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WochmM für Wilsdruff ThurM Uchen, Aebenlehn und die UmMuden. Imlsblnll für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, > sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal nnd zwar Dienstaas Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.55 Ps. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätesteus Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ro. 59. Dmmerstag, Zerr 2O. Mai l 1897. Bekanntmachung, die Baurev isione« betr. . .V" Erleichterung der Baurevisionen und um die Möglichkeit der Durchführung des in Bearbeitung befindlichen Bebauungsplanes dauernd zu sichern, wird hlernnt Mm Bauenden und Bauausführenden zur Pflicht gemacht: 1., die zur baupolizeilichen Genehmigung vorzulegenden Baurisse, Tekturen und Sitnationszeichnungcu in dv-i Exemplaren anher einzureichen, 2., von der vorzunehmenden Absteckung oder sonstigen Festsetzung der Baufluchtlinien den unterzeichneten Bürget verlier in Kenntniß zu setzen, 3., jeden Bau, sobald er aus dem Grunde herausgewachsen ist und noch nicht die Höhe der Erdoberfläche erreicht hat, behufs Vornahme einer Revision bei dem unterzeichneten Bürgermeister anzumelden, ingleichen auch 4 ., den Beginn von Umbauten und 5 ., die Vollendung aller Bauten anher anzuzeigen. Diesbezügliche Pflichtwidrigkeiten und Unterlassungen werden sowohl an demBauenden als auch au dem ausführenden Baugewerken mit Geld eventuell Haftstrafeu geahndet, was hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Wilsdruff, 17. Mai 1897. Der Bürge r m eiste r. Bursian. Die Abänderung des Vereinsgefetzes Die läugst angekündigte Vorlage über die Abänderung des Vereins- und Versammlungsrechts ist dem preußischen Landtage und zwar zunächst dem Abgeordnetenhause, end lich unterbreitet worden, womit ihr Inhalt zur allgemeinen Kenntniß gelangt ist. Aber derselbe hat sofort seitens der öffentlichen Meinung weit überwiegend entschiedene Ver- urtheilung erfahren, selbst in Kreisen, welche durchaus ge- Esvtflen politischen Anschauungen huldigen, verhält man Uch ablehnend gegenüber der genannten Gesetznovelle, und es muß leider zugegeben werden, daß diese abfällige Kritik keine unverdiente ist. Wohl kann man sich mit dem Grund gedanken der Vorlage einverstanden erklären, welche offen bar bezweckt, der Preußischen Regierung eine gesetzgeberische Handhabe zur energischeren Bekämpfung der umstürz lerischen Bestrebungen zu verschaffen, aber die ganze Fassung der betreffenden Bestimmungen ist eine so unglückliche und verfehlte, daß das geplante Gesetz in der That die schwersten Bedenken erregen muß. Allerdings weist es insofern eme zeitgemäße Reform auf, als es düs unleidliche und völlig haltlose Verbot der Verbindung von Vereinen unter einander beseitigt, auch verdienen die Bestimmungen, welche die Betheilignng Minderjähriger an politischen Versamm lungen nnd Vereinen verbieten, an und für sich Aner kennung, obgleich es freilich in der Praxis seine großen Schwierigkeiten haben würde, diese Minderjährigkeit jedes Mal festzustellen. Um so bedenklicher erscheinen die Kern punkte der Vorlage, die Artikel 1 und 3, von denen ersterer die Auflösung von Versammlungen, welche den Strafge setzen zuwiderlaufen, oder welche die öffentliche Sicherheit gefährden, in das Ermessen der Abgeordneten der Polizei behörde stellt, indeß letzterer die Schließung von Vereinen, deren Zweck oder Thätigkeit ebenfalls den Strafgesetzen zuwwerlauft oder die öffentliche Sicherheit gefährdet, der LaudeSpolizeibehörde überläßt. Sollten letztere Vorschriften Gesetz werden, so würde alsdann die polizeiliche Gewalt eme bisher ungekannte Ausdehnung erhalten, es stunde nachher un Belieben selbst untergeordneter Poli- zewrgane, zu enpcheiden, ob die Beschlüsse einer politischen Verlammlung eine Verletzung der Strafgesetze oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bedcnten, und als dann schwebte über jeder solchen Versammlung das Damoklesschwert der Auflösung. Von vereinzelten Preßorgauen wird zwar zur Ver- theidiguug dieser weitgehenden Bestimmungen geltend ge- macht, es handle sich ja eigentlich nur darum, die auf hetzende Thätigkeit der sozialdemokratischen Agitatoren in Volksversammlungen und Vereinen schärfer zu treffen, in Wahrheit jedoch wenden sich die Artikel 1 und 3 der Ver einsgesetz-Novelle gegen jede politische Partei. Es kann von ihnen unter Umstünden gegen jede politische Versamm lung und gegen jeden politischen Verein Gebrauch gemacht werden, welche nach der Ansicht des überwachenden Be amten oder der oberen Polizeibehörde in ihren Beschlüssen und Handlungen gegen die Strafgesetze oder die öffentliche Sicherheit verstoßen, und es würde schließlich hierdurch das öffentliche politische Leben im leitenden deutschen Bundes staate zum guten Theile unterbunden werden. Da war doch sogar das berüchtigte gescheiterte Umsturzgesetz der Caprivi'schen Periode nicht so schlimm, es zielte wenigstens nur auf Erweiterung der Befugnisse der Gerichte, die Novelle zum preußischen Vereinsgesetz aber will die Voll machten der Polizei in's Ungemessene erweitern, in deren > Belieben es stehen soll, alle freie Meinungsäußerung durch das Wort künftig zu unterdrücken. In weiten Schichten der Bevölkerung ist man sich über diese bedenkliche Tragweite des geplanten neuen Vereinsgesetzes bereits klar geworden, und dasselbe gilt von den parlamentarischen Kreisen. Speziell im Reichs tage ist ein von Abgeordneten aller Parteien, mit Aus nahme derjenigen der beiden konservativen Fraktionen, unterzeichneter Antrag eingegangen, der die einfache Be seitigung des Verbotes der Verbindung von Vereinen in allen Bundesstaaten, wo ein solches noch besteht, fordert; seiner Tendenz nach wendet sich also der Antrag gegen die Novelle zum preußischen Vereinsgesetz. Natürlich fällt indessen die Entscheidung hierüber dem preußischen Abge ordnetenhause zu, die aber in jedem Falle kritische Aus blicke in die nächste politische Zukunft eröffnet. Sollte die Vorlage zur Annahme gelangen, wenn vielleicht auch nur mit kleiner Mehrheit, so würde dies sicherlich zu einer ent schiedenen Opposition der liberalen Parteien gegen die Regierung und hiermit zu lebhaften politischen Kämpfen führen. Verwirft jedoch die Volksvertretung die Vereins gesetznovelle, so muß der neueste Kurs abermals eine empfindliche parlamentarische Niederlage verzeichnen, die gewiß nicht die Autorität der Negierung verstärken helfen wird. Man kann daher wohl nur mit Äesorgniß der weiteren Entwickelung der Dinge entgegensehen, welche sich an die neueste gesetzgeberische Aktion im preußischen Abge ordnetenhause verknüpft. Tagesgeschichte. Aus Metz wird dem „Hamb. Korr." vom 11. d. M. geschrieben: Der Kaiser erschien gestern Nachmittag ganz unerwartet, wenigstens für die Civilbevölkerung, am Deutschen Thor, und zwar zu Wagen, nnr von einem Flügelaöju- tanten begleitet, umfuhr das Festungsglacis biszumBahn- hofsthor und begab sich nach dem Exerzirplatze nach Fres- cati. Diese Fahrt ohne jegliche Eskorte und ohne jegliche Vorsichtsmaßregeln hat der älteren einheimischen Bevöl kerung ganz gewaltig imponirt. So etwas war zu fran zösischer Zeit ganz unmöglich. Napoleon erschien immer von einem Wall Kürassiere uingeben, wenn er die Straßen der Stadt passirte. — Die französische Damenwelt ist ganz begeistert von der in der That bestrickenden Liebenswürdig keit der Kaiserin und von der Einfachheit der Prinzen. Diese tummeln sich augenblicklich unter Aufsicht ihrer Gouverneure in den Straßen und besehen die Sehens würdigkeiten der Stadt, besonders die im herrlichsten Früh lingsschmuck prangende Esplanade, auf der gerade der Maimarkt abgehalten wird. — Sowohl die Fahrt um die Stadtumwallung als auch das Manöver, das einen Sturm angriff auf das Fort „Württemberg" darstellte, bringt man hier mit dem Projekt der Stadterweiterung in Ver bindung, besonders aus dem Grunde, weil gerade diejenigen Theile der Festung berührt wurden, die bei einer etwaigen Niederlegung der inneren Umwallung in erster Linie in Betracht kommen. Was die preußischeVereinsgesetzuovelle betrifft, so haben wir in Sachsen keinen Anlaß, uns über deren Schicksal besonders, zu echaufstren, denn bei uns ist das, worüber man sich in Prcnßen gegenwärtig entrüstet, in der Haupt sache schon lange Gesetz und die bürgerliche Freiheit ist dabei nicht zu Grunde gegangen; im Gegentheil. Wir haben nur die,Erfahrung gemacht, daß solche Bestimmungen für eine wirksame Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht ausreichen. Scheitert die preußische Vorlage, so wird die Regierung endlich zu der Ueberzeuguug gelangen, daß es nur einen gangbaren Weg giebt: den Erlaß eines neuen Spezialgesetzes. Der Reichstag hat sich eine Geschäftslage ge schaffen, wie sie unbefriedigender kaum gedacht werden kann. Es besteht nirgends mehr ein Zweifel, daß eine Reihe höchst wichtiger Gesetzesvorlagen nicht mehr zu einem end- giltigen Abschluß gelaugeu wird. Die Schuld daran fällt allerdings zum größte» Theile dem fortgesetzten mangel haften "Besuch der Sitzungen und der ihn bedingenden Gleichgiltigkeit der Reichsvertreter an den Aufgaben des Reichsparlaments znr Last. Aber beides erklärt die herrschende Verworrenheit doch noch nicht vollkommen. Es ist ein offenes Geheimniß, daß auch die Geschäftsleitung ihrem Berufe bisher nicht gewachsen war und einer ab fälligen Kritik ununterbrochen reichen Stoff geboten hat. Nur mit Bedauern kann der Freund des Vaterlandes bei dieser Erscheinung verweilen. Die den gegenwärtigen Reichstag beherrschende Mehrheit hat durch ihr gewohn heitsmäßiges Verhalten das Interesse des Volkes an den parlamentarischen Arbeiten erheblich abgeschwächt. Seit sieben Jahren haben die demokratischen Parteien, die früher Io laut ihren nicht hinreichenden Antheil an den parla mentarischen Endabschlüssen beklagten, vollauf Gelegenheit zur Erprobung ihrer positiven Leistungsfähigkeit gehabt. Und was ist das Ergebnißd Ihr Können wird kann: in ihren eigenen Reihen große Selbstbefriedigung erwecken, es sei denn, daß es ihnen eine Genugthuung bereitet, in der Verneinung des Reichsgedankens ihre Stärke bewiesen zu haben. Zur Zeit ist im Reichstage auf allen Plätzen entweder völlige Leere oder eine große Uebermüdung wahr nehmbar. Man sehnt sich übersättigt nach dem heimath- lichen Herd nnd möchte mindestens über Pfingsten hinaus nicht mehr die Luft am Berliner Königsplatze athmen. Das ist auch durchaus verständlich, denn an dem Siech- thnm des gegenwärtigen Reichstages ist nichts mehr zu ändern. Es gelingt nichts mehr. Selbst Gesetze, die be reits in drei Lesungen eine sympathische Beurtheilung der Mehrheit gefunden haben, können nicht zur Erledigung ge langen, weil bei der chronischen Beschlußunfähigkeit der Widerspruch eines einzelnen mißvergnügten Abgeordneten ausreicht, um die Verabschiedung des Gesetzes zu verhindern. So ist es dem Auswandernngsgesetz gegangen, dessen Be stimmungen in drei Lesungen Annahme gefunden hatten. Es kann aus dem soeben angeführten Grunde nicht zur Endabstimmung gelangen und scheitert womöglich noch ganz, obwohl ihm eine große Mehrheit sicher ist. Solche Anomalien sind doch fast unglaublich und ein überzeugendes Beispiel für den Niedergang des parlamentarischen Lebens im Reiche. Aehnlich steht es mit der Unfallversicherungs vorlage, mit dem Handwerker- und dem Margarinegesetz. Alles ist dem Zufall preisgegeben, und Niemand vermag vorher zu sagen, mit welchen Resultaten die Session ab schließen wird. In der That ein Zustand, welcher den Vaterlandsfreund tief bekümmert. Zur Handwerksvorlage schreibt ein Handwerks meister aus Schlesien, der in der Handwerkerbewegung seiner Provinz eine hervorragende Stellung einnimmt: „Meine Stellung zu der neuen Handwerksvorlage ist eine prinzipiell wohlwollende. Ich stimme ganz mit darin überein, daß das Handwerk gnt thut, in die von der Neichsregierung endlich dargebotene Hand einzuschlagen. Aber die Prüfung der Vorlage muß eine ganz genaue sciu. So wie sie ist, kann sie nicht Gesetz werden, sie würde dem Handwerk mehr schaden als nutzen. Rament- ,