für die Marine gegenüber dem letzten Etat mit 31750927 Nik. wi außerordentlichen Etat mit 38683341 Alk. eingestellt, so daß sich also die einmaligen Marine-Ausgaben auf die für die dcutscheu Verhältnisse verhättnißmäßig bedeutende Gesammtsumme von rund 70'/., Millionen Mark belaufen, demnach eine reichliche Verdoppelung der gleichen Ausgaben des Vorjahres (30'.st Mill. Mk.) darstellen. Bei den neuen Mehrforderungen für die Marine handelt es sich neben den zweiten und ferneren Raten für bereits in Angriff genommene Schiffs- nnd sonstige Bauten hauptsächlich um Forderungen znm Bau des erstklassigen Panzerschiffes »Ersatz .König Wilhelm", des Avises „Ersatz Falke", der Kanonenboote „Ersatz Hyäne" und „Ersatz Iltis", zweier Kreuzer zweiter Klasse, eines Torpedodivisionsbootes und ?vn acht Torpedobooten. Die neue Anleihe des Reichs Mi Betrag von 57 Millionen Mark ist zum größteu Theile durch diese Marine-Neuforderungen bedingt, da von ihr Mr als drei Fünftel, über 38'st Millionen, auf den Marineetat entfallen. Es darf nun wohl als selbstverständlich gelten, daß der Reichstag die beträchtlichen Marineforderungen, mit welchen diesmal die Regierung an das Parlament heran tritt, gründlich prüfen wird. Die finanziellen Verhältnisse des Reiches sind trotz der steigenden Einnahmen der letzten Zeit keine derartigen, um die Reichsboten zur fröhlichen Zustimmung zu den ihnen unterbreiteten erheblichen Mehr forderungen für unsere Flotte zu veranlassen, und diesem Gesichtspunkte werden sich auch die wärmsten parlamentischen Freunde einer kräftigen maritimen Entwickelung Deutsch lands nicht verschließen. Aber anderseits muß auch die Volksvertretung, will sie gewissenhaft handeln, die Frage ernstlich prüfen, ob sich etwaige einschneidendere Abstriche am diesjährigen Marineetat mit den Interessen Deutsch lands zur See auch vertragen, ob jene nicht dem Bedürf nisse nach einer Stärkung unserer Flotte und hiermit des deutschen Ansehens im Auslande widersprechen würden. Und wenn sich die Volksvertretung auf letzteren Stand punkt stellt, so wird sie allerdings zugeben müssen, daß die vorgeschlagene Flotteuvermehrung im Großen und Ganzen nothwendig erscheint. Selbst abgesehen von der dürftigen Vertretung Deutschlands bei den internationalen Flottenrevueu von Neu-Jork, Geuua uud Fiume, kann es doch als zweifellos gelten, daß die deutsche Kriegsflotte zum genügenden Schutze unserer zahlreichen Kolonial- und Handelsinteresseu nicht mehr ausreicht, die bekannte» Er eignisse in Südamerika, Südafrika, Ostasten, Marokko und dann neuerdings im türkischen Orient haben es ja schon hinlänglich gezeigt, daß unsere Flotte zu einer energischen Wahrung der deutschen Interessen bei einer ernstlichen Be drohung derselben zu schwach sein würde. Kommt doch das deutsche Reich in Bezug auf die Zahl seiner Kriegs schiffe unter den europäischen Seemächten erst an siebenter Stelle, es rangiert sogar noch hinter Holland nnd Spanien, und was die Zahl der deutschen Stationsschiffe, die zunächst zum Schutze der Handelsschiffe bestimmt sind, anbelangt, so werden wir hierin sogar von Oesterreich und Portugal überflügelt. Uebcrhaupt ist das Mißverhältnis) zwischen unserer großen Handelsmarine und unserer Kriegsmarine ein zu auffälliges; auf 75 deutsche Handelsschiffe mit 80000 Tonnen kommt erst ein deutsches Stationsschiff. Man kann sich hiernach ein Bild von der mißlichen Lage machen, in welche Deutschland mit seiner Handelsmarine im Falle eines Krieges mit einer großen Seemacht geratyen würde! Natürlich kann keine Rede davon sein, uns eine Kriegs flotte ersten Ranges zu schaffen, Deutschland kann nun einmal neben einer starken Großmacht zu Laude nicht zu gleich auch eine Seemacht ersten Ranges sein. Aber das wenigstens muß erreicht werden, daß wir eine Flotte be sitzen, stark genug, um im Ernstfall das Ansehen Deutsch lands in fremden Gewässern, wie die eigenen Küsten und die vaterländische Handelsmarine kräftig zu schützen. Es läßt sich schwerlich behaupten, daß die dem Reichstage unterbreiteten Marineforderungen über dieses Ziel hinaus schießen; hoffentlich gelingt es, dieselben milder finanziellen Lage des Reiches in Einklang zu bringen. Die wirthschaftliche Erschließung der deutschen Kolonien in Afrika. Wenn ein Mutterland in fernen Ländern große un- kultivirte Ländergebiete gewonnen hat, so begeht man in der Benrtheilung derselben immer den großen Fehler, daß nickst diese nnkultivirteu Gebiete zu bald „Kolonien" nennt. Unter „Kolonien" kann man doch nur feste, wirthschaftlich gut geleitete Ansiedelungen von eingewanderten Söhnen des Mutterlandes in den neu erworbenen Ländern ver stehen oder es müßten große Plantagen oder Viehzüchtereien unter der Oberleitung von Europäern, von Eingeborenen betrieben, sich dort befinden. Beide Voraussetzungen stimmen aber in den deutsch-afrikanischen Besitzungen noch gar nicht, also sind diese Länderstrecken auch noch gar keine Kolonien, sondern sollen erst solche werden. In jenen unkultivirten Gegenden kann man aber nicht einmal gleich mit An siedelungen, Plantagen oder Viehzüchtereien anfangen, denn es fehlt eben noch dazu an den allerersten Grundlagen. Man denke sich doch einfach in Urwälder, Steppen und Küstenländer, wo halbwilde Menschen ohne Kultur Hausen, was fehlt da nicht Alles zu einer Kolonisation? Wenn es da bisher noch nicht gelnngen ist, solche ungeheuere Strecken Landes nutzbar zu machen, die den deutschen Kolonialbesitz bilden, so lag das an der Unzulänglichkeit und Kostspieligkeit der Lebensweise und der Transport mittel. Fleischthiere fehlten in Ostafrika fast gänzlich und ebenso Reit- und Zugthiere, die den Transport bewerk stelligen. Um diesem Mangel abzuhelfen und dadurch das Land weiteren Kreisen zu erschließen, hat sich vor einigen Wochen in Berlin eine Vereinigung gebildet unter dem Namen „Deutsch-afrikanische Landwirthschafts-GeM Diese Erwerbsgesellschaft hat ihren Sitz in Berlin und beabsichtigt: 1. den Viehbestand iu den afrikanischen Kolo nien Deutschlands zu veredeln und zu vermehren, 2. alle Maßregeln zu fördern, welche der Entstehung und Aus breitung von Viehseuchen entgegenwirken, 3. die Einfuhr edler Hausthier-Rasseu aus Deutschland nach Afrika und Ausfuhr geeigneter Thierarten nach Europa zu betreiben und 4. den Betrieb der Landwirthschaft zu heben und die deutsch-afrikanischen Kolonien den weiteren bäuerlichen Kreisen zu erschließen. Um diese Pläne zur Ausführung zu bringen, wird die „Deutsch-afrikanische Landwirthschafts- Gesellschaft" in Südwestafrika und Ostafrika Farmen an legen, damit die Kolonie ihren Bedarf an Fleisch- uud Zugvieh von diesen bezieht. Gleichzeitig wird sie ihr Augenmerk auf alle irgendwie verwendbaren Thiere richten, die im Bereich der Kolonien Vorkommen, auf ihren Farmen wird sie durch landwirthschaftliche Versuche feststellen, ob ein Theil der deutschen Auswanderung nach unseren Kolo nien abgeleitet werden kann, sie beabsichtigt schließlich, einen regelmäßigen Verkehr per Ochsenwagen von der Endstation der Usambara-Eisenbahn nach dem Kilimandscharo einzu richten. Die Bestrebungen der deutsch-afrikanischen Land- wirthschasts-Gesellschaft haben allseitige Zustimmung er fahren. Gouverneur von Wißmann ist ein eifriger Förderer der Ziele der Gesellschaft, und eine Reihe von Fachleuten und Afrikareisenden stehen ihr rathend zur Seite. Vor läufig ist das Grundkapital auf eine Million Mark fest gesetzt, die in 5000 Antheilscheinen s 200 Mark vergeben wird. Bei der Zeichnung braucht nur der vierte Theil des nominellen Betrages eingezahlt zu werden, Zeichnungs erklärungen nnd sonstige Anfragen sind an das Bureau der Gesellschaft Berlin vz, Kulmstraße 6 zu richten, dessen Leitung vorläufig Dr. Beerwald übernommen hat. Tagesgeschichte. Berlin, 16. November. Für heute war im Reichs tag ein großer Tag erwartet worden, stand doch die Inter pellation des Centrums betr. die Enthüllungen der „Hamburger Nachr." aus der Tagesordnung. Ein so be lebtes Bild wie heute hatte der Reichstag sett Langem nicht gezeigt. Die Zahl der Abgeordneten war wohl etwas größer als in den Vortagen, hätte aber doch noch ansehn- sehnlicher sein können; dagegen waren der Regierungstisch, an der Spitze desselben der Reichskanzler, sowie die Tische des Bundesrathes voll besetzt. Ein recht buntes Bild boten oie Logen und Tribünen, die Diplomatenloge war seit langer Zeit nicht so gefüllt wie heute, es waren Vertreter der verschiedensten auswärtigen Regierungen zugegen. Die Tri bünen füllten sich bereits geraume Zeit vor Beginn der