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TharM Men, Menlchn und die Umgegenden. Imlsölstt fm die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath ZN Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 134. Sonnabend, den 13. November 18S7. Die Vorgänge in Brasilien. Seit dem Sturze des Kaiserthums und der Erricht ung der Republik in Brasilien ist dieses zweitgrößte Staatswesen des amerikanischen Kontinents aus inneren Unruhen und Wirren eigentlich kaum mehr herausgekommen. Bald in diesem, bald in jenem Theile des sich über dreißig Breitengrade hin erstreckenden brasilianischen Reiches brachen Aufstände gegen die Zentralregierung in Rio de Janeiro aus, welche außerdem auch öfteren revolutionären Zettel- nngen in der Reichshauptstadt selbst entgegenzutreten hatte. Allerdings gelang es der Zentralgewalt schließlich immer wieder, alle solche mehr oder weniger ausgedehnten provinziellen Ausstände zu Boden zu werfen, aber meist konnte die nur unter großen Anstrengungen geschehen, welche bewiesen, daß es der Regierung der „Vereinigten Staaten von Brasilien" nur mit Mühe gelingt, ihr An- sehen in der Provinz, namentlich in den vom politischen Mittelpunkte, der Hauptstadt Rio de Janeiro entlegenen Landesgebieten, zu behaupten. Die jüngste revolutionäre Erhebung in der Provinz war diejenige der sog. Fanatiker im Bundesstaate Bahia, welche eigenartige Schwärmersekte unter ihrem Oberhaupte Conseilheiro den gegen sie aus gesandten Bundestruppen länger als ein Jahr hindurch trotzte, erst vor einigen Wochen gelang es, den Anfstand der Fanatiker durch eine umfassende und energische militärische Kraftanstrengung der brasilianischen Bundes regierung endlich zu unterdrücken. Inzwischen sieht sich aber letztere bereits neuen Schwierigkeiten gegenüber. Das versuchte Attentat gegen den Präsidenten der Republik Brasilien, Moraes, und die Ermordung des Kriegsministers Bittencourt haben ein grelles Licht auf geplante abermalige Anschläge gegen die Regierung in Rio de Janeiro geworfen, Anschläge, die von der dortigen radikalen Militärpartei, der Jakobiner partei, wie man so in Erinnerung an die berüchtigte ultraradikale Fraktion im französischen Konvent bezeichnet, geplant worden sind, wie nunmehr feststcht. Ganz klar ist zwar die Sachlage noch nicht, doch läßt sich kaum mehr bezweifeln, daß es sich um einen militärischen Putsch handelte, durch welcher Pereira, der Führer der Jakobiner partei, an die Spitze der politischen Gewählt zu kommen hoffte. Nicht nur in der Stadt Rio de Janeiro und der gleichnamigen Provinz selbst, sondern auch in den an stoßenden Bundesstaaten Minas Gerars in Espiritu Santo scheint die brasilianische Militärpartei ein Losschlagen geplant zu haben. So wenigstens dürfte die Meldung zu deuten sein, der zu Folge eine aus dem Staate Minas Gerars in Espiritu Santo eingedrungene Bande daselbst Unruhen anstiftete, um die Wiederwahl des bisherigen Provinzialpräsidenten oder Statthalters von Espiritu Santo zu verhindern; hierbei griffen die Jakobiner eine Anzahl Ausländer verschiedener Nationalitäten an, von denen einige gctödtet oder verwundet wurden, ein Vorgang, der auch noch näherer Aufklärung bedarf. Jedenfalls ist aber die Lage in Brasilien durch die Umtriebe der Jakobinerpartei erneut eine verwickelte geworden, und droht jene durch die zum 1. März bevorstehende Neuwahl des Präsidenten der Republik noch eine wesentliche Verschärfung zu erfahren. Der bisherige Präsident Moraes, welcher wiederum kandidirt, rechnet auf die Unterstützung der meisten Statt halter in der Provinz, der 3000 Mann starken Polizei macht von Rio und der Marinetruppen. Die revolutionäre Gegenpartei Pereira's soll einen großen Theil der freilich zerrütteten Landarmee für sich haben; welche Partei siegen wird, muß noch dahingestellt bleiben, offenbar stehen aber neue und wohl blutige Kämpfe bevor. Für uns in Deutschland speziell besitzen nun zwar die neuen inneren Wirren in Brasilien an sich gewiß nur in untergeordneter Interesse. Indessen mnß darauf hin- gewiesen werden, daß die immer wiederkehrcnden revolutio nären Umtriebe in diesem größten Staate Südamerikas den wachsenden zahlreichen Handelsbeziehungen Deutschlands zn deniselben nichts weniger wie förderlich sind, es kann uns Deutschen daher doch nicht gleichgültig sein, wenn unsere ausgebreiteten Haudelsiuteressen in Brasilien stets auf's Neue durch die revolutionäre Zuckungen und An schläge der dortigen Parteien bedroht und beeinträchtigt werden. Auch die blühenden deutschen Koloniewin Brasilien sehen sich durch diese immer wiederkehrenden Unruhen Meifellos in ibrer Cn»mick>ffmi6 „»k Da sich die Regierung des Präsidenten Moraes bislang im Allgemeinen bewährt hat, so kann man nur wünschen, daß es ihr gelingen möge, sich auch ihrer neuesten Feinde zu erwehren und die Ordnung im Lande wiederher zustellen. Tagesgeschichte. Kaiser Wilhelm traf in Ausführung seines jüngsten Jagd-Ausfluges nach Oberschlesien am Montag Abend in Groß-Strehlitz ein wo er die nächsten Tage über Jagd- Aufenthalt zu nehmen gedachte. Auf der Hinreise von Potsdam nach Groß-Strehlitz hatte der Monarch die hervorragendsten Punktedes schlesischen Ueberschwemmungs- gebietes — Hirschberg, Krummhübel u. s. w. — eingehend besichtigt und sich demnach persönlich von den furchtbaren Hochwasser-Schäden des vergangenen Sommers überzeugen können. Es heißt, der Kaiser habe sich sehr überrascht über deu großen Umfang des angerichteten Schadens gezeigt und ausgiebige staatliche Hülfe speziell zur Regulirung der Flußläufe im Ueberschwemmungsgcbiet zugesagt. Nach dieser Meldung möchte man es beinahe bezweifeln, daß er — Wie bislang immer versichert wurde — durch eine Denkschrift des Stautsministerinms über den Umfang der stattgefundenen Ueberschwemmungen unterrichtet worden sei. General-Feldmarschall Prinz Georg von Sachsen, welcher mit seinem erlauchten Bruder, dem König Albert, ans Schloß Sybillenort in Schlesien weilt, ist daselbst auf der Jagd von einem kleinen Unfall betroffen wurden. Bei einem Schrotschuß, den der Prinz abgab, prallten einige Schrotkörner zurück und trafen ihn am linken Vorderarm. Die Verletzung wird von den Aerzten als eine oberflächliche bezeichnet, doch heißt es, daß Prinz Georg in Folge dieses Vorfalles bereits in den nächsten Tagen nach Dresden zurückkehren werde Die amtliche Einberufung des Reichstages, welche bekanntlich zum 30. d. M erfolgen soll, wird in diesen Tagen erwartet. Damit tritt der Reichstag in die letzte Tagung des ersten fünfjährigen Gesetzgebungsabschnittes. Aeußerlich wird sich die Eröffnung von dem Beginne der vorjährigen Herbsttagung, die formell nur die Fortsetzung der vorangegangenen Session bildete, dadurch unterscheiden, daß sie m der feierlichen Form der Verlesung einer Thronrede stattfinden wird. Nach den bisherigen An kündigungen hat es den Anschein, als werde den in Re gierungskreisen laut gewordenen Wünschen nach einer Be schränkung des gesetzgeberischen Stoffes Rechnung getragen werden — eine Thatsache, die auch außerhalb der gesetz gebenden Körperschaften und der betheiligten Ministerien nur mit Befriedigung ausgenommen werden wird. Die Gesetzgebungsmaschine hat in den letzten zehn Jahren so lebhaft gearbeitet, daß der Wunsch wohl allgemein ist, nunmehr eine Ruhepause eintreten zu lassen und die ge setzgeberische Thätigkeit auf wirklich dringende und ausge reifte Fragen zu beschränken. Eine solche Beschränkung wird nicht nur dem Volke ermöglichen, sich zunächst einmal mit der großen Fülle neuer gesetzlicher Bestimmungen auf den verschiedensten Gebieten des Staatslebens und der Verwaltung genauer vertraut zu machen, sondern auch vielleicht dazu beitragen, der Bevölkerung wieder die ge sunde Selbsthilfe nahezulegen, nachdem man sich von Jahr zu Jahr mehr und mehr daran gewöhnt hat, stets sofort nach der Hilfe des Staates zu rufen. Jrrthümlich wäre es, wenn man in Anbetracht der von der Regierung ge übten Zurückhaltung auf dem Gebiete der Gesetzgebung glauben wollte, daß die bevorstehende Tagung des Reichs tages arm an Berathungsstoff sein werde. Es wird weder an wichtigen Verhandlunasgegenständeu, noch an lebhaften Auseinandersetzungen fehlen. In Berlin haben die Stadtverordneten-Ergänzungs- wahlen stattgefunden. Hierbei wurden in der ersten und zweiten Wählerabtheilung durchweg die freisinnigen Kandidaten gewählt, während sich das Ergebniß in der dritten Wählerabtheilung folgendermaßen stellt: 5 Frei sinnige, 4 Sozialdemokraten, 5 Stichwahlen; die Sozial demokraten verloren bislang einen Sitz endgiltig an ihre bürgerlichen Gegner. Ein Aufsehen erregender Vorfall spielte sich Montag Vormittag au der Kasse des^Berliner ^Bankhauses von Firma T. Meißner u. Co. Wechsel im Betrage von rund 100,000 Mark ein und setzte sich, während der Kassirer mit der Durchsicht der Lieferung beschäftigt war, im Vor raum der Kasse nieder. Als er nach einiger Zeit des Wartens fragte, ob er nicht bald abgefertigt werden könnte, erhielt er die ihn verblüffende Antwort, er hätte doch schon sein Geld in einem Reichsbank-Check erhalten. Ein Fremder hatte also, die Gelegenheit benutzend, den durch das Kassenfester gereichten Check in Empfang ge nommen. Infolge sofortigen Telephanirens an die Reichs- bauk gelang es, die Auszahlung der Summe an den Dieb noch im letzten Moment zu verhindern. Wien, 10. November. Heute mittag fand vor dem Parlamentsgebäude eine große Demonstration der deutsch nationalen und deutsch-liberalen Studentenschaft gegen die Sprachenverordnungen statt. Die Studenten brachten den Abgeordneten Schönerer und Wolf, welche, von der Demonstration verständigt, auf der Rampe des Abgeord netenhauses erschienen, stürmische Ovationen dar. Nachdem Schönerer und Wolf mit kurzen Worten gedankt und die Studenten ersucht hatten, einen Zusammenstoß mit der Polizei zu vermeiden, schritt letztere ein und drängte die Studenten, welche fortgesetzt deutsch-nationale Lieder sangen, „Pereat Badeni", „Pfui Lueger", Nieder mit deu Sprachenverordnungen" schrieen, zur Universität zurück. Von dort entfernten sich später die Studenten in aller Ruhe. Dem österreichischen Abgeordnetenhause macht die Präsidentenfrage noch immer zu schaffen. Neuerdings war der klerikale Abgeordnete Dr. Ebenhoch, einer der ent schiedensten Gegner der deutschen Linken, von der für die Neuwahl des ersten Vorsitzenden gebildeten Kommission der Rechten zum Nachfolger Dr. Kathreins in der Präsident schaft vorgeschlagen worden. Dr. Ebenhoch machte indessen Schwierigkeiten, die etwaige Wahl zum Präsidenten anzu. nehmen, unter dem Hinweise darauf, daß er nicht die Gesammtheit des Klubs der katholischen Volkspartei hinter sich habe. Schließlich hat aber die Rechten-Kom- mission doch an der Kandidatur Dr. Ebenhochs festgehalten, welche nun nochmals von der katholischen Volkspartei geprüft werden soll. Der Budget-Ausschuß des Abgeord netenhauses setzte am Dienstag in langer Sitzung die Berathung des Ausgleichs-Provisoriums mit Ungarn fort. Der Kaiser Franz Joses empfing am Dienstag Nachmittag den in Wien eingetroffenen ungarischen Finanzminister Lukacs in einstündiger Audienz, die vermuthlich mit der Angelegenheit des Ansgleichs-Provisoriums zusammen gehangen hat. Am gleichen Nachmittag wurde auch der aus Monza zurückgekehrte Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski vom Kaiser empfangen. In Konstantinopel scheint das Werk der direkten türkisch-griechischen Friedensunterhandlungen nun doch all- mählig seinem Abschlusse entgegenzureifen. Der definitive Friedensvertrag wird 16 Punkte enthalten, von denen 12 fertiggestellt sind; über die übrigen 4 Punkte streiten sich die beiderseitigen Delegirten noch herum. Der englische Ministerpräsident Lord Salisbury hat auf dem Guild Hall-Banket zu London die herkömm liche politische Rede gehalten. In derselben besprach Salis bury den Streik der englischen Maschinenbauer, ferner den englisch-französischen Jnteressen-Konflikt in Westafrika und weiter die gesammte Lage in Afrika, sowie das orientalische Problem. Im allgemeinen klangen die Darlegungen Salisbury's über die genannten auswärtigen Fragen friedlich und versöhnlich, ja, zuletzt ließ er die Erwartung durchschimmern, daß es noch zu einem förmlichen Friedens bunde aller größeren europäischen Mächte kommen werde. Aus Havanna meldet der amtliche spanische Telegraph wieder einmal einen Sieg der Spanier über die kubanischen Aufständischen, zugleich den ersten spanischen Waffenerfolg seit der Ankunft des neuen Oberbefehlshaber Marschalls Blanco auf Kuba. Die betreffende Meldung ist im Lapidar styl verfaßt und besagt lediglich, daß Oberst Gonzales den Hauptführer der Insurgenten geschlagen habe; ob an diesem spanischen Erfolg mehr daran ist, als an den Siegen, welche General Weyler immer von Kuba zu melden wußte, muß dahingestellt bleiben. Die in Washington verbreiteten Gerüchte, Spanien wolle Nordamerika den Krieg erklären, werden vom Ministerpräsidenten Sagasta feierlichst als