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D« Wilsdruffer Tägeblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meitze«, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffeu Wilsdruss-Dresden Nr. 11. 84 Jahrgang Mittwoch, den 14 Januar 1925 Telcgr.-Adr.: .Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Uli für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. «n,c»,enprei,: die «,cfp»ltc»c Sisumzeile M Goldpfennig, die 2gespaltene Zelle der amtlichen Bekanntmachungen40«old. Pfennig, die S geloalteneAeklamezeNe im textlichen Teile 100 Doldpfennig. Nachweisungogebühr 20 Doldpfennige. Bor- geschricbeneDrfchtin-ngs- —, - . -- - tage und Platzoorschriste» werden nach Möglichkeit FLkNlPPLch KP ! ÄlNt AHlshkUff Nv. 6 berücksichtigt. Anzcigen- annahmebisvorm.iouhr ——— ———: ^ür die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Darantic. Jeder Radattanjpruch erlischt, wenn der Betrag durch «läge eingezogen werden mub oder der Auftraggeber in Konkurs gcrüt. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, «».Wilsdruffer Tageblatt- erscheint »«glich nachm. s Uhr für de» fol,ende» Tug. BeMgspreiS! Bei Abholung t» «rschilstssteLe und den Ausgabestellen L Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,30 Mk., bei Poftbcstellung M.Se^L Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend E-er un» GeschSstsstellen —- nehmen zu jeder Zeit Be- WMnnaen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt «ur, wenn Porto beiliegt. Werr handelHolWchen Waffen. Mit Italien haben wir nun, nach dem 10. Januar, an dem Deutschland formell seine handelspolitische Freiheit zurüüerhielt, ein handelspolitisches Provisorium, ebenso wird darüber mit England verhandelt, was schon im Handelsvertrag vorgesehen war. Dieser Handelsvertrag selbst ist noch nicht ratifiziert durch die beiderseitigen Volksvertretungen; aber es ist immerhin ein vertrags mäßiger Zustand vorhanden. Auch mit Belgien ist so eben ein solches handelspolitisches Provisorium getroffen worden, so daß ein vertragsloser Zustand zurzeit nur Frankreich gegenüber besteht. Selbst wenn man von der rein politischen Konstellation (Ruhr- und Rheinbesetzung!) absieht, so ist unsere Rüstung für einen Zollkrieg mit Frankreich keineswegs sehr stark. Gewiß haben wir manches Gewichtige in die Wagschals zu wersen, wie z. B. den rheinisch-westfälischen Koks, der für die französische Eisenerzverhüttung von hoher Bedeutung ist. Gewiß können wir andererseits durch Verweigerung der Annahme des französischen Erzes der französischen Schwerindustrie manche Schwierigkeiten be reiten. Aber auch diese Rüstung deckt uns nicht voll. Denn bekanntlich sind wir durch den Daves-Plan zu Sach lieferungen an die Entente verpflichtet. Es sind bei den Verhandlungen darüber Vereinbarungen getroffen worden, die uns eine Brcnnstosf(Kohlen- und Koks-Me- ferung von nicht weniger als 500 Millionen Mark anser legen. Hier hat unsere Rüstung also ein gewaltiges Loch, r>as« wir nicht abstellen können, ohne uns den über nommenen und als solche oft betonten Verpflichtungen zu entziehen — selbst wnen von der Gegenseite ihre Ver- vslichtungen gar nicht eingehalten werden. Außerdem hat sich die französische Schwerindustrie für me Zeit nach dem 10. Januar auch dadurch recht eifrig ge rüstet: man hat nämlich, besonders in Süddeutschlaud, große französische Konsignationslager für namentlich „elsatz lothringische" — mit und ohne Anführungsstriche — Judustrieerzeugnisse aufgespcichert und einen dauernden Rachschub organisiert, um auch nach dem 10. Januar weiter loulurrieren zu können trotz eines etwaigen Zoll krieges. Dabei ist die wirtschaftliche Lage Frankreichs ausgezeichnet. Hatten w i r im Jahre 1024 allein schon lei der Handelsbilanz einen Einfuhrüberschuß von rund 3 Milliarden Goldmark, so steht dem ein srau- ösifcher Ausfuhrüberschuß von etwa 1,5 Milliarden Frank gegenüber. Die Zahlungsbilanz mag dieses Aktiv saldo der Handelsbilanz vielleicht beseitigen; denn Frank reich hat auch erhebliche ausländische Kredite ausgenom men, deren Zinsen ins Ausland wandern. Aber von den Kricgsschäden hat sich Frankreich so gut wie ganz erholt, teilweise ist dort die Vorkriegsproduktion schon über schritten, weil die neu aufgebaute Industrie in den zerstör- wn Gebieten naturgemäß ganz modern eingerichtet ist. Dazu kommt der schwerwiegende Zuwachs der elsässiscü- lothriugisch-saarläudischen Industrie. In Deutschland geht es desto schlechter. Die schwere Belastung unserer Handelsbilanz mit der Nohstoff- einsuhr läßt sich ja nur zum Teil beheben, weil uns ja große Teile unserer Rohstossgebiete entrissen worden sind, was nicht nur für die industriellen, sondern auch nicht minder für die landwirtschaftlichen Gebiete gilt. Durch Erhöhung der Eigenproduktion läßt sich manches tun, aber längst nicht alles. Mehr aber sicherlich als durch die schon allmählich zum Schlagwort werdende „Forcierung der Ausfuhr", denn diese „Forcierung" hängt ja nicht bloß von dem Angebot, sondern ebenso von der Nachfrage ab. Und die ist gerade auf dem Gebiet der Eisenindustrie, die früher unseren stärksten Ausfuhrposten darstellte, wegen Überangebots ganz außerordentlich zu- rüügegangeu — ganz abgesehen noch von den zollpolitischen Hemmungen, die man der Einfuhr deut scher Waren in stets wachsendem Maße — ganz besonders in Frankreich im neuen Zolltarif — entgegenstellt. Jede „Forcierung" der Ausfuhr — selbst wenn sie mög lich wäre angesichts des Überangebots auf dem Welt markt, das schon vorhanden ist — zwingt uns aber bei unserer gänzlich ungenügenden Rohstoffunterlage auch zu einer Steigerung der Rohstoffeinfuhr. Gewiß ist diese zum großen Teil rein kreditmäßig gedeckt; aber diese auslän dischen Kredite sind für Deutschland nur kurzfristig und zu hohen Zinsen zu haben, was man angesichts der jetzt wieder so ungünstigen politischen Lage Deutschlands dem ausländischen Geldgeber eigentlich gar nicht so sehr verdenken kann, die Produktionskosten der deutschen Wirt, schäft aber naturgemäß stark belastet. Das alles kann in diesem engen Rahmen nur ange deutet werden - worauf es ankommt, ist die Erkenntnis, daß ein Zollkrieg mit Frankreich für uns ein sehr gcfähr tiches Unternehmen ist, weil unsere Industrie einen rück sichtslosen Konkurrenzkampf mit Anwendung etwa des Mittels der Unterbietung gar nicht wagen kann, - weil sie es einfach nicht lange auszuhalten imstande ist. Jeden falls nicht solange als die französische. Frankreich selbst - und das ist uns ein Trost - kommt für uns als in dustrielles Absatzgebiet nur wenig in Frage, da es sich durch den Krieg wirtschaftlich aus einem Land mit stärkerem agrarischen Charakter zu einem Industriestaat entwickelt bat, feinen Bedarf an Jndustrieprodukten jetzt zum aller Der Dawes-Plan in Gefahr. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". j Neuyork, 13. Januar. Senator Borah hielt im Senat ! eine sehr beachtenswerte Rede, in der er ansführte, daß der Er- ! folg des Dawes-Planes solange fraglich bliebe, bis die End summe der von Deutschland zu zahlenden Reparationen endgül tig festgesetzt worden sei. Die ausländische Industriekontrvlle Deutschlands müsse sofort beseitigt werden, denn Deutschland be- ! dürfe zur Ausführung des Dawes-Planes vollste Freiheit auf allen Wirtschaftsgebieten. Der Dawes-Plan könne nur dann voll zur Auswirkung gelangen, wenn die Endsumme der deut- scheu Verpflichtungen in den durch die Vernunft gebotenen Gren zen festgesetzt würde. Heute sei der Dawes-Plan bereits wieder in Gefahr. Die wesentliche Bedeutung dieses Planes liege darin, daß er Wege eröffne, die zur Lösung der großen Wirtschaftspro bleme Europas führen könne. Er müsse in verschiedenen Punk ten abgeändert werden, denn er überantworte natürlich und in dustrielle Energiequellen einer großen Nation fremden Inter essen. Nur dann stelle er eine Dauerlösung dar, wenn Deutsch- ? land größere Anleihen gewährt würden. Gilbert in Paris. — Deutschland ist seinen Verpflichtungen nachgekommen. Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 13. Januar. Der Generalagent für Reparations zahlungen ist gestern in Paris eingetrosfen, um der Reparations- kommission Bericht über den bisherigen Verlauf der Ausführung des Dawes-Gutachtens zu erstatten. Sämtliche Kontrollaus- schüsse sind eingesetzt und funktionieren normal. Deutschland er- : füllt, wie auch der „Temps" ausdrücklich zugibt, pünktlich sein; Verpflichtungen nach den Bestimmungen des Sachverständigen- i planes. Am Mittwoch tritt der allgemeine Vermittlungsausschuß unter dem Vorsitz Gilberts zusammen. Der Ausschutz besteht aus dem Generalagenten, den Reichsbank- und Eifendahnkommissaren und den beiden Treuhändern der Industrie- und Eisenbahnobli- gationen. > Die deutsch-französischen Wirtschssts- verhandlungen. > Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Paris, 13. Januar. Die deutsche Wirtschaftsdelegation veröffentlichte gestern abend folgende Mitteilung: Angesichts der ablehnenden Haltung, die die deutsche Regierung gegenüber dem von Frankreich vorgeschlagenen Provisorium einnimmt, hat der Handelsminister Reynaldi in der gestrigen Besprechung mit Staatssekretär v. Trendelenburg neue Vorschläge für die Fort- ! führung der Verhandlungen gemacht. Diese Vorschläge werden f zurzeit von den deutschen Delegierten geprüft. Unabhängig von den Einzelverhandlungen des Vertreters der deutschen Wirt schaftsdelegation mit dem französischen Handelsminister nehmen die Besprechungen der deutschen und französischen Sachverstän- > digenihren Fortgang. Die Vertreter der deutschen chemischen In- < dustrie stehen augenblicklich in Fühlung mit ihren französischen Kollegen. Es ist jedoch kein Geheimnis, daß auch in diesen Be sprechungen sich Interessengegensätze geltend machen, für die ein Ausgleich nicht vorauszusehen ist. Schwerer kisenbästnunglUch. 2I Tote aus üen Trümmern geLogen. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Herne i. W., 13. Januar. Heute morgen 7,25 Uhr er eignete sich ein folgenschweres Unglück aus dem Bahnhof Herne. Der Personenzug 2,30 Uhr Dortmund—Wanne stand auf dem Bahnhof und die Reffenden waren im Begriff einzusteigen, als der V-Zug Nr. 10, auch von Dortmund kommend, einlief. Letz terer fuhr aus den Personenzug. Die letzten Wagen des Per sonenzuges wurden vollständig zertrümmert und ineinanderge schoben. Bis jetzt sind 21 Tote aus den Trümmern hervorge zogen worden. Die Zahl der Verletzten beträgt schätzungsweise 50. Ein Verletzter ist bereits seinen Wunden erlegen. Aufsehenerregende Bekundungen Sadouls Eigener Fernfprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 13. Januar. Vor dem Kriegsgericht der 5. Di vision in Orleans erschien gestern nachmittag Sadoul. Während der Verlesung der Anklageakten scherzte und lachte er mit seinem Verteidiger und legte auch sonst während des Verlaufes der Ver- hLndiungen größte Unbefangenheit an den Tag. Aus seiner langen Verteidigungsrede hat folgende Stelle großes Aufsehen erregt: Es ist unbegreiflich, daß man in Frankreich immer noch nicht weiß, daß Lenin und Trotzki bei der Bildung der Sowjet- rcgierung unaufhörlich die militärische Unterstützung Frankreichs zur Wiederaufnahme des Krieges gegen Deutschland erbeten haben. So wurden begreiflicherweise die russischen Generäle, die den Frieden von Brest-Litowsk verhandelten, von den Gene rälen unserer Mission ernannt. Lenin rechnete mit einem Ab bruch der Friedensverhandlungen und nahm an, daß er gezwun gen sein würde, den Krieg gegen Deutschland wieder aufzuneh men. Er ließ daher durch mich anfragen, ob die französische Militärmission sich an die Spitze des russischen Heeres stellen wolle. Herr Noulens lehnte ab und der Frieden von Brest- Litowsk wurde unterzeichnet. Der Haupiverantwortliche sür bett Frieden von Brest-Litowsk und für den Tod von Hunderttau senden unserer Soldaten ist Clemenceau. Der Vorsitzende macht eine schüchterne Einwendung. Sadoul fährt aber unbeirrt fort: Man weiß in Frankreich ebenso wenig, daß die französische Mili tärmission nach der Unterzeichnung des Friedens von Brest-Li- towsk, als der Botschafter Noulens die Flucht vor den Deut schen bereits ergriffen hatte, zusammen mit dem Generalstab ar beitete. Als die Deutschen zurückwichen, erschien auch Noulens wieder auf der Bildfläche und wiegelte 50 000 Tschechoslowaken und Weißgardisten auf. Bei dem Scheitern seines Planes er griff Noulens endgültig die Flucht. Das Leben der französischen Offiziere war aber wegen seiner Haltung in Gefahr. Ich allein habe sie gerettet. Sadoul stellte fest, daß man ihm die Rückkehr nach Frankreich verweigerte, um die Person Noulens vor einer Enthüllung zu schützen. Aus diesem Grunde und auch, weil er von der sozialistischen Partei zum Kandidaten aufgestellt worden war, wurde er 1919 zum Tode verurteilt. Sadoul nannte das Urteil einen politischen Mordversuch. Die wahren Schuldigen, so schließt Sadoul, sind Noulens, der verhinderte, daß man mit der Sowjetregierung zu einer Verständigung gelangte, und Cle- menveau. GroWer im Hamburger Hafens Eigener Fernsprcchdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Ham durg, 13. Januar. Aus dem im Hafen liegenden Dampfer „Schujha" der englischen Cunard-Linie entstand gestern abend ein Brand, der sofort großen Umfang annahm, da der Dampfer eine große Iuteladung enthielt. Die schnellstens her beigerufene Feuerwehr rückte mit vier Zügen und einem Feuer löschboot an, jedoch war die Löschung wegen des gewaltigen Oualms sehr schwierig; sie zog sich bis in die heutigen Morgen stunden hin. größten Leit selbst deck:, nach vielen Beziehungen ym darum schon auf die Ausfuhr nach Bedarfsländern, wie es Deutschland z. B. für Eifenerz ist, in stets wachsendem Maße angewiesen erscheint. Also hat man auch jenseits des Rheins das Bedürfnis nach einer Verständigung, bloß - man zeigt sie nicht. Fühlt sich am allerwenigsten zu einem Nachgeben bewogen aus irgendwelchen poli tischen Annäherungswünschen heraus, was die schwebenden Verhandlungen in Paris zur Genüge gezeigt haben. Zurück zur Aerparieilichkeii. » Berlin, 12. Januar. Der Plan eines „überparteilichen" Kabinetts, einer Not regierung, den man mit dem Hervortreten Dr. Luthers als Nachsolger von Marx begraben glaubte, ist aus der Ver senkung wieder emporgetaucht. Und das ging so zu. Nach ziem- lich ergebnislosen Verhandlungen am Sonnabend endete eine Sonntag abgchaltcne Besprechung der Zentrumsver- treter mit folgendem Beschluß: „Die den Vertretern der Zentrumssraktion am 11. Januar in den Verhandlungen mii dem ReichssinanMinister Luther übermittelte» Erklärungen ermöglichen es der Zentrumssraktion nicht, sich an dem vor gesehenen Kabinett zu beteiligen." Das richtcle sich offen- bar gegen die von Dr. Luther in Vorschlag gebrachten Persön lichkeiten, die aus Grund von Fraktionszugehörigkeilen ausge wählt waren. Damit war der Versuch Lulhcrs. ein pariamen tarisches Kabinett zubilden, also gescheitert. Und es blieb kein anderer Weg, als wieder aus die überparteiliche Idee zurückzugrciscn. Für die Stellung des Zentrums sollen einige Anfragen mitentscheidcnd gewesen, welche die Fiakuon an die D e u t s ch n a l i o » a l e n oder auch an Dr Luther ge richtet babe Diese Fragen sollen sich dahin wiedergebni ia-sen.