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Zweites Blatt. WenM für MbM Thmndt, Men, Sitbtnlehn md die Umgegenden. Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. Ro. 131. Sonnabend, de« 6. November 18S7. Zum 21. Sonntage nach Trimtatis. Marci 7, 28: Ja, HErr; aber doch — Du kennst, lieber Leser, die Geschichte des kauanäischen Weibleins (Mark. 7, 24-30), an das das Wort der Ueberschrift dich erinnert. Und dies Wort läßt dich schauen ein flehendes Weib zu Füßen des einzigen, der alles Flehen erhören kann. Aber das Weib ist Heidin und der Heiland ist zunächst zu Israel gesandt: so wird die Flehende fast herbe abgewiesen. Indessen, sie ist ein Mensch des starken Glaubens. Sie umklammert noch einmal die Füße des Helfers und kühn und getrost dringt ihr Wort an Sein Ohr: Ja, HErr, aber doch! Doch essen die Hündlein unter dem Tische von den Brosamen der Kinder. — Um des Wortes willen hat sie Jesus erhört. Als sie heim kam, war die kranke Tochter gesund. Nichts überwindet das Herz Jesu Christi leichter, als wenn du Ihm großartiges schrankenloses Vertrauen zeigst. Obwohl Sünder und unwürdig, von Gott Hilfe und Gnade zu empfangen, wollen wir nicht aufhören, Jesu zuzurufen: Ja, HErr, aber doch! Denn „der Glaube dringt durch Stahl und Stein und kann die Allmacht zwingen". Wie viel mehr wird er die himmlische Liebe bezwingen! Schon bei den Menschen, die doch meistens starre Herzen haben, richtet Vertrauen, das wir ihnen zeigen, er staunliche Dinge ans. Ich habe erlebt, daß offenkundige Betrüger mich nicht betrogen haben, weil sie sich schämten, den einzigen Menschen zu betrügen, der ihnen vertraute. Jeder Mensch, auch der verworfenste, hat es gern, wenn man das Beste von ihm denkt: wo er das merkt, wird er so leicht nicht täuschen. Wie sollte der, der der Urquell alles Guten ist, ehrlichem Vertrauen widerstehen können 2 Uebcrwältigt wird Er auch dir und mir sagen: Gehe hin, dir geschehe, wie du willst; dein Glaube hat dir geholfen! Nun war jene Bittstellerin freilich eine unwissende Heidin, wir aber sind Christen, die in der Schule Jesu groß Ma^en sind und von Ihm gelehrt sind zu beteu: Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden! Nicht Wie ich will, sondern wie Du willst, so schicke es mit mir! Dürften wir darum nicht mehr sagen: Ja, HErr, aber doch — hoffe ich Armer noch 2 O gewiß dürfen auch Wir so sprechen, dann nämlich, wenn Gottes Geist, der in uns wohnt, es eingiebt. Und das thut Er oft: in Sünden- noth und Brotnoth und Krankheitsnoth und Todesnoth. Bist du in dem Falle, so frage deinen Lehrer, den heiligen Geist, ob du rufen darfst, wie das kananmsche Weib. Sagt er ja, so thue es ja. Du wirst erhört werden über Bitten oder Verstehen. Die Diplomatenöegegnunz von Monza. Graf Goluchowski, der österreichisch-ungarische Minister des Aeußeren, trifft an diesem Sonnabend in Monza, dem Sommerlager des italienischen Königspaares ein, um da- Mst bis Sonntag als Gast desselben zu verweilen. Wie bekannt, leistet der genannte Staatsmann durch seiner Reise nach Monza einer ihm zugegangenen Einladung König Humberts Folge, womit dein ersteren endlich Gelegenheit geboten wird, sich auch dem erlauchten anderen Bundesgenoffen seines Souverains persönlich vorzustellen, nachdem Gras Goluchowski bereits vom Kaiser Wilhelm wiederholt empfangen worden ist Es würde sich also bei dem Erscheinen des Leiters der auswärtigen Politik Oesterreich-Ungarns in der bevorzugten Somnierresidenz des italienischen Herrschers zunächst um einen Höflichkeits akt, um die Erfüllung einer üblich gewordenen Pflicht der imernationaleu höfischen und dlp oniatffchen Etikette, handeln. Dann aber würde dies unmittelbar bevorstehende Ereigniß das Aufseben welches es thatsaamch in der diplomatischen Welt erregt aewiß nicht rechtfertigen, wenn ihm nicht noch ewe andere' als eine lediglich höfisch-ceremonielle, Bedeut- uug innewöhnte. Da nun jedoch aus Wunsch des König Humberts bei dem Besuche Goluchowskis m Monza auch der italienische Ministerpräsident di Rudinl und der Munster des Aeußeren Visconti Venosta zugegen sein werden, (so liegt der politische Charakter der Monzaer Eutrevue aus der Hand und es erscheint daher ganz begreiflich,, wenn dieselbe eingehende Beachtung findet. Nun sind sa vor Kurzem in der angesehenen „Nuova Antologia" die bekannten Indiskretionen des Grasen Rubilant, des früheren italienischen Ministers des Auswärtigen, über den Dreibund veröffentlicht worden, und es konnte dem König Humbert und seinen heutigen politischen Berathern nicht gleichgültig sein, wenn vielleicht durch die gedachten Ver öffentlichungen die beiden Bundesgenossen Italiens unan genehm berührt worden sind, wurde doch in den Robilant- schen Briefen der Werth des Dreibundes für Italien stark bezweifelt. Die Vermuthung kann nicht ohne Weiteres zurückgewiesen werden, daß man an maßgebender italienischer Stelle in Hinblick auf die Robilant'sche An gelegenheit mündlich beruhigende Erklärungen gegenüber den verbündeten Kabineten abzugeben wünschte. Bezüglich Deutschlands haben hierzu wohl die Abschiedsbesuche des Staatssekretärs v. Bülow in Monza und in Rom Gelegen heit geboten und nunmehr steht das Gleiche sicherlich auch Oestereich-Ungarn gegenüber durch den Antrittsbesuch Goluchowskis bei den italienischen Majestäten bevor. Unter den obwaltenden Umständen kommen daher die fast ostentative Einladung des Grafen Goluchowski seitens König Humberts nach Monza und die daselbst er folgende Begegnung des österreichischen Staatsmannes mit den beiden maßgebensten politischen Persönlichkeiten Italiens einer erneuten Besiegelung des Dreibundes gleich. Eine derartige Kundgebung kann aber durchaus nicht über flüssig erscheinen angesichts der Thatsache, daß einerseits in Italien selbst, andererseits in Oesterreich die Zahl der geheimen wie offenen Dreibundsgegner keineswegs eine geringe ist, um so mehr dürfte allerdings die Diplomaten begegnung von Monza vor Allem den lauen Anhängern wie den entschiedenen Gegnern des Dreibundes auf ita lienischer Seite abermals die unerschütterliche Festigkeit der mitteleuropäischen Allianz vor Augen führen. Im Uebrigen ist es immerhin ein bemerkenswerther Zufall, daß der greise Francesco Crispi gerade in diesen Tagen seinen Landsleuten die Nothwendigkeit des Bündnisses mit den beiden Zentralmächten für Italien wieder einmal kräftig und lebendig vordemonstrirt hat, es darf bei dem Ansehen, dessen sich der greise Palermitancr selbst heute noch im italienischen Volke erfreut, gehofft werden, daß seine drei bundsfreundlichen Worte die ihnen gebührende Beachtung bei allen wahren italienischen Patrioten finden. — Ob es schließlich in Monza noch zu irgendwelchen besonderen Abmachungen anläßlich der Anwesenheit Goluchowskis kommen wird, mag dahingestellt bleiben, doch ist dies nicht so unmöglich. Jtälien und Oesterreich-Ungarn haben nicht unwichtige Interessen im Orient zu wahren, eine gegen seitige offene Aussprache hierüber zwischen den leitenden Staatsmännern könnte einer österreichisch-italienischen Ver ständigung in den Balkanfragen nur förderlich sein. Für s Vaterland. Episode aus dem Jahre 1870 v. Fritz Richter, z. Zt. Mitglied des hier weilenden Wilsdruffer Stadttheaters. „Stillgestanden! — Das Gewehr über! — Bataillon marsch!" Und dahin zogen sie, Deutschlands Stolz, Deutschlands junge Krieger! — „Wer wird zurück kommen?" „Oder wird auch für uns heute eine feindliche Kugel gegossen sein?" — — Diese Gedanken konnte man wohl jedem der dahin schreitenden Männer am Gesicht ablesen. Es war am Morgen des 19. August 1870, die Sonne sandte sengend heiß ihre Strahlen hernieder, als jene Kommaudoworte die schwüle Luft durchschallten. Es war eine preußische Feldwache, welche aufbrach, um etwa 2 Kilometer südlich Frantigny Posten zu be ziehen- Frantigny, ein Dorf, 6 Kilometer südöstlich von Metz gelegen, an der Bahn Metz—Courselles, war nach der Schlacht bei Colombey-Nouilly am 14. August mit in die preußische Vorpostenlinie gezogen, und war von einer Kompagnie unter Hauptmann v. O. besetzt. Lieutenant M., ein blutjunger Reserveoffizier kom- mandirte den 3. Zug, mit welchem er aus 36 Stunden als Feldwache abkommandirt ward. Froh und wohlgemut, die Cigarette fesch im Munde drehend, von Zeit zu Zeit ein aufmunterndes Wort fallen lassend, oder auch Trost und Mut zusprechend. — Einer von ihnen fiel ihm ganz besonders auf; — wenn auch die Stimmung der allgemeinen Lage angemessen eine ge drückte war, so ließ doch manchmal ein Spaßvogel seinem Witz freien Lauf, und brachte dadurch, wenn auch nur auf Minuten, Leben in die ganze Kolonne. Nur der Gefreite R. wollte nie so recht teilnehmen, an der, — wenn auch gezwungenen Heiterkeit, womit die andern die ernsten Gedanken sich zu verscheuchen suchten. Den Blick vor sich auf den Boden gerichtet, unbeachtet der Neckereien seiner Kameraden, schritt er weiter „Achtung! Von rechts anreitende Kavallerie! Sek tionen Rechts schwenkt, marsch, marsch! Im Nu stand das kleine Häuflein wie eine Mauer, den Anprall der vom Fort Queuleu herabsprengenden, im Strahl der Morgensonne glänzenden französischen Stahlreiter er wartend. „Legt an! Feuer!" Die Salve krachte, die stattliche Reihe der Stahlreiter gerät in Unordnung; es stürzt so mancher brave Mann. Doch unaufhaltsam und mutig kommen sie näher, mit Todesverachtung. Auch beim Feind muß man die Tapferkeit rühmen und ehren. Salve aus Salve kracht, aber unaufhaltsam immer näher wenn auch stark gelichtet, sprengen^ sie heran. — Da, — jetzt sind sie da! Ein furchtbares Handgemenge entsteht, auf beiden Seiten wird mit Löwenmut gerungen, gerungen um das bischen Leben — ein Braver nach dem andern küßt mit bleichem Mund die Mutter Erde. So war in wenigen Minuten dem Leben so manches braven jungen Kriegers ein rasches Ziel gesetzt. — Die alarmirte Kompagnie konnte nichts mehr, als den flüchtigen Reitern noch einige Kugeln nachsenden, und sich dann der armen verwundeten Kameraden annehmen und Hülfe bringen. Unter den schwerverwundeten befand sich auch der Gefreite R. Ein Pallaschhieb hatte ihn am Kopfe eine klaffende Wunde beigebracht, welche das Schlimmste be fürchten ließ. Ins Feldlazareth gebracht, verfiel er bald in heftiges Fieber, und noch am selbigen Abend verschied er — Unter seinen Papieren fand sich auch ein Schriftstück mit der Ueberschrift „Umsonst gelebt". Was dieses Schriftstück enthielt, will ich hier wortgetreu wiedergeben: Ich lebte still und zurückgezogen, zufrieden mit meinem Loos im Hause meiner Eltern. Ich kannte nicht des Lebens Sorgen und Not, aber ebenso wenig seine Freuden, bis zu meinem 20. Lebensjahre. — Neben uns wohnte ein Kaufmann Namens Hermann. Schon oft im Gespräch hörte ich ihn von seiner Tochter sprechen, welche er, da sich dieselbe mit seiner zweiten Frau nicht vertragen, in Pension gegeben. — Helene, so hieß das Mädchen, war bereits 4 Jahre fort, nnd da wir erst 3 Jahre am Ort waren, kam es, daß ich sie noch gar nicht gesehen und nicht kannte; ich war daher hocherfreut, als ich erfuhr, Helene käme auf kurze Zeit zum Besuche ihrer Eltern. Ich muß gestehen, ich war begierig die Bekanntschaft dieser jungen Dame zu machen, welche so energisch ihren Willen vertrat und sich nicht der Rute einer Stiefmutter fügen wollte. Endlich brach der Tag an. — Früh schon war ich auf den Beinen; der Gedanke an Helenens Ankunft ließ mir keine Ruh. — Wie ich so sinnend am Fenster stehe, werde ich durch das Geräusch eines Wagens aus meinen Träumen gerissen. Ich blickte auf, — der Wagen hält vor Nachbars Thür, der Wagenschlag öffnet sich und heraus stieg — Helene. — Einen Augenblick blieb sie stehen und ich hatte Gelegen heit sie genau zu beobachten. Ich muß wohl gestehen, sie übertraf alle meine Erwartungen. Schlank gewachsen, goldblondes Haar hing in krausem Wirrwarr um ihre schön gewölbte, weiße Stirn; ein Paar hellblaue Augen guckten übermütig in die Welt, als wollten sie sagen: „Warum schaust Du mich so ernst an? Siehst Du nicht, wie ich lache, lache mit!" — Den Kopf keck in den Nacken geworfen, verschwand sie raschen Schrittes in der Thür. — Am Nachmittag wurden mein Vater und ich zum Kaffee geladen, dem sich ein kleiner Spaziergang anschloß. Ich versuchte, mich ihr zu nähern und ein Gespräch anzu knüpfen. Sie war eine geistvolle und angenehme Gesell schafterin. — So vergingen Wochen. Vom herrlichsten Wetter begünstigt, konnten wir täglich einen Spaziergang unternehmen, bald allein oder auch in Begleitung der