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Monatelang hat es gedauert, ehe die im Elsaß ver hafteten Autonomisten überhaupt erfahren haben, welche Vorwürfe man ihnen gegenüber erhob, Dann hat es wieder Monate gedauert, ehe nun, und zwar am 1. Mai, in Kolmar der Prozeß gegen sie begann. Aber das, was nun in diesem Prozeß an „Beweismaierial" für die An klage herbeigebracht oder herbeigezaubert werden wird, ist unwichtig — vielleicht nicht für die Angeklagten selbst, Wohl aber für die Kennzeichnung des Hintergrundes, auf dem sich dieser Prozeß abspielt, denn hierfür sind ja die Dinge viel wichtiger, die sich vor dem Beginn des Pro zesses und beim Beginn ereigneten. Erst wird mit allen Mitteln amtlicher Beeinflussung die gesamte Autonomie bewegung in Elsaß-Lothringen als mit deutschen Geldern uniersttitzt und mit deutschen Geldern arbeitend, sogar als deutschen Wiedereroberungszielen dienend bezeichnet, dann richtet der französische Ministerpräsident Poincarö Persönlich in gleichem Sinne in einer Straßburger Rede förmliche Anweisungsbefehle an die elsässischen Geschwore nen des Kalmarer Gerichts und schließlich hat man auch wohl dies Gericht selbst, sicherlich den Vorsitzenden und die Ankläger, sehr sorgfältig ausgcwählt.' Aber all dies hatte doch nicht den erwünschten Erfolg; denn es kam im Gerichtssaal zu Demonstrationen im auto nomiefreundlichen Sinne, obwohl der Vorsitzende gleich von vornherein erklärt hatte, er würde jede derartige Regung aufs schärfste unterdrücken. Doch manfeierte jaeinen Sieg, feierte es, daß diese Autonomie bewegung bei den Wahlen einen großen Erfolg davon getragen hatte. Zwei der Angeklagten können sich jetzt als Deputierte bezeichnen, der dritte Autonomist, im Wahl kreise Zabern gewählt, wird bei seinem Erscheinen als Zeuge gleichfalls demonstrativ begrüßt. Nur als Demon stration ist es wohl auch aufzufassen, daß mit Ausnahme eines einzigen, bei dem dies der Vorsitzende bestimmt zu- geiasscn hätte, alle Angeklagten behaupteten, nicht ge nügend französisch zu verstehen, um den Verhandlungen folgen zu können. Ein politischer Sensationsprozeß mit allen Nebenerscheinungen eines solchen also! Die Angeklagten werden auf Anweisung von Paris aus nicht einmal als politische Gefangene behandelt und die Kette der Zu sammenstöße zwischen der Verteidigung und den Ver tretern der französischen Staatsbehörde ist schon am ersten Verhandlungstag eine endlose gewesen. Man sucht den Angeklagten den Charakter als geborenen Elsässern, zum mindesten als Alt-Elsässer zu nehmen, was für jeden Kenner der Vorkriegsgeschichtc im Elsaß natür lich nur lächerlich ist. Aber der Vorsitzende unterstreicht in bewußter Schärfe, daß des Hauptangeklagten Dr. Ricklins Stiefvater ein Bayer gewesen ist, Dr. Ricklin selbst hauptsächlich in Deutschland studierte und, solange das Elsaß zu Deutschland gehörte, auch — Vorsitzender eines Kriegervereins war! ' Dabei kann wirklich diesem Manne der „Vorwurf" allzu großer Deutschfrcundlichkeit nicht gemacht werden. Er, genau so wie die anderen, die jetzt auf den Anklagebänken sitzen oder die dem Zu griff der Behörden entronnen sind, waren Elsässer, vor allem und unbedingt Elsässer, weit mehr eben, als sie jetzt Franzosen oder früher Deutsche waren. Er ist immer ein Querkopf gewesen, dieser Elsässer, wollte zwischen Deutschland nnd Frankreich seine eigene seelische und kulturelle Selbständigkeit als alemannischer Elsässer weiter behalten. Dies und nicht mehr will ja auch die Autonomie, aber derartige Gedanken werden in Frankreich, wo von Paris aus das ganze Land unbedingt und zentralistisch regiert wird, sehr schnell als Landesverrat bezeichnet. Ein politischer Sensationsprozeß, aber wohl kaum ein Sensationsprozeß von erheblichen politischen Folgen. Nach den Vorbereitungen, die man traf, könnte man vielleicht schon jetzt davon sprechen, daß das Urteil, soweit es die französischen Behörden angeht, schon von diesen gefällt worden ist. Gefüllt ist aber schon jetzt nach der Vorgeschichte und nach dem Beginn des Prozesses auch das Urteil über die französischen Behörden. Vielleicht bereuen cs diese doch noch eines Tages, die Dinge so zu- gespitzt zu haben, daß schließlich eine politische Sensation a^s dem Endergebnis herausschaut — aber freilich weiß man aus Erfahrung, daß diese Ergebnisse fast immer in umgekehrter Richtung zu den gewünschten und gewollten liegen. Reichsgericht gegen Rotfrootverbot. Die Länder bekommen recht. Der vierte Strafsenat des Reichsgerichts, der jetzt die Angelegenheiten des Staatsgerichtshofes erledigt, be schäftigte sich mit dem Einspruch der Länder gegen das vom Reichsinnenminister geplante Verbot des Roten Frontkämpferbundes. Nach längerer Verhandlung wurde folgender Be schluß verkündet: 1. Die Weigerung der Landeszcntrakbehörden, dem Ersuchen des Reichsinnenministers vom 16. April 1928 »uf Verbot und Auflösung des Roten Frontkämvfer- bundes, der Roten Marine und der Noten Jungfront nebst sämtlichen Ortsgruppen nachzukommen, ist begründet. Ter MesMozch im Were« ReMM Sie MWe KeimaKewegung. In Kolmar hält das Interesse für den eröffneten Prozeß der französischen Staatsanwaltschaft gegen die 22 der Beteiligung an der Autonomisten- oder Selbständig- keitsbewegung für das Elsaß Angeklagten am Am zweiten Tage der Verhandlung ereigneten sich einige heftige Zu sammenstöße zwischen der Staatsantoaltschaft und den Verteidigern. Letztere bestreiten nämlich die Berechtigung der öffentlichen Anklage und behaupten, es liege überhaupt kein strafbares Vergehen vor, sondern die Regierung in Paris wolle nur politisch unbequeme Gegner auf diesem Wege treffen. In der Dicnstaguachmittagsitzung legte der Hauptan geklagte, Dr. Ricklin, seine politische Einstellung zur deutscher Kriegführung im Jahre 1914/18 dar, woraus die Verhandlungen vertagt wurden. Ricklin hob vor allem seine spezifisch elsässische Gesinnung hervor. Vor dem Kriege habe er die übermäßige Verdeutschung Elsaß- Lothringens bekämpft, während man ihn jetzt von fran zösischer Seite als Agenten der Germanisierung hinstellc. Er habe für einen elsässischen Autonomismns stets ge arbeitet. Er habe von der deutschen Negierung niemals einen Orden angenommen. Es trat dann Vertagung aus Mittwoch ein. Dr. Nicklin fuhr alsbald nach Wieder beginn mit seinen Erklärungen fort. Er sagte u. a., die elsässische Bourgeoisie sei jetzt ebenso goüvernemental französisch gesinnt wie sie vor dem Kriege goüvernemental deutsch gesinnt gewesen sei. Während des Krieges sei er stets für den Schutz der elsässischen Bevölkerung ein getreten. Erst als der Reichstag ihn vom Treueid ent bunden habe, habe er sich für die Trennung des Elsasses von Deutschland ausgesprochen. Nicklin bespricht seine gemeinsam mit Hauß, dem Vater des jetzigen Angeklagtem Buchdrucker Hauß, in Berlin unternommenen Schritte (1915/16) zur Verhinderung dessen, daß Elsaß-Lothringen unter Führung eines Prinzen, etwa eines bayerischen Prinzen, ein selbständiges Fürstentum werde. Er erklärt, daß die Lothringer bereit gewesen seien, infolge der Bande, die sie mit dein Saargebiet verbanden, preußisch zu werden und seine Gründe als Elsässer nicht verstanden hätten. Nach der Annahme des Wilsonschen Friedenspro gramms sei die elsässische Frage zu einer internationalen Frage geworden. Da die elsässischen Volksvertreter an- nchmen, daß die elsaß-lothringische Bevölkerung bei Be ratung der elsässischen Frage zu einem großen Teil ihr 2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Deutschen Reiche auferlegt. Der Senat hält die Voraussetzungen des § 129 des Strafgesetzbuches (Teilnahme an umstürzlerischen Verbin dungen) für den Gesamtfrontkämpferbund und sämtliche roten Ortsgruppen nicht für erwiesen. In Frage kämen nur einzelne Verbote für bestimmte Ortsgruppen oder Gaue, bei denen jener Beweis vorliegt. Solche Verbote stehen heute nicht zur Entscheidung des Gerichts. Die nähere Begründung wird in einigen Tagen er folgen. Stresemann zur Klaggenfrage. „Die größte Dummheit." Neichsaußenminister Dr. Stresemann ver breitete sich in einer Wahlrede zu Elberfeld über deutsche Außen- und Innenpolitik. U. a. führte er nach dem Bericht der Telegraphenunion aus: Wenn der deutsche Außenminister keine reale Macht hinter sich habe, dann müsse Deutschland wenigstens einig sein. Wir würden vielleicht noch einmal mit der Idee des einigen Deutschlands kämpfen müssen für unsere nationalen Ideale. Der Locarnovertrag sei heftig angegriffen worden. Was siehe denn darin? Frankreich und Deutschland verpflichten sich, nicht die Waffen gegen einander zu erheben. England stehe als Garant für dieses Bündnis und trete dem Angegriffenen zur Seite. Wenn man in Frieden und Freundschaft miteinander zu leben sich vorgenommen habe, dann dürfe diese Freund schaft nicht auf 60 000 Bajonetten am Rhein ruhen. Natürlich käme man im Völkerleben nicht sofort zu einer endgültigen Regelung. Dann ging der Minister zu den Fragen der Innen politik über. Er erwähnte zunächst die Mängel der Reichsverfassung und die heutigen Forderungen nach einer Änderung dieser Verfassung. Dieses Verlangen sei keineswegs reaktionär. Heute würde man wahrscheinlich vieles anders be schließen wie damals. So sei es z. B. die größte Dummheit, die je in der Geschichte eines Volkes vorgelommcn sei, daß man in Weimar eine neue Flagge geschaffen habe. Weiter setzte sich Dr. Stresemann im Interesse der deutschen Jugend dann für eine Heraufsetzung des Wahl Recht, selbst über ihr Schicksal zu bestimmen, ausuvcn wolle, müßten die elsässischen Volksvertreter jetzt alles vermeiden, was die freie Willensäußerung beeinflussen könnte. Die Verhaftung Zorn von Bulachs. Dienstag nachmittag wurde in Kolmar der bekannte Baron Zorn von Bulach, der als Zeuge zu dem Prozeß geladen ist und im Gerichtsgebäude erschienen war, von den Polizeibehörden verhaftet und ins Ge fängnis gebracht. Auf Grund eines in seinem Besitz be findlichen Krankheitsattestes wurde er später wieder frei gelassen. Nähere Angaben über die Ursache der Ver haftung sind nicht bekanntgeworden. Man nimmt jedoch an, daß die Verhaftung darauf zurückzuführen ist, daß die Gefängnisstrafe, zu der Zorn von Bulach verurteilt und die krankheitshalber ausgesetzt worden war, jedoch nur unter der Bedingung, daß Zorn von Bulach seinen Auf enthaltsort nicht verläßt, die Ursache zu der Verhaftung bildete, Kem Kabinettswechsel in Frankreich. Ministerium Poincarö bleibt. Unter dem Vorsitz des Präsidenten der RepubM traten in Paris die Minister zusammen, um über die durch die Wahlen geschaffene Lage zu beraten. Man be schloß, keinen Kabinettswechsel eintreten zu lassen, und gab darüber folgende Veröffentlichung heraus: Der Ministerpräsident ist im Einvernehmen mit allen seinen Kollegen der Ansicht gewesen, daß der Wahlkörpcr die Politik der Regierung gebilligt hat und daß unter diesen Uinständcn für das Kabinett kein Anlaß vorliegt, dem Präsidenten der Republik seine Demission zu über reichen. Infolgedessen wird die Regierung in ihrer jetzigen Form sich am 1. Juni dem Parlament vorstclien nnd ihr Programm für die nächste Gcsetzgebungsperiodr bekanntgebcn. Der Ministerrat wird noch vor diesem Zeitpunkt den Arbeitsminister Fallieres, dessen De mission angenommen wurde, ersetzen und hat ihn ersucht, bis zur Ernennung seines Nachfolgers die Geschäfte des Ministeriums weitcrzuführen. Diejenigen, welche gleich nach der Wahl prophezeiten, Poincarö werde auch der Leiter des neuen Kabinetts sein, haben also recht in doppeltem Sinne behalten. An der Spitze wird auch fernerhin Poincarä stehen und es ist nicht einmal notwendig, einen formalen Wechsel vorzunehmen, da das jetzige Ministerium der Kammer am 1. Juni durch aus sicher zu sein scheint. alters ein. Vor allem geißelte er das moderne Ausieven der Jugend, wie es in erschreckender Weise in der letzten Zeit bekanntgeworden sei. Sandino läßt Amerikaner hinrichten. Flucht aus Nikaragua. Aus Managua (Nikaragua) wird gemeldet, General Sandino habe bei seinem Vorstoß auf die Minen von San Luz, die einem nordamerikanischen Konzern gehören, den Direktor George Marshall hinrichten lassen. Gleichzeitig Hai der Führer der Liberalen angeordnet, daß alle Nord amerikaner in Nikaragua hingerichtet werden sollen, so lange ihre Truppen nikaraguanischen Boden besetzt halten. Alle Angehörigen der Vereinigten Staaten fliehen darauf hin mit ihren Familien aus der Nähe des von General Sandino besetzten Gebiets. Die liberalen Truppen haben außer San Luz auch die Minen und Dörfer Neptuno und Lone Star erobert. General Giron ist mit 500 Mann zu Sandino übergegangen. Ein Souper für 4<M Personen. SchurmanüberdendeutschenAtlantikflug. Newyork kann nicht genug der Ehrungen für die mutigen Atlantikfliegcr bereiten. Die Stadt gab nach dem Triumphzug am Vortage ein Bankett, an dem nicht weniger als 4060 Personen teilnahmen, darunter haupt sächlich Deutsche und Iren. Zur gleichen Zeit etwa wurden die deutschen Flieger auch in Berlin gefeiert. Der „American Club of Berlin" veranstaltete ein großes Diner, an dem u. a. der Bot schafter Schurman teilnahm. Schurman erinnerte an die Großtaten des Flugwesens, bei denen alle Nationen im friedlichen Wettbewerb einander halfen. Chamberlins erfolgreicher Flug habe durch die Belebung des natür lichen menschlichen Gefühls in Deutschland und in den Vereinigten Staaten einen tiefgehenden Einfluß in der Erweckung guten Verständnisses und in der Freundschaft zwischen den beiden Völkern ausgeübt. Hauptmann Köhls erfolgreicher und aufregender Flug werde das gleiche gute Erge'bnis zeitigen. Durch die Luft und in ihren Seelen kommen die beiden Nationen immer näher zusammen.