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MsdmfferTageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Ranmzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweijungsgebühr 20 Aeichvpfennige. Vor- geschriebeneErscheinungs- —, . tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen- annabme bis norm.10Ubr. - --- -- > —- - Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabati anspru ch erlischt, wenn der Betrag dsrch Klage eingezogen werdenmußoderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend «ellünat»enlg?orn°^mFaU> höherer Lewa», Krieg oder sonstiger»elriedsstörungen besteh! 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Chamberlain ist es gewesen, der sich vor kurzem in seiner Rede über die Räumungsfrage auf dieses Urteil der englischen Kronjuristen berufen hat, die der deutschen Auffassung nach vorzeitiger Räumung un recht gaben; er fügte aber hinzu, daß diese Frage vor allem eine politische Seite habe, die angepackt werden müsse. Daß dies nur mittels der Neuregelung der Reparationen geschehen kann, ist englisch-französischer Standpunkt und kommt darauf hinaus, der deutschen Regierung die vorzeitige Räumung als Lockmittel dafür hinzuhalten, daß sie nun bei der Revision des Dawes- Planes und der Rheinlandkontrolle möglichst weitgehende Zugeständnisse macht. Das hat im englischen Parlament der Stellvertreter des abwesenden Außenministers Chamberlain, nämlich der Lordkanzler, noch einmal ausdrücklich unterstrichen bei einer Debatte, die von der Opposition hervorgerufen wurde. In beiden Häusern des Parlaments wurde eine ganze Reihe von Anfragen über die Haltung der englischen Regierung hinsichtlich der Reparation und der Rheinlaudbesetzung vom Stapel gelassen. Namentlich im Oberbaus griff der Oppositionsführer Lord Parmoor die Thesen Chamber lains über die juristische Seite der Räumungsfrage sehr heftig au und entwickelte dabei zwei neue Ge tz a n k e n , die auszunutzen auch für Deutschland von Wert sein könnte. Er verwies nämlich dabei auf die eine, wirklich unbestreitbare Tatsache, daß Deutschland nie- mats in der Lage sei» werde, die ihm auferlegten R e p a r a t i o n s v e r p f l i ch t u n g e n in einer Zeit von fünfzehn Jahren, also während der bestimmungs mäßigen Besetzungsfrist, bis auf den letzten Pfen u i g zu leisten. Das haben auch die Verfasser des Ver sailler Vertrages nicht für möglich gehalten, — also auch nach ihrer Ansicht fallen die vollständige Erfüllung auch der finanziellen Verpflichtungen des Vertrages und die Besetzungsfrist nicht zusammen. Bei der Auslegung irgendeiner juristischen Bestimmung ist aber bekanntlich in Fällen des Zweifels die Auffassung dessen oder derer maßgebend, die die Bestimmung erlassen haben, weil sie es am besten wissen müssen, was sie beabsichtigen. Llovd George, einer der „großen Vier" von Versailles, so er klärte Lord Parmoor, habe ja selbst deutlich genug darauf hingewiesen, es sei nie die Absick't der Unterzeichner des Friedensvertrages gewesen, die Räumung so lange hin- üuszuzieben. bis Deutschland alle Reparationen bezahlt habe. Also! Und die zweite Anregung, die Lord Par moor gab, ist vielleicht noch erwägenswerter. Er fragte nämlich. weswegen denn die ganze Räumungsfrage >wecks juristischer Klärung nicht vor den Internatio nalen Schiedsgerichts Hof im Haag gebracht morden sei! Der sei doch schließlich bestimmungsgemäß dazu da. um Streitfragen zu klären, die aus dem V-r- sailler Friedensvertrag entspringen. Ein beachtenswerter Borschlag! Deutschland jedenfalls kann praktisch nichts verlieren, wenn es den Versuch macht, einmal auf diesem SLege vorwärtszukommen. Von praktischer Wirkung allerdings wäre ja auch ein Schiedsspruch durch diese Instanz wohl kaum auch wenn er für uns günstig aussallcn würde. Denn die Antwort »es Lordkanzlers behandelte doch wieder nur die poli - lische Seite des ArttlMs 431 und erklärte es merk würdigerweise für überflüssig wenn nun von Deutschland mit besonderer Bitterkeit auf die Tatsache verwiesen wird, »aß Chamberlain letzt die Ans-Hauung Frankreichs über das ganz Unberechtigte der deutschen Forderung Mtterstükt. während er noch als Berichterstatter auf der Genfer Pölkerbnndratssitzung. als dort über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund beraten wurde, mit klaren Worten zum Ausdruck gebracht bat. Deutschland habe die Verpflichtungen erfüllt, die ihm durch den Versailler Ver klag auferlegt worden sind. Tnsolaedessen bleibt die immer wieder ausgesprochene Absicht Englands, „möglichst bald" das Rheinland zu räumen, um so mehr rein theo retisch. als der Lordkanzler noch obendrein erklärte, einzige brauchbare Arbeitsgrundlage sei der Versuch, zwischen den Besatzungsmächten und Deutschland eine Einigung zwecks krühsrer Räumung zu erzielen. Er ließ dabei durchblicken — allerdings ohne eine dabin zielende Anfrage direkt w beantworten —, daß in der Praxis Räumung und Reparation voneinander abhängig seien. Er ging sogar "och weiter, indem er erklärte, auch Japan und Italien '.eieuan beiden interessiert —, da wird es denn wobl nicht «Nvblciben. daß Frankreich diese Erklärung auch hinsichtlich ""d dm' Tschechoslowakei abgibt! Briand hatte ichon dahingehende Andeutungen gemacht, und in Prag o ?vie in Warschau sind entsprechende Forderungen nyon längst angemeldet worden. V«"" Artikel 431 des Versailler Vertrages bleibt allcr- "" überhaupt nichts mehl übrig, also von dem mnzigen Recht, das diefer Vertrag Deutschland Wenn man in Paris und m London seiner «me nach der niristische» Seite des Artikels hin gar so Mc Mim Ergebnisse m Lugm zn ermrten Warnung nach Südamerika. ! Abrüstungskonferenz im Februar. Die öffentliche Sitzung des Völkerbundrates in Lugano brachte kaum wesentliche Fortschritte zu einer Klärung der immer noch undurchsichtigen Lage in de» Hauptfragen. Die Sitzung verhandelte über Hygiene angelegenheiten, über geistige Zusammenarbeit, Verein heitlichung der Gesetzgebung usw., ohne wichtige Beschlüsse zu fassen, und wurde dann auf Mittwoch vertagt. Eine vertrauliche Sitzung schloß sich an, die sich mit dem drohen den Krieg zwischen Bolivien und Paraguay beschäftigen sollte. Die drei südamcrikanischen Ratsmitqlieder Ville gas-Chile, Aguerre Bethancourt-Kuba und Zumeta-Vene Zuela haben sich an den Ratspräsidenten Briand gewandt, um ihm eine Prüfung der Frage nahezulegen, ob der Völkerbundrat Bolivien und Paraguay an die ihnen obliegende Verpflichtung zur friedlichen Regelung von Streitfragen erinnern soll. Der Rat hat sich zur Ab sendung dringender Warnungstelegramme an die beiden streitenden Staaten entschlossen. Das Interesse an anderen Dingen wurde durch die so plötzlich entstandene Krise in den Hintergrund gedrängt. Es handelt sich um zwei lateinamerikanische Republiken, dis zwar Mitglieder des Völkerbundes sind, die aber au den Arbeiten des Völkerbundes nur sehr wenig teil nehmen. Die Ermächtigung für seinen Schritt kann der Nat natürlich, wenn kein bestimmter Antrag eines Völker bundstaates vorliegt, aus dem Artikel 4 des Völkerbund Paktes entnehmen, der besagt: „Der Völkerbundrat beschäs tigt sich mit jeder Frage, die in das Tätigkeitsgebiet des Völkerbundes fällt oder den Weltfrieden berührt." Chamberlain bei Stresemann. Die Unterredung zwischen dem deutschen Außen Minister Dr. Stresemann und Sir Austen Chamberlain am Montag dauerte etwa anderthalb Stunden. Dr Stresemann w>rd die Besuche Briands und Chamberlains erwidern, wobei d'e Besprechungen fortgesetzt wer den sollen. Irgendein bestimmtes politisches Ergeb nid oder auch nur eine politische Linie für künftige Unter redunqen ist dabei bisher nicht zutage getreten. Aus einer Pressebesprechung die Chamberlain nach dem Besuch bei Stresemann mit den englischen Journa listen abhielt ist ebenso wie aus den Pressebesprechungen in der französischen Delegation zu entnehmen gewesen, daß bisher keines der aktuellen politischen Probleme eingehend behandelt-wurde. Der italienische Unterstaatssekretär Grandi Hai zusammen mit Stresemann bei dem italienischen Untergeneralsekretär des Völkerbundes. Paolucci di Cal boli. gefrühstückt und dann mit Chamberlain allein eine längere Unterredung gehabt Stresemann sagte bei einen; Vresseempsang, daß die Zeitunasmeldungen über seine Unterredung mit Briand zum größten Teile phantasievolle Kombinationen seien. Es sei selbstverständlich daß bei solchen Besprechungen die wichtigsten politischen Probleme berührt würden, aber es handele sich in Lugano nicht darum, Reparationen und Nheinräumungsfrage zu behandeln, über das englisch-französische Flottenkom promiß sei in seiner Unterredung mit Briand überhaupt nicht gesprochen worden. Briand gab vor den Journa listen der Meinung Ausdruck daß der Sachverständigen ausschutz für die Revarationsfrage Mitte Januar und der Vorbereitende Abrüstungsausschuß Mitte Februar zu sammentreten können Wie aus Paris gemeldet wird, hat die britische Regierung Poincarö wissen lassen daß sie mit dem Entwurf der französischen Antwort aus die deutsche Mitteilung vom 30. Oktober einverstanden ist. Falsch aber sei die Meldung, wonach die französische Regierung die Antwort Frankreichs in der Frage des Sachverständigen komitees durch Parker Gilbert in Berlin überreichen lasten wolle. Von derartigen Plänen der französischen Regierung sei nichts bekannt. Parker Gilbert, der Reparationsagent, wird gegen Mitte des Monats nach den Vereinigten Staaten abreisen, wo er seinen Weihnachtsurlaub zu ver brinaen aedenkt. EkklSruMN StreseiMUS und Chmberlnins Lugano, 11. Dezember. Sir Austen Chamberlain hat am Dienstag Vertretern der englischen Presse erklärt, daß irgend welche positiven Ergebnisse aus den gegenwärtigen Besprechungen sicher wäre, so braucht mau zum mindesten den Vor schlag nicht gleich abzuweisen, eine Entscheidung über diese juristische Seite des Artikels durch ein unparteiisches Schiedsgericht herbeizuführen. Aber das will man auf der Gegenseite nicht, sondern steuert nur auf das eine Ziel los, die Räumung des Rheinlandes zum Tauschobjekt gegen möglichst weitgehende Zugeständnisse Deutschlands in der Reparationsfrage und für eine unabsehbar lange Militärkontrolle im Rheinland zn machen. in Lugano in keiner Weise zu erwarten seien. Es handele sich bei der Aussprache zwischen den Ministern lediglich um einen allge mein persönlichen Gedankenaustausch. — Kurz vor dieser Erklä rung Chamberlains äußerte Dr. Stressmaim in einer privaten Un terhaltung ausländischen Pressevertretern gegenüber, daß er nach seinen Unterredungen mit Briand und C^mberlain noch ebenso pessimistisch wäre, wie bei seiner Abreise von Berlin, und daß er von Lugano keine positiven Resultate enoarte, wenn nicht die En- tentestaatsmänner zu der Ueberzeugung kämen, daß solche scharfe Aeußerungen, wie sie Briand und Chamberlain in der letzten Wo che betreffs der Rheinlandräumutig machten, dazu angetan seien, die allgemeine Skepsis in Deutschland gegenüber Locarno und dem Völkerbund zu erhöhen. * Neve MtemdW mHaesch-PMem Paris, 11. Dezember. Von amtlicher deutscher Stelle in Paris wird mitgetejlt: „Ministerpräsident Poincare hatte heute den Botschafter v. Hoesch um seinen Besuch gebeten, um mit ihm die Besprechungen über die Einsetzung des Sachverstcnrdigen-Aus- fchusses für die Reparationsfrage fvrtzufetzen. In dieser Unter redung, die daraufhin heute nachmittag stattfand und eine Stunde währte, wurden die noch außenstehenden Fragen einer nochmali gen eingehenden Prüfung unterzogen. Die Verhandlungen werden fortgesetzt werden. Ein Schriftstück wurde dem Botschafter nicht übergeben." * Eichung Ler Mierten in der RMMnssragk? Paris, 11. Dezember. Nach einer Mitteilung des Temps ist zwischen den c sicherten Negierungen über ihre Antwort auf die deutsche Note vom 30. Oktober eine Einigung in folgenden Punk ten erzielt worden: 1. Die offiziellen Sachverständigen werde» „u »ab hängig" sein, wie es Deutschland verlangt, d. h. sie werden feine Beamte, sondern auf Grund ihrer Zuständigkeit gewählte hervorragende Persönlichkeiten sein. Die sechs Regierungen, die im Sachverständigenkomitee vertreten sein werden, behalten an dererseits ebenfalls ihre Unabhängigkeit und sind nicht notwendi gerweise durch die Beschlüsse des Ausschußes gebunden. 2. Jedes Land wird zwei Sachverständige entsen den. Die französischen Sachverständigen sind: Moreau, Gouver neur der Bank von Frairkreich und Edgar Mlix, Professor an der Pariser juristischen Fakultät, der Frankreich bereits im Jahre 1924 im Dawesausschuß vertrat. 3. Die Sachverständigen werden „v o n den Negierun gen bestimm, t", wie es in dem Beschluß vom 16. September heißt, aber diejenigen, die von den sünf alliierten Regierungen ausgervählt werden, werden von der Reparationskommißron nach dem Beispiel von 1924 „ernann t". — Was die deutsche» Sachverständigen onbelangt, so werden sie nach Bestehn des Ber liner Kabinetts von der Reichsregierung oder der Kriegslasten kommission, die bei der Reparationskommission besteht, ernannt werden. 4. Die alliierten und deutschen Sachverständigen werden im Ausschuß völlig gleichberechtigt sein. 5. Die Vereinigten Staaten von Amerika werden ausgefordett werden, sich im Ausschuß vertreten zu lasten. Die Einladung soll durch die Reparationskommission erfolgen. Die amerikanischen Sachverständigen werden kein ossizielles Mandat haben, sondern werden als amerikanische Staatsbür ger wegen ihrer „Zuständigkeit" gewählt werden. Sie werden von der Reparationskommission ernannt werden. 6. Der Ausschuß wird nach Paris eniberufen. Er wird den offiziellen Ort seiner Tagungen sestsetzen, der wahrscheinlich Paris sein wird und entscheiden, ob ein Anlaß vorliegt, sich nach Berlin zu begeben. 7. Die Aufgabe der Kommission wir- genau sestgelegt sein. Die Sachverständigen werden die Zahl der Annuitäten fest legen, die Deutschland wird zahlen müssen, um sich seiner Repa rationsschuld zu entledigen, da -er Dawesplan den Betrag der normalen -Annuitäten festsetzt, aber die Zahl der Annuitäten in der Schwebe gelassen hat. «Außerdem norden die Sachverständi gen ein Programm siir die Kommerzialisierung der deutsche» Schuld ausstellen. 8. Der Bericht des Ausschußes wird an die Reparationskom- mission gerichtet werden, die die Regierungen damit befassen wird. Diese Mitteilungen des Temps mtrsfen mit eurer gewißen Vorsicht ausgenommen werden. Vor allem ist daran festzuhalten, daß die erwähnte Einigung ausschließlich unter den Alliierten er zielt werden dürste, so daß erst «bzuwarten ist, welche Stellung deutscherseits zu den Vorschlägen der Alliierten eingenommen wird.