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WM« jm MH TharM Nchen, MMn md die UmgeMden. Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag vvn Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 32. Dienstag, den 16. März 1897 abgehalten. Wilsdruff, am 12. März 1897. Der Stadtrath Bursian, Bürgermeister. Bekanntmachung. Der diesjährige wird Donnerstag, den 23. nnd Freitag, den 26. März Tagesgeschichte. Am Donnerstag verhandelte der Reichstag über die Aufhebung der Gcsindeordnung. Die Sozialdemokraten hatten beantragt, daß „sämmtliche landesgesetzliche Sonder- bestimmungen über die Rechtsverhältnisse der land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter und des Gesindes zu ihren Arbeitgebern bezw. zu ihrer Dienstherrschaft aufgehoben werden und an deren Stelle die Bestimmungen der Reichs gewerbeordnung treten". Die Freisinnigen hatten dagegen den Antrag gestellt, daß die erwähnten Rechtsverhältnisse reichsgesetzlich geregelt werden möchten. Für die Sozial demokratie handelte es sich bei ihrem Anträge wieder um em Agitationsstück. Herr Stadthagen hielt eine Rede, die das Gesinde als versklavt und verelendet und die Dienst- Herrschaften als brutal und gewaltthätig schilderte. Wer aber irgendwie mit Dienstboten zu thun hat, wird dem konservativen Redner Herrn Schall recht geben, welcher zutreffend schilderte, wie nicht die Herrschaften es sind, welche eine dominirende, ja oft tyrannisirende Stellung einnehmen, sondern die Dienenden. Besonders auf dem Lande aber ist die Dienstbotenfrage bei dem allgemeinen Nothstande der Landwirthschaft vielfach die brennendste. Früher war das Berhältniß zwischen Herrschaft nnd Ge sinde ein ganz anderes als heute. Jetzt ist infolge der sozialdemokratischen und freisinnigen Verhetzung der Geist des Mißtrauens und der Unbotmäßigkeit und Auflehnung an Stelle des früheren Vertrauensverhältnisses eingezogen. Von einer Bedrückung der Dienstboten kann also im All gemeinen keinesfalls gesprochen werden, und wenn gar noch die Gesindeordnung abgeschafft und der Streik in Land- und Hauswirthschaft ermöglicht würde, dann würde das Berhältniß zwischen Dienenden und Herrschaften ganz un erträglich werden. Das wäre dann freilich eine goldene Zeit für die revolutionäre Sozialdemokratie! Die kon servative Partei widerstrebt mit Recht ans das Entschiedenste dem Versuche, diese Materie der Reichsgesetzgebung zu überlassen. Hat der Reichstag auch nach Ablehnung des sozialdemokratischen Antrages den Antrag der Freisinnigen angenommen, so ist doch auf das Bestimmteste zu erwarten, daß der Bundesrath diesem Beschlusse keine Folge geben wird. Der sogenannte Seniorenkonvent des Reichs tages wird anläßlich der Kaiser Wilhelm-Jubelfeier ein Festmahl am 21. März veranstalten. Am eigentlichen Fest tage, am Montag, den 22. März, fällt die Sitzung des Reichstages selbstverständlich aus. Die Budgetkommission des Reichstags ge nehmigte am Freitag in Fortsetzung der Berathnng des Marineetats die in demselben geforderten weiteren Raten zum Bau von zwei Panzerschiffen erster Klaffe und von sechs Kreuzern, sowie von mehreren Torpedobooten, doch nur unter Vornahme nicht unerheblicher Streichungen, die sich auf insgesammt 4 Mill. Mark belaufen. Außerdem wurde noch die erste Rate zum Bau des erstklassigen Panzers „Ersatz König Wilhelm" im Betrage von einer Million Mark gegen die Stimmen der Vertreter der frei sinnigen Volkspartei und der Sozialdemokraten bewilligt. Die Budgetkom Mission (des Reichstages) lehnte in ihrer Sonnabendssitzung die im Marineetat geforderten ersten Raten von je einer Million Mark zum Bau der neuen Kreuzer o uud k nach längerer Debatte ab. Die Forderung für Kreuzer O wurde mit 16 gegen 11 Stimmen — gegen diejenigen der nationalliberalen und der konser vativen, resp. freikonservativen Kommissionsmitglieder, sowie des Antisemiten Werner, — jene für Kreuzer L mit 17 gegen 10 Stimmen (Konservative und Nationalliberale) vbgelehnt. Im Stimmenverhältniß von 16:11 erfolgte sodann noch die Ablehnung der Forderung für den Aviso "Ersatz Falke", dagegen genehmigte die Kommission die verlangten Raten für zwei neue Kanonenboote mit großer langten ersten Raten zum Bau eines Torpedodivisions bootes und mehrerer Torpedoboote. Die sonstigen For derungen wurden fast sämmtlich entweder ebenfalls abge lehnt, oder doch bedeutend zusammengestrichen. Jedenfalls besteht das Hauptergebniß der Kommissionsverhandlungen über den Marineetat, soweit es sich um die prinzipiellen Neuforderungen desselben handelt, darin, daß zwar das Panzerschiff „Kaiser Wilhelm" genehmigt worden ist, daß aber die Kommission die Kreuzer 0 und k abgelehnt hat. Sollte das Plenum diese Entscheidung der Kommission billigen, so wäre ein ernster Konflikt zwischen Reichstag und Regierung fertig, wenn letztere die Abstriche am Marineetat etwa nicht gutheißen sollte. Die National-Sozialen haben nun auch eineAb- sage von den Sozialdemokraten erhalten. Es wird darüber aüs Berlin geschrieben: Zu Auseinandersetzungen zwischen den Herren Bebel und Naumann kam es kürzlich in einer hier abgehaltenen sozialdemokratischen Volksversammlung, in welcher Bebel die „kretischen Wirren" besprach. Der Andrang zu der Versammlung war so groß, daß vor Be ginn des Vortrages das Lokal polizeilich abgesperrt werden mußte. Bebel vertrat im Gegensätze zum „Vorwärts," der eine türkenfreundliche Haltung einnimmt, den Stand punkt, daß die Türkei, weil allen Reformen abhold, als kulturfeindlich bekämpft werden müsse. Unter lautem „Aha" der Sozialdemokraten bestieg darauf Pfarrer Naumann die Rednerbühne. Er versuchte es als nothwendig hinzu stellen, daß die Sozialdemokratie, unbeschadet ihrer sonstigen politischen Ueberzeugung, in Fragen der auswärtigen Po litik die deutsche Regierung unterstütze. Das Interesse des deutschen Handels sei das Interesse des deutschen Arbeiters. Reichstagsabgeordneter Bebel nahm in seinem Schlußwort Gelegenheit, den National-Sozialen eine unverhüllte Ab sage zu ertheilen. Was der national-soziale Redner heute ausgeführt hätte, reiche hin, um die unüberbrückbare Kluft zwischen Sozialdemokraten und National-Sozialen zu kenn zeichnen und das Tischtuch gänzlich zu zerschneiden. Die Sozialdemokratie „könne und wolle nicht eine nationale Politik, die sich auf die Bajonette stütze, sondern sie strebe nach der Verbrüderung aller Menschen". DerBundesrath hat bekanntlich der Vorlage in be treff der Zwangsorganisation des Handwerks seine Zustimmung ertheilt. Wie die „Post" hört, enthält die abgeänderte Vorlage vor allem die Bestimmung, daß von der Gründung einer Zwangsinnung immer mir da die Rede sein soll, wo eine Mehrheit des betreffenden Handwerks sich dafür ausspricht. Danach scheint es, als hätten in dem neuen Entwürfe die in der preußischen Vorlage als richtig anerkannten Grundsätze lediglich einen gesetzgeberisch ge naueren und schärferen Ausdruck gefunden, denn schon die preußische Vorlage sah vor, daß eine Mehrheit der Hand werker sich für die Gründung der Zwangsinnungen aus sprechen soll, sowie, daß nicht die räumliche Entfernung die Bildung der Innungen illusorisch machen darf und daß eine genügende Zahl von Handwerkern für eine Innung vorhanden sein muß. Der Handwerksausschuß, der übrigens nirgendwo sich Sympathien erwerben konnte, ist im neuen Entwürfe gestrichen, wofür in erster Reihe wohl die Er wägung maßgebend sein könnte, die durchaus nicht beab sichtigt sein kann. Wo nämlich die Handwerker in der Mehrheit sind, die den Innungen angehören, würden diese im Ausschüsse maßgebend sein, wo die nichtorganisirten Handwerker über die Majorität verfügen, aber die Wünsche und Forderungen der organisirten keine genügende Beachtung indem Was schließlich die Handwerkskammern anlangt, o hat der Bundesrath den neuen preußischen Vorschlägen eine Zustimmung ertheilt, die sich von denen des dem Reichs age gegenwärtig vorliegenden Entwurfs namentlich dadurch unterscheiden, daß sie in der Hauptsache nicht nur zu br ¬ auch mit Zwangsbefugnissen, besonders in Bezug auf das Lehrlingswesen, ausgestattet sind. Auch die Bestimmungen über die Lehrliugsprüfungen und über die Berechtigung zur Führung des Meistertitels hat der Bundesrath angenommen. Fürst Bismarck hat nach den „Berl. N. N." auf die seitens des Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe an ihn gerichtete Einladung zum 22. März in einem verbindlichen Schreiben sein Bedauern ausgesprochen, daß sein Gesund heitszustand ihn verhindere, an der Feier theilzuuehmen. Von den fremden Höfen werden zur Hundertjahr feier besondere Vertreter nach Berlin gesandt. Angemeldet sind, wie theilweise schon erwähnt, bereits der Kronprinz von Rumänien, der Graf von Flandern, der Kronprinz von Schweden und Norwegen, der Herzog von Connaught, sowie ein besonderer Botschafter der Königin der Nieder lande. Oesterreich wird durch den Erzherzog Friedrich ver treten sein. Ebenso werden aus Italien und Rußland Prinzen erwartet. Von den deutschen Fürstlichkeiten wird die große Mehrheit erwartet, obenan der Prinzregent von Bayern, die Könige von Württemberg und Sachsen, die Großhcrzöge von Baden und von Sachsen-Weimar. Da gegen dürften der Großherzog von Oldenburg, der uoch jüngst aus Anlaß des Kaisergeburtstages in Berlin war, uud die Herzöge von Sachsen-Meiningen und von Sachsen- Koburg-Gotha bei der Feier in Berlin fehlen. Von einer sehr großen Anzahl Geistlicher, Kaufleute und Fabrikanten, denen sich auch einige Professoren zuge- sellt haben, ist eine recht scharfe Protesterklärung erlassen worden, in welcher auf das bedenkliche, ja gefährliche Treiben der „Christlich-, der Evangelisch- und der Kirch lich-Sozialen" hiugewieseu wird. Es heißt in diesem Protest u. A.: „Einstimmig legen wir als evangelische Christen Verwahrnng dagegen ein, daß man im Namen des Christen thums, des Evangeliums und der Kirche bestimmte soziale Forderungen an den Staat stellt oder verlangt, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse nach angeblich christlichen Prinzipien geregelt werden sollen. Ein Antrieb, diesen Irrweg zu betreten, ist das Beispiel der römischen Kirche gewesen, die man beneidete wegen der politischen Rolle, die sie spielt. In der Reformation hat sich die Kirche auf ihre besondere Aufgabe besonnen und darum begonnen, dem Staate wieder zu geben, was des Staates ist. Im Namen des Christenthums hat der evangelische Christ vom Staate nichts zu fordern, als daß ihm Freiheit gelassen werde, seines Glaubens zu lebe«, die Kirche nichts mehr, als daß ihr erlaubt sei, ihrem Berufe nachzukommen. Wer im Namen des Evangeliums mehr verlangt, verleugnet die reformatorische Erkenntniß von der Selbstständigkeit des Staatslebens." Die Unterhandlungen, welche die Admirale direkt mit den Führern der aufständischen Kreter angeknüpft haben, haben ein merkwürdiges Resultat ergeben und könnten vielleicht eine für die griechischen Aspirationen sehr un günstige Wendung herbeiführen! Griechenland hatte sich bisher als der Mandatar der Christen auf Kreta aufge spielt, und erst noch in seiner letzten Note ein Plebiszit verlangt, dessen Ergebniß natürlich als für den Anschluß an Griechenland günstig gedacht wurde. Nun stellt sich heraus, daß die griechischen Bevollmächtigten eine recht zweideutige Rolle gespielt haben. Sie haben die Auf ständischen völlig getäuscht über die Lage und ihnen alle Aufklärung über die Bestrebungen der Mächte vorenthalten. In Athen wurde behauptet, daß die Kreter nichts von dem Vorschläge einer Autonomie im Sinne der Mächte wissen wollten, letzt erfährt man, daß auf Kreta dieser Vorschlag verheimlicht worden war, daß also die Kreter gar nicht in die Lage gekommen waren, sich für oder gegen denselben zu entscheiden. Die Herren Griechen dachten aber im Trüben zu fischen und sind hierin durch die Einmischung