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Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft WeitzM, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt, für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeioenpr-is: dir 8 gespalten- RaumzeUe rv Rpsg., die t gespaltrne ZtM der amMchen B-Kanntmachun,«, iv Reiche. Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichrmark. Nachrveisung-gcbühr 20 Reichexfennige. geschriebeneErscheinnng«- — , „ tage und Platzvnrschrisien werden nach Möglichkeit KkkNlpkethLk: AMI Wilsdruff Nv. 6 berücksichtigt. Rnzcigen. annabmebisvvrm.lvUhr. - - ——————— Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir deine Garantie. JederRadattansprnch erlischt, wenn dcrBelragdurch Klage eingczvgen werden muß oberderAuftraggeberin Konkurs gerLt. Anzeigen nehmen alle Pe»mittlungssieüen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, s« .Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d« Geschäftsstelle und den Ausgabestelle» 2RM. im Monat, bei Zustellung durch djeBoten 2,3» RM., bei Poftbcftellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten^'v»»^«««-- ^-rund G-schästsstellen — nehmen zu i-der^itt Be- st-llungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Vücksendungleingesaudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Äs 217 — 87. Jahrgang T°legr.°Adr.: .Amtsblatt« MilSÄLAff-- DvSLKLW Postscheck: Dresden 2640 SonuKbeu-, 15 September 19^8 Das Wespennest. Das Doppelgcsicht der Diplomatie. — Mißhandelte Eifcl- dörfcr. — Poincarös Triumphwagen. Wer Sinn und Zeit auch für die kleineren Unglücksfälle unserer immer atemloser dahinstürmenden Tagesgeschichte ausbringt, der wird in diesen Tagen von zwei Todes-^ opfern gelesen haben, die ein unbedachter Griff in Wespennester zur Folge hatte. Das eine Mal war es ein Kind von ein oder von zwei Jahren, das von einem Wespenschwarm so entsetzlich zugerichtet wurde, daß es nach wenigen Stunden verloren war. Das andere Mal ein junger Arzt, der irgendeinen Leichtsinn, den er den stachelbewehrten kleinen Tieren gegenüber begangen hatte, mit dem Leben büßen mußte. Ganz so schlimm ist der Vorstoß, den der deutsche Reichskanzler auf der Völkerbundversammlung in Genf mitten hinein in den Schwarm der vor ihm sitzenden Delegierten gus aller Herren Ländern unternahm, aller dings nicht verlaufen. Herr Briand ließ sich sogar zwei oder drei Tage Zeit, ehe er aus seinem Bau herausstürzte und den deutschen Delegationsführer mit Spitzen angriff, mit feinen ausgeklügelten Stichen und Bosheiten überfiel, daß es nur so eine Art hatte. Der lärmend gespendete Beifall seiner Bewunderer und Trabanten sollte den deut schen Angreifer vollends zum Verstummen bringen, und >vas in Genf selbst noch an Nachstößen etwa zu wünschen übrigblieb, das bemühte sich die sogenannte „Weltpresse" ihrerseits nach Kräften nachzuholen. Aber Hermann Müller, der die berühmte Atmosphäre von Genf zum erstenmal zn kosten bekam, zeigte sich im Besitz einer Eigenschaft, deren Notwendigkeit für einen Staatsmann der Gegenwart kein geringerer als Fürst Bülow einmal in seiner humoristischen Redeweise als ganz unerläßlich bezeichnet hatte: an seiner Rhinozeroshaut prallten die Insektenstiche, mit denen mau ihn anscheinend gleich bei seinem ersten Auftreten in der Völkerbundversamm- lung erledigen zu können hoffte, ziemlich wirkungslos ab, soviel auch von Paris und von London und natürlich auch von Warschau und von Prag her getan wurde, um Gift in die Wunden nachzuträufeln, die Herr Briand verursacht hatte. Der Reichskanzler blieb der ruhige und gelassene Mann, als den wir ihn in Deutschland bereits seit Zähren gekannt haben, und soweit er dabei eine Ab- c wehr gegen die herumschwärmcuden Wespen für nötig I^hielt, ließ er mit keinem Wort erkennen, daß er fick, durch ^die gehäuften Unfreundlichkeiten — man könnte freilich dafür noch einen ganz anderen Ausdruck gebrauchen — des französischen Außenministers auch nur im geringsten verletzt fühlte. Wir wollen nicht etwa behaupten, daß er mit diesem Verhalten in Deutschland völlig ungeteilte Zustimmung gefunden hättet manchem hätte es ungleich besser gefallen, wenn er sehr viel kräftiger ausgetreten wäre, wenn er ein fach seine Koffer gepackt und den Herrschaften, die in so überheblicher Form über ihn hergefallen waren, den Rücken gekehrt hätte. Aber die deutsche Delegation hat es für richtiger gehalten, den Kampfplatz in der Völker- bnudversammlung nicht zu verlassen, und der Erfolg erst wird erweisen, ob sie damit recht behält. Jedenfalls: das Wort von dem Doppelgesicht der internatio nalen Diplomatie bleibt an der Gegenseite solange hängen, solange sie ihre Taten nicht mit ihren Reden in "Übereinstimmung bringt. Mit hochtönenden Redens arten hat eben der französische Höchstkommandierende im besetzten Gebiet die 50 000 Mann aller Waffengattungen, mit denen er die schmählich mißhandelten Eifeldörfer über flutete, aus den französisch-britischen Ma ri ö v e r n entlassen, und kaum ist dieses Heldenstück eines wirklich übermütigen Militarismus abgerollt, so heben in Frankreich selbst die riesenhaften Luftmanöver an, an denen mehr als 300 Flugzeuge und zahlreiche Batterien von Luftabwehrgeschützen beteiligt sind. Herr Briand soll sich persönlich gekränkt gefühlt haben ob der bitteren Kritik des deutschen Delegationsführers. Man darf aber vermuten, daß er an ihr wesentlich weniger auszusetzen gehabt hätte, wenn sein Respekt vor dem Bake! des Herrn Poincarö in den letzten Monaten nicht wesentlich größer geworden wäre; aus zwingenden Gründen, wie man Wohl annehmen muß, ohne sie des halb billigen zu wollen. Herrn Poincarö ist es eben ge lungen, nicht nur den Frank zu stabilisieren, sondern auch die englische Politik wieder fester an seinen Triumph wagen heranzuziehen — und damit ist freilich vieles, wenn nicht alles erklärt. Uns wird Wohl einstweilen, wenn nicht noch ganz un vorhergesehene Sinnesänderungen cintrcten, nichts an deres übrigbleiben, als auf den Augenblick zu warten, in dem Amerika mit feiner unverkennbaren Verurteilung dieser Art von europäischer Friedenspolitik lauter, als es bisher geschehen ist, hervortritt, — was freilich vor den Neuwahlen des Staatspräsidenten kaum geschehen dürfte. Dr. Sh. Benesch beim Reichskanzler. Genf, 1L September. . Außenminister Benesch hat am Freitag Reichskanzler Müller im Hctel Metropole einen Besuch abgestattet. SkltsWd will die Geskintmimg Französische Schachzöge in Geof. Neue Vorschläge. Am Sonntag soll nun endlich, soweit man dem hin- und hergehenden Meinungsaustausch über die Genfer Verhandlungen glauben darf, der große Schlag fallen, der einen Weg Sahnt zur Räumung des Rhein land es. Nach Indiskretionen in der französischen Presse sei am Donnerstag bei der Mächtebesprechung der stellung und für Vergleich" erörtert worden. Dis „Fest stellung und für Vergleich" erörtert worden. Diese „Fest- fteüungs"ko!nmission soll etwaige Klagen der Unterzeichner des Versailler Vertrages über Vorgänge in einer entmili tarisierten Rheinlandzone oder in deren Nachbarschaft prüfen. Diese Kommission würde internationalen Charakter bekommen und auch deutsche gleichberechtigte Mitglieder umfassen. Die „Vergleichs"kommission soll als Sachverständigenausschuß für die endgültige Regelung der Reparationsfrage funktionieren. Reichskanzler Müller hätte, wenigstens nach den Behauptungen der französischen und auch einiger schweizerischer Blätter, sich diesen An regungen gegenüber nicht ganz ablehnend verhalten. Ob das richtig ist, bleibt solange äußerst fraglich, als eine einwandfreie deutsche Äußerung nicht vorliegt. Nach Ansicht Berliner politischer Kreise handelt es sich lediglich zunächst nm französische Forderungen, zu denen die deutsche Vertretung noch keine Stellung genom men habe und die im besten Falle erst am Sonntag zur näheren Erläuterung kommen könnten. Vorläufig sehe man nicht, welche Folgerungen aus diesen Vorschlägen zur Einsetzung von Kommissionen herauswachsen könnten. Gewiß könne man an einen Ausbau des Locarno- und des Rheinlandpaktes denken. Immer fehle aber noch das bestimmte und endgültige Versprechen der Räumung. Diese müsse zunächst zugestanden werden, und zwar für das gesamte Rheinland, ehe weitere Entschlüsse auf unserer Seite in Betracht kommen könnten. Kabmeiisrai in Berlin. Sonnabend ist in Berlin das Reichskabinett zu einer Beratung über die bisherigen Ergebnisse von Gens ge laden. In dieser Sitzung wird selbstverständlich das vor- geschlagene Feststellungs- und Berglcichskomitec die Hauptrolle spielen. Und es wird klargelegt werden müssen, ob hinter den Anregungen nichts anderes steht als die genugsam bekannte französische Forderung auf „Siche rung", für die Deutschland wieder einmal bezahlen soll. Auf deutscher Seite ist es unmöglich, irgendwelche Maß nahmen zu erkaufen, die nichts anderes darfteken als die Ausführung des von uns ohne finanzielle Neubelastung beizubehaltendcn Rcchtsarundsatzes der Gesamträumung. „Graf Zeppelin" fahrklar. Freudige Stimmung in Friedrichshafen. Dr. Eckener empfing in Friedrichshafen einige Ver treter der Presse, um ihnen gegenüber irreführenden Mel dungen über die erste Probefahrt des neuen Zeppelins folgende Erklärung abzugeben: Das Schiff ist fahrklar und ich hoffe sehr, daß es möglich sein wird, die erste Probefahrt vorzunehmen, zumal gegenwärtig ein ganz außergewöhnlich günstiges Wetter für Probefahrten herrscht. Die Ausführbarkeit dieser Fahrt hängt lediglich ab von der Möglichkeit, das Schiff aus der Halle zu bringen. Wir arbeiten hier unter ganz ungewöhnlich schwierigen Verhältnissen. So können wir nur mit größter Vorsicht bei Windstille oder bei ganz leichten Winden aus südwestlicher Richtung das Schiff aus der Halle bringen. Es ist uns deshalb auch ganz unmöglich, einen bestimmten Tag für die einzelnen Fahrten mit Sicherheit vorher zu bestimmen. Außerdem legt Dr. Eckener Wert auf die Feststellung, daß die Verzögerung der ersten Probefahrt, die ursprüng lich für die ersten Septembertage in Aussicht genommen war, keinen anderen Grund als die Schwierigkeiten bei der Herstellung des Betriebsgases hat. Für die Amerika fahrt braucht das Schiff etwa 25 000 bis 30 000 Kubik- meter. Bis jetzt sind etwa 7000 Kubikmeter vorhanden. Es wird also wohl Anfang oder Mitte Oktober werden, bis die Amerikafahrt angetreten werden kann. In Friedrichshafen herrscht eine fröhliche Stimmung. Alles freut sich darauf, daß nun voraussichtlich bald das Schiff aus der Hatte gezogen werden kann. „Diese Freude werden Sie verstehen können," sagte der stellvertretende Kommandant des Schisses, - Flemming, „denn schließlich haben wir vier Jahre lang für diesen Tag gearbeitet." Der Luftverkehr Deutschland—Spanien—Südamerika. Die Verhandlungen über den Luftverkehr nach Süd amerika sind einen bedeutungsvollen Schritt vorwärts- gekommen. Diese Verhandlungen zwischen der Zeppelin- Anch von der deutschen Delegation in Gens wird bestätigt, daß die französischen Vorschläge so, wie sie in die Öffentlichkeit gedrungen sind, im wesentlichen den Tatsachen entsprechen. Ob in der Sonnabendkabinettsitzum- etwa Abändcrungs- oder Gegenvorschläge formuliert wer den, bleibt abzuwarten. Würde die von Frankreich vorge schlagene Regelung eintreten, vielleicht in abgeändertc Form, so wäre beabsichtigt, die neu zu schaffende Kon mission im Oktober in Paris zusammentreten zu lassen Der französische Mimfterrai. Außer den notwendigen Ministerernennungen z> Vervollständigung der französischen Regierung nahm de in Rambouillet unter Vorsitz des Präsidenten Doumergn tagende Ministerrat einen längeren Vortrag des ans Genf erschienenen Außenministers Briand über di-. Völkerbundtagung und die Genfer Besprechungen eM gegen. Einzelheiten wurden nicht bekanntgcgeben, jcdock- sol! eine weitere Kabinettssitzung am 26. September statt finden. Briand kehrt alsbald nach Genf zurück und hat sich, wie trotz aller Geheimhaltung verlautet, die volle Zustimmung der Regierung zu seinem Verhalten in Genf gesichert. Am Montag abend wird Briand in Genf zu Ehren des deutfchen Reichskanzlers Müller ein Essen im Hotel des Bergues geben, zu dem alle Delegationsführer des Völkerbundes geladen sind. Wü'ischaftsfragen. Bei Behandlung des Tätigkeitsberichts des Win schaftskomitees des Völkerbundes verbreitete sich in Genf das Mitglied der deutschen Delegation Reichstagsabgeord neter Dr. Breitscheid über den deutschen Standpunkt. Zur Herstellung gedeihlicher Wirtschaftsentwicklung habe Deutschland mit 16 Staaten Handelsverträge abgeschlossen, die sich alle im Sinne einer Herabsetzung der Zollsätze aus gewirkt Hütten, was besonders denn deutsch-fran zösischen Handelsvertrag in Erscheinung trete. Die Verwirklichung des Zollabbanes müßte überall gefordert werden und die namentlich von Rumänien und Italien erhobenen Bedenken seien abzuweisen. Ebenso müßten die Erschwerungen des Reiseverkehrs durch die Paßvisa endlich beseitigt werden. In der Budgetkommission des Völkerbundes kritisierten die Vertreter Norwegens und Hollands die Personal- Politik des Völkerbundes sehr scharf. Anjanas seien noch Uni versitätslehrer oder Leute der Praxis zn Vülkcrbundüeamtcn genommen worden. Jetzt ernenne man nur Diplomaten, die das Interesse ihres Landes, aber nicht die Allgemeinheit der träten. In Norwegen hätte sich das Parlament bereits damit befaßt, ob weitere Kredite für den Völkerbund zu streichen seien. Der Hollander betonte, daß die Großmächte fast ein Monopol im Völkerbund ausübten. Generalsekretär Drum mond fand die Kritiken berechtigt. Gesellschaft und den Vertretern der spanischen Regierung in der Luftverkehrsgesellschaft Colon, die seit Jahren schweben, haben jetzt dazu geführt, daß die spanische Gc sellschaft einer amerikanischen Fabrik den Auftrag zum Bau einer Luftschisfhalle bei Sevilla erteilt hat. Diese Halle wird zwei großen Zeppclinschiffcn Raum bieten und damit größer sein als alle bisher bestehenden Häfen. Sie wird aus Eisenbeton gebaut, die Tore werden Eisen konstruktion fein. Außerdem wird neben der Halle eine WErstoffgasfabrik gebaut, mit der bereits begonnen ist. Dieser Auftrag wird vornehmlich von deutschen Firmen ausgeführt. Auch eine Anlage zur Her stellung des neuen Trirbgases soll noch hinzukommcn, m r den Betriebsstoff zu liefern, mit dem die Motoren in Zu kunft ausschließlich betrieben werden sollen. Der Ban eines Ankermastes wird erfolgen, sobald sich die Erfahrungen mit dem niedrigen Ankermast über blicken lassen, der in Staaken errichtet wird. Ähnliche An lagen sollen auf einepn Platz 60 Kilometer von Buenos Aires geballt werden. Damit wird Anfang des nächsten Jahres begonnen werden. Das ganze Projekt ist auf 10 bis 12 Millionen Peseten geschätzt worden. Polen muß an Deutschland zahlen. Das Haager Urteil über Chorzow. Der Ständige Internationale Gerichtshof im Haag hat Donnerstag seine Entscheidung in dem deutsch- kölnischen Chorz o w - Streitfall bekannt zegeben. Die deutsche Regierung hatte in ihrer Klage ge fordert, daß die polnische Regierung zum Ersatz des schadens verurteilt werden solle, der den beiden beteilig !en deutschen Privatgesellschaften, den Bayerischen Stick äoffwcrken und den Obcrschlesischen Stickstoffwcrken, dnrck) die widerrechtliche polnische Besitzergreifung der Stick ftoffabrik in Chorzow erwachsen ist, und daß die Höh' dieser Schadenersatzsumme vom Gerichtshof festgestellt werden müsse. In seiner mit neun gegen drei Stimmen gefällten Entscheidung har der Gerichtshof dahin erkannt, daß di-'