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Zweites Blatt. ThmM Mn, Äkbenlchn md die Umgegknden. ImtsölM für die Ugl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 140. Sonnabend, den 27. November 1897. Advent. Der erste Advent ist ein Neujahrsfest: treten wir doch niit ihm ein in ein neues Kirchenjahr. Das bürger liche Neujahr bringt uns im Evangelium die Kunde, daß der Name des zu Weihnachten geborenen Kindes Jesus genannt ward. Der Name Jesus empfängt uns dort an der Schwelle des neuen Jahres. So weiset auch der erste Advent, im neuen Kirchenjahr der erste Sonntag, hin auf das Christenkind, den Mittelpunkt unseres Christenglaubens, wenn er in uns die Frage erweckt: Wie soll ich dich empfangen und wie begegn' ich dir, du aller Welt Ver langen, du meiner Seelen Zier? Advent bedeutet An kunft. Das Herannahen dessen ist gemeint, von dein die Propheten gezeuget haben, dessen, der, Gott von Ewigkeit her, sich nicht für zu gut hielt um der Menschen willen Mensch zu werden, und ihnen in der Hülle der Niedrig- ke t seine göttliche Herrlichkeit zu offenbaren. Christi Ge burt feiern wir zu Weihnachten, und die Zeit des Advents ist uns gegeben, nm uns auf dieses Fest der Liebe vorzu- bereiten. Wir sollen während der nächsten Wochen uns vertiefen in die Unergründlichkeit des Erbarmens Gottes, der, um das Verderben der Menschen von ihnen zu wenden, seinen Sohn sich vom Herzen riß und ihn zu nächst auf die Erde und endlich gar in den Tod sandte. Aber es soll dann nicht nur bei einem Anschauen und Anstaunen der Größe dieser Gottesliebe bleiben; sie soll bei uns Gegenliebe erwecken. „Lasset uns ihn lieben", soll es heißen; „denn er hat uns zuerst geliebet." Die Liebe zu Gott aber findet hier auf Erden ihren Ausdruck in der Liebe zu dein Nächsten. Das Weihnachtsfest muß auf Erden ein großes allgemeines Fest der Liebe werden, und damit es das werden könne, mahnt der Advent: „Freuet Euch in dem Herrn allewege. Eure Lindigkeit lasset kund werden allen Menschen." Dann nämlich kann man sich recht in dem Herrn freuen, wenn man darauf ausgeht, die Herzen der Mitmenschen froh zu machen. Möge darum ein jeder sich in der Weise rüsten auf Weih nachten, daß er nicht nur auf sich und die Seinen denkt, daß er vielmehr bereit ist, sich und den Seinen etwas zu entziehen, nm andere damit froh zu machen. Von den irdischen Weihnachtsgaben erfreuen nicht die, die wir empfangen, zumeist das Herz, sondern die, die wir aus- theilen; denn Geben ist seliger denn Nehmen. Wohl dem, der im Advent die Wahrheit dieses Wortes an sich erfährt. Die Flottenfrage. Binnen wenigen Tagen versammelt sich der deutsche Reichstag wieder, womit u. A. auch die nun schon so lange schwebende Frage der Verstärkung der deutschen Flotte endlich in ihr letztes Stadium, in jenes der parlamentarischen Entscheidung treten wird. Da die seit Monaten angekündigte neue Marine-Vorlage dem Parlamente entweder gleich bei seiner Eröffnung oder doch alsbald nachher zugehen soll und hiermit also für die Oeffentlichkeit inhaltlich bekannt gegeben werden wird, so wäre es müßig, über den etwaigen Umfang der betreffenden Forderungen jetzt noch eingehende Betrachtungen anstellen zu wollen. Es ist so viel Wider spruchvolles über die der Reichsregierung zugeschriebenen Flottenpläne m die Welt gesetzt worden, daß eben nur die Bekanntgabe der bezüglichen Gesetzvorlage die öffentliche Meinung Deutschlands m Stand setzen kann, sich nunmehr ein bestimmtes Urtheü m der Flottenangelegenheit zu bilden. Jedenfalls darf man aber an leitender Stelle überzeugt sein, daß an sich der Gedanke einer zeitgemäßen Kräftigung unserer Wehrmacht zur See m allen einsichtsvollen Kreisen des deutschen Volkes Zustimmung findet und schon längst in seiner Bedeutung gewürdigt worden ist. Die Unzuläng lichkeit unserer Seestreitkräfte zum nachdrücklichen Schutze des ausgedehnten überseeischen Handels und weiter der deutschen Interessen überhaupt an fremden Küsten und in fernen Landen, zur Wahrung des Ansehens und der Würde des deutschen Namens im überseeischen Auslande ist bereits seit Jahren in einer ganzen Reihe von Fällen scharf genug hervorgetreten. Und ein seltsames Spiel des Zufalles will es, daß gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da die Frage der Flottenverstärkung zum Austrag gelangen soll, abermals der gebieterische Rus an die deutsche Flotte zur Wahrung der vaterländischen Interessen und des vaterländischen An sehens in Ländern jenseits des Ozeans ergeht, wie die bekannten Zwischenfälle mit China und Hayti darthun. Gewiß haben wir nun schon ein stattliches Geschwader an der chinesischen Küste, das auch durch die Besetzung Kiaut- schans recht kräftig in den deutsch-chinesichen Konflikt ein gegriffen hat und welches sogar noch durch ein zweites Geschwader vermehrt werden soll, und sicherlich werden wir im Ferneren auch noch ein geeignetes Kriegsschiff für Hayü anfbringen. Dafür ist jedoch die gesammte amerikanische Westküste, ebenso ganz Südamerika, von deutschen Kriegs schiffen entblößt, und weiter ist die maritime Vertretung Deutschlands in Ost-, West- und Südafrika, dann in der Südsee, eine außerordentlich schwache; in den orientalischen Gewässern ist die deutsche Marine seit Entsendung der „Kaiserin Augusta" nach Ostasien augenblicklich überhaupt nicht vertreten. Schon aus diesen flüchtigen Hindeutungen dürfte die Unzulänglichkeit der deutschen Flotte in ihrem gegenwärtigen Bestände zur kräftigen Vertretung der Interessen Deutsch lands im Auslande genügend erhellen. Daneben könnte wohl auch unsere Küstenvertheidigungsflotte für den Kriegs fall eine Ergänzung recht gut gebrauchen. Solcher Sach lage wird sich hoffentlich auch der Reichstag nicht ver schließen, denn nicht nnr unter den als regierungsfreundlich geltenden Parteien, den Konservativen, Freikonservativen und Nationalliberalen, sondern auch in den Reihen des Zentrums und der Freisinnigen giebt es genug überzeugte Anhänger einer zweckentsprechenden Vermehrung der vater ländischen Kriegsmarine. Aber freilich, die Voraussetzung zur Gewinnung einer Mehrheit im Reichstage zur Durch führung des gedachten Zweckes ist eben, daß der neue Flottenplan sich in den durch die Verhältnisse gegebenen Grenze hält, daß er namentlich keine außerordentlichen Zumuthungen an die Reichsfinanzen stellt. Forderungen der verbündeten Regierungen, welche ans die Schaffung einer starken Flotte für Deutschland, die vielleicht gleich hinter Englands und Frankreichs käme, hinauslaufen sollten, würden im Reichstage ganz gewiß keine Mehrheit erlangen und ebensowenig Zustimmung im Lande finden. Falls sich jedoch die Berliner leitenden Kreise mit dem Entschlusse tragen sollten, das Parlament aufzulösen, wenn dasselbe den Marineforderungen der Regierung nicht zu stimmen würde — gerüchtweise verlautet wenigstens hie und da von einer derartigen geplanten Entschließung an maßgebender Stelle — so müßte eine solche Taktik als sehr bedenklich erachtet werden. In sehr breiten Schichten der Wählerschaft herrscht nnn einmal nicht das nöthige Ver- ständniß für die Aufgaben unserer Marine, in anderen Schichten der Wählerschaft aber besitzt man wohl diese Einsicht, aber aus Oppositionslust u. s. w. verschließt man sich derselben absichtlich. Ob angesichts solcher Verhältnisse die Marineforderungen eine glückliche Wahlparole, vom Regierungsstandpunkte aus, für etwaige Neuwahlen zum Reichstage an Stelle des aufgelösten Parlaments sein würden, möchte schon jetzt denn doch sehr zu bezweifeln sein. Die Wege der Vorsehung. Roman von Arel Albrecht. (Nachdruck verboten.) Einleitung. Der Schneesturm. Die kalte Dezembernacht neigte sich ihrem Ende zu. Mit Sonnenuntergang hatte sich ein Icharfer Nordostwind erhoben, der mit eisiger Kälte über die Felder fegte und einen bevor stehenden starken Schneefall verkündigte. Und dieser war in der That nicht ausgeblieben, denn schon nach wenigen Stunden wurden der Mond, der bisher einen fahlen, bleichen Schein verbreitet hatte, und die klaren, glitzernden Sterne wie mit einem dichten Schleier bedeckt, und der Schnee fiel in dichten Flock'N zur Erde. Während draußen auf dem Lande die ganze Gegend in ein schier undurchdringliches Dunkel gehüllt war und die unge heuren Schneemasscn fast unbemerkt herabfielen, konnte man in der Stadt bei dem Schein der flackernden Laternen beobachten, wie der Schnee in langen weihen Linien herabfiel, wie Flocke auf Flocke sich drängte, und wie sie alle gleich zahllosen, glitzernden Sternen im Strahle der Gaslaterncn erglänzten. Stunde auf Stunde verrann und die ganze lange Nacht hindurch hielt der Schneefall in unverminderter Stärke an; der Wind hatte sich gelegt, nur hin und wieder trieb ein kalter Luftzug die silberglänzenden Flocken wirbelnd und schwirrend durcheinander. Doch die Nacht neigte sich nun ihrem Ende zu und der Tag war nahe. Nach und noch fiel der Schnee in immer dünneren Flocken herab, bis er endlich ganz ausblieb und der Mond wieder in vollem Glanze am wolkenlosen Himmel erschien. Welch ein Gegensatz zwischen der Schönheit und dem Frieden dicseswcißen Wintcrmorgens und dem unwirschen Dunkel der kalten schwarzen Nacht mit ihren unablässig herabwirbelnden, schier undurchdringlichen Schneemaffen! Das strahlende Mondlicht überfluthete Stadt und Land Häuser und Straßen mit einem bleichen, klaren Glanze, und enthüllte dem Blicke, so weit das Auge reichte, ein endloses Meer von weißen, schimmernden Schneemaffen. Auf jedem Dache, jedem Baum und Strauch lagerte eine dichte Schneedecke; die Laternen waren derart verschneit, daß sie kaum ein schwaches Licht zu verbreiten vermochten, und jeder Pfahl der grünen Stakete, mit welchen die Vorgärten des Städtchen- umzäumt waren, trug ein spitzes, weißes Hütchen. Noch war alles still; kein Laut durchbrach die feierliche Stille der schlummernden Natur und verkündete das Heran nahen des kommenden Morgens. Tiefer Friede lagerte über der Stadt; noch war alle Kreatur vom Schlaf umfangen und noch hatte kein Fuß die weiche Schneedecke betreten, die in ihrer keuschen, reinen Klarheit weithin erglänzte. Und wiederum verging eine Stunde. Der Mond stand bereits tief am Himmel, als sich nach und nach die ersten An zeichen des erwachenden Lebens in Wallstadt bemerkbar zu machen begannen. Hier und da öffnete sich eine Hausthür, und ein Mann oder eine Frau trat zaghaft und fröstelnd in die kalte Morgen luft heraus, um nach einem erstaunten Blick auf die tiefen Schneemaffen, die über Nacht gefallen waren, eiligst ihrem Be rufe nachzugehen. Und es war ein schwerer Beruf, durchweichen sich diese armen Menschen ihr kärgliches Brot sauer verdienen mußten. Sie waren jeden Morgen, im Sommer wie im Winter, bei Wind und Wetter die ersten auf dem Plan, denn ihre Arbeit bestand darin, die zahlreiche Arbeiterbevölkerung des Fabrikstädtchens aus dem Schlaf zu wecken. Es gab etwa sechs oder sieben Leute beiderlei Geschlechts in Wallstadt, welche sich, der Noth gehorchend, diesem wenig enträglichen Erwerbs zweig gewidmet hatten, da sie zu einer anderen Arbeit nicht mehr fähig waren. So sah man einen Invaliden durch die Straßen de- Arbeiterviertels humpeln, der sich fröstelnd in seinen zerrißnen Mantel hüllte und, so schnell ihn nur sein Stelzfuß zu tragen vermochte, von einem Hause zum anderen eilte, um seine „Kunden* rechtzeitig zu bedienen. Und da er sich eines zahlreichen Kunden kreises zu erfreuen hatte, von dem fast Jeder zu derselben Stunde geweckt werden wollte, so hatte er nicht viel Zeit zu verlieren, um ihnen Allen gerecht werden zu können. So konnte er sich denn bei dem Eizelnen nicht lange aufhalten; ein ener gischer Schlag mit seinem Krückstock an die Fensterläden, dem hin und wieder noch ein ermunterndes oder mahnendes Wort folgte — und der Alte eilte weiter. Noch ehe die „Wecker" ihre Runde vollendet hatten, sah man überall Lichter aufleuchten und bald huschten Frauen und Kinder mit Körbchen an den Armen über die Straße, um zu den eben geöffneten Bäckerläden zu eilen und daun schleunigst zurückzukehren, um dem Mann oder Vater rechtzeitig das Früh stück zu bereiten. Im Innern der Arbeiterhäuser begann sich unterdessen eine rege Thällgkeit zu entwickeln; in den großen eisernen Oefen, welche sowohl zum Kochen als auch zur Erwärmung des Haupt- wohnraums der Familien dienten, wurde das Feuer angezündet, der Kaffee gemacht und alles für die Arbeit des beginnenden TageS vorbereitet. Es war ein Viertel vor sechs Uhr, die Dampfpfeifen der zahlreichen Fabriken des indu striereichen Städtchens ertönten und riefen mit ihrem dumpfen, weithin reichenden Klang zur ge wohnten Tagesarbeit. Wie viele diesem Rufe Folge leisteten, erhellt daraus, daß schon nach wenigen Minuten die Königstraße, welche die Haupt-