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Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Ml. 30 Psg., durch die Post bezogen I Ml. 54 Psg. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresse: Amtsblatt WilSdrufs. und Nmgegenö. Amtsblatt Inserate werden Montag-, Mittwochs und Freitags bis spätestens 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 15 Psg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Außerhalb des Amtsgenchtsberirls Wilsdruff 20 Pfa. Zeitraubender und tabellarischer Satz mit 50 Aufschlag. für die Kgl. Amtshauptmannschaft Meisten, für das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrat rn WUsNvirS. sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, HerzogSwal!» mn «aneoerx, Hvynvorr, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotze», Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsd-rf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steiabach bei Nohors, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck Ulld Verlag vou Arthur Zschunke, Wilsdruff. Für die Redaktion und den amtlichen Tei! verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. No. SS. Donnerstag, der» LS. August 1968. 67. Jahr«. Truppenübungen betreffend. Anläßlich der diesjährigen Truppenübungen werden am 11., 15. u. 18. September (Biwakslage) die Schiedsrichterstäbe (je 1 bis 2 Offiziere, 2 Mann und 4 Pferde) auch ohne vorherige Ansage Quartier beanspruchen. Die Herren Gemeindevorstände und Gulsvorsteher des hiesigen Bezirks werden daher angewiesen, etwaigen Unter- bringungsanträgen zu entsprechen. Meißen, am 15. August 1908. is. Im Auftrage -er Königlichen Kreishauptmannfchaft Dresden: Die Königliche Amtshauptmannschaft. Unter dem Gestugelvestunde des Grundstückes Brv.-Kal.-Nr. 25 zu Helbigs dorf ist die Geflügelcholera ausgebrochen. Meißen, am 18. August 1908. iss Die Königliche Amtshauptmannschaft. Der Plan über die Errichtung einer oberirdischen Telegraphenlinie am Kommunika tionswege von Klipphausen nach der Neudeckmühle liegt bei dem Postamt in Wilsdruff vom 20. ab 4 Wochen aus. Dresven-A., 17. August 1908. is» Kaiserliche Ober-Postdirektion. Bekanntmachung. Der Unterzeichnete ist ermächtigt, freiwillige Spenden für das Luftschiff unternehmen des Grafen Zeppelin in Empfang zu nehmen und wird die etwa eingehenden Beträge an die Königliche Amtshauptmannschaft Meißen weitergeben. Schluß der Sammlung erfolgt Ende dieses Monats. Wilsdruff, am 17. August 1908. in Der Bürgermeister. Kahlenberger. PMEchK NAAKfetzsSN. Wilsdruff, den 19. August. Deutsches Reich. Zur Zeppelin-Freude der Nation schreibt der .Deutsche": Das ist das Große und Herr liche in diesen Tagen, daß in ihnen so mancher den Glauben an die Nation wiederfindet. Wo könnte jetzt „Simplizissimus-Stimmung" sich äußern, ohne sofort niedergeschlagen zu werden. Ein und dasselbe Gefühl beseelt Fürst und Volk, Herr und Knecht. Der erträumte Heerruf von Döberitz, das deutsche Slurmlied in Ham burg, die jauchzende Hilfsbereitschaft nach Echterdingen — das sind alles brausende Akkorde aus der gleichen Grund- stimmung. Lieb Vaterland, magst ruhig sein. Herr Erzberger «ud der Juliusturm. Georg Bernhard, der sich früher verpflichtet gefühlt hat, ein Sozialdemokrat zu werden, bis er erkannte, daß für Köpfe von redlich strebendem Bemühen unter der Partei-Knute kein Platz ist, hat oft Beweise von beachtens werter Selbständigkeit gegeben und liefert einen solchen jetzt wieder im „Berliner Tageblatt", indem er den witzigen Vorschlag des Herrn Mathias Erzberger, M. d. R, den Reichskciegsschatz aufzuzehren, vom rein ft anzpolitischen Standpunkle aus beleuchtet Daß Herr Bernhard kein Schwärmer für den sogenannten „Militarismus" ist, braucht nicht besonders betont zu werden. Er belehrt Herrn Erzberger also wie folgt: „Gewiß erscheint es zunächst als ein erlösender Gedanke, 120 Millionen baren Geldes der Retchsbank gewissermaßen als ein Darlehen des Reiches zuzuführen. Denn Vie Rcrchsbank darf ja bekanntlich das Dreifache ihres Barbestandes an Noten ausgeben. Es würden mit hin, wenn man jene 120 Millionen der Reichsbänk zu- führte, dem Geldverkchc des Deutschen Reiches 360 Millionen neu erschlossen werden. Wenigstens hätte die Reichsbank bei Bedarf die Möglichkeit, diese Summe in den Verkehr zu setzen. In dem Momente aber, wo ein Krieg ausbräche, und wo jene Tage der Spannung ent- stünden, die für jedes Staatskreditwesen außerordentlich gefährlich sind, da würde sich das Verkehrte solcher Handlungsweise zeigen. Nehmen wir einmal an, der Krieg fiele in eine Zeit, in der die wirtschaftliche Tätig, keit sehr rege, die Nachfrage nach Geldmitteln daher sehr groß gewesen ist, es sollen also fast die sämtlichen 360 Millionen Noten auf Basis der Einlage des Reichskriegs- fchatzes in die Retchsbank in Verkehr gesetzt worden sem. Vom Ausland strömen natürlich die Noten im Kriegsfall nach Deutschland zurück. Man versucht Gold von der Reichsdank zu bekommen. Die Reichsbank muß den KricgSschatz für diesen Zweck auszahlcn, sodaß er für die Mobilmachung nicht, vorhanden ist. Aber nicht nur das, auch wenn nicht alle 360 Millionen Noten in Umlauf gefetzt Horden sind, so werden jedenfalls über den Bar betrag bon 120 Millionen hinaus Noten emittiert worden sein. Jetzt schwindel die Bardeckung, und damit beginnt nicht bloß für 120 M'llionen, sondern für viel mehr Zirkulationsmittel die Unterlage zu fehlen. Die Reichs- bank ist in dieser Zeit, wo an sie ohnehin die größten Ansprüche gestellt werden, und wo alle Welt ihre Kredite zurückzieht, nun auch ihrerseits noch gezwungen, die Kredite einzuschränken und damit die Kceditsuchenden ihrer letzten Zuflucht zu beraube». Anstatt durch eine verständige Politik der allzu kritischen Zuspitzung der Verhältnisse zu wehren, muß diese Handlungsweise dazu beihelsen, die allgemeine Katastrophe noch zu verschlimmern. Ganz anders liegen die Dinge, wenn sich erst im Falle der Mobilmachung dem Golde des Juliusturmes die Tore öffnen. Ich sehe hier ganz davon ab, welche moralische Wirkung die Fähigkeit, bar zu bezahlen, hat. Denn viel erheblicher scheint mir die Wirkung auf die Geldverhältnisse. Jetzt kommt plötzlich Gold in den Verkehr, sodaß gerade in dem Moment, wo die Geldmittel knapp zu werden beginnen, wo das Ausland von uns Gold verlangt, statt daß wir alte Umlaufsmittel zurück- ziehen müssen, neues Gold sich in die Verkehrsadern er gießt. Wenn man heute oder in besonders kritischen Zeiten das Gold aus dem Juliusturm nehmen würde, so würde das gewissermaßen einem Verbrauch gleichkommen. Denn Gold, daß einmal der Wirtschaft zugeführt worden ist, ist nicht leicht zurückzubringen. Hat der Verkehr sich erst daran gewöhnt, eine größere Notenmenge zu plaziere», haben sie womöglich gar in Warenpreissteigerungen eine volkswirtschaftliche Wirkung ausgeübt, so ist dann an ein Zurückziehen sehr schwer zu denken. Deshalb soll man von vor: herein alle solche Pläne als illusorisch von der Hand weisen. Es ist eine Binsenweisheit, daß bar niedergelegtes Geld keine Zinsen bringt, aber es ist ein Trugschluß, daß jeder Zinsevtgang ein Zinsverlust sein muß. Wenn man 120 Milli: neu gleich zur Verfügung haben will, so darf man sich von dem Versprechen nicht locken lassen, daß mit diesen 120 Millionen 300 Millionen zu machen sind. Denn der Preis, den mau daiür zahlt, ist der, daß man das Geld nicht hat, wenn man es braucht. Und solcher Preis wäre zu hoch." Man braucht wohl nicht ohne weheres anzunehmen, daß der Einfall des Herrn Erzberger dem Zentrum selbst besonders pfiffig erschienen sei Das hieße denn doch, diese Partei tief unter ihrem Werte zu taxieren. Aber vielleicht steht selbst Herr Erzberger jetzt ein, daß er auf solche Weise den Block nicht sprengt. Die Bevorzugung deutscher Dampfer seitens der Reisenden. Trotz der Tatsache, daß die englischen Dampfer der Cunard-Linie „Lusitania" und „Mauretania" schneller sind als die schnellsten der deutschen Dampfer, werden die deutschen Dampfer nach wie vor von den Paffagieren erster Kajüte bevorzugt. So hatte kürzlich die „Lusitania", die einen Tag vor der „Kaiserin Auguste Viktoria" Nsw-Nork verließ, nur 260 Kajütspaflagiere 1. Klasse, während der deutsche Dampfer 540 hatte. Der Grund hierfür ist nach dem Urteil eines Amerikaners der, daß die Einrichtungen betreffend Unterkunft, Verpflegung usw. an Bord der deutschen Dampfer in jeder Beziehung bester sind, als an Bord englischer oder amerikanischer Schiffe. Zu der Begnadigung -es „Hauptmanns von Köpenick" wird noch gemeldet: Nach Angaben der Witwe Menz, einer Schwester des Voigt, zu der er sich begeben hat, und die in Nixdorf wohnt, wird ihr Bruder nicht „bei dem Leisten bleiben", sondern sich eine kleine Landwirtschaft kaufen. Es seien viele Geldmittel für Voigt ringegangen, die auf einer Bank liegen. — Aus dem G-fängntsleven Voigt« verlautet noch, daß er in seinen Freistunden die alten Klassiker viel gelesen hat. Er hatte den Wunsch, eirmal ein gutes Theater oder eine Oper besuchen zu dürfen. Auf die Frage des Krtminalinspektors Wehn und des Kriminalkommissars Nasse, weswegen er die Tat in Köpenick ausgeführt habe, antwortete er, „daß er mit der ganzen Menschheit zerfallen gewesen sei, nachdem er wegen eines E nbruchs in eine Gertchtskasse zu hart be straft worden sei". Nach dem Verlassen des Zuchthauses sei ihm plötzlich ein Groll aufgestiegen, und in dieser Stimmung habe er den Köpenicker Streich vorbereitet und durchgeführt. — Voigt ist natürlich auch interviewt worden. Er soll u. a. gesagt haben: „Für meine Freilassung bin ich natürlich dankbar, ich trage auch meinen Richtern keinen Groll nach. Es ist das System, das mich in der Verzweiflung und im Kampfe um Nahrung, Kleidung und Wohnung auf diese Bahn getrieben hat. Ich habe ein sehr feines Gefühl für das moralische Gesetz und kann ein wirkliches Unrecht nicht leicht verschmerzen . . . Es sind mir viele Angebote gemacht worden, zum Teil bis zu 500 Mark allabendlich, um öffentlich aufzutreten und meine Erlebnisse zu erzählen, besonders die Geschichte von Köpenick. Ich will daS aber, wenigstens in Preußen, unterlassen, und wenn ich trotzdem mal öffentlich auftreten sollte, so möchte ich doch hierzulande die Geschichte von Köpenick umgehen. Aber auf irgendwelche Weise werde ich natürlich in ähnlicher Art mein Brot verdienen, und daß das immer etwas mit meinem Lebensschicksal zusammenhängen wird, ist ja wohl erklärlich und kann mir niemand übel nehmen. — Es wird weiter berichtet, Voigt habe unter allen Angeboten, die man ihm b sher gemacht, nur das des Impresario Ike Rose, des Gatten der Saharet, und seines Kompagnons Henry de Vry in nähere Erwägung gezogen. Ec wolle sich zunächst einige Zeit erholen und dann vielleicht in einigen außer preußischen Städten und im Auslände öffentlich auftretcn und einige Vorträge halten, wobei er die psychologischen Beweggründe, die zu seinem bisherigen Leben führten, darzulegen versuchen werde. Der Taumel, in dem sich Berlin seit Freilassung des Hauptmanns von Köpenick befindet, nimmt nachgerade bedenkliche Formen an. Sämtliche Zeitungen, die Mangel an SensatwnSstoff empfinden, haben die gewichtigsten Reporter gechartert und auf den neuesten Helden los gelassen. Wo sich das bejammernswerte Opfer großstädtischer Neugierde zeigt, sofort wird es von einem oder mehreren gepackt und auf das genaueste ausgefragt; schnell bildet sich um diese Gruppe ein Haufe von Leuten, die nicht alle werden, und die ihre Begeisterung in nicht endenwollenden Hochrufen (!) auf den Satiriker der Tat ausklingen lassen. Das lockt natürlich weitere Hunderte an, die mit der Kraft ihrer Fäuste bemüht find, den genialen Schuster von Angesicht zu sehen. Aber ihr Bemühen ist vergeblich; sie sitzen fest eingekeilt in der Menge. Entsetzt entweicht Voigt durch eine Hintertür, um sich diesen Ovationen zu entziehen. Vergeblich! Die Menge heftet sich an seine Fersen! überall preist man in be geisterten Worten den Helden von Köpenick. Hysterische Jungfrauen nicht mehr ganz jungen Datums vergießen reichlich Tränen der Rührung, wenn man der Leiden Voigts gedenkt, die mit einer ins Groteske erhitzten Phantasie inS Maßlose aufgebauscht werden. In seiner Wohnung fühlt sich Voigt nicht mehr sicher; denn außer zahllosen Glückwünschen regnet es Liebesgaben aller Art. Eme große Firma stiftete ihm sogar zwei Flaschen „Köpenicker Raubzugslikör". Gegenüber dem Taumel der Menge bewahrt der ehemalige Schuster eine geradezu königliche Ruhe. Allen Angeboten, die ihn für schwindel- hohe Gagen gewinnen wollen, damit er der staunenden Menge seine Erlebnisse schildere, steht er — bisher! —