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UlchMtt für Wilsdruff ThalMdt, Uchen, Mevlehn »nd die Umgegenden No. 120 Dienstag, den 12. Oktober >en meinsames Vorgehen der staatserhaltendcn Parteien gegen die Umsturzpartei bei den nächstjährigen Reichstagswahlen sind so trübe wie möglich. Ja, nach den Ausführungen Bebels auf dem Hamburger Sozialisteutage ist sogar ein bedingtes Bündnis; der Sozialdemokratie mit den bürger lichen Oppositionsparteien nicht unmöglich, in welch letzterem Falle die Reichstagswahlen des Jahres 1898 freilich ein ganz anderes Bild darbieten würden, als jetzt die sächsi schen Landtagswahlen. Noch durchaus unklar ist die Weiterentwickelnng der Frage der Militärstrafprozeßreform, zumal ja auch hierin der Widerspruch in den Zeitungsmittheilungen die merkwürdigsten Blüthen getrieben hat. Wenn aber jetzt die „Milit. Pol. Korresp." mit der Nachricht kommt, es sei nicht ausgeschlossen, daß Bayern in der speziellen An gelegenheit der Errichtung eines obersten Militärgerichts hofes bei der schließlichen Abstimmung im Bundesrathe überstimmt werden würde, so möchte man die Znverlässigkeit dieser Nachricht doch entschieden bezweifeln. Schon vom Standpunkte einer Stärknng des Reichsgedankens aus wäre eine solche Majorisirung des zweitgrößten deutschen bittere Feindschaft zwischen Zentrum und Bundesstaates durchaus nicht wünschenswerth, überhaupt VMMberalen, usw., kurz, die Aussichten auf ein ge- aber niag Bayern seinen eigenen Militär-Obergerichtvhof 1807. Trotzdem läßt sich aber nicht verkennen, daß auch der feste Zusammenhalt der zu einem Kartell vereinigten sächsischen Natioualliberalen, Konservativen nnd Fort schrittler das Seinige zur Wahlniederlage der Sozialde mokraten beigetragen hat. Lant dem abgeschlossenen Kartell konnte es Mischen den verbünden bürgerlichen Parteien zu keinem Wahlkampfe und zu keiner Zersplitter ung kommen und unbestreitbar hat die Abmachung wesent lich mit den Ausfall der Landtagswahlen zu Gunsten der Cartellpartewn beeinflußt, was auch von sächsischen sozial demokratischen Blättern, w. z. B. von der „Leipziger Volkszeitung" und der „Sächs. Arbeiterzeitung" unum wunden zugegeben worden ist. Wenn sich auch die deutsch- soziale oder Reformpartei den Abmachungen zwischen den anderen bürgerlichen Parteien angeschlossen hätte, so hätte sie die Einbuße, die sie ebenfalls in dem jetzt beendigten Wahlkampf verzeichnen muß, gewiß hieran halten können. In Hinblick auf den Wahlerfolg, den die sächsischen National-Liberalen, Konservativen und Fortschrittler durch ihr Zusammengehen gegen die Sozialdemokratie neben der !!"tttstützmg durch das neue Wahlgesetz erzielt haben, M der Gedanke nahe, ob sich nicht die bürgerlichen Parteien im Reiche überhaupt bei den kommenden Reichs lagswahlen gleicherweise zur Bekämpfung der bedrohlich vorwärtsdringeuden Sozialdemokratie zusammenschließen konnten. Leider wird dies aber nicht geschehen, das darf m fast allermärts herrschenden Verstimmung und Ä^hdmig im Lager der bürgerlichen Parteien schon letzt bestimmt ausgesprochen werden. Hier stehen sich und t^ilve und Gemäßigt-Liberale, dort die letzteren .sAisinnigen verfeindet gegenüber, anderwärts Tagesgeschichte. Das Kaiserpaar beendigte am Sonntag seinen gemeinsamen Aufenthalt in deni waldesstillen Jagdschlösse Hubertusstock. Der Kaiser reiste nach Gut Liebenberg, der Besitzung des Botschafters Grafen Eulenburg, weiter, während sich seine erlauchte Gemahlin nach Potsdam zu rückbegab. Vorher hatten die Majestäten noch der Ein weihung der ueuerbauten Kirche in Liebenthal, einer am Rande der Schorfhaide idyllisch gelegenen Ortschaft bei gewohnt. — Die vielverbreitcte Annahme, daß der Kaiser während seiner Anwesenheit in Schloß Hubertusstock den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe zum Bortrag empfangen und daß ferner daselbst, wie im vorigen Jahre, ein Kron- rath abgehalten werden würde, hat sich nicht erfüllt. Wenigstens ist nichts von einer Audienz des Fürsten Hohenlohe in Hubertusstock beim Kaiser bekannt geworden, ebensowenig von einem daselbst vielleicht wieder statt- gefundenen Kronrathe; die betreffenden Berliner Meldungen haben demnach, so bestimmt sie auch auftraten, nur auf Vermuthnngen beruht. In eigenthümlicher Weise erfolgt von den zuständigen Stellen aus die Vorbereitung der öffentlichen Meinung Deutschlands auf die kommende Marine-Vorlage. Während bislang die Berliner offiziösen Preßstimmen die Nachricht, es sei ein förmliches Marine-Septennat, also eine Festlegung des Budgetrechts des Reichstages zu Gunsten der neuen Marinewrderungen auf sieben Jahre geplant, mit aller Entschiedenheit als unbegründet bezeich neten, bringt jetzt die gleichfalls halbamtliche „Neue Berl Korresp." eine ganz anders lautende Auslassung zur Marinefrage. Danach legt die Regierung Werth darauf, den erforderlich gewordenen Ausbau der deutschen Flotte auf eine für längere Zeit festgelegte gesetzliche Grundlage zu stellen, damit man regierungsseitig der Nothwendlgkefi, jedes Jahr mit dem Reichstage zu feilschen, enthoben werde. Daher enthalte die Marine-Vorlage thatsächsich einen Flotten-Jnstandhaltungs- nnd Vermehrnngsplan für die nächsten 7 Jahre, der einen Kostenaufwand bon rnnd 410 Millionen Mark beansprucht. Während also einerseits von der preußischen Regierung nahestehenden Blättern, wie „Berl. Pol. Nachr.", „Nordd. Allg. Ztg." u. s. w. ver sichert wird, es sei durchaus nicht ein Marine-Septennat beabsichtigt, giebt ein anderes Regiernngsorgan, eben die „N. B. K." unverblümt zu, daß in der That ein solcher Plan bestehe. Ein derartiger Widerspruch in den öffiziösen Auslassungen, muß ans die öffentliche Meinung un Lande von vornherein einen ungünstigen Eindruck machen, und ist wahrlich nicht geeignet, sie sympathisch für die neuen Marinefordernngen zu stimmen. Hoffentlich bewahrheitet sich die Meldung der „N. B. K." nicht, nur wäre es dann dringend zu wünschen, daß dies baldigst durch eine ent sprechende Erklärung des „Reichsanzeigers" geschähe. Da hingestellt muß auch darum bleiben, inwieweit die weitere Mittheilung der „N. B. K.", wonach das preußische Staats ministerium in seiner Sitzung vom 6. d. M. die Marine- Vorlage vom Septennatsstandpunkte aus behandelt haben soll, der Sachlage entspricht. ruhig behalten, viel wichtiger ist es, daß die zeitgemäße Reform der deutschen Militärgerichtsbarkeit auf den in Bayern längst bewährten Grundlagen des öffentlichen Verfahrens n. s. w. endlich zu Stande kommt. Der Reichskanzler hat an die Bundesregierungen ein Rundschreiben, betr. die Vorarbeiten zur Durchführung der Handwerksorganisation, gerichtet, worin ausgeführt wird, daß es sich voraussichtlich empfehlen werde, mit der Inkraftsetzung dieser Organisation schrittweise vorzugehen. Zunächst sollen die Vorschriften über die Innungen und Junungsausschüfse durchgeführt werden, zu welchem Zwecke Entwürfe von Jnnungsstatuten ausgearbeitet werden sollen. Erst später dürften die Bestimmungen, betr. die Handwerks kammern, in Kraft gesetzt werden, deren Ausführung der „Frankf. Ztg." nach eine umfangreiche Vorbereitung er fordert. Die weiteren Vorschriften des Gesetzes können erst nach Einrichtung der Handwerkskammern ins Leben treten. Endlich wird noch für die Regelung des Prüfungs wesens die Aufstellung von Normal-Prüfungsordnungen sowohl für die Gesellen- wie für die Meisterprüfung als erwägungswerth bezeichnet. In der bayerischen Abgeordnetenkammer ist letzter Tage die von Dr. Schädler vertretene Interpellation der Zentrumsfraktion wegen der den bayerischen Truppen bei den diesjährigen Kaisermannövern zugemutheten groff Anstrengungen zur Erledigung gelangt. In Begründung der Interpellation vernrtheilte .Abg. Dr. Schädler unter verschiedenen Gesichtspunkten die stattgehabten Kaiser- mannöver überhaupt und ließ dann weitgehende Befürcht ungen wegen der hierbei erfolgten Erkrankungen und Ver unglückungen von Soldaten auf bayerischer Seite durch blicken. Kriegsminister von Asch widerlegte in seiner Er wiederung auf Grund authentischen Ziffermaterials die Angaben und Andeutungen des Zentrumsredners in allen Punkten, aus den Ausführungen des genannten Regierungs vertreters erhellt, daß die bayerischen Truppen bei den Kaisermannövern keineswegs in tadelnswerther Weise über- anstrengt worden sind und die hierüber in vielen Zeitungen gebrachten Berichte den Thatsachen nicht entsprechen. Preußen will den Rückfahrkarten nach Muster der suddeutschen Bohnen eine 10tägige Giltigkeitsdauer geben, wogegen die Rückfahrkarten zur Schnellzugsbeuutz- ung nur bei Lösung einer Ergänzungskarte gültig find. Erganzungskarte wird etwa einen halben Pfennig „ eter kosten und hierdurch nicht nur die stäudige '^Mullung d<w Schnellzüge vermieden, sondern auch eine Million Mark Jahresmehremnahmen erzielt werden. Geht die Aenderung durch, dann würden die preußischen Taxen lauten: Rückfahrkarten für Personeuzüae: 1. KI. 12 Pf-, 2. Kl. 9 Pf., 8. Kl. 6 Pf., 4. Kl. 4 Pf.; Rückfahrkarten kur Schnellzüge: 1. Kl 13 Pf., 2. Kl. 10 Pf., 3. Kl. / Pf- Pro Kilometer. Mit diesen Sätzen wird, abgesehen von der Giltigkeitsdauer, eine gewisse Annäherung an die anderen deutschen Großbahnen erreicht werden. Damit würde eine gewisse Uebereinstimmung der Tarife allerdings erreicht, aber es wäre nur scheinbar, denn im Grunde be stände die heute doch oben wie unten anerkannte Bunt- scheckigkeit des Fahrkartenwesens noch fort und auch die Unterschiedlichkeit zwischen Nord und Süd bliebe nach wie vor ganz dieselbe. Gerade Norddeutschland, d. h. Preußen und Sachsen, hätten es verhältnißmäßig leicht, eine gründ liche Reform ihrer Tarife im Personenverkehr vorzunehmen. Es wäre nur nöthig, unter Wegfall der 4. Klasse und der Rückfahrt- und aller Ausnahmekarten (Arbeiterkarten vielleicht ausgenommen) den Grundpreis der 3. Klasse auf 2 Pf., der 2. auf 3 und der 1. auf 4 Pf. zu stellen. Bei Schnellzügen einen Zuschlag von einem halben Pfennig fürs Kilometer. Bei Luxuszügen darf eine höhere Fahr gelderhebung als selbstverständlich gelten. Die Wagen 4. Klasse werden als Stehwagen 3. Klasse für den Markt verkehr in Lokalzügen weiter beibehalten und genießen die Benutzer derselben den Vorzug, daß sie ihr ost umfang reiches Gepäck mit in dieselben hereinnehmen dürfen. Das Freigepäck bleibt wie bisher bestehen. Wie aus Mühlhausen mitgetheilt wird, ist der Reichstagsabgeordnete Bueb wegen Verächtlichmachung von Staatseinrichtungen, wegen Kolportagevergehen und wegen Beiseiteschaffung von beschlagnahmten Gegenständen zu 10 Monaten Gefänguiß verurtheilt worden. Wien, 7. Oktober. Abgeordnetenhaus. Beider Fortsetzung der Verhandlung über die Nothstandsanträge Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Die LaMagsumhleil im Königreich Sachsen. Am 9. Oktober haben die diesjährigen Erneuerungs wahlen zum sächsischen Landtage mit den Wahlen der Abgeordneten selbst ihren Abschluß erfahren, nachdem in den Tagen des 27. bis 29. September die Urwahlen statt gefunden hatten; am 9. November wird der neue Land- sag zusammentreten. Die eigentliche Entscheidung im Wahlkampf war allerdings schon durch die Wahlmänner- Wahlen gebracht worden, und so konnte denn das Bild der Wahlergebnisse durch die am Sonnabend vorgeuom- menen Äbgeordnetenwahlen eben nur noch in Einzelheiten seine Ergänzung und Vervollständigung erhalten. Das Hauptergebniß der sächsischen Landtägswahlen nun besteht in der empfindlichen Niederlage, welche die sozialdemokra tische Partei hierbei zu Gunsten der vereinigten Konser vativen und Nationalliberalen erlitten hat, denn während die Partei des Herrn Bebel in der sächsischen Volksver tretung zuletzt 15 Mandate besaß, wird sie in der neuen Kammer deren nur noch 9 haben, die übrigen 6 hat sie an ihre siegreichen Gegner vom viel geschmähten Cartell verloren. Dieses erfreuliche Ergebniß ist zum guten Theil selbstverständlich dem jetzt im Königreiche Sachsen zum ersten Biale angewendeten neuen Wahlgesetz zuzuschreiben, welches an die Stelle der bisherigen direkten Wahlen zum Landtage das indirekte Klassenwahlsystem einführte. Das Anschwellen der Zahl der sozialdemokratischen Abgeord neten zur zweiten sächsische» Kammer, welche von einem einzigen Vertreter zu Anfang der 70er Jahre im Laufe der beiden tolgenden Jahrzehnte auf 15 sozialistischer Ab geordneter stieg -- bei einer Gcsammtzahl von 82 Kam- inermitgliederu — mußte bei dem herrschenden gleichen und direkten Wahlrecht die Besorgniß nahelegen, daß noch ein weiteres Anschwellen der sozialistischen Kammerfraktion möglicher Weise sogar bis zur Entstehung einer sozialisti schen Mehrheit cintreten würde. Diese ernste Gefahr galt es, zu verhüten, und so wurde von Regierung und Land taasmehrheit übereinstimmend die Einführung des indirekten Klassenwahlsystems beschlossen, allerdings mit der Maß gabe, daß die Vorschrift eines Mindeststeuersatzes von 3 Mark direkter Staatssteuern, welcher bislang in Sachsen mit an die Fähigkeit zur Ausübung des Wahlrechtes ge knüpft war, wegfiel. Das nene Gesetz hat denn auch die erwartete Wirkung ausgeübt, in den beiden ersten Ab- theilungeu oder Klassen der Urwähler sind weit überwiegend Wahlmänner der sogenannten Ordnungsparteien gewählt worden, wodurch die Niederlage der Sozialdemokratie be siegelt wurde, obschon letztere in der dritten Abtheiluug etwa die Hälfte der sämmtlichen Wahlmänner durchsetzte. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werben Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszetle. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst.