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Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Btt. 30 Pf., durch die Post bezogen l Mk. 55Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszcile. Druck und Verlag vozi Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger dajewst. No. 123. Dienstag- den 19. Oktober 1897. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche auf den Namen Aarl h.inrich Sindermann eingetragene Grundstück Anderthalbhufengut, Folinm 20 des Grundbuchs, Nr. 67 des Brandkatasters und Nr. 50» des Flurbuchs für Neukirchen vorm. Neukirchner Antheils, nebst denZUurstücken Nr. 506., 120, 527, 528, 529, 530, 531, 532, 533, 534, 535, 536 und 537 des Flurbuchs für Neukirchen, 29 ba 59,1 »r groß, mit 1037,51 Steuereinheiten belegt, geschätzt auf 66446 Mark, soll in, hiesigen Amtsgericht zwangsweise ver steigert werden und es ist — der l8. Novemb r 1897, Vormittags 10 Uhr als Anmel-etermin, ferner der 10 Dezember 189i Vormittags 10 Uhr als verfteigerungstermin, sowie — der 18. Dezember 189 i, Vormittags 10 Uhr als Termin zu Verkündung des Vertheilnnasplans anberaumt worden. Die Realberechtigten werden aufgefordert, die ans dem Grundstücke lastenden Rückstände an wiederkehrenden Leistungen, sowie Kostenforderungen, spätestens im An meldetermine anzumelden. Eine Uebersicht der ans dem Grundstücke lastenden Allsprüche und ihres Nangverhältnisses kann nach dem Anmeldetermine in der Gerichtsschreiberei des unterzeich neten Amtsgerichts eingesehen werden. Wilsdruff, am 15. Oktober 1897. Königliches Amtsgericht. lln. Lisnglokk. Die MiMärstrnfprlyesrreflnm und die innere Lage. Die schon so lange schwebende Angelegenheit der Schaffung einer für das ganze Reich geltenden einheitlichen Militärstrafprozeßordnuug hat sich unstreitig zu der gegen wärtig bedeutsamsten Frage der inneren deutschen Politik entwickelt. Ihr ist dieser hervorragende politische Charater namentlich durch den Umstand ausgeprägt worden, daß mit ihr die Entscheidung über das Gehen oder Bleiben des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe eng verknüft er scheint. Fürst Hohenlohe hat, wie erinnerlich, dem Reichs tag in der Sitzung vom 18. Juni 1897 die in bündigster Form gehaltene Zusache ertheilt, daß dem Parlamente bald eine Vorlage über die von allen Seiten gewünschte zeitgemäße Reform der militärischen Strafrechtsflege zu gehen werde, sollte nun der Kanzler sein feierlichst ge gebenes Wort nicht demnächst einlöseu können, so würde sein Scheiden aus dem Amte nicht mehr zu vermeiden sein. Bis jetzt mar leider der Stand der beabsichtigten Militärstrafprozeßreform ein durchaus ungewisser und daraus erklärte es sich auch, wenn selbst in jüngster Zeit wiederum allerlei einander widersprechende Gerüchte hier über auftauchlen. Inzwischen soll allerdings in dem Krou- rathe, der alsbald nach der Rückkehr des Kaisers von seinen letzten größeren Reisen im Nenen Palais der kaiser lichen Sommerresidenz, abgehalten wurde, die schwebende Mllckarstraf^ des Längeren er- .Hör endlich zu einer vorläufigen Entscheidung gebracht worden fein. Angeblich wurde vereinbart, daß aus Grund der gefatzten Beschlüsse die preußischen Stim men sur den Bundesrath nach vorheriger Bestätigung durch das preußische Staatsministerium festzulegeu seien'; freilich will man ans anderer Seite wissen, es habe sich in dem stattgefundenen Kronrath nur um die Erledigung der laufenden Geschäfte gehandelt. Selbst wenn nun aber bei den stattgehabten, vom Kaiser persönlich geleiteten Miuisterberathungen im Neuen Palais wirklich vorläufige Entschließungen in der Frage der Militärstrafprozeßreform in dem Sinne einer festen Jnstruirung der preußischen Bundesrathsstimmen gefaßt worden sein sollten, so wäre hiermit für die Beruhigung der öffentlichen Meinung im Reiche noch nichts Sonder liches erzielt. Es bleibt nach wie vor die Ungewißheit bestehen, ob nunmehr ein Ausgleich in den einander widerstreitenden Anschauungen auf preußischer und auf bayerischer Seite hinsichtlich der geplanten Reform endlich Zu erwarten steht oder nicht; die offiziellen Erklärungen jedoch, welche kürzlich der Kriegsminister v. Asch im Finanzausschüsse der bayerischen Abgeordnetenkammer über den Stand der Militärstrafprozeßreform abgegeben hat, Wien ungeachtet ihrer reservirten Form freilich schon er- ^"uen, daß eine Verständigung auch jetzt noch zweifelhaft Meint. Wo nun eigentlich die letzterer entgegenstehenden Schwierigkeiten liegen, das kann aus dem fortdauernden Baos rn den betreffenden Zeitungsmeldungen durchaus nicht mit einiger Sicherheit beurtheilt worden. Neuerdings ist da allerdings die Frage der bayerischen Reservatrechte mehr in den Vordergrund geschoben worden, es heißt, Bayern versteife sich darauf, sein bisheriger eigener ober ster Militärgerichtshof stelle ein solches Reservatrecht dar, ans dasselbe könne cs nicht ohne zwingende Gründe ver zichten. Daß indessen dieser Punkt wirklich die Ursache sein sollte, nm dercuwilleu es mit der Militärstrafprozeß- reform nicht vorwärts gehen will, dies ist trotz alledem nicht recht glaublich, man gewinnt vielmehr aus dem ge summten bisherigen Verlaufe dieser Frage den Eindruck, als ob die genannte bayerische Forderung von einfluß reichen Kreisen am Berliner Hofe nur zum Vorwand ge nommen werde, das Festhalten an den eigenen alther gebrachten Anschauungen in der Ausübung der Militär gerichtsbarkeit zu verschleiern. Schon dieses hartnäckige Festhalten an altprenßffchen Ueberlieferungen, welche mit den Forderungen nach einer zeitgemäßen Umgestaltung der Militärrechtspfiege auf Grundlage des längst bewährten bayerischen Verfahrens in schroffem Widerspruch stehen, hat auf die öffentliche Meinung in Deutschland einen wachsenden ungünstigen Eindruck gemacht. Derselbe müßte ober noch eme Ver tiefung erfahren, wenn es war sein sollte, was das Ge rücht ' behanptet, daß eine Majorisirnng Bayerns im Bundesrathe in Sacken der Militärjustizreform geplant sei, ein solches Vorgehen würde einen nicht wieder gutzu- machendeu politischen Fehler bedeuten. Endlich wäre auch noch zu bedenken, daß ein Kanzlerwechsel, der in Folge der Differenzen wegen der Militärstrafprozeßreform ent stünde, von hochbedenklichen Einwirkungen auf die ge lammte Weiterentwickelung der politische Lage in Deutsch land sein würde, eine Weiterentwikelung, die alle warmen Anhänger des Reichsgedankens nur mit Vesorgniß und zugleich Betrübniß erfüllen könnte. Tagesgerichte. Die jüngste Kronraths sitzung im Neuen Palais bei Potsdam, die alsbald nach der Heimkehr des Kaisers von seinen letzten größeren Reisen stattfand, hat recht widersprechende Deutungen veranlaßt. Während z B die „Berl. Börsenztg." ganz bestimmt wissen will, daß es sich in dem abgehaltenen Kronrathe um Erörterungen über die Militärstrafprozeßreform gehandelt habe, die zu einer voll ständigen Uebereinstimmuug der Betheiligten geführt hätten, in Folge dessen in der nächsten Sitzung des preußischen Staatsministeriums die endgiltige Festlegung der preußischen Stimmen für die Bundesraths-Entscheidung in dieser Frage erfolgen solle, erklärt die „Post", in der genannten Kron rathssitzung hätten nur die laufenden Geschäfte Erledig ung gefunden, alle anderen Nachrichten ruhten auf bloßen Vermuthungen. Ob dieser Widerspruch von irgend einer zuständigen Seite her Aufklärung erfahren wird, muß dahin gestellt bleiben, sehr wahrscheinlich ist dies freilich nicht nnd so dürfte der Nachrichten-Wirrwarr in der. gegen wärtig wichtigsten Frage der inneren deutschen Politik wohl seinen Fortgang nehmen. Nur scheint es leider nickt als ob gebesserte Aussichten auf das baldige Zustande kommen der geplanten Militärstrafprozeßordnuug bestünden, die hierüber jüngst im Finanzausschüsse der bayerischen Abgeordnetenkammer abgegebenen Erklärungen des Kriegs ministers v. Asch haben trotz ihres reservirten Charakters doch hinlänglich erkennen lassen, daß einem gedeihlichen Fortgange dieser ganzen Angelegenheit nach wie vor eigen- thümliche Hindernisse entgegenstehen müssen. In Wiesbaden findet an diesem Montag, dem 66 Geburtstage weiland Kaiser Friedrichs, die Einweihung des dem unvergänglichen „Frühlings-Kaiser" in dem herr lichen Badeorte errichteten Denkmales statt. Das Kaiser- paar mit seinen zwei ältesten Söhnen, die Kaiserin Friedrich, Prmz und Prinzessin Heinrich von Preußen, Prinz und ^"^ssui Friedrich Carl von Hessen und noch andere Fürstlichkeiten werden der Einweihungsfeier beiwohnen. Der Bundesrath hielt am Freitag eine Plenar- , m welcher die Vorlage, betr. die Entschädigung miesen w'V^rur^ den zuständigen Ausschüssen über- Die Konferenzen, welche im Reichspostamte unter Theunahme einer Anzahl Oberpostdirektoren und höherer Beamten des Reichspostamtes abgehalten wurden, sind am Freitag beendigt worden. Es handelte sich hierbei um Berathungen über Reformen im Portotarifwesen, doch trugen jene nur den Charakter einer vertraulichen Aus sprache zwischen den Konferenzmitgliedern, Beschlüsse wurden noch nicht gefaßt. — Die erste unter der Wirksamkeit des neuen Staatssekretärs des Reichspostamtes, Dr. von Podbielski, zu Stande gekommene postalische Reform, die der Einrichtung von sogenannten Kartenbriefen, wird am 1. November ihre Einführung in die Praxis finden. Berlin, 16. Oktober. 4 Kinder in furchtbar ver wahrlostem Zustande sind heute in Folge des energischen Eingreifens des Waisenrathes, aus einer geradezu entsetz lichen Lage befreit worden. Die Leidensgeschichte der unglücklichen Kinder erinnert in vieler Beziehung an Caspar Hauser. Das iu der Anklamerstraße wohnhafte Behrendtsche Ehepaar hat seine 4 Kinder im Alter von 8, 7, 2 s, und 1' - Jahren in einem engen Raume einge pfercht gehalten nnd dort im Unrath geradezu verkommen lassen. Der „Berl. Lokalanz." hat über diese ungeheuer liche Angelegenheit, die hier großes Aufsehen erregt, noch Folgendes festgestellt: In dem von pestilenzialischer Luft erfüllten Zimmer hockten auf den Dielen 4 kleine Ge schöpfe- Die Lumpen, welche ihre abgezehrten Körper umhüllten, starrten, wie die Körper selbst, von Schmutz und Koth. Ungeziefer bedeckte die Leiber und es gab kaum eine Stelle, welche uicht eiterude Wunden zeigte. Kems der Kinder konnte die Füße bewegen. Die unglück lichen Geschöpfe hockten den ganzen Tag über in der niemals gelüfteten Stube, deren Atmosphäre durch den von etwa 50 zahlreich bevölkerten und niemals gereinigten Vogelbauern entströmenden Geruch noch mehr verpestet wurde. Die Kinder haben nie in ihrem Leben die Straße