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WrM Mn. Menlehn und die Umgegenden. — >L L- Amtsblatt für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis, vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnserüonspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 138. Dienstag, öen 23. November 1897. Erlatz , das Nächtigen i nr Freien n. s. w. betr. Nach Gehör des Bezirksausschusses wird bestimmt: Wer in Feimen, Getreidepuppen oder sonstwo unter freiem Himmel, in unvollendeten Neubauten, verlassenen Baulichkeiten oder fremden Hausfluren oder überhaupt in fremden Räumlichkeiten ohne Genehmigung des Berechtigten nächtigt, wird polizeilich mit Haft Lis zu 8 Tage» bestraft. Meißen, am 9. November 1897. Die Aonigliche Amtshauptmannschaft. vsn Schrseter. Bekanntmachung. Mit Genehmigung der König!. Amtshauptmannschaft Meißen wird der Communikationsw eg von Wildberg nach Niederwartha vom 22. Lis mit 24. November d. I. wegen Massenschüttung gesperrt. Wildberg, den 19. November 1897. S LsvLivHv, Gem.-V. Die Zwischenfälle Deutschlands nnt China und Hayti. Der Konflikt, in welchen Deutschland gleichzeitig mit China und mit Hayti gerathen ist, nimmt insofern eine verschärfte Gestalt an, als die deutsche Regierung sowohl gegenüber dem ostasiatischen Läuderkoloß, wie gegenüber der grotesken westindischen Negerrepublik zu einem ganz entschiedenen Auftreten genöthigt wird. Das Pekinger Auswärtige Amt hat sich bis jetzt nicht veranlaßt gefunden, der deutschen Re?ierung wegen der Beleidigung deutscher Marineoffiziere und der deutschen Flagge in Wuchang und ferner wegen der Ermordung deutscher Missionare in der Provinz Shantung irgendwelche Genugthuung zu geben. Die Regierung von Hayti aber hat die Reklamationen Deutschlands in Folge der stattgefnndencn Vergewaltigung des deutschen Unterthanen Lüders in Port-au-Prince sogar in beleidigender Weise zurückgewiescn: überhaupt ist die Lage der kleinen deutlichen Kolonie in Port-au-Prince an läßlich der Affaire Lüders eine derartige bedrohliche geworden, daß zum Schutze von Leben und Eigenthnm der Deutschen in der Hauptstadt Heytis ein energisches Einschreiten der Reichsregiernng nöthig wird. Jedenfalls handelt es sich aber für Deutschland in beiden Koufliktsfällen vor Allem um die Wahrung des Ansehens des deutschen Namens und der Würde des Reiches jenseits des Ozeans, im fernen Osten Asiens wie im westindischen Archipel, während es daneben auch gilt, gewichtige materielle deutsche Interessen zu schützen. In Bezug auf den Konflikt mit China hat nun die deutsche Regierung bereits kräftige Maßnahmen ergriffen, um den Chinesen den Standpunkt gehörig klar , zu machen, was freilich durch die Anwesenheit unseres stattlichen Krenzer- geschwaders in den ostasiatischen Gewässern auch erheblich erlcichiert wird. Die Besetzung des yascns Kiautschan an der Küste von Süd-Shantung seitens eines starken Land- uugskorps deutscher Mariuetruppcu zeigt den Chinesen, daß Deutschland nicht mit sich spaßen lassen will, sondern u» Nothfalle entschlossen ist, sich selber Genugthuung wegen der chmepscherseits erfolgten schweren Ausschreitungen zu machen. Fast scheint es aber, als ob die deutsche Regier ung keineswegs geneigt sei, Kiautschau selbst nach befriedi- gender Erledigung der jüngsten Zwischenfälle durch die chinesisch? Regierung wieder anszugeben. Die deutschen Marinetruppen m Kiautschau sollen mindesten den Winter über daselbst verweilen was wohl als die Vorbereitung zu einer dauernden Niederlassung Deutschlands an diesem Punkte der chinesischen Ostkuste aufznfassen ist, und ein solcher Entschluß konnte gewiß mir gebilligt werden. Die deutsche Regierung muy eine gewisse Bürgschaft gegen eine Wiederholung der Auguste auf Leben und Eigenthnm deutscher Reichsangehörigen in China und der Beleidig ungen der Vertreter des deutschen Reiches und seiner Macht in die Hand bekommen, und das geschieht am besten durch die Erlangung eines festen Stützpunktes aus chinesischen Boden. Hierzu eignet sich Kiautschau sehr gut, die dortige geräumige Bucht würde zugleich eine passende Kohlen- und Flottenstatiou für die deutschen Kriegsschiffe abgeben, und schließlich würde der Besitz Kiautschaus auch den deutschen Handelszwecken in China zn statten kommen. Außerdem könnte sich jetzt Deutschland durch die dauernde Besetzung Kiautschaus bequem selber bezahlt für die werth- volleu Dienste machen, welche es im Verein mit Frankreich und Rußland dem besiegten China gegenüber Japan leistete und für welche die beiden europäische Mächte längst gewichtige Anerkennung von chinesischer Seite durch bedeut same Zugeständnisse verschiedener Art gefunden haben. Wenn England schon jetzt scheel auf die zu vermuthende Festsetzung Deutschlands an der chinesischen Küste blickt, so wird sich die Reichsregierung hierdurch in dem ihr zu geschriebenen Vorhaben hoffentlich nicht hindern lassen. Der Zwischenfall mit Hayti nun ist allerdings über ernste Drohungen von deutscher Seite noch nicht hinaus gekommen, und zwar, weil leider nicht gleich ein geeignetes deutsches Kriegsschiff zur Verfügung stund, um 'diesen Drohungen den nöthigen Nachdruck zu verleihen. Das wird indessen bald anders werden. Gegenwärtig läßt die Marine-Verwaltung den starken Kreuzer „Deutschland" schleunigst ausrüsten, der dann sofort nach Hayti abgehen soll, wahrscheinlich ist jedoch auch der gleichfalls zu Kiel in Ausrüstung begriffene Kreuzer „Gefion" nach Hayti bestimmt, nachher dürfte die deutsche Marine von Port-au- Prince genügend stark vertreten sein, um die Genugthuungs- forderungen Deutschlands gegenüber der haytanischen Regierung kräftig geltend machen zu können. Lagesgeschichte. Der Kaiser hielt am Freitag und Sonnabend größere Hofjagden in den Letzlinger Forsten ab. Neben anderen distinguirten Gästen nahm an diesen Jagden u. A. auch der Reichskanzler Fürst Hohenlohe Theil, wodurch der jüngste Jagdausflug Kaiser Wilhelms gewißermaßen einen politischen Beigeschmack erhalten hat. Der Kaiser wird die Eröffnung der letzten Session des gegenwärtigen Reichstages am Dienstag, den 30. November, persönlich vollziehen; zum letzten Male ge schah die Eröffnung des Reichsparlaments durch den Kaiser selbst ani 5. Dezember 1894. Der Eröffnungsakt findet am genannten Tage Mittags 12 Uhr im historischen Weißen Saale des Berlinex Residenzschlosses statt, ihm geht der übliche Gottesdienst voran, welcher für die evan gelischen Mitglieder des Bundesrathes und für die evange- lischen Abgeordneten zum Reichstage in der Jnterimsdom- kirche, für die Katholiken in beiden Körperschaften in der St. Hedwigskirche abgehalten wird. Augenblicklich stehen bei uns die Zwischenfälle mit China und mit Hayti fast mehr im Vordergründe des Tagesinteresscs, als die schwebenden Fragen der inneren Politik. In allen national fühlenden Kreisen herrscht Uebereinstimmung darüber, daß beide „exotische" Staaten von Deutschland energisch zur Rechenschaft gezogen werden müssen, China wegen der Beleidigung deutscher Marine offiziere und der deutschen Flagge durch den Pöbel in Wuchang und wegen der Ermordung deutscher Missionäre in der Provinz Süd-Shantung, die Negerrepublik wegen der Lüders-Affäre. China gegenüber hat die deutsche Regierung, begünstigst durch die Anwesenheit des deutschen Kreuzcrgcschwaders in den ostastatischen Gewässern, den Weg der Genugthuungsforderungen bereits energisch be treten, durch die Besetzung des strategisch wichtigen Hasen platzes Kiao-tschau, auch Kiautschan geschrieben, au der Shantungküste seitens deutscher Marinetruppen. Mit der Besetzung dieses Hafenortes, die übrigens ohne den ge ringsten Widerstand von chinesischer Seile erfolgte, hat die deutsche Regierung ein Faustpfand gegenüber der Pekinger Centralregierung in die Hand bekommen, und wird das selbe vermuthlich nicht sogleich wieder fahren gelassen werden. Mindestens sollen die vom Kreuzergeschwader gelandeten Mannschaften den Winter über in Kiautschau verbleiben; es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß Deutschland Kiautschau überhaupt behält, als eine zu solchem Zweck vortrefflich geeignete Kohlen- und Flotten- station für seine in den ostasiatischen Gewässern kreuzenden Kriegsschiffe. Die Chinesen sind der deutschen Regierung für die guten Dienste, welche dieselbe seinerzeit im Verein mit der russischen und der französischen Regierung den Laagzöpfen leistete, indem dieses europäische Trio die Japaner nöthigte, dem besiegten China recht glimpfliche Friedensbedingungen zu stellen, noch immer die wohlver diente Anerkennung schuldig. Rußland und Frankreich haben ihre Belohnung vom „Reiche der Mitte" längst in Gestalt wichtiger Land-, Handels- und Eisenbahnkon zessionen erhalten, nur wir gutmüthigen Deutschen hatten bislang das Nachsehen. Jetzt ist Gelegenheit für Deutsch land geboten, durch die dauernde Besetzung Kiautschaus sich nach eigenem Gutdünken für seine ehrlichen Makler dienste gegenüber China zu belohnen. Die Chinesen dürften schwerlich ernstlichen Widerstand gegen eine Fest setzung der Deutschen in Kiautschau wagen, ebensowenig sind wohl Proteste von europäischer Seite zu besorgen, etwa das neidische England ausgenommen; vermuthlich würde aber ein solcher englischer Protest gegen eine An nexion Kiautschaus durch Deutschland auf dem Papier stehen bleiben. Bezeichnend für die in England gegen uns herr schende Stimmung ist ein Artikel der Wochenschrift „Staturday Review", der einen Vernichtungsruf gegen Deutschland ausstößt. Mit verblüffender Offenheit wird hier erklärt, für Englands Gedeihen sei es unerläßlich, die deutsche Macht und die deutsche nationale Einheit Zu zertrümmern: „Ueberall, wohin der Welthandel nur sich ausbreitet, ist der deutsche Kaufmann auf dem Platze und bestrebt, dem englischen zuvorzukommen, mit ihm in Wett bewerb zu treten, ihn aus dem Markte zu drängen; aller orten stößt der deutsche Handlungsreisende mit dem eng lischen Pedlar zusammen. Giebt es ein Bergwerk auszu- beuten, eine Bahn zu bauen, Eingeborene, die bisher von Brotkorn lebten, für den Genuß von Büchsenfleisch zu gewinnen, sind es immer die Engländer und die Deutschen welche in dem Bestreben, die ersten zu sein, sich begegnen- Eine Million kleiner Zwistigkeiten summirt sich hier zur- wuchtigsten Kriegesursache, welche die Welt je erlebt haben dürfte." . . . „Sollte Deutschland morgen nicht mehr sein, so würde sich den Tag darauf auf dem ganzen Erdenrund kein Engländer finden, der nicht hierdurch reicher geworden wäre. Völker haben jahrelang um den Besitz einer Stadt, eines Erbrechts gekämpft: Müssen sie nicht um einen jährlichen Handelsumsatz von 250 Mill. Pfund Sterling Krieg führen?" Nach dem Verfasser haben die angeführten Thatsachen England und Deutsch land vor die Wahrscheinlichkeit eines baldigen kriegerischen Konflikts gestellt! Er meint ferner, daß nunmehr zwischen beiden Ländern der denkbar schärfste Gegensatz der In teressen bestehe, und daß England die einzige Großmacht ist, welche, ohne „schreckliche Gefahr" zu laufen, Deutsch land bekämpfen könne, und zwar „ohne jeglichen Zweifel wegen des Erfolges!" Bald würden die deutschen Schiffe sich am Meeresgründe oder in sicherem Geleit nach eng lischen Häfen, Bremen, Hamburg, der Kaiser Wilhelm- Kanal und die deutschen Ostseehäsen sich gegenüber den, Mündungen englischer Kanonen befinden, welche nur abzu warten hätten, bis die von Deutschland zu leistende Kriegsentschädigung festgesetzt sei. „Nach vollbrachter That haben wir lEngland) nur Frankreich und Rußland darauf hinzuweisen, sich irgend Kompensationen zu suchen: „Nehmt euch innerhalb Deutschlands, was euch beliebt!": „Ihr könnt es haben!" " Mchten wir Deutschen doH