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MMM Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Ds» .Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werdtagen nachmittags 8 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der lSeschLstsstelle und den Ausgabestellen L RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3V AM., bei Poftbestellung r BW. zuzüglich Abtrog- , ,, , „ .. .. gebühr. Einzelnummern lSRpfg.AllePostanstaNen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und UN,-r-Aus. rräger und Geschäftsstellen ! nehmen zu jeder Zeit Be- ftrllungen entgegen. ImFalie höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandler Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Staumzcile 20 Rxfg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich», psennig, die 3gespaltene Reklamezette im -ertlichen Teile I Reichsmark. 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Bekanntlich ist es in den letzten Beratnngstagen des »ergangenen Reichstages im Ausschuß wie im Plenum zu oesondcrs heftigen Auseinandersetzungen gekommen über die Frage einer allgemeinen Amnestie. Die Geister schieden 'ich- Während die Regierungsparteien und die Demo kraten für Verurteilte, die politische Vergehen begangen hatten, den Vorschlag eines allgemeinen Amnestiegesetzes eingebracht hatten, also auch linksradikale Verbrecher dieser Art amnestiert wissen wollten, lehnte es die Sozial demokratie ab, die Amnestie auch rechtsradikale Verur teilten, namentlich den sogenannten Fememördern, zu kommen zu lassen, so daß bei der endgültigen Abstimmung der ganze Vorschlag abgelehnt wurde. Man kann über derartige Anregungen, gewisse Ver gehen namentlich politischer Art zu amnestieren, man kann über die Amnestie überhaupt sehr geteilter Meinung sein. Bei gewissen Gelegenheiten dürfte eine solche Amnestie gewiß ihre starke Berechtigung haben, so z. B. jene, die im Anfang des Weltkrieges für alle Deutschen erlassen wurde, soweit sich diese durch Flucht ins Ausland ihrer militärischen Dienstpflicht entzogen hatten. Hier sprach die drängende Not des Vaterlandes das entscheidende Wort gegenüber jenen, die ihr Vergehen vielleicht schon längst bereut halten. Wir haben aber seit der Revolution schon tiber ein Dutzend Amnestien gehabt und das hat gewiß nicht dazu beigetragen, die Rechtssicherheit zu stärken. Im monarchischen Staat sind solche Amnestien aber auch nichts ganz Ungewöhnliches gewesen, weil bei besonderen Familiengelegenheiten, bei Regierungsjubiläen usw. solche Amnestien erlassen wurden. In politisch auf geregten Zeiten aber, wenn die Rechtssicherheit überhaupt leidet, die Anschauungen über das gesetzlich Zulässige oder ^Nichtzulässige häufig nicht mehr durch das Gesetz, sondern nur durch die Ersolgsmöglichkeit bestimmt werden, können und dürfen Amnestien doch erst dann erfolgen, wenn eine gewisse Beruhigung, eine Konsolidierung vcr Verhältnisse eingetreten ist. Das ist jetzt zweifellos der Fall, aber gerade das letzie Jahr war erfüllt mit Prozessen aller Art, die sich auf einem überaus verwirrten politischen Hintergrund abgespielt haben. Galten diese Prozesse im allgemeinen rechts radikalen Elementen, so fehlte es doch auch nicht an einer ganzen Reihe von Hochverratsprozessen gegen politisch linkseingestellte Persönlichkeiten. Aber fast immer betras es Dinge und Vorgänge, die jahrelang zurückliegen und eben in jene Zeiten der Wirrnisse und der Auflösung aller normalen Verhältnisse zurückreichen. Diese Auflösung der Verhältnisse ist aber nicht nur äußerlich zu verstehen, son dern auch innerlich; die jetzt Verurteilten glauben richtig gehandelt zu haben, nehmen für das, was sie getan habech gerade die Wirrnisse der Zeit und die damals herrschende völlige Rechtsunsicherheit, ja Rechtswidrigkeit - des all gemeinen Geschehens für sich in Anspruch. Fühlt sich ein Staat stark genug, das zu verzeihen durch eine Amnestie, dann mag er es tun, allerdings aber nur dann,''wenn er die Wiederholung solcher Vorkommnisse verhindern und es außerdem verschmerzen kann, daß eine solche Amnestie, namentlich dann, wenn sie sich des öfteren wiederholt, doch zweifellos zu einer Schwächung innerer Hemmungen gegen rechtswidriges Vorgehen führt. Trotz der großen Bedenken, die also gegen eine Am nestie an sich und besonders gegen eine allzu häufige Wiederholung solcher Gnadenmaßstahmen sprechen, ist es doch nicht ganz von der Hand zu weisen, durch eine Am nestie sozusagen einen Schlußstrich in dem oben an gedeuteten Sinne zu machen. Das bringt doch eine ge wisse politische Beruhigung mit sich und — die Ver urteilten haben Zeit genug gehabt, sich ihr Tun zu über legen. Wenigstens bei einer Reihe von ihnen wird der Aufenthalt im Gefängnis, im Zuchthaus oder auf der Festung seine a b k ü h l e n d e W i r k u n g nicht verfehlen. Selbstverständlich muß aber dabei durchaus unparteiisch verfahren werden, weil sonst der eigentliche Zweck der Gnadenmaßnahmen ausbleiben würde, nämlich zu einer allgemeinen politischen Beruhigung zu führen. Wir leben in der Gegenwart so schnell und vergessen womög lich noch schneller, daß manches, was vor Jahren geschah und seine Sühne fand, uns heute fast fremdartig anmutet. Nicht minder fremdartig erscheint es aber auck/über Vor kommnisse dieser Art, die in längst vergessenen Jahren geschahen, jetzt noch Urteile zu fällen, fremdartig des wegen, weil wir innerlich all die Umstände, die geistigen Strömungen, die wirtschaftlichen und politischen Vor bedingungen von damals kaum noch verstehen. In einem großen Prozeß, bei dem das Urteil in den letzten Tagen gefällt wurde, trat dieses Nicht-mehr-verstehen-können sogar in der Urteilsbegründung ausdrücklich zurage. Auch im politischen Leben ist es ganz gut, ab und zu, aller dings nicht allzuoft, solch einen Schlußstrich unter eine längst zurückliegende Zeit zu ziehen und nicht immer rück wärts, sondern bester immer vorwärts zu blicken. LeichsbahMellor Reumann amtsenihoben. Zahlreiche Anschuldigungen. In der letzten Woche wurde von der Berliner Staatsanwaltschaft mit großem Aufwand an Kräften gearbeitet, um weiteres Licht in die bei Reichsbahn beamten offenbar vorgekomMuen unzulässigen Geschäfte and Unterschleife zu bringerstV'Die Untersuchungen haben 'ich dabei auf eine Reihe großer Firmen sowie auf eine Zank in Frankfurt a. M. ausgedehnt, da die Staats- rnwaltschaft den dringenden Verdacht hat, daß außer den chon bekannten Geschäften des Reichsbahnoberbaurats Müller noch ein größerer Kreis von Personen in Frage ommt. Die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn eilt jetzt mit: „Die weitere Untersuchung von Unregelmäßigkeiten wim Reichsbahnzentralamt hat dazu geführt, daß ;egen den Direktor bei der Deutschen Reichsbahn Neu- nann das förmliche Dienststrafverfahren eingcleitct md die vorläufige Amtsenthebung verfügt worden ist. Der unter der Führung des Präsidenten Frriherrn von Az, Karlsruhe, stehend-- Untersuchungsausschuß der Deutschen Reichsbahn wird in engstem Einvernehmen mit Admiral Collards Schimpfkanonade. Nichts gefällt ihm, auch die Musik nicht. In Gibraltar finden zurzeit die Kriegsgerichts oerhandlungen wegen der Vorfälle an Bord des englischen Kriegsschiffes „Royal Oak", die zur Streichung der Flagge des Konteradmirals Collard führten, statt. An dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen ist zu erkennen, daß es zwischen dem Admiral und seinen Offizieren dauernd „Krach" gab, richtigen Krach, denn Admiral Collard konnte sehr ausfallend werden und war dann in seinen Ausdrücken nicht sehr wählerisch. Als er während eines Bordfestes feststellte, daß mehrere Damen keine Tänzer hatten, ließ er den Ersten Offizier kommen und putzte ihn vor versammeltem Volke herunter. Dann nahm er sich den Schiffskapellmeister vor und konstatierte, daß er noch nie eine so miserable Musik gehört habe. Es gab dabei Schimpfwörter, die die schamhafte englische Presse nur „andeutungsweise", das heißt: durch Gedankenstriche, Wiedergibt. Der Erste Offizier verbat sich diesen Ton und bewog schließlich den Admiral, sich auch beim Kapellmeister zu entschuldigen. Diese Demütigung konnte ihm Collard nie vergessen. Einmal erklärte der Admiral, daß ihn« „das ganze Schiff zum Halse heraushänge" und daß er sich ein anderes aussuchen werde. Schließlich standen Admiral und Offiziere bis hinauf zum Kommandanten miteinander auf dem „Nichtgrußfuß" und Collard gab seine Befehle direkt an den Bootsmannsmaat der Wache. Da infolge dieser unerquicklichen Zustände die Disziplin auf dem Schiffe gelockert war, wurden drei Offiziere vom Dienst suspendiert. Zu direkter Gehorsamsverweigerung scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Amerikas Meinung zur Schuldenregelung. Revision des Dawes-Plans möglich? In den Vereinigten Staaten hat die letzte Rede Poincarös, in der er Andeutungen über die etwaige Rege lung des Kriegsschuldenproblems und die Annäherung ser ehemaligen Gegner gab, großes Interesse wachgerufen. In Washington soll man jedoch nicht der Meinung sein, baß Schulden- und Reparationsfrage miteinander ver bunden werden könnten, wie Poincarö zu glauben scheine. Die Vereinigten Staaten würden einstweilen bei ihrer bisherigen Haltung verharren. Deshalb würden sie auch einer Revision des Dawes-Planes für Deutschland abwartend gegenüberstehen. Die Rewyorker „Times" melden aus Washington, amtliche Kreise erwarteten nicht, daß für den Rest von Coolidges Amtszeit irgendwelche entscheidenden Schritte in bezug auf die Revision des Dawes-Plans erfolgen könnten. Dagegen meldet „Herald Tribune", daß der Rede Poincarös in Kongreßkreisen größtes Interesse entgegengebracht werde und daß auch oas Schatzamt Poincarös Vorschläge prüfe, obwohl amt liche Kreise befürchteten, daß eine allgemeine Erörterung über einen Revisionsplan gegenwärtig dem Erfolg der Verhandlungen eher schaden könnte. „Herald Tribune" sagt weiter, daß ein in Washington weilender hervor ragender Newyorker Bankier bemerkte, falls die vor gesehene Ausgabe von Bonds zu 4 Prozent erfolgen könne, wäre eine Festlegung der Neparationssumme auf zehn Milliarden möglich, während sie bei 5 Prozent etwa acht Milliarden betragen würde. Die Newyorker Presse stellt sich im allgemeinen auf den Standpunkt, wenn 'er Staatsanwaltschaft arbeiten und für restlose Auf- lärung sorgen." Die Voruntersuchung gegen den Regierungs- und öaurat Hugo Müller in Göttingen hat bisher den Lerdacht einer strafbaren Handlung nicht bestätigt, ist wer noch nicht abgeschlossen. Unter Benutzung sämt- ichen bei der Staatsanwaltschaft unv der Hauptverwal- ung der Reichsbahn eingehenden Untersuchungsmaterials vird die Angelegenheit in strafrechtlicher Hinsicht von der Staatsanwaltschaft, in wirtschaftlicher Beziehung durch sie von der Hauptverwaltung der Reichsbahn eingesetzte .lutersuchungskommission geprüft. Weitere Verdachtsmomente. Als im vorigen Monat der Reichsbahnoberrat Erich Zchulze seines Amtes enthoben und unter Anklage ge teilt wurde, erhoben sich sofort Stimmen, die von einer veitverzweigten Korruption sprachen, obwohl die als beteiligt genannten Firmen sofort erklärten, es sei alles .ordnungsgemäß zugegangen. Berliner Blätter ver öffentlichen ein reiches Material, das sich auf Geschäfte )on einer Anzahl von Firmen in Braunschweig, Berlin, töln, Göttingen mit der Reichsbahn bezieht und in dem llndeutungen über zweifelhafte Machenschaften enthalten ind. Daß bei der Untersuchung an keinem Verdachts- noment vorbeigeaangen werden darf, ist selbstoer vie europäischen Staaten sich in der Neparattons- und Schuldenfrage zu größeren Opfern entschließen würden, so könnte auch die amerikanische Negierung, die bisher an den Verhandlungen nicht teilgenommen hat, sich einem Appell Europas kaum verschließen. Bekanntlich gehen einige Anregungen darauf hinaus, daß die Reparations schulden Deutschlands, die nach dem Londoner Zahlungs plan im Jahre 1921 nominell 132 Milliarden Goldmark betragen sollen, auf 32 Milliarden herabgesetzt und durch die Emissionen deutscher Bonds in gleicher Höhe gedeckt werden sollen. Die Hälfte der Neparationsschulden, d. h. 16 Milliarden, würden dann in Form von 11 Milliarden Eisenbahn- und 5 Milliarden Industrie-Obligationen mobilisiert werden. Schluß der Königsberger Konferenz. Polnisches Angebot eines Nichtangriffspaktes. Die Beratnngen der polnischen und der litauischen Vertreter über die gegenseitigen Beziehungen wurden zu Ende geführt. Es wurde die Einsetzung von drei Kom missionen beschlossen. Es sind dies: 1. die Kommission für Wirtschafts- und Verkehrsfragen, 2. die Kommission für Sicherheitsfragen, 3. die Kommission für den örtlichen Verkehr. Die Vorsitzenden dieser Kommissionen sollen am 20. April in Berlin Zusammentreffen und den Beginn der Kommissionsarbeiten vereinbaren. Zum Schluß der Sitzung gaben Zaleski und Woldemaras ihrtzr Genug tuung über den Verlauf der Tagung und ihrem Dank für die deutsche Gastfreundschaft Ausdruck, womit die Königs berger Konferenz beendet war. Der polnische Außenminister Zaleski hat dem litauischen Ministerpräsidenten Woldemaras eine Note zugehen lassen, in der es heißt: „Ich kann Sie ver sichern, daß die polnische Regierung den Wunsch hegt, nicht nur jeglichen Angriff gegen Litauen unwahrscheinlich zu machen, sondern daß sie geneigt Ware, jeglichen beider seitigen Angriff völlig unmöglich zu machen. Zu diesem Zweck schlage ich Ihnen vor, unverzüglich einen Nicht- angriffsvertrag zwischen Polen und Litauen ab zuschließen." Aeue Erdstöße im Masel Smhrna. Erderschütterungen auch in Italien. Am Sonntag wurden, wie aus Angora gemeldet wird, im Wilajet Smhrna schwache und Montag früh wiederum starke Erdstöße verspürt; sie waren jedoch nur von kurzer Dauer. Weder in Torbali noch in Smyrna sind neue Verluste an Menschenleben oder neuer Sackr schaden zu verzeichnen. Nach amtlichen Meldungen wurden insgesamt 18 Dörfer von der Erdbebenkatastrophe heimgesucht. Pon zusammen 8000 Häusern wurden 1700 zerstört, davon in Torbali allein 1543. Der deutsche Botschafter in Angora hat im Namen der deutschen Regierung dem türkischen Ministerium des Äußern sein aufrichtiges Beileid aus Anlas? der Katastrophe ausgesprochen. Erdstöße wurden übrigens in den letzten Tagen auch in Italien verspürt, besonders in der Gegend von Tol mein. In Bordano und in Tresaghis wurden, nach Be richten aus Udine, schwere Schäden angerichtetz ländlich.