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WWErMich Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar DienZi tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s Nlk. 30 j)s., durch die Post bezogen s Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern sO Pf. WarM Me«, Zikbknlkhll lind die AnWende». —-r r-— Mtsklatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags ^2 Uhr angenommen. Insertionsprsis s O pf. pro dreige spaltene Lorpuszeile. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Truck und Verlag von Manin Berger in F-rn a 0 A. «nger ni Äinsscun. — Verantwv.ilich für die Redaklwn H. A. Berger daselbst. No. 33. Sonnabend,'den 4. Mai 18S5. Der Wechsel im Gouverneursposten von Deutsch-Ostafrika. Laut offizieller Mittheilung im „Reichsanzeiger" ist der Major st la suits Hermann von Wißmann vom Kaiser zum Gouverneur von Deutsch-Ostafrika ernannt worden, womit die Frage der Nachfolgerschaft des Freiherrn v. Scheele auf diesem wichtigsten colonialen Posten ihre hochbefriedigende Lösung ge funden hat. Denn wenn es je eine geeignete Persönlichkeit zur Ausfüllung der verantwortungsreichen und schwierigen Stellung eines Gouverneurs der ostafrikanischen Kolonie Deutschlands giebt, so ist dies Herr v. Wißmann, und das die Wahl des Kaisers nun wirklich auf diesen ausgezeichneten Mann gefallen ist, erfüllt gewiß alle colonialfreundlichen Kreise in Deutschland mit besonderer Genugthuung. Wißmann zählt zu den ersten unter den lebenden Afrikaforschern, er hat schon seit 1881 mit größtem Erfolge an der wissenschaftlichen Erschließung des „dunkelen Kontinents" gewirkt und seine Forscherfahrten in Afrika können sich getrost den Entdeckungszügen der hervor ragendsten Afrikareisenden der Vergangenheit und Gegenwart an die Seite stellen. Trotzdem würden ihn seine wissenschaft lichen Leistungen und Triumphe au* afrikanischer Erde gewiß noch lange nicht zur Nachfolgerschaft der Herren v. Soden und v. Scheele befähigen, wenn Wißmann nicht zugleich auch ein tüchtiger Militair und ein ausgesprochenes Verwaltungs- und Organisationstalent wäre. In beiden Richtungen hat sich ja aber Herr v. Wißmann ebenfalls schon längst glänzend be währt. seine afrikanische Laufbahn ist auch in dieser Hinsicht wahrlich bekannt genug. Ihm verdankt das deutsche Reich die Erhaltung seiner ostafrikanischen Kolonie, als dieselbe im Jahre 1889 durch den gefährlichen Aufstand der Araber unter Buscherie sehr bedrängt wurde. In wuchtigen Schlägen, sich als meister haften Strategen im afrikanischen Buschkriege bewährend, trieb Reichskomwissar v. Wißmann der damals allerdings noch nicht geadelt war, die Aufständischen zu Paaren und nahm ihren Hauptanführer Buschri selber gefangen, der seiner rebellischen Gesinnungen durch den Tod am Galgen büßen mußte. Allent halben stellte dann Wissmann das gesunkene Ansehen der Deutschen im ganzen Schutzgebiete wieder her und traf mit glücklicher Hand eine Reihe von Maßnahmen, welche die Verwaltung wieder ordneten, Ruhe und Ordnung in allen Theilen der Kolonie aufs Beste sicherten und ihre wirthschaftliche Entwickelung rinlciteten. Sicherlich wäre es von Vortheil gewesen, wenn dieser so hochverdiente Mann gleich auf den damals neugegründeten Posten eines Gouverneurs von Deutschostafrika berufen worden wäre. Dem standen jedoch allerhand Bedenken in den maßgebenden Berliner Kreisen entgegen, auch persönliche Fragen spielten hinein, und so kam es, daß Major v. Wißmann in Deutschostafrika e nen ganz anderen Wirkungskreis erhielt, während Freiherr v. Soden auf den ersten Beamtenposten des Landes berufen wurde. Aber Herr v. Soden beging in seiner ostafrikanischen Thätig- keit Fehler über Fehler, die schließlich seine Abberufung nöthig machten, sollte in der ostafrikanischen Kolonie nicht Alles wieder in Frage gestellt werden. Sein Nachfolger indessen, Oberst lieutenant v. Scheele, griff die Sache auch nicht besser an, er kehrte zu sehr den Militair heraus und gefiel sich außerdem in allerhand bureaukratischen Maßnahmen, die nie und nimmer für die eigenartigen Verhältnisse in Ostafrika paßten. Zuletzt unternahm Scheele die große Expedition gegen die Wahehe, deren Erfolg aber im umgekehrten Verhältnisse zu den aufge wandten Mitteln stand, und bildete daher der halb und halb verunglückte Feldzug gegen die Wahebe mit eine der Ursachen der Abberufung Herrn v. Scheeles. Nach mehrmonatiger Vacanz ist nun der Gouverneursposten von Deutschostafrika endlich durch Major v. Wißmann erneut besetzt worden und man darf von diesem erprobten Kenner von Land und Leuten in Afrika, von seiner in jeder Beziehung bewährten Tüchtigkeit, Energie und Umsicht, gewiß erwarten, daß die wichtigste und zukunftsreichste Kolonie d.s deutschen Reiches die ihr so nothwend'gen Bahnen ruhiger und ungehemmter Entwickelung unter dem neuen Re gime cinschlagen werde. Tagesgeschichte. In der Press- werden Erörterungen darüber angestellt, welche Vorlagen in dieser Tagung noch im Reichstage zu er warten i-ien. Die Eiörterungen haben keine rechte Unterlage. Daß die verbündeten Regierungen die Absicht haben, einige der in der Vorbereitung begriffenen Gesetzentwürfe möglichst bald zur Verabschiedung zu bringen, ist bekannt. Ihre V-rtr.ter haben für einzelne Vorlagen eine solche beschleunigte Behand lung in Aussicht gestellt. Das gilt hauptsächlich von dem Börsengesetz und von dem Entwurf über die Bekämpfung des unlanteren Wettbewerbes. Die erstere Vorlage liegt schon einige Zeit hindurch dem Bundesrathe zur Berathung vor, aber, obschon vorher Erörterungen über dieselbe auch in Einzelregie rungen stattgehabt haben, also eine Klärung über die Einzel heiten derselben erzielt ist, so wird doch immer einige Zeit vergehen, ehe die Berathungen im Bundesrathe so gefördert find, daß an eine Beschlußfassung herangegangen werden kann. Der Gesetzentwurf über die Bekämpfung des unlauteren Wett bewerbes ist noch nicht soweit gefördert. Zwar sind die Arbeiten an der zuständigen behördlichen Stelle soweit gediehen, daß der Entwurf, wenn er nicht schon dem Bundesrathe zugegangen ist, doch in nächster Zeit ihm wird überreicht werden können, einige Wochen werden indessen auch zu seiner Berathung im Bundesrathe nöthig sein, obschon sein Inhalt lange nicht so umfassend wie der des Börsenzesetzes ist. Nun wird aber be kanntlich die Idee erörtert, den Reichstag vor Pfingsten zu ver tagen. Wird diese Idee verwirklicht, so dürfte kaum noch an zunehmen sein, daß die genannten Vorlagen dem Reichstag in nächster Zeit unterbreitet werden, denn es ist schließlich nicht oortheilhaftex dem Reichstage für die Vertagungszeit Vorlagen von erheblicher Bedeutung zu unterbreiten, als sie mit Rücksicht auf die Möglichkeit dieser Vertagung tm Bundesrathe einer längeren Durchsicht zu unterziehen. Es kommt also bei der Einbringung weiterer Vorlagen an den Reichstag vor Allem auf die Dauer der jetzigen Berathungen an. Daß es von vornherein nicht in Aussicht genommen sein konnte. Vorlagen von solchem Umfange, wie ihn beilpielsweise die Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzen hat, die gleichfalls schon im Bundes- cathe ist, noch gegen das Ende einer Tagung oder eines Tagungsabschnittes einzubringen, leuchtet ohne Weiteres ein. Im Reichstage wird die kommende Woche mit der zweiten Lesung der „Umsturz-Vorlage" die voraussichtlich entscheidenden Berathungen in dieser schon so lange schwebenden schwierigen Frage zeitigen. Wie die Dinge stehen, ist es gerade nicht sehr wahrscheinlich, daß die Plenarbcrathungen über die „Umsturz-Vorlage" zu einem positiven Resultate führen werden, es müßte denn sein, daß hinter den parlamentarischen Coulissen noch eine Verständigung erfolgt. Bis jetzt lassen sich aber keine Anzeichen einer solchen heimlichen Abmachung entdecken, es muß daher zunächst mit der Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung der Vorlage gerechnet werden. An sich wäre ja ein derartiger Aus gang der ganzen Frage gewiß bedauerlich, denn eine Schärfung der gesetzgeberischen Waffen gegenüber den auf Untergrabung der bestehenden staatlichen und sozialen Ordnung gerichteten Bestrebungen ist eine Forderung der Selbsterhaltung für Staat und Gesellschaft. Dennoch könnte das eventuelle Scheitern des „Umsturz-Gesetzes" in seiner jetzigen Gestalt nicht weiter tragisch genommen werden, letzteres würde in leinen Wirkungen weiter über die ursprünglichen Ziele hinausreichen und selbst in die loyalsten Bevölkerungskreise nur Verwirrung und Mißmuth tragen. Vielleicht, daß dann die verbündeten Regierungen dem Reichstage zu einem späteren Zeitpunkte einen geeigneteren und weniger mit Fußangeln für die Allgemeinheit bepackten Gesetzentwurf zur Bekämpfung der wirklichen Umsturzbestrebungen oorlegen. Ueber die Haltung der Nationalliberalen gegenüber der Umsturzvorlage schreibt die „Nationalliberale Korre spondenz": „Die „Nordd. Allg. Ztg." redet der national liberalen Partei zu, nach einer Einigung auf dem gegenwärtigen Boden der Umsturzvorlage zu streben, und verweist sie auf das rühmliche Beispiel „einsichtiger und patriotischer Haltung," das die Konservativen mit der parteioffiziösen Erklärung gegeben hätten, „dem durch die sozialdemokratischen Wühlereien geschaffenen drängenden Bedürfniß im Anschluß an die Forderungen der Regierung unmittelbar gerecht werden zu wollen." Darauf ist zu bemerken, daß die Natmnallibcralen den Forderungen der Regierung zwar ebensowenig unbedingt, wie die Konservativen, die bcisp'elsweise den Hauptredner gegen die Erweiterung des 131 gestellt haben, aber m weitestem Maße entgegenge kommen sind, daß sie aber in der gegenwärtigen nur nebenher gegen die Umsturzbestrebungen gerichteten Vorlage kein geeignetes Mittel erblicken, den in der angezogenen, im übrigen eben nur offiziösen und keineswegs offiziellen konservativen Erklärung be zeichneten Zweck zu erreichen. Die Einsicht und den Patriotis mus, welcher nach der Machterhöhung des Ultramontanismus drängt, wird die „Nordd. Allg. Ztg." auch künftig an der nationalliberalen Partei vermissen müssen." Die vstasiatische Frage beherrscht die Regionen der hohen Politik vollständig. Mit Spannung wird allgemein der weitere Verlauf der in Tokio unternommenen gemeinsamen Aktion Deutschlands, Rußlands und Frankreichs gegen den Friedensvertrag von Schimonoseki erwartet, eine Antwort Japans auf die Vorstellungen her drei Mächte ist noch nicht erfolgt. Was geschehen soll, wenn die japanische Regierung diesen Ein spruch zurückweist, das ist noch recht unklar, trotz allen Säbel- rasselns Rußlands. Gleich England hat es jetzt auch Nord amerika abgelehnt, sich dem Schritte der drei europäischen Mächte gegen Japan anzuschließen, über welche Haltung natürlich große Genugthuung auf englischer Seite herrscht. Inzwischen nehmen die Dinge auf Formosa eine bedrohliche Gestalt an. Die chi nesischen Elemente der Bevölkerung von Formosa sind wegen der Abtretung der Insel an Japan beunruhigt, die chinesischen Besatzungstruppen zeigen vielfach sogar einen meuterischen Geist. Das Urtheil in dem Prozesse, der in Weiden gegen die Bewohner des Dorfes Fuchsmühl wegen LandfriedensbrucheS verhandelt worden ist, bringt bekanntlich für die meisten An geklagten eine Verurtheilung. Mit einer Einmüthigkeit, wie sie in politischen Fragen wohl nie vorkommt, beurtheilen die bayerischen Zeitungen ohne Unterschied der Parteistellung diesen Ausgang dahin, daß zwar die Holzrechtler vom formalen juristischen Standpunkte aus, indem sie, um zu ihrem Rechte zu gelangen, Selbsthilfe übten, sich ins Unrecht gesetzt hätten, daß aber die moralisch Verurtheilten jedenfalls nicht die armen, durch Noth und Vorenthaltung ihres Rechte- zum äußersten gereizten Bauern von Fuchsmühl seien. Ob eS sich wohl, so fragt man, mit dem Grundsätze „Noblesse obliZs" verträgt, wenn der Lehnsinhaber, ein Mann in hoher Lebensstellung und gleichzeitig als Jurist guter Kenner des formalen Gesetzes, die Bauern der von ihm gewünschten Ablösung ihrer Rechte geneigter zu machen suchte, indem er ihnen trotz ihrer bitteren Noth, trotz herrannahenden Winters das ihnen zustehende Holz oorenthielt? Wenn der Lehnsherr den Bauern das Holz hätte verabfolgen lassen oder wenn die Bauern sich nicht zur rechts widrigen Selbsthilfe hätten Hinreißen lassen, wäre kein Militär eingeschritten. Der befehlführende Offizier, dem sogar die So zialdemokraten nichts am Zeuge zu flicken vermochten, hatzwischen einer kräftigen Ausführung seines Auftrages und allzu schneidiger Uebergriffe seiner Soldaten nicht den richtigen Weg zu finden gesucht. Die Soldaten aber sind, wie aus dem Weidener Prozesse klar hervorgeht, wenigstens theilweise schneller und schneidiger, als erforderlich gewesen wäre, vorgegangen. Doch darin liegt nicht der springende Punkt. Dieser ist vielmehr zu suchen in dem Widerstreit des geschriebenen Gesetzes, nach dem die Richter zur Verurtheilung der Angeschuldigten schreiten mußten und dem im Volke wurzelnden Rechtsgefühl. Hier den Ausgleich zu treffen, ist das schöne Vorrecht der Krone, im Gnadenwege den armen Leuten von Fuchsmühl die Strafe zu erlassen. Aus Rom wird unterm 30. April gemeldet: Seit Francesco Crispi mit seiner eisernen Faust das Staatsruder Italiens lenkt, hat die „rothe Gefahr" dort viel von ihrem Schrecken verloren; das zeigt sich recht deutlich jetzt, im Angesichte des 1. Mai, dem diesmal die Bevölkerung des Königreichs und zumal der Hauptstadt so gleichmüthig entgegensieht, als wäre es nie an diesem Tage zu Straßenkämpfen und Blutvergießen gekommen. Das gesammte öffentliche Interesse ist den bevor stehenden Kammerwahlen zugewandt, deren Ausschreibung man jetzt am 2. Mai erwartet. Wie es heißt, wird Crispi, der im vierten römischen Wahlkreise zu kandidiren gedenkt, am 12. Mai bei einem politischen Zweckessen eine Programmrede halten, in der er seine Regierungsgrundsätze im allgemeinen entwickeln und sein bisheriges, von den radikalen Lärmmachern als ver fassungswidrig verketzertes Vorgehen rechtfertigen wird. Den voraussichtlichen Kundgebungen Crispis gegenüber verblaßt das Interesse am 1. Mai um so mehr, als durch einen geschickten Zug der Regierung jeder umfangreichen sozialistischen De monstration in der Hauptstadt der Boden entzogen zu sein scheint. Es war zur Feier des 1. Mai eine Versammlung und eine Festlichkeit der sozialistischen Arbeitervereine auf einem Weinberggrundstücke auf dem Janiculus geplant, der Abgeordnete Professor Ferri sollte die Festrede halten. Die Polizei bewog jedoch den Eigenthümer, in letzter Stunde seine Genehmigung zurückzuziehen, so daß die Kundgebung unterbleiben muß. In weiteren Arbeiterkreisen herrscht entschiedene Gleichgiltigkeit, in der Bürgerschaft volle Beruhigung gegenüber der Maifeier. Graf Schuwaloff, der kaum erst seinen neuen Posten als Gouverneur von Warschau angetreten hat, fühltsich schon amtSmüde. Es heißt, zwischen dem Generalgouverneur und dem der Petersburger Behörde unmittelbar unterstellten War schauer Gensdarmeriechef Brack sei ein Konflikt entstanden, in folgedessen ersterer verlangt hat, daß ihm sämmtliche Behörden Polens, also auch die Gensdarmerie unterstellt würde», andern falls will Schuwaloff zurücktreten. Der Czar scheint in dieser Sache noch keine Entscheidung getroffen zu haben.