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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das „Milrkruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle unB den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bet Zustellung durch die Boten 2,3V NM.» bei Postbestellung 2 RDl. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern ISRpsg.AttePoslanstalten Wochenblatt für Wrlsdruff u. Umgeaeno. Postboten und unsereAus- tragerund Geschäftsstellen — nehmen zu zeder^eu Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Ancksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bciliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 «.espaltene Aaumzcile 2V Npfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4SAeichs- pfennr-, die 3gespaltene Aeklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Stehend nahm das gesamte Parlament diese Entschuldigung entgegen. Es wahrte seine Würde und in der über sieben Jahrhunderte währenden Geschichte des Englischen Unterhauses sind würdelose Szenen aller größte Seltenheiten geblieben. Selbst in Zeiten schärfster innenpolitischer Gegensätze blieb jeder Abgeordneter immer Gentleman, sobald er die Schwelle des Parlaments überschritten hatte. In deutschen Volksvertretungen ist das leider anders gewesen und der Preußische Landtag war es, wo zum erstenmal aus Ansordern des Präsidenten die Polizei ein griff. Aber es war ein offener, unverhehlter Kampf, nicht, wie in der Eröffnungssitzung des neuen Landtages, ein heimtückischer überfall. Und leider muß es festgestellt werden, daß gerade der Preußische Landtag schon wieder holt Schauplatz wüster Prügelszenen gewesen ist, daß der Präsident schon mehrfach zum letzten Mittel greifen mußte, um die Kämpfenden auseinanderzubringen. Auch der der Sitzung prsidierende älteste Abgeordnete, Graf Posadowsky, konnte nur durch Verlassen des Prä sidentenstuhles dokumentieren, daß die Befugnisse, die Ordnung im Hause ausrechtzuhalten, allzu gering bemessen sind. Und wenn hinterher der Ältestenrat alle möglichen Beschlüsse faßt, so ändert dies an den Geschehnissen nicht das geringste. Verhindert nicht, daß Ähnliches wieder geschieht. Auch NN Reichstag sind Prügelszenen vorgekom men, mußte der Präsident zu Ausschließungen greifen. Aber selbst Sperrung der Diätenzahlung, Aberkennung der sonstigen Rechte des Abgeordneten nutzen nicht viel, wenn der davon Betroffene die Gewißheit hat, von anderer Serie her entschädigt zu werden. Der gesunde Menschen verstand vermag es nicht einzusehen, warum der Ab geordnete nicht wegen Körperverletzung gericht lich belangt werden sollte, wenn er im Parlament mit „schlagenden" Gründen arbeitet. Ausschließung von der Sitzung auch für längere Dauer, finanzielle „Strafen" genügen nicht — warum sollte das Parlament nicht das Recht haben, einem Mitglied des „Hohen Hauses", das sich in schwerster Form gegen irgendeinen Volksvertreter ver geht, überhaupt sein Mandat zu erken nen? Auch dies war im englischen Parlament möglich. Eine besondere Note erhalten die jüngsten Vorgänge tm Preußischen Landtag noch dadurch, daß die Saaldiener das Eingreifen der Zuhörertribüne nicht zu verhindern vermochten. Ein kommunistischer Reichstagsabgeordneter durfte ungestört von oben eine Rede in den Saal hinunter halten, ein anderer Kommunist unter dem Beifall der kom munistischen Landtagsfraktion ein Hoch auf die Moskauer Internationale ausbringen, ohne daß die Saaldiener ein zugreifen wagten. Denn man hatte dafür gesorgt, daß jeder Versuch, aus der Zuhörertribüne Ordnung zu schaffen, sofort auf eine handgreifliche Gegenaktion ge stoßen wäre. Jetzt soll es ja dadurch anders werden, daß den Saaldienern Hauspolizeibefugnisse über tragen werden sollen. Sie werden sich dann schleunigst im Ringkampf und im Boxen ausbilden lassen müssen, um diese Befugnisse auch ausführen zu können. Im fran- töfischen Parlament haben die Saaldiener eine solche Polizeigewalt, aber nicht bloß gegenüber randalierenden Tribünenbesuchern, sondern auch mit mehr als nur mit Worten gegeneinander kämpfenden Abgeordneten. Und Ar auf der — übrigens sehr kleinen — Tribüne des eng- Achen Parlaments die Würde und Ruhe des Hauses stört, wird zunächst auf 48 Stunden in Polizeihaft gesteckt, damit sich das aufgeregte Gemüt erst ein wenig beruhigt. In der Demokratie ist die Volksvertretung der höchste Ausdruck der Souveränität, der Herrschgewalt des Volkes. Darum muß es ihre oberste Pflicht sein, mit allen Mitteln diese Würde zu wahren, sich nicht entehren zu lassen. Sie Frage der RegierungMdung. Löbe und die Parteiführer beim Reichspräsidenten. Der Reichspräsident empfing den Reichstags- Präsidenten Löbe. Er bestätigte ihm. das; er am Diens tag den Auftrag zur Bildung des Kabinetts erteilen werde; den Auftrag gedenke er einem Sozialdemokraten zu über geben. Zunächst wolle er aber die Parteiführer zu Be sprechungen darüber empfangen, welche Parteien und welche Persönlichkeiten für die Bildung einer Regierung in Frage rammen könnten, um Klarheit für feine Ent scheidungen zu schaffen. Es wurden dann im Anschluß an die Besprechung mit dem Reichstagspräsidenten die Führer der großen Rcichs- wgsparteien in der Reihenfolge ihrer Fraktionsstärke empfangen. Auch diese Besprechungen trugen zunächst Informatorischen Charakter. Für die Sozialdemokratische Partei erschien Hermann Müller, für die Deutschnationale Partei Graf Westarp, für das Zentrum Abg. v. Guerard, kur die Deutsche Volkspartei Dr. Scholz, für die Wirt- jMstspartei Abg. Drewitz, für die Demokratische Partei 2a. Koch, für die Bäuerische Volksvartei Aba. Leicht. Schluß in Genf Graf Apponyi legt Verwahrung ein. Die 50. Ratstagung wurde von dem Ratsprästdsnteri geschlossen. Den Einwänden des italienischen Ratsmit gliedes in bezug auf das Arbeitsprogramm des Wirtschaftskomitees wurde vom Berichterstatter. Staatssekretär von Schubert, dadurch Rechnung getragen daß in der Entschließung nur noch von einer „schrittweisen' Aufnahme der Untersuchung bzw. der vom Wirtschaftsrai empfohlenen Arbeiten des Wirtschaftskomitees auf den Ge bieten der Landwirtschaft, der Industrie und des Handel- gesprochen wird, und zwar einschließlich der Empfehlun gen, die die Prüfung des Zucker- und Kohlenproblems be treffen, und gegen die die italienische Kritik besonders ge richtet war. Zur Entkräftigung des zweiten Bedenkens von Scialoja über die durch diese Arbeiten entstehenden Mehrausgaben des Völkerbundes wies der Generalsekretär Drummond darauf hin, daß das Jahresbudget des Gene ralsekretariats genau durch die Völkerbundversammluns festgelegt wird und von keiner Abteilung überschritten werden kann. Graf Apponyi hat an den Ratspräsidenten ein Schreiben gerichtet, in dem er unter Hinweis auf dessen Erklärung, daß der rumänisch-ungarische Optantenstreü für den Rat abgeschlossen sei, seine gegenteilige Auffassung festlegt und erklärt, daß dies erst dann der Fall sei, wenn entweder eine Verständigung der beiden Parteien zustande komme oder die Bezeichnung der Ersatzrichter durch den Rat erfolgt sei. Der Ratspräsident hat das Schreiben des Grafen Apponyi allen Ratsmitgliedern zugelcitet. * Oer Opianienstreit vor dem Bölkerbundrai. Staatssekretär v. Schubert zur Minderheitenfrage. Bei derBeratung des ungarisch-rumänischen Optanten st reites saß zum erstenmal der rumänische Außenminister Titulescü am Völkerbundratstische. Chamberlain schlug eine Entschließung vor, in der gesagt wird, daß der Rat das Scheitern seiner Einigungs- Versuche bedauere und den beiden Parteien anheimstclle, unter gegenseitig'en Zugeständnissen zu einer Einigung zu gelangen. Nachdem der Rat diese Entschließung einstimmig angenommen hatte, meldete sich Titulescu zum Wort und machte einen Vorschlag, der darauf hinausgeht, direkte Verhandlungen mit Ungarn einzuleiten. Graf Apponyi erklärte, daß er auf diesen Vorschlag vorläufig weder be jahend noch verneinend antworten könne; er werde ihn aber seiner Regierung vorlegen. Es standen dann noch Minderheitenfragen aus der Tagesordnung dieser letzten Sitzung der 50. Tagung des Völkerbundrates. Der polnische Außen minister Zaleski erklärte als Berichterstatter über den albanisch-griechischen Streit, daß Minder heitenbeschwerden nicht zur Einmischung eines Staates in innere Angelegenheiten eines anderen Staates führen dürsten und daß Minderheitenfragen nur die Beziehungen zwischen dem Staat, dem die Minderheit angehöre, und dem Völkerbundrat angehen, aber nicht die Beziehungen zwischen zwei Staaten. Dazu bemerkte Staatssekretär v. Schubert, daß die Betonung des Berichtes, wonach das Mindcrheitcnproblem einen internationalen Charakter habe, durchaus keine Ab schwächung der Bedeutung der Minderheitenrechte in sich schließe, sondern im Gegenteil den ernsten und feierlichen Charakter dieser Rechte ins Licht stelle. Es handele sich eben nicht um gewöhnliche vertragliche Stipulationen zwischen zwei Staaten, die nach Belieben geändert werden könnten, sondern es handele sich um eine Institution von höchstem internationalen Range. Man könne unmöglich leugnen, daß es auch hierbei einmal Schwierigkeiten geben könne, und er würde es nicht billigen, wenn etwa das Minderheitenrecht zur Grundlage eines Querulantentums gemacht werden sollte. Aber in dieser Richtung sehe er bisher keinerlei Gefahr. In güt unterrichteten politischen Kreisen wird nicht mehr bezweifelt, daß es im Reich zur Bildung der Großen Koalition kommen wird. Demnach erscheint es als sicher, daß der sozialdemokratische Abgeordnete Hermann Müller zum Reichskanzler ernannt werden wird. Hermann Müller hat diese Würde bereits einmal im Jahre 1920, nach dem Kapp-Putsch, bekleidet. Das Reichsaußen ministerium wird in den Händen von Dr. Stresemann, das Reichswehrministerium in den Händen des Generals Gröner bleiben. Die Besetzung aller anderen Ministerien ist noch un gewiß. Das Reichsministerium des Innern wird vor aussichtlich dem Sozialdemokraten Severing zufallen, außerdem wird die Sozialdemokratie mindestens noch das Wirtschafts- oder das Arbeitsministerium beanspruchen. Beim Wirtschaftsministerium steht der Anspruch der Deut schen Volkspartei entgegen, die vermutlich an Dr. Curtins festhalten wird; vom Reichsarbeitsminister Dr. Brauns wird mit aller Bestimmtheit versichert, daß er kein Mini sterium mehr übernehmen wolle. Ein schwerer Kampf wird um das Finanzministerium entbrennen, wofür von den Sozialdemokraten Hilferding, von den Demokraten Reinhold präsentiert wird. Für das Justizministerium kommt entweder ein Sozialdemokrat (Landsberg) oder ein Zentrumsmann (v. Guerard) in Frage. Die „Lialia"-Besahnng am Leben. Neue Funksprüche desPolarschiffes. Das Hilfsschiff „Citta di Milano" hat von der Be satzung der „Italia" einen Funkspruch aufgefangen, wo nach der Standort der Expedition 80 Grad 15 Minuten nördlicher Breite und 22 Grad östlicher Länge ist. Wie aus Kingsbay gemeldet wird, soll festgestellt worden sein, daß die gesamte Besatzung der „Italia" sich am Leben befindet. Nobile teilte mit, daß er n o ch f ü r 4 0 T a g e Proviant habe und der Zukunft vertrauensvoll ent- gegcnsähc. Die „Citta di Milano" antwortete Nobile, er möge Mut fassen, da ihm bald Hilfe durch Hundeschlitten und Flugzeuge zuteil werde. Um jedoch die Suche und die Rettung zu erleichtern, solle er sich bzw. seinen Stand ort durch Abbrennen von Feuer erkennbar machen. Schnette Nettungsakt«onen. Die Rettung der „Jtalia"-Mannschaft dürfte, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintreten, durchaus im Bereich der Möglichkeiten liegen, da die von Nobile sunktelegraphisch angegebene Position nicht allzuweit von der Küste entfernt ist. Die „Citta di Milano" hat sofort die von ihr aufgefangenen Positionsangaben der „Jtalia"- Mannschaft an die „Hobby" weitergegeben und gebeten, das Schiff möge sich so weit wie irgend möglich der Stelle nähern, wo die „Italia" niedergegangen ist und Hunde schlitten mit geeigneten Führern über das Eis entsen den. Die Nettungsunternehmen werden nunmehr hon Kingsbay aus mit fieberhafter Eile betrieben. Die „Hobby" ist bereits in Richtung auf die Landungsstelle unterwegs. Riiser Larsen wird mit seinem Flugzeug sobald als möglich aufsteigen und die Suche nach der „Jtalia"-Mannschaft aufnehmen. Es wird soviel Lebens mittel als möglich mitnchmen und sie, falls er keine Lan dungsstelle findet, aus der Luft abwerfen. Auch Lützow Holm hat sein Flugzeug startbereit gemacht. Sobald das Wetter es zuläßt, steigen beide Flieger auf. * Eisbrecher „Maligin" sendet ein Flugzeug nach der „Italia" aus. Kowno, 10. Juni. Wie aus Archangelsk gemeldet wird, ist es dem russischen Eisbrecher „Maligin", der auf der Suche nach der Italia ist, Sonnabend nach großen Schwierigkeiten ge lungen, die Funkverbindung mit der Italia wieder herzustellen. Der Eisbrecher versucht am heutigen Sonntag ein Flugzeug aus zusenden, nm die Malia anfzusinden. Schwere Lisenbahnlakastrophe in Nähern 15 Tote, 10 Schwerverletzte, 20 Leichtverletzte Nach einer Meldung aus Nürnberg ereignete sich au Sonntag Sei der Ausfahrt aus der Station Sigelsdor? in Mittelfrauken auf der Strecke Nürnberg—Würzburc ein schreckliches Eisenbahnunglück. Der Schnellzug D. 4^ Münchei-—Frankfurt ist aus noch unbekannter Ursach; entgleist, wobei die Maschine über die Böschung stürzte und zwei Personenwagen sich über der Maschine zusammen schoben und ebenfalls den Abhang hinunrergerissen wur den. Die Folgen des Anglücks waren furchtbar. Nach den bisherigen Meldungen sind 13 Tote, 10 Schwerverletzte uM 20 Leichtverletzte zu verzeichnen. Bou den Schwerverletzter sind im Krankenhaus zwei Personen gestorben. Die meisten Toten stammen aus Bayern, zwei Schwer verletzte aus Oberhausen am Rhein und Kassel. Unter den Toten konnte auch ein Ungar festgestellt werden. Ein Sachse Opfer der Zugkaiastrophe. Wie bekannt wird, befindet sich unter den Toten, die das schwere Zugunglück bei Sigclsdorf forderte, auch ein Sachse. Es handelt sich um den Bcrgpraktikantcn Gebhart aus Borna bei Leipzig. Oie Reichsbahn will Tariferhöhung. Ein Beschluß des Verwaltungsrates. Der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahngescll- schaft beschäftigte sich in einer außerordentlichen Sitzung mit der von der Neichsregierung zu dem Tarifantrag der Reichsbahn gegebenen Antwort. Er erblickt, wie mitaeteill