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Zweites Blatt. WmdWlkMM TharM Uosstli, Mtnlthn und die Umgkgknden. ImtsblÄÜ sür die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertiouspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich sür die Redaktion Martin Berger daselbst. 123 Sonnabend, den 23. Oktober 18S7. Zur Reform der deutschen Handels- und Zollpolitik. Wenn in der deutschen Handels- und Zollpolitik in Bezug auf Handelsverträge und Zollgesetzgebung Fehler gemacht worden sind, so ist dies meistens dadurch geschehen, daß die Vertäge wie auch, die Zollgesetze vielfach zu hastig und ohne umfassende Untersuchung zu Stande kamen. Meist verhinderte auch ein unverkennbarer leidenschaftlicher parteipolitischer Zug während der betreffenden Reichstags verhandlungen die gründliche Beurtheilung der Zoll- und Handelsfragen. Durch die Schöpfung eines wirthschaft- Ucheu Ausschusses, der Gutachten in Zoll- und Handels fragen abzugeben hat, soll nun von langer Hand eine gründliche Durchforschung des riesigen Materials zur Unterlage für die Reform der künftigen deutschen Handels- pMlk erreicht werden. Auch besteht die Absicht, dem zur Vorbereitung und Begutachtung handelspolitischer Maß nahmen demnächst zusammentretenden wirthschaftlichen Aus schuß die Erfüllung seiner Aufgabe dadurch zu erleichtern, daß das einschlägige und gesetzgeberische und statistische Material gesammelt, gesichtet und in handlicher Form den Mitgliedern des Ausschlusses zugängig gemacht wird. Diesem Zwecke dient u. Ä. die jetzt im Reichsamt des Innern in Wei Foliobänden fertiggestellte Sammlung aller in der Periode von 1872 bis 1897 vom Reiche ab geschlossene Handels- und Schifffahrtsverträge. Sie giebt, gesondert für jedes der 45 Länder, mit denen wir in Ver- trag?,Verhältnissen stehen oder standen, die seit 1872 ge troffenen Abmachungen mit den etwaigen Aenderungen und Kündigungen in chronologischer Reihenfolge wieder, so daß ein Ueberblick sowohl über tue Histon,che Entwick lung wie über den jetzigen Rechtszustand sich darbietet. Ein Anhang, enthaltend die aus Handel und Verkehr sich beziehenden Bestimmungen der „internationalen Vertrage , so des Berliner Vertrages von 1878, der internationalen Literarkonvention, der' Donauschifffahrtsakte und des Suezabkommens, der internationalen Reblauskonvention und zahlreicher sonstiger Vereinbarungen, ist der Fertig stellung nahe. Außerdem wird auf Anordnung des Staatssekretärs Grafen Posadowski, die statistische Nach weisung des Waarenverkehrs mit den einzelnen Ländern ergänzt und neu gestaltet. In dem unseren National ökonomen und Praktikern bekannten Bande 51 der Neichs- statiftik finden sich dahingehende Zusammenstellungen für di- Jahre 1880 bis 1889; diese Nachweisungen werden nunmehr für jede der 66 Ländergruppen, nach denen die deutsche Statistik sich eintheilt, auch die Jahre 1890 bis 1896 und auf weitere Waarengattungen ausgedehnt. Für die Länder, mit denen Deutschland zweiseitige Tarifver träge abgeschlossen hat, sind daneben noch besondere Unter- wchungeu über die Entwicklung des Handels in den von me,en Verträgen ergriffenen Positionen veranstaltet, mit Mgrundelemng sowohl der inländischen wie der aus- mnvmien Verkehrsstatistiken und unter Berücksichtigung der Wirkungen der einer Reihe von anderen Ländern zu- kommenden Meistbegünstigung. Ferner sollen die Zoll sätze des In- und Auslandes nach Waarengruppen (Textü- waaren, Elsenwaaren, Chemikalien, landwirthschaftliche Erzeugnisse 2c.) vergleichend einander gegenübergestellt werden: hieran wird sich eine Zusammenstellung der in den verschiedenen Staaten gütigen wichtigeren Vorschriften aber die Zollabfertigung und Zollzahlung schließen. Als eine Hauptaufgabe endlich ist noch die Herbeiführung einer auf das In- und Ausland sich erstreckenden Produktions statistik anzusehcn. Schatten der Vergangenheit. Roman von E. Heinrichs. lNachdruck verboten.) (Uebersetzungsrecht Vorbehalten.) (Fortsetzung.) Del Era schritt schweigend voran und stieg, von Egbert gefolgt, die breite Marmortreppe zum ersten Stock hinauf, wo sich die Zimmer seiner Tochter befanden. Diese war seit ihrem achten Jahre mutterlos und hatte ihre ganze Jugendzeit fast .usschsießlich in einer der vornehmsten Pariser Erziehungs-An stalten verlebt, von wo sie erst jüngst als vollendete Weltdame in's Vaterhaus zurückgekehrt war. Daß der schöne Assistent ihres Vaters, den dieser als seinen Lebensretter vorstellte, ihre volle Aufmerksamkeit erregte, war nicht verwunderlich, da sie mit sicherem Blick sofort den vornehmen Aristokraten in ihm erkannte, was in diesem Lande der zweifelhaften Emporkömmlinge und Glücksjäger ihn einen bestimmten Werth in ihren Augen verlieh. „Sein Name ist ein angenommener/' bemerkte sie ihrem Vater gegenüber, „hat er Dir nie von seiner Vergangenheit gesprochen?" „Nein, auch durfte ich am wenigsten ihn darum befragen. Seine Gesinnung ist vornehm, sein Leben tadellos, das genügt mir. Ich wünsche, daß Du freundlich gegen meinen Lebens retter bist, Mercedes!" „Gewiß, Papa, so lange Dein Assistent die Grenze nicht überschreitet, die ihn von uns trennt." „Vergiß es nicht, welchen Dienst Sennor Leontes mir geleistet hat," sprach del Era scharf, ich bin sein väterlicher Freund, es ist mein Wille, daß er als Familienglied betrachtet wird. Uebrigens halte ich es noch für fraglich," setzte er ironisch hinzu, „ob er sich durch meine Freundschaft fo sehr erhöht fühlt und ob die Ehre nicht mir zufällt." Mercedes war durch diese Rede schwer gekränkt, aber doch auch nachdenklich genug geworden, um dem jungen Deutschen eine größere Beachtung zu schenken und ihn zu ihren Füßen zu zwingen. Ihr Spiel, — denn weiter war es für die Tochter des reichen Spaniers nicht — schien ihr zu gelingen und sie triumphirte bereits bei dem Gedanken, wie sie den stolzen Aristokraten demüthigen, ihn, den Diener ihres Vaters, trotz der nachdrücklichen Verwarnung des letzteren, in seine Grenzen zurückweisen würde. Aber leider war er zu sehr auf seiner Huth, wußte sich so fest hinter eine kühle Zurückhaltung zu verschanzen, daß sie ihn zu Haffen begann. Ja, seit heute, wo er sich wieder einmal als Lebensretter aufgespielt, haßte sie ihn wirklich. Und jetzt hatte der Unverschämte sich durch ihren Vater den Zutritt zu ihr erzwungen, wie sie erbittert wähnte. Dafür sollte er exemplarisch bestraft werden — Aber was war das? Was sagt der Vater? Sennor Leontes ginge schon heute fort — auf Nimmerkehr? — Zurück in die deutsche Heimath, wo hin ein Ruf an lhn ergangen sei? — Deshalb also hatte er sich bei ihr melden lassen! Sie grub die weißen Perlenzähne in die Lippen, um einen Schreckenslaut zu unterdrücken, doch konnte sie einem jähen Erlassen nicht gebieten. „Können Sie diese schnelle Abreise meinem Vater gegen über verantworten? fragte sie endlich in flammender Empörung. „Bitte, meine Tochter," nahm del Era ungeduldig das Wort, diese Bedenken überlasse getrost mir, es ist der kärgste Dank, den ich für mein Leben zahlen kann." „Leben Eie wohl, Sennora!" sprach Egbert, sich stolz verneigend, „eine heilige Pflicht ruft mich in die Heimath zu rück, eine Pflicht, die jeder anderen vorangeht. Ich hoffe, daß Sie meiner ohne Bitterkeit gedenken werden." „Leben Sie wohl, Sennor Leontes!" erwiderte Mercedes, hochmüthig den Kopf neigend, „ich kenne Sie noch zu wenig, um ihrer irgend wie länger als nöthig zu gedenken. Sie können sich darüber vollständig beruhigen." Egbert erblaßte, verneigte sich noch einmal und verließ schweigend das Zimmer. Der General-Consul warf seiner Tochter einen zornigen Blick zu, murmelte etwas von uner hörtem Undank und folgte eiligst dem jungen Manne,- der in sein Zimmer zurückkehrte. Mercedes blickte eine Zeit lang nach der Thür, durch welche die beiden Herren verschwunden waren. Dann warf sie sich auf ihre seidenen Ruhepolster und vergrub ihr Antlitz darin, um sofort wieder aufzufpringen und mit beiden Füßen aufzustampfen, wie ein ungezogenes Kind, den man ein Spiel zeug genommen hat. „Glauben Sie mir nun, Sennor?" fragte Egbert, als del Era in seinem Zimmer vor ihm stand. „Der Zorn über ihre Abreise machte sie boshaft und un gerecht. Doch lassen wir das, es ändert ja nichts an ihrem Entschlusse. In Vuenos-Aires liegt der deutsche Dampfer Hansa —" „Ah, ist das gewiß?" fragte der junge Mann freudig erregt. „Vor zwei Jahren landete ich am Bord der Hansa in Santa Catharina." „Es wird derselbe Dampfer sein, der alljährlich unsere Ostküste befährt. Irre ich nicht, wird er morgen sich schon zur Heimfahrt rüsten. Schreiben Sie sogleich, daß er Eie von hier abholt. Ein Dampfer geht in einer Stunde hinüber und kann den Brief mitnehmen. Noch eins, mein junger Freund!" setzte del Era hinzu, „gehen Sie heute doch einmal in's Spital zu meinem Verwundeten, Ihrem Landsmann, ich fürchte, er muß sterben, und da möchte ich ihm die Freude wohl gönnen, vielleicht durch Sie einen Gruß in die Heimath noch senden zu können." Egbert versprach es und setzte sich dann sogleich hin, um einen Brief an den Kapitän der Hanfa zu schreiben, um sich als Passagier anzumelden. Als dieser Brief besorgt war, begab er sich, seines Versprechens eingedenk, nach dem Hospital, um den verwundeten Landsmann zu besuchen. „Es trifft sich gut, Sennor!" sagte der Arzt, „der arme Schelm, es ist ziemlich oll schon, ist eben fieberfrei, — er wird sich freuen, einen deutschen Landsmann zu sehen." Er führte Egbert, der nach dieser Art von Landsleute im Grunde gar kein Verlangen trug, in einen Saal, in dem sich eine große Anzahl von Kranken aller Nationen befand. Als er an das vom Arzte bezeichnete Bett trat, fuhr er wie von einem furchtbaren Schreckbild zusammen. „Sie sind ein deutscher Landsmann, sagte der Arzt," so begann der Kranke leise, „gewiß hat mein Wohlthäter Sic zu mir gesandt. Wollen Sie für mich nach Deutschland schreiben?" „Vielleicht an die Wittwe des Grafen Lothar v. Roten heim?" lautete Egbert drohende Antwort. „Wer sind Sie?" keuchte der Kranke, der einen schwachen Angstschrei ausgestoßcn hatte. Sein fahles Gesicht war zur Todtenmaske geworden. „Betrachte mich als Deine Nemesis. Udo v. Hallenberg!" sprach Egbert, dicht an sein Bett tretend, „erkennst Du mich, den Sohn des von Dir Gemordeten, den Du aus der Heimath vertrieben, um sein Erbe betrogen hast? Ich kann mir denken, weshalb man Dich, den Spieler, den feigen Genußmenschen, steckbrieflich wie einen todteswürdigen Verbrecher verfolgen läßt. Glaubst Du jetzt, daß es eine Vergeltung giebt! Gott ist lang- müthig, aber endlich heißt cS: Auge um Auge, Zahn um Zahnf!" In der That war es Udo von Hallenberg, der hier, von Mörderhand tödtlich getroffen, im Spitale, fremder Wohlthätig- k-it anheim gegeben, ols Bettler sein verbrecherisches Leben vor aussichtlich endete. Entsetzt starrte er den jungen Manu wie sein verkörpertes Gewissen an. „Ist denn die Hölle losgelassen, um mir dieses Gespenst entgcgenzuführen?" murmelte er, „er ist es wirklich, Junker Egbert, — der entlaufene Sohn, meiner theuren Gattin!" Eine aufsteigende Röthe färbte langsam das fahle Gesicht des Kranken, bei dem augenscheinlich das Fieber wiederkehrte. Ein Gedanke schien plötzlich sein Gehirn zu durchzucken und sein Gesicht durch ein höhnisches Grinsen zu verzerren. „Du willst den Tod Deines Vaters rächen, mein lieber Egbert!" zischte es von seinen Lippen, „dazu will ich Dir den Weg zeigen, denn wahr ist's leider, daß eine fremde Hand bei dem Absturz ein wenig nachgeholfen hat. Sei ruhig, nicht die meine wars, sie ist rein geblieben, Dsin Verdacht war ungerecht." „Aber Du hast die Mörderhand gedungen," schrie Egbert vuf, „sei verflucht —" „Still, ich fühle die Fiebergeister, — wozu mir der Fluch — Kmd!" unterbrach ihn keuchend der Kranke. „Die Hand, die mich getroffen, traf einst auch Deinen Vater. Deiner Mutter Bruder wars, ein verlorner Sohn — sie gab ihm Geld, viel Geld, und er ging mit dem Sündenlohnr fort. Er hat ihr später oft geschrieben, ihr Geld abgepreßt, und sie sandte ihm immer wieder, bis ich ihm den Weg verlegte. Hier drüben traf ich ihn wieder, ich hatte gewonnen, eine große Summe, er stahl sie mir, wo er mich niederschoß. Jetzt ist er auf vem Wege zu Deiner Mutter, um sie zu plündern, — er schrie eS mir noch ins Ohr, als seine Kugel mich schon getroffen hatte und ich glaubs ihm schon." i „Wie nennt er sich?" fragte Egbert, der wein einer Art Erstarrung zugehört, mit heiserer Stimme^MD^mÜH sam seiner Kehle zu entringen schien. „Hier nannte er sich Wolf, drüben