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MlsdmfferTagebM Freitag, den 24 August 1S28 Vas Aeltparlament in verlin Eröffnungssitzung im Plenarsaal des Reichstages. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Keine neuen Zugeständnisse. Die feierlichen Vorbereitungen für die Unterzeichnung des. Kellogg-Paktes in Paris sind beendet. Wenngleich Herr Kellogg selbst sich zurzeit noch auf dem Meere befindet, so war es doch möglich, dank der funkentele- graphischcn Erfindung, mit ihm ständig in Verbindung zu bleiben und die Einzelheiten des zeremoniellen Aktes z» besprechen. Wie cs heißt, hat er sich mit allen von fran zösischer Seite ausgehenden Vorschlägen über die einzelnen Phasen der Unterzeichnung einverstanden erklärt. Das Tüpfelchen auf das I dürfte der französische Ministerrat setzen, der von Poincarö nach der Rückkehr von feinem Landgut einberufen worden ist. Dieser Ministerrat soll auch schwerwiegende Entscheidungen über deutsch-fran zösische Fragen treffen. Kellogg hatte es seinerzeit abgclchnt, während seines Pariser Aufenthaltes über andere Fragen, die nicht direkt mit seinem Pakte in Verbindung stehen, zu verhandeln. Er wollte damit vermeiden, die Frage der deutschen Reparationen anzuschneiden. was natürlich von französischer Seite sofort das Aufwerfen des interalliierten Schuldenproblcms zur Folge gehabt hätte. Die ameri kanische Öffentlichkeit ist zurzeit nicht darauf eingestellt, hier von dem bisherigen amerikanischen Standpunkt ab- zuweichcn, der jede Reduzierung der an Amerika zurück- zuzahlenden geborgten Gelder strikt ablehnt. Dazu kommt noch die V e r s ch n n p f t h e i t Amerikas über den englisch-französischen Flottcnpakt, die so weit geht, daß Kellogg offiziell der englischen Negierung mitteilte, daß er auf der Rückreise uach Amerika zwar Irland, aber nicht England besuchen würde. Die Verstimmung Amerikas muß also einen ziemlich hohen Grad erreicht haben. Wenn sich der französische Ministerrat wirklich mit deutsch-französischen Fragen beschäftigen und wichtige Ent scheidungen treffen sollte, dann kann es sich nur um die R b c i n l a n d b e s e tz n n g handeln. Wenn cs auch zu offiziellen Besprechungen darüber in Paris nicht kommen dürfte, so hindert das natürlich nicht, daß Briand und Dr. Stresemann ihre privaten Meinungen über diese Frage austauschen. Sic haben dies ja schon oft getan und besonders Neues dürfte auch diesmal kaum zutage treten, zumal ja der französische und der deutsche Standpunkt in der ganzen Angelegenheit genügend bekannt sind. Deutscherseits wurde erst kürzlich wieder mit aller Be stimmtheit betont, daß nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, nach Abschluß des Dawes-Abkommens, nach den Locarnoverträgen nnd nach der Unterzeichnung des Kellogg-Paktes Deutschland für die Räumung der Rheinlands keine neuen Zugeständnisse machen könne. Die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt sich angesichts der Pariser und Genfer Ereianisse mit der Frage der d e n t s ch - f r a n z ö s i s ch e n Verständig u n g. Von allen Seiten wird diese als eine absolute Notwendigkeit hingcstcllt. Gleichzeitig wird aber nach wie vor erklärt, daß man nach dem Verhalten Frankreichs Deutschland gegenüber von einer wirklichen Verständigung mehr als ja zuvor entfernt ist. Besonders auffallend ist es, wenn selbst das Hauptorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Vorwärts, bei Betrachtungen über die den Uche Teilnahme an der Unterzeichnung des Kellogg- Paktes besonders energische Töne gegen die bis herige französische Außenpolitik anschlägt. Diese richten sich weniger gegen Briand, der schon immer für eine rest lose Verständigung cingetrcten sei. als gegen Poincarö, der von seiner Lieblingsidee nicht lassen wolle, daß Deutschland nach wie vor der Hauptschuldige an dem jetzigen Unheil in der Welt sei und deshalb zufrieden sein muß, wenn es bei jedem Entgegenkommen von der ande ren Seite, auch wenn es darauf moralischen Anspruch haben sollte, noch etwas draufzahlen darf. Der französische Ministerrat wird sich hoffentlich alle deutschen Beschwerden und Bedenken durch den Kops gehen lassen. Die nächsten Tage werden cs zeigen, ob eine deutsch-französische Annäherung wirklich möglich ist oder noch auf lange Zeit hinaus eine Utopie bleiben muß. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint UN allen Werktagen nachmittags ö Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der DrschSstsstell« und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Anstellung durch di- Boten 2,3» AM., bei Poftdestellung 2 ANI. zuzüglich Abtrag« . gebühr. Einzelnummern UApfg. Alle Postanstallen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und UN,ercAus. trLgerund Geschäftsstellen —— — nehmen zu jederlei! Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteh: dein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Aücksendung eingefanblcr Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. Die Stimmen aller Nationen, die in diesem großen Parla ment vertreten sind, klingen aus in dem einen Wunsch, das Reich des Friedens auf Erden zu sicheln. Die deutsche Reichsregierung wünscht von Herzen, daß Ihre Arbeit dazu beitragen möge, die Menschheit unserem gemeinsamen großen Ziele nähcrzubringcn, und daß die diesjährigen Tagung in Berlin eine Quelle des Segens für die Mensch heit sein möge!" Nach kurzen geschäftlichen Mitteilungen widmete der Vorsitzende, Dr. Schücking, während sich die Ver sammelten von ihren Plätzen erhoben, den verstorbenen Mitgliedern der Union einen Nachruf. Präsident Dr. Schücking eröffnete dann die allgemeine politische Aussprache. Der erste Redner ist der Vorsitzende der Kommission für Wirtschafts- und Finanzfragen, Dr. T r e u b - Holland. Er erklärte, bei einer Prüfung der Verhältnisse in den einzelnen Ländern müsse der außerordentlich traurige Zustand festgestellt werden, daß trotz aller Anstrengungen, trotz aller Be schlüsse und der vielen Konferenzen die Zollsätze in die Höhe gegangen seien, statt herunterzugchen. Einige Lichtblicke seien freilich vorhanden. So sei vor allem der deutsch- französische Handelsvertrag zu nennen. Es ist für unsere Bestrebungen in der Interparlamentarischen Union ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn die Völker, die sich vorher so schroff bekämpften, in so verständnisvoller Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiete sich einigen konnten. Die langsame Arbeit in Genf. Dr. Munch, der ehemalige dänische Wehrminister, Vor sitzender der Interparlamentarischen Abrüstungskommission, bedauerte, daß die letzte Abrüstungskonferenz in Genf erheb liche Fortschritte nicht gebracht habe. Bei allen Völkern sei eine starke Ungeduld über die langsame Arbeit in Genf zu be merken. Dies müsse abgestellt werden, sonst bestehe die große Gefahr, daß die Autorität der Genfer Abrüstungskommission gemindert werde. Entscheidend sei vor allem die moralische Abrüstung der Völker, die endlich lebendige Wirklichkeit wer den müsse. Es müßten in steigendem Maße Schiedsgerichts- und Nichtangriffspakte abgeschlossen werden. Deutschlands Abrüstung. Der deutsche Reichsminister a. D- David führte u. a. aus: Deutschland hat abgerüstet, ihm war die Abrüstung aber nur auferlcgt zu dem Zwecke einer nachfolgenden allgemeinen Abrüstung auch der Siegerstaaten. Darauf kann man gar nicht oft genug Hinweisen. Die Rüstung der ehemaligen Gegner bedeutet neben der Rheinlandbesetzung das schwerste Hindernis für die deutsch-französische Verständigung. Eine dauernde Verständigung zwischen Frankreich und Deutsch land ist der Schlüssel zur Befriedung Europas überhaupt. Das deutsche Volk will in seiner großen Mehrheit diese Ver ständigung. Empfang im Michsiag. Vor Beginn der eigentlichen Tagung fand Mittwoch abend ein Empfang im Reichstag statt, zu dem die deutsche Gruppe die ausländischen Teilnehmer eingeladen hatte. Die inneren Räumlichkeiten des Reichstages waren festlich geschmückt. Zahlreiche Gruppen bildeten sich und man hörte Sprachen aller Länder erklingen. Die Teilnehmer der internationalen Vereinigung suchten sich dabei in loser Form so gut wie möglich zu verständige^. Tags über hatte eine Reihe von Kommissionssitzungen statt- gefunden. Reichstagspräsidcnt Löbe hielt eine kurze Be grüßungsansprache, die ein Dolmetscher ins Französische übertrug. Die Reichsregierung war durch den Reichs kanzler Müller, den Reichsernährungsminister Diet rich und den Reichsverkehrsminister v. Guörard ver treten, außerdem sah man viele Angehörige der deutschen öffentlichen und diplomatischen Welt und charakteristische Köpfe aus allen Gegenden Europas. Der Abend, der wenige direkt politische Auseinandersetzungen brachte, ver lief in bester Weise. Konzertdarbietungen bildeten den musikalischen Rahmen der Festlichkeit. Proteste aus Italien, Serbien und Ägypten. Neben dem kroatischen Einspruch aus Serbien, welcher die Vertreter Jugoslawiens als einseitige Abgesandte eines Rumpfparlaments ohne Auftrag der einen Teil des Landes bildenden und bekanntlich aus dem Abgeordnetenhaus ausge zogenen Kroaten bezeichnet, stehen Proteste aus Ägypten und Italien. Die ägyptischen bisherigen Abgeordneten beanspruchen das Recht, als Angehörige des ägyptischen Parlaments, das König Fuad auf drei Jahre mit unrechtmäßigem Gewaltstrcich geschlossen habe, der Tagung beiwohnen zu dürfen. Eine Reihe in Paris lebender ehemaliger italienischer Abgeordneter hat an den Vorsitzenden und die Mit glieder der Konferenz der Interparlamentarischen Union ein Schreiben gerichtet, in dem sie sagen, daß die sogenannten italienischen Abgeordneten, die der Konferenz beiwohnen, nicht nur durch die Tatsache, daß st: aus der Wahltragikomödie von 1924 hcrvorgegangen sind, in keiner Weise als die Vertreter der italienischen Nation angesehen werden könnten, sondern, daß sie außerdem noch die augenscheinlichste und überdies auch voll eingestandcne Verneinung irgendwelchen parlamentari schen Systems seien. Ter in Italien herrschende und allein ge bietende Faschismus sei ein Hohn auf parlamentarische Ein richtungen und eine Gefahr für jede Friedensarbeit. Nr, 198. — 87. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt' Wilsdruff -» Dresden Postscheck: Dresden 2640 Die Interparlamentarische Anion im Reichstage. Professor Walter Schücking, Vorsitzender. Die erste Vollsitzung der in Berlin versammelten Interparlamentarischen Konferenz begann Donnerstag im Reichstagssaal. Als Vertreter der Reichsregierung waren mit dem Reichskanzler Müllerdie Reichsminister Dr. Stresemann, von Guörard, Koch-Weser und Dietrich erschienen. An Stelle des erkrankten Vor sitzenden, des Barons Adelswärd, eröffnete der stellver tretende Vorsitzende Brabec - Tschechoslowakei die Kon ferenz. Er teilte mit, daß der Rat der Union Vorschläge, den Präsidenten der deutschen Gruppe, den Abgeordneten Schücking, zum Vorsitzenden des Kongresses zu wählen. Die Versammlung stimmte diesem Vorschlag mit lebhaftem Beifall zu. Der Abgeordnete Schücking nahm die Wahl an und hielt eine kurze Begrüßungsansprache, in der er be tonte, die Interparlamentarische Union sei heute in aller Welt die vornehmste Repräsentantin einer nenen poli tischen Ideenwelt. Groß seien die Leistungen, die sie zu ihrer Verwirklichung in der Vergangenheit gemacht habe, größer noch sind ihre Aufgaben für die Zukunft. Der Kellogg-Pakt, der in diesen Tagen in Paris unter zeichnet werden soll, spiegele nur eine Resolution Wider, die man schon ans der Plenarkonferenz des Jahres 1925 in Bern gefaßt habe. Aber Größeres und Schwierigeres fei noch zu tun. Die soziologischen Ursachen der Kriege seien zu bekämpfen, indem man dem natürlichen Recht aller Völker in allen Beziehungen auf der ganzen Linie in einem rechtlich geordneten Verfahren zum friedlichen Durchbruch verhelfe und Mittel und Wege finde, das Ideal der Ge rechtigkeit zn verwirklichen. Reichskanzler Hermann Müller überbrachte den Willkommensgruß des Oberhauptes des Deutscheu Reiches, des Reichspräsidenten von Hindenburg, der lebhaft bedauere, nicht in Berlin zu sei», um selbst Worte der Begrüßung in diesem Saale sprechen zu können. Den, Gruß des deutschen Reichsprä sidenten reiht sich an der Ausdruck der Freude der deut schen R e i ch s r e g i e r u n g, die die Konferenz in der Neichshanvtstadt und an der Stätte des deutschen Parla mentes ebenfalls herzlich willkommen heißt. Der Kanzler wirft einen Rückblick auf die Entwicklung der Union und sagt dann: „Aus einer Organisation, die in erster Linie für den Schiedsgerichtsgedanken und damit für die Beseitigung bewaffneter Konflikte eintrat, hat diese Organisation sich zu einem Wcltparlament entwickelt, das in voller Freiheit und in geistiger Unabhängigkeit im Sinne der allen Völkern gemeinsamen Interessen an die Lösnng der großen Probleme heranaeht, welche unsere Zeit bewegen. für Äürgertum, Äeamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzrigrnprri»: dir 8 -MpaltkNt Raumzelle 20 Rpsg., die 1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im Icptlichen Teile I Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfeunige, geschriebene Erscheinung-. . «... tage und Platzoorschriste« werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annabme bis norm.lvUbr. — ! Für die Richtigkeit der durch Fernrus ü bermilteltcnAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Ieder Rabatlansprn ch erlischt, wenn der Betra g durch Klage eingczogen werden muff oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeige» nehmen alle Btrmittlungsftellen entgegen. Gegen erweiterte Krisenfürsorge. Bedenken der Industrie-Arbeitgeber. Kurz vor dem Beschluß des Rcichskabinetts, di« Kriscnfürsorge vom 17. September d. I. ab aus 39 Wochen zu verlängern, haben die führenden Spitzenorganisationev der Industrie an den Reichskanzler und sämtliche Reichsminister ein Schreiben gerichtet, in dem stark« Bedenken gegen die erweiterte Krisenfürsorge erhoben z werden. Das Schreiben deutel hin auf den Umstand, daß im Rcichskabincll die Zustimmung zum Panzerkreuzer bau offeubar erleichtert worden sei durch die Genehmigung der erweiterten Krisenfürsorge. Die unterzeichneten Spitzenverbände, so heißt es müßten zum Ausdruck bringen, daß sie eine derartige Ver> yuickuug rein politischer Fragen mit Fragen des weiteren Ausbaues unserer sozialpolitischen Gesetzgebung für un vereinbar mit dem Grundsatz sachlicher sozialpolitischei Arbeit bctracktcn