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Wochenblatt für Wilsdruff TharM Men, Menlehn nutz die Umgegenden. ImlsblaU für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen i Mk. 55Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserüonspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 98. Sonnabend, dem 21. August 1897 Zum 10. Sonntage nach Trinitatis. Luk. 18, 8: Wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinst Du, daß er auch werde Glauben finden ans Erden? Vom letzten Kommen des HErrn ist die Rede in diesem Verse, dem Schlußworte des Gleichnisses vom un gerechten Richter und der stürmisch fordernden Witwe. Aus der höchsten Noth, aus der ärgsten Drangsal am Ende der Tage wird der HErr Seine Auserwählten, die Ihm treu geblieben sind, erretten und zwar schneller, als sie es sich träumen lassen. Aber wird es denn überhaupt noch Getreue Gottes geben? Wird Jesus -Christus bei Seiner Wiederkunft noch Glauben finden auf Erden? Wir können diese Frage nur aus der Erfahrung unserer Tage heraus beantworten, und da müssen wir sagen: Ja, Er wird Glauben finden. Käme Er heute schon, Er fände Glauben, Er fände noch siebentausend Mann und mehr, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor dem Götzen unserer Zeit, sondern dem Gott der Offen barung treu geblieben sind. Hier ein junges, jungst ge trautes Paar, das altfränkisch genug, sich über die Trau bibel mehr freute als über alle anderen Hochzeitsgaben, er ein emsiger kleiner Beamte^ sie eine treue, fleißige Lehrerin, die ihre Wege nur in Jesu Namen gehen wollen. Dort ein längst vermähltes vornehmes Paar, hochgestellt im Erdenleben, aber sich selbst niedrig fühlend vor dem HErrn, wie die liebliche Tochter, die am Epiphaniasfeste geboren, den Weisen gleich nicht ruhte, bis sie Christum gefunden hatte. Hier' eine vielgeprüfte Mutter, der von sechzehn Kindern vierzehn genommen wurden, die meisten als schon Erwachsene, die von ihrer Hände Arbeit sich kümmerlich nährte und doch mit königlichem Sinne wie Hiob über Senfzern und Sorgen spricht: der Name des HErrn sei gelobt! Dort ein zwanzigjähriger Jüngling mit unbehaglichem Elternhanse außer Verkehr mit warm herzigen Christenleuten, umringt von sittlichen Gefahren und doch ein junger Ritter mit fleckenlosem Ehren- und Glaubeusschilde, der sein Konfirmationsgelübde heilig hält. Käme der HErr heute, Er fände Glauben in unserer Zeit, mag sie im übrigen noch so böse sein. Aber würdest du, lieber Leser, zu den Glücklichen gehören, bei denen der Heiland Glanben fände? Hast dn Glauben? Wenn du ihn hast, ist es der rechte, kein Kopf glaube. sondern Herzensglaube? Drei Merkmale für den rechten Glauben: der Glaube muß aus der Sündener- kenntniß geboren sein, er muß auf die Herrlichkeit des ewigen Lebens gerichtet sein, er muß in der Liebe thang sein. Aller andere „Glaube" verdient diesen Namen nicht, ist Flitter- und Rausch-Gold, das bald schwarz wird, mögen unkundige Juweliere es auch einige Zeit, für echtes, lauteres Gold gehalten haben. Der HErr siehet das Herz an, und allein ein reuiges, ein zuversichtliches, ein liebevolles ist Ihm ein gläubiges Herz. Solches Herz darf über Sein Kommeu frohlocken, singen, scherzen, wie es in Meister Bachs Cantaten heißt. Andern zum Welt gerichte kommend, kommt Christus der HErr mit Gnad und süßem Lichte dem, der Ihn liebt und sucht. Tagcsgeschichte. Die „Post" schreibt: Wie 1894 nach der Ermordung des Präsidenten Caruot wird auch jetzt wieder der Ruf nach internationalen Maßregeln gegen die Anarchisten, Einrichtung einer internationalen Polizei und Aenderung der Auslieferungsvertrüge, lant. Von einer Seite erwartet man sogar die Initiative zu solchem internationalen Vor gehen von unserem Kaiser. Ob indessen diese Anregung jetzt von besserem Erfolge begleitet sein wird, als 1894, erscheint zweifelhaft angesichts der Schwierigkeiten, welche sich dem Zustandekommen nnd der wirksamen Durchführ ung eines Systems internationaler Schutzmaßregeln gegen den Anarchismus entgegenstellen; um so dringlicher ist es, daß jeder Staat für' sich alle diejenigen Maßregeln zu seinem und anderer 'Schutze ergreift, welche zweckdienlich und möglich sind. Dazu gehört' ohne Zweifel anch, wie die „Nationallib. Korrespondenz" zutreffend- hervorhebt, die zweckentsprechende Organisation und Jnstrnklion der Sicherheitspolizei namentlich in den Großstädten, um sie zu einer wirksamen Ueberwachung der Anarchisten in Stand zu setzeu. Es wäre aber verkehrt, wenn man sich auf solche Verwaltungsmaßregeln beschränken wollte. Denn so wenig, wie das Beispiel Spaniens zeigt, scharfe Re pressionsgesetze ausreichen, wenn es, wie in dem Falle Canovas notorisch ist, die Polizei an der nothwendigen Wachsamkeit fehlen läßt, so wenig darf es, wenn wirklich Ersprießliches geleistet werden soll, an einer gesetzgeberischen Parallelaktion fehlen. Das hat man bei uns nach dem Attentat auf Caruot sehr wohl eingeseheu, nnd gerade die Nationalliberalen waren damals mit die lautesten Rufer im Streit für scharfe Repressionsmaßregeln. Den Versuch, im Reiche den nothwendigen Schutz durch erhöhte Straf bestimmungen zu erreichen, mißlang, zu einem guten Theil der Zentrums-Kukuseier wegen, welche in die Vorlage ge legt worden waren. Der Versuch, auf diesem Wege weiter zu kommen, würde auch jetzt voraussichtlich wiederum ver geblich sein. Wohl aber erscheint die Durchführung der geplanten Revision des preußischen Vereins- und Ver sammlungsrechts so dringlich wie möglich. Der Rechts zustand, daß Versammlungen nicht aufgelöst, Vereine nicht verboten werden können, auch wenn anarchistische Umsturz bestrebungen darin in einer die Sicherheit des Staates gefährdenden Weise zu Tage treten, ist angesichts der neuesten anarchistischen Frevelthat mit der Würde des Staates nicht länger vereinbar, und es muß eine gefähr liche Stimmung der Gemüther erzeugen, wenn das Volk sieht, daß die Gesetzgebung die Partei, aus welcher die Mörder Carnots und Canovas', der Attentäter auf König Humbert und die Urheber so vieler Vombenattentate ent- stannnen, ganz aus dem gleichen Fuße mit allen anderen Parteien nnd Richtungen behandelt. Aber der Anarchis mus ist doch bei uns noch die weniger gefährliche der beiden Giftpflanzen, welche aus der gemeinsamen Wurzel des Klassenhasses gegen die bestehende Wirthschafts- und Gesellschaftsordnung'erwachsen. Die Ucberwindung der Sozialdemokratie bleibt nach wie vor die wichtigste und dringlichste Aufgabe der inneren Politik. Angesichts der Verwirrung der Geister und Herzen, auf deren gefährliche Folgen soeben durch die Ermordung des spanischen Staats mannes ein grelles Schlaglicht geworfen wird, ist es ein dringendes Gebot staatlicher Selbsterhaltung, neben kräfti ger Fortarbeit an den kulturellen Aufgaben der Zeit unser Volk aus dem Irrglauben anfzurütteln, als ob die Sozi aldemokratie eine Partei sei wie eine andere, um ihm wieder die Ueberzeugung zu verschaffen, daß es in der Sozialdemokratie den Todfeind unseres nationalen und monarchischen Staatswesens zn bekämpfen hat. Wohl ist der Versuch, zu diesem Ende aut dem Gebiete des Ver eins- und Versammlungsrechts eine weit sichtbare Warn ungstafel zu errichten, an wenigen Stimmen gescheitert. Indessen ist in dem neuesten anarchistischen Attentat ein Novum eingetreteu, welches die Bindung an die Stellung nahme in der letzten Landtagssession ebenso zu durchbrechen geeignet ist, wie nach dem Attentat ans Kaiser Wilhelm die Natioualliberalen sich an den ablehnenden Standpunkt gegenüber dem Sozialistengesetze mcht mehr gebunden haben. Wird, wie anzunehmcu, der Landtag im Interesse der durch Ucberschwemmung geschädigten Landestheile dem nächst einberufen werden, so wird er daher sobald wie möglich auch mit der Novelle zu dem Vereins- und Ver sammlungsgesetz zu befassen sein.- Sollte Wider Erwarten der Versuch wiederum vergeblich jem, so müßte allerdings trotz aller Bedenken allgemein politischer Natur der Ab lehnung die Auflösnng des Abgeordnetenhauses auf dem Fuße folgen. Allein eines solchen Appels an die Wähler wird es nickt bedürfen, wenn diese in der Zwischenzeit nur recht kräftig ihre Stimmen zn gunsten einer energi schen Vorbeugungspolml erheben. Aus Schloß Wilhelmshöhe sind am Dienstag Nachmittag der Schwager und die Schwester des Kaisers Prinz Adolf von Schaumburg-Lippe und Gemahlin, Prinzessin Viktoria, königl. Hoheit, znm Besuche des Kaiserpaares eingetroffen. Dieselben wurden von dem Kaiser und der Kaiserin von der Eisenbahnstation abgeholt. Zu Ehren des Geburtstages des Kaisers Franz Josef von Oesterreich fand auf Schloß Wilhelmshöhe am 18. August eine Galatafel statt, zu welcher der Kaiser Wilhelm außer den Vertretern der österreichischen Votfchaft in Berlin auch den jetzigen Leiter des Aus wärtigen Amtes, Botschafter v. Bülow, eingeladen hatte. Wie aus Berlin gemeldet wird, hat Kaifer Wilhelm den russischen Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch und den russischen Generalstabschef General Obrutschew zur Theilnahme an den Kaisermanövern bei Homburg eingeladen. Berlin, 19. August. Der Kaiser stiftete für die durch die Wetterschäden Heimgesuchten in den König reichen Sachsen und Württemberg je 15 000 Mk. Berlin. Das Centralkomitee zur Unterstützung der Nothleidenden in den durch Unwetter heimgesuchteu Ge bieten Deutschlands hielt heute im Stadtverordnetensaale des Rathhauses seine zweite Sitzung ab. Der Vorsitzende, Oberbürgermeister Zelle theilte mit, daß bei der Haupt stiftungskasse bis zur Stunde 441,371 Mark eingegangen seien. 'Das Komitee beschloß, dem Ausschuß nochmalseine Summe von 100000 Mark zur Linderung der ersten Noth zur Verfügung zu stellen. Justizrath Meyer empfiehlt die öesoudere Berücksichtigung Schlesiens, falls nicht bald aus reichende Hilfe gebracht werde, wo die Noth furchtbar sei. Es bestehe die Gefahr, daß das Elend durch den Ausbruch des Typhus noch steigen werde, falls nicht bald ausreichende Hilfe gebracht werde. Es ist uns, sagt das „Berliner Tageblatt", unter diesen Umständen unverständlich, weshalb das Centralkomitee mit den reichen Mitteln, die ihm schon jetzt zur Verfügung stehen, so lange zurückhält. Bis jetzt sind erst 100000 Mark an die Lokalkomitees avgegangen, weitere 100000 Mark hat. heute das Komitee seinem Aus schuß zur Verfügung gestellt. Stach den vorliegenden Ab rechnungen verfügt es (einschließlich des Beitrags der Stadt Berlin) über einen Betrag von nahezu anderthalb Millionen Mark; man sollte meinen, daß von dieser immerhin erheb lichen Summe bis jetzt schon ein weit größerer Betrag, als es geschehen — unbeschadet eines späteren Ausgleichs — zur Vertheiluug hätte gebracht werden können, lieber den Umfang des Schadens nnd über die einzelnen Ortschaften, o!e am schwersten betroffen worden sind, liegen ja so ein gehende Berichte vor, daß das Komitee doch sehr wohl vorüber im Klaren sein könnte, wo es mit seiner tzilfs- thällgkelt sofort einzugreifen hat. Einen Aufruf an sämmtliche Droschkenkutscher Deutschlands, in dem Kampf um Erringung der sonntagsruhe im Fuhrgewerbe einzutreten, erläßt die sonntagsruhe-Kommission der Berliner Droschkenkutscher. Z" allen größeren Städten sollen öffentliche Kutscherver- sammlnngen einberufen werden. Der westfälische Handwerkertag, welcher am sonntag unter starker Betheiligung in Menden tagte, be schloß an den jahrelangen gerechten Forderungen der gesetzlichen Einführung des Befähigungsnachweises und der obligatorischen Innungen festzuhalten und will so lange mehr Schutz vou der Gesetzgebung verlangen, bis das Handwerk dem Handwerke zurückerobert ist. Ueber neue Wetterschäden in Schlesien meldet ein Telegramm aus Breslau: Neuerdings hat ein Unwetter, das von Hagelschlag begleitet war, schweren Schaden angerichtet. Am ärgsten heimgesucht wurden die Orte Striegau, Frankenstein, Münsterberg, Silberberg, Wartha und Riegersdorf. Mehrere Personen wurden vom Blitz erschlagen. Das Unwetter hat die Zahl der Unter stützungsbedürftigen wiederum vermehrt. Zobten bei Breslau, 19. August. In Folge der Verseuchung durch die Hochwasserkatastrophe ist in Rogau bei Zobten der Typhus ausgebrochen. Die bisher aufge tretenen Krankheitsfälle sind sehr ernster Natur. Es ist die Schließung der verseuchten Brunnen angeordnet. Kissingen, 18. August. Der „Kissinger Zeitung" zufolge brach iu der R. Hellermannschen Weinhandlung in Dettersbach heute Nachmittag 1'/- Uhr Großfeuer aus. Nachdem dasselbe nach angestrengter Arbeit gelöscht war, brach es gegen Abend mit erneuter Heftigkeit wieder aus. Mehrere Personen sollen verbrannt sein. Der Schnellzug Berliu-Nom entgleist. Gestern Abend um 7 Uhr ist der Schnellzug Berlin-Rom hinter dem Tunnel von Bozen infolge Herabstürzens eines mächtigen Felsblockes entgleist. Die Lokomotive und drei Wagen sind entgleist, zwei Wagen zerschmettert. Von dem Fahrdienst sind drei Personen schwer, eine leicht verletzt. Einige Fahrgäste erlitten leichte Quetschungen. Von Bozen gingen sofort Hilfszüge nach der Unglücksstätte ab. Die Maschine, der Postwagen und fünf Waggons erster und zweiter Klaffe wurden zertrümmert und stürzten über —tvrrvrn Iva. cnine nnm I