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MMufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20Rpfg.» die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgedühr 20 Reichspsenni-e. geschriebene Erscheinung»- —, . rage und Plabpnrtchrtft« werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derüttsichttgt. Anzeige» annabmebis aorm.lVUHr. - —— - — > Für di« Richtigkeit der durch Fernruf üdermitteltenAnzeigen übernehmen mir keine Garantte. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn derBeirag durch Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggebcrin Konkurs gerät. Lnzeigeu nehmen aUcDermittluugssteürnentgegeu- Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» .Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktaoen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2^0 RM., bet PoftbesteUung r RM. zuzüglich Abtrag- , . gebühr. Einzelnummern lüRpfg.AllePostansta ten Wochenblatt sür Wilsdruff u. Umaeaend Postboten und unfereAus. .rüger und Geschäftsstellen - ! L nehmen zu jeder Zei, Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht dein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Nr.76. — 87.Jahrgang Telegr-Adr: .Amtsblatt« Wttsdruff - Dresden Postscheck Dresden 2K4V Donnerstag, den29 März 1928 Das Gängelband. Es hat vor sechzig, siebzig Jahren eine Zeit gegeben, Va sprach man mit tiefinnerlichster Überzeugung von einer „NachtwächLerrolle", die der Staat zu spielen habe; er solle sich nicht in all und jedes, besonders nicht in das Wirt schaftsleben hineiumifchen, sondern dem einzelnen volle Freiheit seiner Betätigung geben, ihn ungehindert, aber auch ohne ihn zu stützen, die Arme regen lassen. Dieses „Manchestertum" Ivar absoluter Glaubenssatz gerade des deutschen Liberalismus, der seitdem auch grundsätzlicher Gegner der Zölle war und blieb, weil sie einen Eingriff des Staates in den natürlichen Gang der Dinge, z. B. in den „Kampf ums Dasein", darftellten, Aber diese damals triumphierende Anschauung ist bis auf geringe Reste ge schwunden; der konservative Gedanke vom „Vater Staat", die Notwendigkeit, für die Staatsbürger zu „sorgen", war stärker und dazu kam dann noch der neue, von ganz anderen Ursprüngen ausgehende, aber praktisch zu ähn lichen Anschauungen führende Gedanke des Sozialismus. Das Resultat ist schließlich über die reine staatliche „Für sorge" hinausgegangen zu der Auffassung eines Rechts» anspruches an den Staat in allen nur denkbaren Fällen der Not. Zweifellos hat das zu einer starken Ver kümmerung des Gedankens der Selbsthilfe geführt; alles schreit sofort nach Staatshilfe, wenn die geringsten Schwierigkeiten entstehen. Es ist ganz gut, daß der Reichsbankpräsident Dr. Schacht bei der Eröffnungsfeier des Königsberger Reichsbankgebäudes auch einmal auf diese wenig erfreu liche, weil von wenig Selbstbewußtsein, Überlegung und innerer Kraft zeugende Entwicklung hingewiesen hat. „Wir starren alle wie gebannt auf das Idol des Staates und, wenn es einem von uns schlecht geht, dann ruft er sofort nach der Hilse des Staates." Dr. Schacht bezeichnet das auch als im Widerspruch stehend zum wirklichen Gedanken der Demokratie — um es auf eine kurze Formel zu bringen: der Staat ist denn doch nicht für den Bürger da, sondern der Bürger muß sich als tätiges Glied des Staates an sehen. Demokratie heißt eben, an die Stelle der Auffassung vom „Vater Staat" das Bewußtsein der Selbstverauiworttichkeit treten zu lassen. Von diesem Gesichtspunkt aus richtet Dr. Schacht die letzt besonders aktuelle Mahnung an die Kreise, die es hören sollen und—hoffentlich? —auch hören wollen, bei der an und für sich unbedingt notwendigen Reorganisation des landwirtschaftlichen Genossenschafts wesens alles nur von obenher zu machen, aber auch alles nur von obenher zu erwarten. Das gesamte deutsche Genossenschaftswesen, nicht zuletzt das landwirtschaftliche, ist ja aus eigener Kraft entstanden und in gewaltiger, noch stetig wachsender Form ausgebaut worden. Hier zeitigte der Gedanke der Selbsthilfe ganz großartige Resul tate und ere darf nicht unterdrückt werden von oben- oder pessimistisch aufgegeben werden von untenher. Gewiß haben die schweren S ch i ck s a l s s ch l ä g e der letzten anderthalb Jahrzehnte die Unter stützung besonders schwer betroffener Berufsstände und Wirtschaftszweige durch das Ganze, also den Staat, not wendiger gemacht, als dies vordem zu gescheiten brauchte. Aber deswegen darf der Staat immer noch nicht als ein Versorgungsheim betrachtet werden, wo man draußen nur an der Glocke zu ziehen braucht und die Tür sofort weit aufqesperrt wird mit der liebenswürdigen Aufforde rung, schnellstens hineinzuspazieiren. „Statt daß wir nun ansangen, von unten auf das Genossenschaftswesen zu reorganisieren, sehen wir wieder, wie der Staat von oben he/ die Dinge meistern zu müssen glaubt," tadelt Dr. Schacht sehr mit Recht. Bequemer mag es — vielleicht — für den einzelnen sein, sich von obenher an das Gängelband nehmen zu lassen, aber es wider spricht dem ursprünglichen, dem großen Gedanken des Ge nossenschaftswesens. Nicht umsonst nannte Schultze- Delitzsch seine Gründung den Verband der a u f S e l b st - Hilfe beruhenden Genossenschaften, folgte ein Raiffeisen ihm in dieser Anschauung auch auf dem Gebiete der Land wirtschaft. Leider aber sind wir schon viel zu weit auf einem ganz anderen Wege vorwärtsgegangen, der uns einer allgemeinen Verstaatlichung offenen oder noch ver steckten Charakters immer näher führt und uns auch immer mehr die Kraft zur Selbstvcrantwortung und Selbsthilfe vergessen läßt. Es ist also wirklich die höchste Zeit, daß man sich auf eine Umkehr besinnt. * Das Schicksal -er Greuzländer. Neichsbankpräsident Dr. Schacht betonte in seiner ln Königsberg i. Pr. gelegentlich der Einweihung des neuen Reichsbankgebäudes gehaltenen Rede, daß Ostpreußen im Verhältnis zum übrigen deutschen Vaterland in besonders schwieriger Lage sei, da auf diesem Land eine große seelische Last liege. Von drei Seiten sei Ostpreußen v"i fremden Nationen umbrandet, ein Druck, der sich auf jeden einzelnen lege. Gerade er (Schacht), der aus der deutsch-dänischen Grenzmark stamme, habe hierfür tiefes Empfinden. Es scheine das Schicksal aller Grenz lände r zu sein, daß sie von den übrigen Gauen in ihrem Wert nicht immer richtig eingeschätzt und ost verkannt werden. Ostpreußen sei für Deutschland immer von großer Bedeutung gewesen. Dieses deutsche Land habe keine deutsche Kultur stets in einer Weise bewiesen, daß Zer ReWmM siir M8 Muimen Finanzlage «ad Reparationen. Deutscher Reichstag. (412. Sitzung.) OS. Berlin, 23. März. Für die zweite Beratung des Haushalts der Allgemeinen Finanzverwaltung wird vom Ausschuß eine schärfere Kontrolle der Ausgabcbewilligungcn vorgeschlagen. Abg. Hilferding (Soz.) vertritt die Ansicht, daß der Etat sich unsozial entwickelt - habe. Für den Ergänzungsetat sei keine Deckung vorhanden. Abg. Dr. Quaatz (Dtn.) tritt für eine Stärkung der Stellung des Finanzministers ein. An einem guten Finanzausgleich werden wir durch die Dawes-Ver pflichtungen behindert. Diese Blutsteuer ans Ausland lastet aus jedem einzelnen. Jede deutsche Familie ist mit 300 Mark an den Auslandsschulden beteiligt. Abg. Neubauer (Komm.) schiebt dem Zentrum „für das Elend der Millionen" die Schuld zu, während Abg. Dietrich- Baden (Dem.) bedauerte, daß das Stcuervcreinheitlichungs- gesctz sang- und klanglos verschwunden und der Weg der Zollsenkung verlaßen worden sei. Abg. Dr. Cremer (D. Vp.) betont, daß an der Spitze der Finanzpolitik der Grundsatz stehen müsse, die Steuerkraft der Wirtschaft zu schonen, damit sic den Wiederaufbau aus eigener Kraft und nicht durch dauernde Abhängigkeit vom Auslandskapital vornehmen kann. Reichsfinanzmmister Dr. Köhler stimmt den Vorschlägen des Ausschusses zu, die eine solide Ltatswirtschast und klare, durchsichtige Finanzwirtschaft an streben Von einer verschwendenden Reichssinanzwirtschaft kann keine Rede sein. Der Minister weist daraus hin, daß allein die Reparationen von 1924 bis 1927 um mehr als 100 Millionen gestiegen seien. Die Ablösung der Markan leihen habe einen Mehraufwand von 350 Millionen verur sacht, die Soziallasten und die Erwerbslosenfürsorge seien um 500 Millionen gestiegen, die Ruhegehälter um 400 Mil lionen Man könne also nicht davon reden, daß die Mil- liardenrescrve nutzlos vertan sei. Der Minister bespricht dann die Anleihepolitik und fordert größte Sparsamkeit auf allen Gebieten der öffentlichen und der privaten Wirtschaft. Eine über mäßige Ncuverschuldung der öffentlichen Hand würde unsere Wirtschasts-, Finanz- und Währungspolitik gefährden. Aus ländsanleihen des Reiches und der Länder sind zurzeit nicht ratsam Nach dem in Kürze zu erwartenden Abschluß der Prüfung wird die endgültige Entscheidung über das als be rechtige anzuerkenuende Matz der Anleihen getroffen werden. Darauf wurde eine kurze Beratungspause eingelegt. Rach Wiederaufnahme der Sitzung wurde die Novelle zur Deut schen Rentenoankkrcdftanstalt ohne Aussprache in dritter Be ratung bis zum zweiten Artikel angenommen. Die Weiter- beratung wurde vertagt, weil in den zweiten Artikel noch der Termin des Inkrafttretens des ganzen Notprogramms cingearbeitet werden soll, so daß das sogenannte Mantel- gesetz zum Notprogramm überflüssig wird. In namentlicher Abstimmung wurde dann mit 368 gegen 5 Stimmen die Einsetzung des 28gliedrigen Ausschusses beschlossen, der bis zum Zusammentritt des neuen Reichs tages die Durchführung des landwirtschaft- liehen Not Programms überwachen soll. Die namentliche Abstimmung war, wie Präsident Löbe bemerkte, notwendig, um sestzustellen, ob die für vcrfaffungsänderndc Gesetze notwendige qualifizierte Mehrheit er reicht sei. Das war mit der vorgenommenen Abstimmung geschehen. Die daraus aus dem gleichen Grunde namentlich vorgenommene Schlutzabstimmnng über das Nberleitnngsgesetz zur Strafrechtsreform ergab die Annahme mit 344 gegen 36 Stimmen, also mit der notwendigen Mehrheit. Damit war die Tagesordnung erledigt und das HauS vertagte sich auf Donnerstag. Der Haushalt wtrv vorauf gegen vte summen oer Sozialdemokraten, Demokraten und Kommunisten angenom men, ebenso dir Entschließungen des Ausschusses. Zum Haus halt des Reichstages wird ein Antrag des Vorstandes an genommen, wonach der Betrag für den Wirtschaftsbetrieb des Reichstages aus 60 VW Marl erhöht wird. Auch das Haus- haltsgesctz wird dann in zweiter Beratung angenommen. Der Ausschuß Hal hier Bestimmungen eingesügt, die eine Stär kung der Stellung des Finanzminiftcrs bezwecken. Zum Er gänzungsetat werden auch die einen Teil des landwirtschaft lichen Notprogramms bildenden 25 Millionen Mark für die landwirtschaftlichen Genossenschaften bewilligt. In allen drei Lesungen wird ein Jnitiativgesetzcntwurf angenommen, wo- nach für die Durchführung -es landwirischastlichen Aoiprogramms ein Reichstagsausschutz eingesetzt wird, der das Recht halten soll, seine Tätigkeit bis zum Znsammentrctcn des neuen Reichstages durchzuführen. Die Schlutzabstimmnng wird später stattfindcn, da hier eine vcrfaffnngsmätzige Zwei drittelmehrheit sestgcstellt werden mutz. Die Novelle zum Gesetz Uber die Errichtung der Deutschen Rcntenbankkrcditanstalt wird in zweiter Lesung angenommen, dazu »och ein deutsch nationaler Antrag, wonach die Beteiligung au der Prcußen- kasse 5 Prozent des Eigenkapitals nicht übersteigen darf. es das übrige Deutschland immer wieder in Erstaunen gesetzt habe. Kaum ein anderes Land habe so viel deutsche Kultur dem übrigen Reich gegeben wie Ostpreußen. Deutschland wisse, was es an Ostpreußen habe und es werde Ostpreußen nie fallenlassen. Ostpreußen sei uns nie mals eine Erinnerung, es sei uns immer noch eine Hoff nung. Vor einer Tariferhöhung der NeWshs. Berlin. In einem Kommunique über die Tagung des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahngesellschaften vom 26. bis 28. März wird erklärt, daß der Ausgleich der Ausgaben durch die Einnahmen immer größere Schwierigkeiten mache. Eine wesentliche Vermehrung der Einnahmen durch Tariferhöhung sei also jetzt nicht mehr zu vermeiden. Es wird aus den Rückgang der Einnahmen, die höhere Belastung und die Kosten der neuen Gehalts- und Lohnerhöhung hingewiesen. Der Verwaltungsrat habe es kn voller Würdigung der da gegen sprechenden ernstlichen Bedenken im Einvernehmen mit der Hauptverwaltung für seine Pflicht gehalten, eine Tarif erhöhung zu beschließen, die eine jährliche Mehreinnahme von 250 Millionen RM. ergeben soll, wobei der Güterverkehr etwa zwei Drittel und der Personenverkehr etwa ein Drittel zu tragen hätte. pilsudskis Niederlage. Ein Sozialist polnischer Landtagspräsident. Nach den für Pilsudski und dey von ihm begrün deten Regierungsblatt so günstigen Wahlen zum Pol nischen Sejm nahm man an, die Herrschaft des Marschalls sei von keiner Seite mehr irgend in Frage gestellt. Diese Annahme hat sich nun als irrig herausgestellt. Den Be weis dafür brachte die Eröffnungssitzung des Sejms. Die Eröffnung erfolgte unter außergewöhnlichem Skandal. Bei Erscheinen des Marschalls in Stellvertretung des Staatspräsidenten hörte man Rufe wie: „Nieder mtt dem polnischen Faschismus!" Aus Befehl des Marschalls erschien Staatspolizei im Saal »nd entfernte mit Gewalt die Ruhestörer. Es waren dies zwei Kommunisten, zwei Abgeordnete der Radikalen Bauernpartei Wyzwolenie und drei radikale ukrainische Abgeordnete. Als wieder Ruhe eingetreten war, verlas der Marschall eine Kund gebung des Staatspräsidenten an den neuen Sejm, in der der Wunsch ansgcsprochen wird, datz er erfolgreiche und ersprießliche Tätigkeit für -en Staat entfalten möge. Später erfolgte die Vereidigung der Abgeordneten, auch die Ausgeschlossenen erschienen wieder. Pilsudski hatte die Wohl seines stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Bartel zum Landtagsvorsttzendcn (Sejmmarschall) offen gewünscht, sozusagen befohlen. Aber Dr. Bartel erhielt im ersten Wahlgang die 142 Stimmen der Regierungs parteien «nd im zw^en Wahlgang sielen nur 136 Stim men aus ihn. Mit 266 Stimmen wurde der Sozialdemo krat Daszynski zum Sejmmarschall gewählt. Die Wahl schlug wie eine Bombe im Negierungs lager ein. Nach der Bekanntgabe räumte der Pilsudski- Block unverweilt den Sitzungssaal, auch alle Regierungs- Vertreter entfernten sich. Man spricht in Warschau be reits von einer Wiederauflösung des Landtags, aber auch von einer ernsthaften Regierungskrise. Mussolini über sich selbst. Ein englisches Interview. Die Londoner „Daily Mail" veröffentlicht ein Inter view ihres Besitzers, Lord Rothermere, mit Mussolini. Verwicklungen mit dem Ausland, so führte Mussolini aus, seien für Italien untragbar. Er habe Beweise für seine pazifistischen Absichten gegeben, indem er mit Jugo slawien einen Freundschaftsvertrag abgeschloffen hätte. Mussolini wies ferner auf den Freundschaftsvertrag Italiens mit Ungarn hin und erklärte, die Durchfüh rung der Friedensverträge müsse gesichert werden, aber das schließe eine Veränderung der Einzelheiten nicht aus, wenn eine sorgfältige Prüfung sie erwünscht erscheinen lasse. Noch nie habe sich ein Vertrag als unabänderlich erwiesen. Darauf verbreitete sich Mussolini über Süd tirol, wobei er alle nichtigen Gründe der Faschisten für Vie Dentschenvergewattigung wiederholte.