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Beilage zu Nr 117. Sonnabend, 8. Oktober 1907. OreisrLtsel-Lssung. Eigensinnig. Es gingen im Ganzen 24 Lösungen ein und zwar aus Wilsdruff und Klipphausen je 8, Grumbach 3, Sachs- dorf 2, Lampersdorf, MiUitz,Roitzschsn und Wittmund je 1. Falsch waren 5 Lösungen. Gezogen wurde Nr. 13 mit der Unterschrift: Frau Luise Schulze, Wittmund. Ge- Winn: Deutsche Humoristen (Peter Resegger, Fritz Reuter usw.) Berlag der deutschen Dichter-Gsdächtnis-Stiftung, Hamburg-Großborstsl. Aus Sachsen. Ein scheußlicher Lustmord, begangen an einem 10jährigm Mädchen aus Rochlitz, bildete den Gegenstand der Verhandlung vor dem Chemnitzer Schwurgericht. Zwei Tage nahm sie in Anspruch. Die Anklage richtete sich gegen den mit einem Karussellbesttzsr herumziehenden, vielfach bestraften Arbeiter Lehmnnn, der 23 Jahre alt und in Leipzig-Reudnitz geboren ist. Da? Kind ist am Jahrmarktstage, am 27. Mai, von Rochlitz verschwunden und am 30. Mai in einem Gebüsch auf Gröblitzer Flur, unweit Rochlitz, erdrosselt aufgefunden worden. Die ärzt liche Untersuchung ergab, daß das Kind geschändet worden war. Als der Tat verdächtig wurde Lehmann in Unter suchung genommen, der leugnete und auch in der Ver handlung bis zum letzten Augenblick seine Unschuld be teuerte. Es war ein großer Zeugenapparat aufgeboten. Die O ffeutltchkcit wurde während der Verhandlung aus geschlossen, bei Beginn der Plaidoysrs aber wiederherge stellt. Eine lange Kette von Indizienbeweisen wurde durch die Beweisaufnahme beschafft, die dem Vertreter der Staatanwaltschaft genügten, den Antrag auf Bejahung Schuldfragen zu stellen. Dementsprechend entschieden sich auch die Geschworenen. Lehmann wurde zu fünfzehn Jahren Zuchthaus und zehnjährigem Ehreorechtsverlust verurteilt. Von der Strafkammer zu Zwickau wurde der Schutzmann Klöoer wegen einer Bestechungsaffäre im Amte ku 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis und drei jährigem Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Armier verurteilt Einem umfangreichen Zigarettenschmuggel ist man am Sonntag beim österreichischen Zollamt an der Reichsgrenze bei Zittau auf die Spur gekommen. Von den Finanzern wurden zwei aus Zittau kommende Männer, dis Fabrikarbeiter Löffler und Pilz aus Röchlitz bei Reichenberg, angehalten. Man fand bei ihnen gegen 1600 ägyptische Zigaretten. Diese waren tn Blechbüchsen ver packt, die beide Schmuggler sorgfältig um den Leib ge- vunden trugen. Löffler und Pilz wurden vorläufig "in den Grottauer städnschen Arrest gebracht. Das Zotige- wicht der Zigaretten beträgt, 4,5 Kilogramm, die Zollge bühr 140,63 Kronen, die Gefällstcafe, nachdem zwei Leute ertappt waren, zusammen 1406,30 Kronen. Ein Brief mit einer Einlage von 200 Mk. ging dieser Tage einem früheren Geschäftsmann in Hohen- stein-Ernstthal aus Zwickau zu. In demselben teilt die Schreiberin mit, daß sie vor vielen Jahren tn seinem Geschäft tätig gewesen sei und ihm das Geld fünfpfcnnig- weise gestohlen habe. Sie habe Tag und Nacht keine Ruhe, und da sie nun endlich das Geld zusammen habe, erstatte sie ihm dasselbe mit Zins und Zinseszinsen zurück. A.m Montag wurde in unmittelbarer Nähe des Bahn hofs Ebersbach der an einer Bahnböschung mit Gras- mähen brichäfilgte Tagearbeiter Dontg aus Ebersbach von der Lo komotiv e des zur Mittagsstunde den Bahnhof Ebersbach passierenden Güterzuges erfaßt und zur Seite geschleudert. Der Bedauernswerte starb zwei Stunden später au den Verletzungen. Die Elbe und ihre Bedeutung für Dresden. Unter diesem Titel wird im Heimatkundlichen Schul museum, Sedanstraße 19, Dresden-A., eine Sonderaus stellung geboten, welche in allgemein- verständlicher und anziehender Weise durch Reliefs, Modelle, Bilder, Karten u. s. f. sich unserem Elvestrome, der ja in ganz besonderer Weise daS gesamte Leben Dresdens beeinflußt, zuwrndrt. Die gemeinnützige Arbeit hiesiger Lehrer wurde gütig und wirkungsvoll unterstützt von den Herren Kom merzienräten Lingner und Grumt, der Sächs. Böhmischen Dampfschiffahrtsgesellschaft, den vereinigten Elbeschiff. fahrtsgesellschaften A. G., dem Sächsischen Fischereiverein, der Ftschsrinnung, der Kgl. Forstakademie zu Tharandt, der Kgl. Wasserbaudireklion und -Inspektion u. s. f. — Die geologische Abteilung führt an der Hand seltener Fnndstücke ein in die zerstörende und aufbauende Wirkung des fließenden Wassers; ein höchst instruktives Modell veranschaulicht die Entstehung unserer Elbetallandschaft durch die verschiedenen ecdgeschichtlichen Zeitalter hindurch u.s-f. Die meteorologische Abteilung zeigt die Gesetzmäßig keit in der Wafferstandsbewegung der Elbe, sie belehrt vor allem über die abnormen Wasserstände (Hochwasser) und legt die Abhängigkeit unseres heimatlichen Flusses von den großen atmosphärischen Vorgängen klar u s.w. Die Abteiluug Tierkunde widmet sich vorzugsweise den zahlreichen Elvfischen, die teils in ansprechenden Flüsstz- keitspräparaten, teils in schönen Gipsmodellen gezeigt werden. Eine Gruppe führt in das Leben unseres in- teressanien Wanderfisches, des Lachses ein. (Entwickelung aas dem Et, Lachsfang, Lachszug u. s. f.) Von anderen Tieren seien erwähnt eine reizende Gruppe der Lachmöven, Insekten an der Elbe (in schönen Präparaten und lebend in Aguarien) u. s f. Sechs Mikroskope führen ein in die Kletnwelt des Wassers, zu jenen pflanzlichen und tierischen Lebensformen, mit dem Name» „Plankton" bezeichnet, welche nicht nur für die Ernährung der Fischs, sondern auch für die Selbstreinigung des Flusses von Bedeutung sind u. s. s. — Ja besonders reicher Weise bietet die Ab» teilung Pflanzenkunde die wichtigsten Vertreter der Flora der Elbufer, Buhnen, Elbwiesen und -Hügel. Sie lenkt den Blick hin auf die eigenartige Verbreitung und Befestigung der Elbpflanzen. Sie zeigt in schöner Zusammenstellung dis Beziehung der Pflanzenwelt zum Mensch in der Verwendung der Weide bei der Korbmacherei. Die prähistorische Abteilung mit ihren Karten und ihren seltenen Funden läßt deutlich erkennen, wie schon in vor geschichtlicher Zeit die Elbe besondere Anziehungskraft auf den Menschen ausgeübt hat, indem sie z. B. ihm Nahrung in verschiedener Form bot u. s. f. — Welche Bedeutung der Elbstrom z. B. für die Verteidigung Dresdens die Jahrhunderte hindurch hatte, zeigt die geschichtliche Abteiluug. Sie weist ferner auf die verschiedenen Schick sale unserer sterbenden Augustusbrücke hin, sie deutet - 64 - er endlich zögernd, „so steht es mir zu, die Stelle des dir früh ent rissenen Vaters zu vertreten." Sie sah ihn an und lächelte. Niemals war er ihr so jung vorgekommen wie eben heute. Die hohe, imposante Gestalt des fünf undvierzigjährigen Mannes, die edlen Züge, das reiche, leichtgelockte, dunkelblonde Haar, die hohe, ungewöhnliche Geistesgröße kündende Stirn machten durchaus nicht den Eindruck des Greisenhaften. „Diese Einleitung klingt so ernst, daß mir fast bang wird", sagte sie mit einen: Versuch zu scherzen. „Doch sprich nur." „Walter von Scholten, den ich hochschätze und dessen Charakter mir dafür bürgt, daß du an seiner Seite das Glück finden wirst, hielt gestern bei mir um deine Hand an. Ich frage dich nun. welche Antwort ich ihm geben soll?" Jedes Wort betonend hatte er ge sprochen. Constanze lehnte am Fenster. Das goldige Grün des Laubes bildete einen entzückenden Hintergrund für ihre königliche Erscheinung. „Was nennst du Glück?" fragte sie nach längerem Schweigen. „Was ich darunter verstehe, würde mir Scholten schwerlich geben. Sein kühler Verstand macht mich frösteln. Er gehört zu jener Menschen, die ihren eigenen Empfindungen eine gewisse Grenze stecken und sich immer und bei jeder Gelegenheit selbst gebieten können; bis hierher und nicht weiter! Zu jenen mit bewunderswertem Phlegma ausgerüsteten Sterblichen, die nichts aus der rechten Bahn schleudert, die sich nie über die Schranken der Konvenienz Hinwegreißen lassen, nie die Qualen des Hasses und der Verzweiflung, aber auch niemals die überschäumende Lust, die weltvergessene Seligkeit eines heißen Herzens kennen lernen. Du fragst mich, welche Antwort du ihm geben sollst? — eine ablehnende!" „Treffe deine Entscheidung nicht zu schnell", mahnte der Frei herr. „Treue, beständige Liebe ist dem jähen Auflackern der Leiden schaft vorzuziehen." „Ich denke anders: lieber ein kurzes, sinnberauschendes Glück, nach dem man, wenn es verschwunden, bedauernd und verlangend zurückblickt, als Jahre der Nüchternheit und Langeweile. In der Eis- region emer solchen Ehe würde ich verkommen. Du mußt mich schon noch langer dulden." „Ich sähe dich nur ungern scheiden," erwiderte Gisbert. Er stand ihr gegenüber, und es war, als zucke aus den schwarzen Augen des Mädchens ein Strahl, der bis in die Tiefe seines Herzens drang und ihm zelgte, daß es doch wieder aus seiner Erstarrung erwachen könne. Er ließ den Bück über die lange Reihe von Gemälden gleiten; da waren reizende Frauen ; manche zart, blond, sylphengleich, andere im vollsten Glanze majestätischer Schönheit prangend, aber keine besaß klassischer geformte Zuge, keine eine herrlichere Gestalt, keine sah stolzer und vornehmer aus als Constanze von Arnhein. Wie, wenn - 61 - unternommenen Partieen war sie stets die Verwegenste der kleinen Kavalkade, aber des Morgens ließ sie sich, ungeachtet der Warnungen Alexandra's, oder vielleicht gerade, um ihr zu trotzen, nicht abhalten, aus dem Park Hinauszuschweifen. Sie ging freilich nicht sehr weit, höchstens bis an die Mühle, und zuweilen traf sie Hildegard, die, während Rainer noch schlief, die ihr liebgewordenen Plätzchen be suchte. Erst wollte ihr das junge Mädchen ausweichen, wurde aber dann doch wieder von dem seltsamen Zauber umgarnt, den Constanze auszuüben wußte. Die teilnahmsvollen Erkundigungen nach dem Befinden des Verwundeten rührten sie und ließen feine ungerecht fertigte Schroffheit den Schloßbewohnern gegenüber in recht grellem Lichte erscheinen. Sie liebte Fräulein von Arnheim, fürchtete sie aber ein wenig, denn dieselbe verstand es, ihr zu imponieren. Etwas Befehlendes klang immer auch durch die freundlichsten Worte, und Hildegard war gleich der Verstorbenen gewöhnt, sich unterzu ordnen. Sie wollte dem Vater nicht ungehorsam sein, aber ebenso wenig Constanze beleidigen, die ja doch auch mit dem alten, unseligen Streite nichts zu tun hatte. Zudem litt es die Großmutter nicht, daß sie zu Hause blieb. So ein junges Ding muß sich rühren. „Wenn du dem Vater später die Zeit vertreibst, so mache wenigstens, so lange er schläft, deinen gewöhnlichen Weg nach der Mühle", sagte sie und ließ keinen Widerspruch gelten. Hildegard fügte sich dann mit geheimer Sorge und kehrte doch jedesmal betrübt zurück, wenn ie Fräulein von Arnheim nicht gesehen hatte. Der Morgen, wo ie zur Kräuterliese gingen, war ihr immer noch eine liebe, traute Erinnerung. Rainer erholte sich schnell und begann der erzwungenen Ruhe überdrüssig zu werden. Es drängte ihn, wieder mit dem alten Eifer tätig zu sein und das Versäumte nachzuholen. Eines Tages verließ er das Lager viel früher als sonst, in der Absicht, die Feldarbeiter zu überraschen, und da geschah es, daß er die beiden Mädchen im lebhaften Gespräche traf. Unweit der Mühle stand eine uralte Eiche, deren kolossalen Stamm eine Holzbank umgab. Hier saß Constanze, den schönen Kopf zurückgelehnt und die zierlichen Füße auf einen moosbewachsenen Stein gestützt. Ihre Haltung hatte etwas vornehm Nachlässiges. Hildegard reichte ihr eben einige Rosen dar, die sie wohl im Garten gepflückt haben mochte, als sie aber den Vater er blickte, erschrak sie und flammende Röte verbreitete sich über ihr lieb liches Gesicht. Er merkte es und sein Unmut wurde dadurch ge steigert. Sie war sich also bewußt, gegen seinen Willen zu handeln, und tat es dennoch — und die andere lehnte da wie eine Fürstin, die sich huldigen läßt, und blickte ihm so hochmütig und gleich gültig entgegen, als wisse sie gar nicht, wie er über die ganze Gesellschaft rm Schloß denke — und dennoch war das für nie mand ein Geheimnis; sie kümmerte sich aber offenbar nicht darum;