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«MM sd »W NN- Rmgegenö Amtsblatt 1 6«. Jahrg Dienstag, de« 18. Jn«i 1907 No. 79 Erscheint wöchentlich dreimal und zwar DienStagS, Dounirstags und Sonnabends. BezaaSpreiS vierteljährlich I Mk. 30 Pfg., durch die Post ' U bezogeu 1 Mk. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adress«: Amtsblatt Wilsdruff. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitag? bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 15 Psg. pro viergespalteue Korpuszeile. Außerhalb des Amtsgerichtsbezirks Wilsdruff 20 Pfa. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 "/» Ausschlag. Mr die Kgl. Amtshauptmannschaft Meißen, Mr das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat zu Wilsdruff, sowie Mr das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttauueberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Kaufbach, Keffelsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmtedewalde, Sora, Steinbach bet Kesselsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wtldberg. Druck «ud Verlag vou Zschunke 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktiou und den amtlichen Teil verantwortlich: Hugo Friedrich, für deu Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide iu Wilsdruff. Der Gemeindeältrste Herr Emil Oskar Röthig i« Grumbach ist als stellvertretender Standesbeamter für den Standesamtsbezirk Grumbach in Pflicht genommen worden. Meißen, am 11. Juni 1907. 3390 Die Königliche Amtshauptmannschaft. Bekanntmachung. Wegen Beschüttung des Kommunikationsweges von Constappel nach Pinko witz wird der Weg für den Fährverkehr vom 17. bis mit 19. Juni d. I. mit Genehmigung der Kgl. Amtshauptmannschaft gesperrt. Der Verkehr wird über Hartha bez Pinkowitzmühle verwiesen. Kästner, G.-V. politische Rundschau. Wilsdruff, 17. Juni 1907. Deutsches Reich. Der Kaiser als Jnsanteriefchütze. Gelegentlich eines gefechtsmäßigen Scharfschießens des 1. Garde-RegimentS z. F. auf dem Döberitzer Truppen- Übungsplätze hat sich auch der Kaiser, der dem Schießen beiwohnte, aktiv beteiligt. Als in einer Entfernung von 800 Meter auf Kolonnen-, Brust- und Kopfscheiben — letztere als Fallscheiben — geschossen wurde, nahm der Monarch kniende und liegende Stellung im Schützengraben und ließ sich ein Gewehr reichen. Insgesamt feuerte der Kaiser 37 Schuß ab. Von den Kopffallschetben legte der Kaiser zwei Stück um, die Resultate ließen sich für den einzelnen Schätzen nicht feststellen. »Vorübergehend abwesend." Anläßlich der jüngsten Berufszählung ist die Frage aufgeworfen worden, an welchem Orte der Kaiser als „Haushaltungsvorstand' in die Lifte eingetragen worden ist. Der Kaiser veMeß am Dienstag, den 11. d. M., 10 Uhr 20 Minuten Potsdam, um sich mittels Sonder- zuges nach Hannover bezw. Homburg o. d. H. zu begeben. Die für die Zählung getroffenen Bestimmungen besagen Mn, daß diejenigen Personen, welche in der Zählungs nacht in keiner Wohnung übernachtet haben, in die Liste der Haushaltung eingetragen werden sollen, wo sie am Vormittag des 12. d. M. angekommen sind. Demnach ist der Kaiser, der am Mittwoch früh in Hannover ein traf, in die Liste des dortigen Schloßdistrikls als „Haus- haltungsvorstand" eingetragen worden. In Potsdam mußte er dagegen als „vorübergehend abwesend ge zählt werden. Ei« drastisches Beispiel theologischer Engherzigkeit lieferte ein Vorgang in oer Berliner Emmaus-Gemeinde. Zu den bei Beerdigungen am häufigsten von Gesangvereinen vorgetragenen Liedern gehören bekanntlich das Geibelsche „Wenn sich zweiHerzen scheiden" und Dort unten ist Friede". Diese Lieder sollten auch jüngst bei der Beerdigung einer Arbeiterin auf dem Friedhof der Emmaus- Gemeinde gesungen werden; aber der Prediger Lange, dem die Liedertexte pflichtgemäß vorher vorgelegt wurden, beanstandete beide Lieder. Das Geibelsche „Wenn sich zwei Herzen scheiden" erklärte er als Lied am Grabe un geeignet und höchst unpassend (l), weil es einen zu welt lichen Charakter trage, und ein Vers darin sogar laute: „Die Lippe, die mich küßte, ist worden kalt und stumm". Ebenso verbot er den Gesang von „Dort unten ist Friede" als der theologischen Auffassung widersprechend, denn der Friede im Jenseits sei „dort oben", nicht „dort unten". Auf Grund dieser Liederverbote verzichtete das Trauer gefolge auf jeden Grabgesang. Ei« «Kitts Missto«stttbitl beabsichtigt die Deutsch-ostafrikanische Mission in Angriff zu nehmen. Missionar Johanssen ist ausersehen, in Ru- im äußersten Nordwesten von Deutsch-Ostafrika, jenseits des Viktoriasees und an ger Grenze des Kongo- staates eine Erkundungsreise zu unternehmen. Das Ge- biet soll gut bevölkert sein, auch soll ein gesunder lebens kräftiger Menschenschlag dort wohnen. Die Mission ist dorthin bisher noch nicht vorgedrungen. Die Schulen irr de« deutsche« Kolonie«. Die jüngsten Kolonialdebatten im Reichstage geben Anlaß, auf das Schulwesen in unsern Kolonien hinzu- weisen. Nach einer auf der letzten Brandenburgischen Missionskonferenz von Pastor Paul in Lorenzkirch vor getragenen Ueberstcht gab es am Ende des vergangenen JahreS in unsern Kolonien rund 2000 Schulen mit 85000 Zöglingen. Darunter sind 73 Regierungsschulen mit ca. 4500 Zöglingen. Auf die verschiedenen Missionen entfallen also 1925 Schulen und 80000 Schüler. Dir evangelische Mission hat daran wieder den Löwenanteil, nämlich 1344 Schulen mit 53000 Zöglingen. Auf die katholische Mission entfällt nur etwa der dritte Teil der Missionsschulen. Der Art nach finden sich unter diesen Schalen alle Entwicklungsstufen von der primitiven Dorf- schule bis zu hochentwickelten Lehrer- und Predigersemt- naren, von den Schulen, die mehr dazu dienen, den Missionar in dat Denken seiner Pflegebefohlenen einzu- führen, als umgekehrt, bis hin zu den Schulen, in denen in allen Zweigen des Wissens unterrichtet wird. Alle diese Schulen sind Mittel, die Bewohner unserer Kolonien auf eine höhere Stufe der Kultur zu erheben und sie zu deutschen Untertanen zu erziehen. Sie sollten daher billig die Unterstützung der deutschen Regierung finden. Ausland. Dte vusfische Duma aufgelöst! Nach den letzten Meldungen aus Petersburg war eS schon so gut wie sicher zu erwarten, daß die Mehrheit der Duma sich der Forderung der Regierung nach Ge- nehmigung der Strafverfolgung der angeschuldigten Ab- geordneten nicht fügen werde, und es wurde schon voraus gesagt, daß die Auflösung der Duma für Sonnabend abend oder Sonntag früh zu erwarten sei. Dec Fall ist auch richtig eingetreten. Durch Ukas an den Senat ordnete der Kaiser die Auflösung der Duma an. Die Neuwahlen sollen ab 14. September 1907 stattfinden. Außerdem wird ein kaiserliches Manifest uno ein neues Wahlgesetz veröffentlicht. Petersburg ist völlig ruhig, ja gleichgültig, die Bahnhöfe sind bewacht, Militärzüge stehen unter Dampf, bereit, in die Provinz abzugehen. Massen- Verhaftungen wurden vorgenommen, darunter die von vierzehn Abgeordneten. Eine «eue türkische Anleihe. Die „Köln. Ztg." meldet aus Berlin: Zwischen der türkischen Regierung und dem Direktor der Orient bank in Konstantinopel, Rößler, ist jetzt ein Vertrag unterzeignet worden, durch den eine stebenprozentige An leihe von 300000 Pfund (etwa 6 Millionen Mark) ab geschlossen wird. Dte Anleihe wird vom 1. März nächsten Jahres ab in monatlichen Raten vou der Türket zurück gezahlt. Die Höhe der monatlichen Raten beträgt 10000 Pfund. Die türkische Regierung verpflichtet sich, keine andere Anleihe für militärische Rüstungen aufzu nehmen, widrigenfalls die türkische Regierung gehalten sein soll, die ganze Summe sofort zurückzuzahlen. Falls eine Anleihe zu militärischen Rüstungen aus politischen Gründen nötig werden sollte, soll ein Betrag von mindestens 150000 Pfund aus den jährlichen Einnahmen des türkischen Ministeriums Vorbehalten werden. Der jüngste spanische Rekrnt. Der Name des vor wenigen Wochen geborenen Prinzen von Asturien wurde dieser Tage in die Listen des Regiments, dem er zugeteilt worden ist, eingetragen. Die Nummer dieses Regiments steht in Goldstickerei auf seinen Getferläppchen und in der Kaserne, in der er eigentlich wohnen müßte, ist für ihn ein besonderes Bettchen ausgestellt worden. Die Siebenlehner Massenbrandstifter vor dem Schwurgericht. Nach Berichten des „Freiberger Anzeigers". Vierter Verhandlungstlag. Am Donnerstag nachmittag wurde zuerst Frau Gendarm Rudolph vernommen, Sie schilderte, wie die Siebenlehner Feuerwehrleute ihrem Manne nachstellten. Als nächste Zeugin wird Zigarrenmacheriu verwitwete Elise Sparmann vernommen, die in der Hauptverhandlung am 31. Mai wegen Brandstiftung und Versicherungsbetruges zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus verurteilt worden ist. Die Zeugin, welche nach ihrer Verurteilung ein volles Geständnis ab legte, hatte im Rost'schen Hause Feuer gelegt, um sich zn helfen. Es war einmal so Mode. Dadurch hatte sie 400 Mk- mehr erhalten, als ihr verbrannte. Der Bürger meister Barthel habe bei Streubel selbst eine brennende Petroleumlampe hinter den Ladentisch geworfen. Die Familie Riedel hätte sich bei dem Anders'schen Brande jedenfalls auch Geld gemacht, da Frau Riedel sich für 90 Mark neue Zähne etnsetzen lassen konnte. Naumann, darüber befragt, antwortet: „Ich habe der Frau keinen Kuß gegeben." Der Staatsanwalt beantragt, Naumann wegen dieser ungehörigen Antwort in eine Ordnungsstrafe zu nehmen. Auch der Vorsitzende hielt es von Naumann für ziemlich unverschämt, in seiner Situation so zu sprechen. Die Ordnungsstrafe wird in Erwägung gezogen. Vinzenz Fiedler, der Schwager des Angeklagten Rost, verweigerte dte Zeugenaussage. Der Buchdruckereibesitzer Friedrich Gustav Müller-Siebenlehn versucht, dte Siebenlehner etwas herauszustreichen, hatte aber früher vor dem Untersuchungs richter doch ziemlich gegenteilige Angaben gemacht, u. a.: Wenn man zwei Tage verreist war, habe man nach Hause geschrieben, ob es nicht schon wieder gebrannt habe. Ueber Zetzsche urteilt er, daß dieser durch seine Leitung vielleicht ein Feuer hätte verhüten können. Friedrich Paul Wilhelm, Lehrer in Siebenlehn, sagt über die Anwesenheit des Herrn Berginspektor Scholz gelegentlich des Schachteinsturzes aus: Herr Scholz habe bei der Besichtigung des Bruches erklärt, daß die Behörden jegliche Ansprüche ablehnen müßten, da dte Ablösung bereits erfolgt sei. Darüber war alles überrascht, weil niemand etwas davon gewußt hatte. Die Ablösung ist von der Siebeulehaer Behörde früher entschieden übersehen worden, sodaß dte Einwohner ihre Ansprüche nicht geltend machen konnten. Bei dem weiteren Verhör der Zeugen stellt sich heraus, daß die Bemerkung Greiffs über die „Schuster in Siebenlehn" sehr böse« Blut gemacht habe. Gendarm Rudolptz äußert sich dazu, die Einwohner wollten die Schandtaten nicht zugeben. Ihm sei es genau so gegangen; ihm sei in die Schuhe geschoben worden, er wollte nur aufbauschen. In der Stadt ist alles untereinander verwandt und ver schwägert. In Siebenlehn werden die „Reisenden mit Zucker beschmiert", um die Sachen draußen nicht so breit zu treten. Dte Zengen Wilhelm und Müller loben auch Kaden, Fischer, Nendel, Rost und Stein über alles. Eifrig sind beide Zeugen bemüht, nur alles erdenkliche Gute über die Angeklagten zu sagen. Sie bringen selbst Leumundszeugen in Vorschlag. „Das geht zu weit hier," bemerkte hierauf der Herr Vorsitzende, „Sie müssen hier objektiv und ruhig sein, Sie sind doch nicht hierher ge kommen, um eine Lanze für Siebenlehn zu brechen! Leumundszeugen in Ihrer Eigenschaft als Zeuge vorzu schlagen, das geht hier zuweit." Bei der Vernehmung des Spritzenführers Friedrich August Rost, Schuhmacher iu Breitenbach, wird dte Vereidigung vorläufig ausgesetzt. Rost wird vorgehalten, daß er besohlen habe, nicht so schnell zu arbeiten, erst müsse es richtig brennen. Zeuge bestreitet dieses. Er will auch beim Brande der Bieber- steiner Mühle keine Henne in der Bluse mitgenommen haben, sondern ein junges angebranntes Huhn, und zwar ganz offen uud frei. Der Zeuge bleibt unvereidet, da er der Teilnahme am Siebenhäuser-Brande verdächtig erscheint. Fünfter Verhandlungstag. Zu Beginn der Sitzung am Freitag morgen teilt der Herr Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Dr. Rudert mit, daß sich in der vergangenen Nacht der Mitangeklagte Schneidemüller und Schuhmacher Friedrich Hermann Stein im Gerichtsgefängntfse erhängt hat. Ferner erwähnt der Vorsitzende, daß stch gestern nachmittag der Angeklagte Naumann in recht dreister und unverschämter Weise vor einer umfassenden und großen Versammlung benommen habe. Der Gerichtshof habe beschlossen, von einer Haft strafe abzusehen und Naumann den Herren Geschworenen bei der Aburteilung zu überlasse«. Zunächst wird der