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«nM s« MÄW Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags and Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich I Ml. 30 Pfg., durch die Post be- zogeu 1 Ml. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt Wilsdruff. und Umgegend. Amtsblatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitag- bi- spStesteuS 12 Uhr angenommen Juicrttonspreis 15 Psg pro viergelpalteue KorpnSzeile. Außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Psg. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/» Ausschlag. Mr die Kgl. AmLshaupLmannfchaft Weitzen, Mr das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. 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Während die zweite Lesung gänzlich geräuschlos vor sich ging, regt sich heute bet der dritten Lesung wieder die Redelust. Vor allem hat der Ober- Häuptling derGeuoffen, August Bebel, das Bedürfnis, dem Hause nochmals klar zu machen, was er von der Kolonial- Politik hält, warum er und seine Getreuen nichts bewillige« und warum es das beste wäre, ganz Südwestafrtka mög lichst bald zu verkaufen. Da Herr Bebel sich diesmal bemüht, sachlich zu reden, wird er herzlich langweilig und spricht unter großer Unachtsamkeit des Hauses Nur der Chorus der Genossen fällt bei den kräftigste» Stellen ein stimmig mit seinem „Sehr richtig!" ein In die Aufgabe, Bebels Nörgeleien zu widerlegen, teilten sich der «ational- ltberale Abgeordnete Dr. Semler und Kolonialdirektor Dernburg, der bet dieser Gelgenbett die interessante Mitteilung machte, daß die Schutztruppe für Südwest vom 1. November 1907 auf 4000 Mann herabgesetzt und die Polizettruppe auf 600 Mann erhöht werden soll. Zuletzt geiferte noch der Protektor aller Nigger und Kannibalen, der sozialdemokratische Abgeordnetee Lede- b our, gegen die nationale Mehrheit. Dabei rempelte er den Kolonialdirektor Dernburg in so pöbelhafter Weise an, daß er vom Vizepräsidenten Kaempf unter lautem Bestall des Hauses zweimal zur Ocdnung gerufen wurde. Zwischeuei« gab es eine scharfe Auseinandersetzung zwischen dem ZentrumSabgeordncten de Witt und dem «ational- liberalen Dr. Paasche über den Wahlkampf im Kreise Kreuzuach-Simmern. Die Abstimmung über die Nach- tragsforderungen geschah im einfachen Verfahren mit Aufstehen und Sitzenbleiben und ergab wie bei der zweiten Lesung Annahme sämtlicher Etats. Zentrum und Sozialdemokraten hielten auch diesmal zusammen; nur Herr v. Strombcck stimmte mit der Mehrheit. Nach Ec- lcdigung der NachtragSetats konnte sich der bis dahin stark besetzte Sitzungssaal ganz erheblich leeren.und auch am Bundes- ralstisch blieben nur der Staatssekretär des Reichsjuftizamts Dr. Nieberding und einige Geheimräte zurück Man wandte sich de« beiden Interpellationen über den Stand der Strafprozeßreform zu, die vom Zentrum und den Nationalliberalen eingebracht sind. Sie wurden von den Abgeordneten Gröber und Dr. Heinze kurz begründet, die Auskunft über den Stand der Strafprozeßreform und ihre wesentlichsten Grundzüge verlangen. Der Staats sekretär betonte in seiner Beantwortung der Interpellation, daß im Reichsjustizamt fortgesetz an der Re orm des Stras- gesctzes gearbeitet werde Der Reichskanzler habe eben falls den festen Entschluß ausgesprochen, die Reform mit allem Nachdruck forlzuführen. Der Redner wies auch zugleich aus die Schwierigkeiten hin, die einer allgemein befriedigenden Lösung der Angelegenheit entgegenstehen Die Vorschläge der vorbereitenden Kommission sind in der Oeffentlichkeit heftig angegriffen worden, und die Regierung mußte diese Angriffe und ihre Begründung berücksichtigen. D e wichtigste Frage ist die der Besetzung aller Instanzen durch Schöffen, und da haben die vom preußlschenHustiz- Minister veranstalteten Erhebungen ergeben, daß die durch- gängige Besetzung der Gerichte mit Schöffen nicht durch weg ausführbar ist. Auch die Veröffentlichungen des Oberbürgermeisters Adickes und die Beratungen des letzten internatio»alen Krimtnalisteukongresfes'müßten berücksichtigt werden. Trotzdem dieser Kongreß sich dahin ausgesprochen habe, daß die Zeit für die endgültige Neuordnung des Strafprozesses noch nicht gekommen sei, hat die Regierung bestimmte Vorschläge gemacht. Danach solle die Befugnis der einzelnen Amtsgerichte in der Aburteilung vonUeber- tretunge« und kleinen Delikten erweitert werden. Die Kompetenz der jetzt bestehenden Schöffengerichte soll eben falls erweitert werden. Die Strafkammern sollen bei Ab urteilung schwerer Delikte eine gemischte Besetzung von Schöffen und Berufsrichtern erhalten und prinzipiell soll die Berufung gegen die Urteile der Strafkammer» einge führt werden. Der Staatssekretär schloß mit der Ver sicherung, daß man im Reichsjustizaml fleißig gearbeitet habe und hoffen dürfe, in nicht zu langer Zeit mit der schwierigen Arbeit fertig zu sein. An der Besprechung der Interpellation beteiligten sich heute der konservative Ab- geordnete Giese, der vor der Ueberspannung des Laien elements in der Strafrechtspflege warnte, und der Ab geordnete Stadthagen, der an der ganzen Strafrechts- pflege kein gutes Haar ließ. Mit einer Erklärung des Präsidenten Grafen Stolberg über die Seitensprünge des Abg v. Brandenstein im preußischen Abgeordneten hause schloß die heutige Sitzung. Dir Erklärung wurde mit lebhaften Beifall ausgenommen. kiii zerstörte; lraiysMn pamerMk. Die französische Marine wird in der letzten Zeit vom Unglück verfolgt. Kaum hat man das Bedauern über die Strandung des Kreuzers „Jean Bart" überwunden, der bekanntsich bei der Insel Peoro auflief uns auseinander- bcach, so daß er für die Marine verloren war, — so wird heuie wieder eine Schreckenskunde verbreitet, die weit mehr Trauer noch Hervorrufen wird, denn es sind bei einer neuen Schlffskatastrophe viele Menschen umgekommen, während bei der Strandung deS Kreuzers „Jean Bart" wenigstens die Besatzung gerettet werden konnte. Wir er halten folgende Meldung: Toulon, 12. März. An Bord des Panzerschiffes „Jena" ereignete sich heute eine Pulverexplosion. Das Hinterteil des SchisfcSflog in die Luft. Die ganze Bemannung war an Bord. Ein Teil ist gerettet, aber man spricht von200 bis 3 00 Toten. Die Explosionen dauern fort. Weithin sind alle Fensterscheibe» zertrümmert. Wie es möglich war, daß derartige Explosionen statt- finden konnten, wird die Untersuchung noch ergeben. Das Schiff lag im Hafen — so ist nach der vorstehenden Meldung anzunehmen, und allem Anschein nach ist eine unvorsichtige Handtung die Ursache des Unglücks. Telegraphisch wird weiter gemeldet: Das Panzerschiff „Jena" befand sich behufs Prüfung seiner Maschinen in einem Bassin des Arsenals. Ein Torpedo war explodiert und erachte die Pnlveivorräte zur Explosion. Das Hinterteil des Schiffes flog in die Luft. Das Schiff fühlte die Flagge des Konlreadmirals Men- celon und wurde befehligt vom Kapitän Adlgare. Die Ex plosionen folgten in Abständen von etwa einer viertel Stunde Die elektrischen Leitungsdrähte glühten auf und schmolle«. Bei jeder Explosion wurden die Trümmer über 500 Meter weil geschleudert. Ein zehn Kilo schweres Siück einer Granate flog in einer Entfernung von 400 Meiern von der „Jena" nieder. Im Martnearsenal herrscht eine grenzenlose Verwirrung. Die Arbeiter, die sich zur Arbeit begeben wolUn, stürzen nach dem Bassin Massit'ey, wo eine Rauchsäule aufstelgt. Einzelne Gruppen wissen noch nicht, worum es sich handelt. Plötzlich erfahren sie, daß die „Jena" in ine Luft geflogen ist, und sofort bringen sich alle so schnell wie möglich auf Befehl der O'fiztere in Sicherheit. Man weiß, daß die Pulveikammern des SLlffeS gefüllt waren, und die fortwä wenden Explosionen lassen vorauf schließen, daß alle vom Feuer ergriffe» stad. Urber die Zahl der Opier ist noch nichts bekannt, doch wird vermutet, saß sie sehr beträchtlich sein dürste. Die Explosionen folgen sich immer häufiger. Beherzte Matrosen näyern sich der Unfallstelle mit Gefahr ihres Lebens; sie sehen, wie jeden Augenblick menschliche Körperteile in die Luft geschleudert werden. Die Erregung ist fürchterlich. Man steht viele Leute mit rauchgeschwärzten Züge« ziel los landeinwärts fliehen. Die ganze Bevölkerung Toulons ist aufs Aeußerste erregt. Die Straßen sind schwarz von Menschen. Der Zugang zum Arsenal ist gesperrt. Nur Osstzieren, Unter- oifisiere«, Matrosen und Arbeitern ist der Eingang ge stattet. Die Organisation der Hilfsaktion gestaltet sich schwierig, weil jeden Augenblick neue Explosionen erwartet werden Man befürchtet, daß das Feuer auch die „Suffres", das Flaggschiff des aktiven Geschwaders, ergreifen wird Mehrere We kstätten des Arsenals sind bereits in Brand gerate«, weil brennende Trümmer aus die Dächer fielen. Der Transport der Verwundeten, deren Zahl auf 300 geschätzt wird, beginnt jetzt. Die Zahl der Toten wird auf 300 geschätzt. Viele O'fiztere sind schrecklich ver brannt. Die von der Explonon verschonte« Teile des Schiffes sind durch Feuer erheblich beschädigt. Alle diejenigen, die sich retten konnten, liefen eiligst «ach der Stadt, um ih.e Familien zu benachrichtigen. Der gerettete Obersteuermann Gtndiceki erzählt, daß eine große Anzahl Matrosen in den für die Aspiranten bestimmten Räumen versammelt waren, wo der Aspirant Carlins einen geschichtlichen Vortrag hielt, als plötzlich eine Explosion oas Schiff erschütterte. Paris, 12. März. In den Wandelgängen der Kammer rtef die Nachricht von der Explosion auf der „Jena" große Bestürzung hervor. Admiral Bienaimer erklärte, er glaube, daß die Explosion auf die Selbstent zündung von Pulver zurückzmühren sei. DaS Pulver unterliege nach einiger Zett großen Veränderungen in seiner Zusammensetzung und müsse daher beständig kontrolliert werden. Die „Jena" dürfte etwa 25 Tonnen Pulver an Bord gehabt haben. Sie war das schönste Schlachtschiff der französischen Flotte; sie diente als Typ und sollte mit „Suffco»" zusammen die Grundlage der künftigen Flotte bilden. Die anderen Schlachtschiffe, die nicht vom Typ der „Jena" sind, sollten allmählich außer Dienst gestellt werden. Marinemtnister Thomson begidt sich heute abend «ach Toulon. Paris, 12. März. Der Seepräfekt in Toulon hat dem Marineministeiium gemeldet, daß das Dock, in de« das Schlachtschiff „Jena" lag, unter Wasser gesetzt worden ist. Neue Explosionen seien nicht zu befürchten. Die Schiffsneudaulen und die Werkstätten Haden keinerlei ernstlichen Schaden genommen. Die Gebäude am Hafen und an der Reede find unbeschädigt geblieben. Ueber die Zahl der verlorenen Menschenleben herrscht noch Unge wißheit Der bulgarische Ministerpräsident j)etkow ermordet. Aus Sofia wird gemeldet: Petkow und der Handels minister Ghenadiew unternahmen einen Spaziergang zum Abenokorso beim Bortspark Auf dem Rückwege folgten ihnen unauffällig vier Personen. In der Nähe der Adlerbrücke schossen zwei von diesen von hinten auf die beiden Minister, erschossen Petkow und ver wundeten Ghenadiew. Einer von den vieren wurde von dem Gendarmen, der die Minister begleitet hatte, festge nommen, Geheimpolizisten und Passanten brachten die Leiche PeikowS im Wagen nach der Wohnung, wo sich sofort alle Minister und zahlreiche Parteimitglieder ver sammelten, um über die Lage zu beraten. Der verhaftete Verbrecher heißt Alexander Petrow und ist ein entlassener Buchhalter der Wldoiner Filiale der Landwirtschaftlichen Bank. Er ist ein etwa 23 jähriger Mann. Augenzeugen erzählen folgendes: Der Verbrecher flüchtete sich, verfolgt von dem Gendarmen, der die Minister zu bewachen ge habt hatte, in einen nahegelegenen Hof, der Gendarm fchoß dreimal auf den Mann, der sich mit Steine» zur Wehr setzte. Er wurde aber von hcrbeigeeilten Sol daten m d Gendarmen festgenommen, worauf er ver suchte^ die Hände in den Mund zu stecken, vermutlich um durch einen Signalpfiff die verborgenen oder geflohenen Mitschuldigen zu Hilfe zu rufen. Aus dem ersten Verhör des Verhafteten Petrow teilt der mit der ersten Untersuchung der Angelegenheit betraute Polizeibeamte folgendes mit: Alexander Petrow verzankte sich vor einigen Wochen mit seinem Chef und prügelte ihn durch, worauf er entlasten wurde. Er reiste von Widdin ab, und zwar, da andere Wege unpassierbar waren, über Serbien nach Sofia, wo er am 22. Februar eintraf und bei seinem Heimatsgenossen, dem relegierte» Studenten Iwan Dimitrow abstieg. Nach einigen Tage» übersiedelte er in ein Hotel In einer Waffenhandlung kaufte er einen Revolver und begab sich in eine« Park außerhalb der Stadt, um die Waffe zu probieren. „Der Revolver gefiel mir nicht", erklärte er im Verhör, „er war zu schwach, um den Ministerpräsidenten niederzustrecken". Deshalb kehrte er nach der Waffenhandlung zurück und wählte einen anderen Revolver, wobei er drei Franken )em Waffenhändler schuldig blieb. Er erklärte, er habe ich seit zwanzig Tagen mit dem Gedanken getragen, den Ministerpräsidenten zu erschießen. Er sei zwar weder ein Sozialist, noch ein Terrorist, aber trotzdem kein gewöhn licher Verbrecher, vielmehr habe er im Namen des Volkes den Ministerpräsidenten erschossen. Der Untersuchungs- sührende meint mit Sicherheit annehmen zu können, daß es nur auf den Ministerpräsidenten abgesehen war, und der Minister Ghenadiew bloß angeschoss n worden sei, weil er den Verbrecher verfolgte. Ghenadiew, der vorläufig das Ministerium des Innern übernommen hat, zeigte dabet große Geistesgegenwart. Soeben unterschreibt er mit durchschossenem Arm alle Befehle seines neuen Resorts. — Fürst Ferdinand befindet sich augenblicklich im strengste» Inkognito in Parts.