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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeisenpr-is: die S iespaltene Ba-mz-ile WRxfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reich«. Pfennig, die Sgespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I Reichsmark. Nachwetjungsgedühr LV Reichspfcnnige. Vol> geschriebene Erscheinung-. —, . « tage und Plagporschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen. annahmebisoorm.lOUHr. Flir die Richtigkeit der durch F-rnrus übermittelten Anzeigen übernedmcn wir lcnu Garantie. IederRabatiansprucd erlischt, wenn derBetragdurch Klage eingezogenwerdenmutzoderderAustraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehnlen alle Vermittlung-, stellen entgegen. »,« .Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittag-b Uhr. 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Der schöne Wahlspruch Alt-Englands vor dem Kriegt .md auch noch in der ersten Zeit des Krieges selbst: „Lusmsss 3.8 usnal" — „das Geschäft geht wie gewöhn lich" — gilt dort nicht mehr. In der Nachkriegszeit ist man trotz des Sieges über den gefährlichen deutschen Kon- ! urrenten wirtschaftlich aus den Sorgen nicht heraus- gekommen und so mancher Kaufmann in der Londoner City, der einst nur ein paar Stunden in sein Geschäft ging, oor allem ein mehr als ausgiebiges Weekend veranstaltete, muß jetzt eifrig arbeiten und überall sitzt in den Kontoren das graue Gespenst der Sorge. In den letzten Jahren ist es eigentlich immer schlimmer geworden; vergeblich versuchte man, der beson ders notleidenden Kohlenindustrie mit Unter stützungen zu Hilfe zu kommen, die England 400 Millionen Mark kosteten und mit dem Ausbruch des großen, fast un heilbare Wunden schlagenden Bergarbeiterstreiks endeten. Auch der Sieg über die Arbeiterschaft führte dann nicht ui einer Gesundung; so unrecht hat der Führer der Arbeiterpartei im Unterhaus, Macdonald, nicht, wenn er jetzt in einer großen Debatte über die englische Wirt schaftslage es als Tatsache sestnagelte, daß 200 000 eng lische Bergarbeiter nicht mehr damit rechnen könnten, aus chrer Arbeitslosigkeit heraus- und wieder in ihre Beschäftigung hineinzukommen. Grau in grau malte die Wirtschaftslage auch der englische Ministerpräsident Baldwin, der freilich zusammen mit seiner Partei alles daransetzen muß, möglichst bald wenigstens etwas bessere Verhältnisse zu schaffen. Denn die Wahlen stehen vor der Tür, und es wird nicht zuletzt von den Stimmen der Arbeiterschaft abhängcn, wie die künftige Regierung aus sehen wird. Das eine steht jedenfalls nach den Ausführnngen Baldwins in der Uuterhaussitzung fest: Englands Re gierung will, um eine bessere Beschäftigung der Industrie herbeizuführen, in noch ausgiebigerem Maße zu ihrer Hochschntzzollpolitik zurückkehren, als das bisher schon ge schehen ist und dahin führte, daß in Deutschland ernsthaft die Kündigung des Handelsvertrages mit England erwogen wird. Baldwill selbst wird kaum damit rechnen, daß die von ihm geplanten Maßnahmen — dabei steht die soeben durchgeführte Herabsetzung der Kohlen frachttarife im Vordergrund — mehr als Wirkungen für den Augenblick oder die nächste Zeit haben können. Er sieht genau, wo das übel eigentlich steckt. Es ist die durch aus- mangelhafte Modernisierung weiter Gebiete der eng lischen Industrie. Nicht etwa trifft dies bloß bei der Kohle zu, sondern auch bei der kaum minder wichtigen Eisen- und Stahlindustrie. Auch hier soll jetzt der Hoch schutzzoll die ausländische Konkurrenz fernhaltcn. Dieser Wirtschaftszweig ist zurzeit nur für etwa 60 Prozent seiner Erzeugungsmöglichkeit beschäftigt, nicht anders er geht es den Schiffbauwcrften — und doch hofft man immer noch, nur durch äußere Maßnahmen, wie engste Verbindung mit den Dominions, vor allem durch eine rigorose Zollpolitik ohne Verlust den alten Stand wieder- zugewinnen. Baldwin ist anderer Ansicht; er sieht, wie notwendig stärkste Rationalisierung ist, verweist dabei aber auch auf die bittere Notwendigkeit, daß das Opfer dieser Nationalisierung aller Industriezweige zunächst einmal die Arbeiterschaft sein wird. Englands Arbeitslosen- ziffer ist beträchtlich höher als die deutsche, aber die deutsche Arbeiterschaft bat im Kohlenbergbau jene bitteren Folgen der Rationalisierung ebenso durchmachen müssen nüe in der Schwerindustrie. Und nun gar die blühende, einst so blühende Textilindustrie Englands, die die Welt versorgte! Riesige Gebiete sind für ihren Absatz oerlorcngegangen. Indien vor allem, das einst Haupt abnehmer war, hat sich ebenso unabhängig von Lancashire gemacht wie zum großen Teil auch Ägypten und Süd amerika. Es ist fast so, als ob der innerlich allzu konser- gesinnte englische Geschäftsmann das alles nicht ein- vermag, nicht erkennen will, daß die Welt und „.,7. Weltwirtschaft anders geworden sind — trotz des engl chen Sieges im Weltkrieg. uno nun kommt das Interessanteste in den Aus- luhruugen Baldwins: englische Regierung scheint tat- sachltch letzt energisch daranzugehen, die Überführung größerer Massen von Arbeitslosen in die Kolonien einzuleiten. Wieweit das allerdings möglich sein wird, Leute nach Übersee zu schicken, hängt davon ab, ob der Arbeitslose in seiner neuen Heimat Arbeit findet, aber auch sonst einigermaßen zufriedenstellende Verhältnisse antrifft. 1,2 Millionen Arbeiter in England noch länger auf der Straße beschäftigungslos herumlungern und den Kommunen zur Last fallen zu lassen, hält man nicht mehr Nir möglich und man hat deswegen bereits einen Unter staatssekretär auf Lie Reise geschickt, der in Kanada, Australien und Neuseeland die Möglichkeiten einer syste matischen Arbeitcreinwonderung und -ansiedlung prüfen wll. Wobei es sich allerdings fragt, ob diese Kolonien über diesen Zustrom gerade sehr entzückt sein werden! So hat das große englische Weltreich seine schweren Sorgen. Schließlich ist ja in allen Staaten der Welt, auch M Amerika, das Leben nicht mehr so leicht wie in der «orkriegszett, ist uberM ebenso der Kamps um das Da- Mn des einzelnen schwerer und nervenaufreibender ge- morden wie der Wirtschaftskampf der Staaten und Län der gegeneinander. Amerika Hilst Washington will das neue China anerkennen. Zu Verhandlungen bereit. In starkem, aber einigermaßen verständlichem Gegensatz zu Japan stellt sich die Regierung der Vereinig ten Staaten zu den Sclbständigkeitsbestrebungen in China ein. In Washington hat der amerikanische Staats sekretär Kellogg eine Note an die nationale chinesische Regierung in China abgefatzt, die allem Anschein nach schon übergeben worden ist. In dieser Note nimmt Amerika einen durchaus freundlichen Standpunkt zu der von den Chinesen «»gestrebten neuen Ordnung ein und erklärt sich bereit, über die Wünsche auf Aufhebung der ungleichen Vertrage mit anderen Nationen zu verhandeln. Die amerikanische Note gibt bekannt, Amerika wolle gern Verhandlungen über Revision der Verträge mit China aufnehmen. Die Anerkennung der neuen Negie rung fall erfolgen, wenn Gewähr dafür gegeben ist, daß genügend Vorsorge für die Sicherheit der amerikanischen Staatsangehörigen und den Schutz ihres Eigentums in China getroffen ist. Sollten die übrigen Mächte zögern, dem amerikanischen Beispiel zu folgen, so würden die Vereinigten Staaten selbständig vorgehen. Die ameri kanische Regierung ist gewillt, China auf halbem Wege -ntgegenzukommen und die Festigung des neuen Re gimes zu erleichtern. Stärkung für Nanking. Die amerikanische Stellungnahme bedeutet natürlich eine ungeheure Stärkung der von Nanking aus die endliche Befriedung des Chinesischen Reiches versuchenden siegreichen chinesischen Südpolitiker, namentlich in einem Augenblick, in dem Japan sich bereit macht, unter Um ständen mit Truppenmacht deren Wünsche zu unterdrücken, und andere interessierte Staaten, wie Frankreich und England, mindestens die kalte Schulter zeigen. Das Marineamt in Washington ordnete die Zurück ziehung von 1500 Mann Marinetruppcn aus Tientsin an, wodurch die amerikanischen Truppen in China um ein Drittel vermindert werden. Die Abberufung des noch in China verbleibenden amerikanischen Truppenkontingents darf in wenigen Wochen erwartet werden. Spannung Polen-Liiaueu. Bewaffnete Zusammen flöße. Zwischen Polen und Litauen werden nicht bloß Nolen über den Völkerbund hinwcggcwechselt, sondern an der Grenze der beiden Länder auch Schülke Voten klaut Die Wirtschaftsdebatte im Unterhaus endete mit der Ablehnung des von Macdonald eingebrachten Miß trauensvotums. Es fiel mit 331 gegen 151 Stimmen. Von konservativer Seite wurde ein Zusatzanirag ein gebracht, der die bereits von der Regierung abgelehnte Forderung von Eisen- und Stahlzöllen auf Grund des Jndustrieschutzgesetzes vertritt. Dieser Antrag wurde mit 305 gegen 136 Stimmen abgewiesen; auch zahlreiche Kon servative stimmten also gegen ihn. Anschlußkun-gebung in Graz. „Ein Volk, eine Nation, ein Staat." In Anwesenheit zahlreicher hervorragender Gäste und Vertreter aller deutschen Parteien wurde im fahnen- aeschmückten Gemeinderatssitzungssaal zu Graz die Grün dungsversammlung der Ortsgruppe Graz des Öster reichisch-deutschen Volksbundes abgehalten. Bürgermeister Muchitsch sagte zur Begrüßung, auch die am südwestlichsten und hart an der jugoslawischen Grenze liegende steirische Landeshauptstadt wolle der An schlußbewegung ihren Impuls geben, ausgehend von dem Grundsatz: Ein Volk, eine Nation, ein Staat. Der deutsche Reichstagspräsident Löbe führte aus, man strecke die Hand nicht aus nach einem fremden Gut und fremden Volk, sondern man appelliere an das Gesetz, das die Entente selbst aufgestellt hat, dem deutschen Volk aber verweigert. Lassen Sie uns, schloß Löbe, in diesem Sinne weiter an der großen Idee der nationalen Einigung arbeiten. Es wird der Tag kommen, an dem in den Deutschen Reichstag auch die Vertreter Österreichs ein- ziehen werden. Die Versammlung nahm sodann die behördlich ge nehmigten Statuten an und wählte die Ortsgruppen- leftung. Dem Akt wohnten auch viele reichsdeutsche Reichstags- und Landtagsabgeordnete aller Parteien bei. Der Landeshauptmann von Steiermark, Dr. Rintelen, gab am Abend gemeinsam mit dem Bürgermeister Muchitsch den reichsdeutschen Gästen ein Festessen. Mitt woch begab sich Reichstagspräsident Löbe »ach dem Burgenband. den Chinesen darüber, daß mehrere polnische Soldaten, die die Grenzen abpatrouillierten, aus dem Hinterhalt von litauischen Schützen überfallen worden seien; ein Pole sei getötet, ein zweiter schwer verletzt, und das sei schon der zweite Fall innerhalb einer Woche, daß polnische Grenzwachen von Litauern beschossen werden. Der litauische Staatspräsident hat gleich zeitig an den Völkerbund eine Note gerichtet, in der er sich über Polen beschwert, weil nämlich in der Warschauer Presse eine Meldung über bevorstehende polnische Manöver ausgerechnet im Wilnagebiet er schienen sei. Während man auf beiden Seiten in jedem Sommer an der Grenze Artillerieschießübungen veran stalte, ohne daß dies gegenseitige Bedenken errege, ver halte es sich anders mit der Frage von Armeemanövern in der Nähe der Demarkationslinie. Das Zusammenziehen polnischen Militärs in größerer Zahl würde die Litauer veranlassen, auch ihrerseits die militärischen Punkte zu verstärken, um jeder Gefahr gegenüber gerüstet zu sein. Zwischenfälle könnten infolgedessen leicht eintreten. Ferner fühlen sich die Litauer außerdem noch dadurch „gefährdet", daß in Wilna demnächst ein großer pol nischer Legionärkongreß stattfinden soll, auf dem Pilsudski selbst eine politisch bedeutsame Rede über den polnisch-litauischen Konflikt halten wird, vor allem also über Wilna, das ja durch die neue litauische Ver fassung zur Hauptstadt Litauens erklärt worden ist. Dieses ganze Hin und Her zwischen den feindlichen Nachbarn beweist aber, daß die Bemühungen des Völkerbundes, dort eine Einigung wenigstens anzubahnen, bisher noch vergeblich geblieben sind. Die Warschauer Presse ist über die litauische Note entrüstet; so wird sie von dem Pilsudski- Blatt „Glos Prawdy" als eine gegen die ganze Welt ge richtete Verlautbarung, eine Überfallsdrohung auf die all jährlich übenden polnischen Truppenabteilungen be zeichnet. LngMcke»' Druck sul Litauen London, 25. Juli. Außenminister Chamberlain erklärte am Mittwoch nachmittag auf eine Anfrage im Unlerhause, der britische Gesandte in Riga sei angewiesen worden, den, litauischen Außenminister gegenüber nachdrücklich zu betonen, es sei wün schenswert, daß Litauen den Empfehlungen des Völkerbunds rates bezüglich der polnisch-litauischen Streitfälle stattgebe. Wie e» unterrichtet sei, wären ähnliche Vorstellungen erfolgt oder würden noch erfolgen durch die Gesandten Frankreichs und Deutschlands. Der britische Gesandte in Riga habe bisher noch nicht Bericht erstattet. Köln empfangt die Deutsche Turnerschaff. Begrüßungsabend im Gürzenichsaar. Im festlich geschmückten Gürzenichsaal fand de, offizielle Empfang der Deutschen Turner schaft durch die Stadt Köln statt. Unter den zahlreichen Ehrengästen bemerkte man u. a. den Minister a. D. Külz, die Ministerialdirektoren Ottendorf und Malwitz, den Oberpräsidenten der Rheinprovinz Dr. Fuchs und den Regierungspräsidenten Elfgen. Oberbürgermeister Dr. Adenauer hieß in seiner Rede die Erschienenen herzlich willkommen und erklärte, das Hauptziel der Deutschen Turnerschaft sei Dienst und Pflege am deutschen Volke. Im weiteren Ver lauf seiner Rede betonte er, daß die Fortschritte der Technik den Krieg zu einem furchtbaren Geschehnis machen würden, und daß jeder mit allen Fasern seines Herzens darauf hinarbeiten müsse, daß, die Völker sich verstehen, damit der Krieg die Menschheit verschone. Das deutsche Volk frei zu machen, auch innerlich frei zu machen, sei ein weiteres Ziel der Jünger Jahns. Die Deutsche Turncrschaft vereinige in ihren Reihen alle Klassen, ihr oberstes Ziel sei es, sittliche Werte zu schaffen. Der Redner schloß mit einem Hoch auf das Vaterland, worauf die Versammelten das Deutschlandlied sangen. Der Vorsitzende der Deutschen Turnerschaft, Pro fessor Dr. Berger, dankte dem Oberbürgermeister im Namen der Deutschen Turnerschaft. Der Generalsekretär des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen, Dr. Diem, sprach im Namen des Reichsausschusses die besten Wünsche für das Gelingen des Turnfestes aus. Dr. Neuendorf, der zweite Vorsitzende der Deutschen Turnerschaft, legte in längeren Ausführungen die Sehn sucht der deutschen Turner nach einem deutschen Volke dar Was die Sänger in Wien wünschten, das wünschte» auch die Turner. Der Präsident des amerikanischen Turnerbundes, Seibel, überbrachte die besten Grüße der amerikanischen Turner. * Oie Rheinstaffel Basel—Köln. Eine riesiae Menschenmenge erwartete in Köln am