Volltext Seite (XML)
Ottendorfer Zeitung. K- s Erscheint Dienstags, Donnerstags und Sonnabends abends. Bezugspreis: monatlich qo pfg., zweimonatlich 8v Pfg., vierteljährlich 1,20 Mark. O Einzelne Nummer >o Pfg. <> 8 Z Unterhaltungs- und Anzeigeblatt Wochenblatt und Anzeiger Neueste Nachrichten Bezirks- und General-Anzeiger s o Annahme von Anzeigm bis spätestens Mittags 12 Uhr des Lrscheinungstages. Preis für die Spaltzeile w pfg. Zeitraubender und tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen Preisermäßigung. S — 2 !tlit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Da. 127. Mittwoch, den 21. Oktober 1908. 7. Jahrgang» Oertliches und Sächsisches. Bttendorf-Gkrilla, den 20. Dktober 1908. —* Der enorme Rücktsang in der Temperatur "lohnt uns an den kommenden Winter und W die Frage nach Winters Anfang aktuell werden. Würde Winters Anfang immer erst dann eintreten, wenn unser bürgerlicher Kalender es angibt, so hätte es noch gute Weile. Das Netter hält sich aber durchaus nicht an den Elender, und so gut jeder weih, daß es mit dm Welterprophezeihungen des Kalende, manneS derzlich wenig auf sich hat. so gut weiß jeder "uch, daß mtt der Bezeichnung Winters Anfang "ur einer der Wendepunkte in der Bewegung d'r Erde um die Sonne genannt wird. Die Wetterkunde von ehedem verlegt den Anfang du Winters auf den I. Dezember und komml Mit dieser Zeitbestimmung den tatsächlichen Verhältnissen etwas näher. Würde man ober heule die Vertreter der modernen Wetterkunde nach dem Beginne des Winters fragen, I» mühte diese Fragen unbeantwortet bleiben. Nach allgemeinen Begriff, n nimmt der Winter dann scinen Anfang, wenn die nackten Aeste der Laubbäume daran erinnern, daß man sich >n der vegetationslosen Zeit befindet. Das Fallen des Laubes der Bäume wird aber be- keits durch einen ersten Schneefall hervorgerufen bez. beschleunigt Diese Erscheinungen, erster Nachtfrost, erster Schneefall und erster Frosttag, lind außerordentlich veränderlich. Sie treten bald früher, bald auch später ein. —* Das Bet«, in dem man der Ruhe pflegt, ist ein wahrer Freund des Menschen. Denn durch den Schlaf wird der Körper neu gestärkt »ad mit frischen Kräften versehen. Das Ruhe- bedürfnis des Einzelnen ist sehr verschieden. Der normale, gesunde Mensch reicht mit 6 bis 8 Ruhestunden täglich vollkommen aus. Das heißt also, er bringt mindestens den vierten Teil seines Lebens im Bett zu. Darum ist die Frage von Wichtigkeit, wo das Bett sich befindet und wie das Lager zubereitet ist. In gar manchen Familien werden die schönsten Zimmer zur sogenannten guten Stube gemacht. Tie werden nur selten betreten, sind mit schönen Möbeln Versehen und werden lediglich In Benutzung genommen, wenn Besuch sich ein- findet. Für das Schlafzimmer dleibt nur ein kleiner, ost dunkler Raum, mit wenig Luft und Licht übrig. Diese Methode des Sicheinrichtens ist grundfalsch, Luft und Licht gehören zu aller erst in die Räume, in denen der Mensch ber Ruhe pflegt. Darum die Fenster auf Laßt die frische Lust herein. Das Bett dar «Nan nicht in die Ecke stellen oder gar in ein Wandnische, wie man es vielfach findet. Es Muß einen freien Platz haben Das Lager Wird nach den Wünschen des Einzelnen recht verschieden zugerichtet. Das eine ist aber Grund bedingung: es muß vor allem stets sauber sein Und oft gelüftet werden. Sind diese Voraus setzungen erfüllt, dann wird das Bett wirklic ein Freund des Menschen sein, von dem er sich llekrästigt am Morgen erhebt. —* Funde müssen sofort angezeigt werden. Bekanntlich besteht für denjenigen, der eine verlorene Sache tm Werte von mehr als drei Mark findet, die Verpflichtung den Fund un verzüglich bei der Polizei anzuzeigen. Nun Unterlasten es die Finder verlorener Gegen stände häufig, diese Anzeige unverzüglich bei ber Polizei zu erstatten und verzögern sie o viele Tage oder Wochen. Dadurch erschwer sie einmal dem Verlustträger die Wieder erlangung seines Eigentums, denn der Verlierer pflegt nach dem verlorenen Gegenstand meist schon in den nächsten Tagen bei der Polizei Uachzufragen, anderseits verlieren die Finder selbst solchenfalls den Anspruch aus Finderlohn, denn dieser wird nach dem Gesetz nur dem gewährt, der den Fund unverzüglich angezeigt bat und setzen sich überdies der Gefahr straf, rechtlicher Verfolgung wegen Fundunterschlagung aus. Es kann daher nur dringend angeraten werden jeden Fund sofort der Polizei anzuzeigen. Dresden. Neber das Vermögen des be kanntlich in Untersuchungshaft befindlichen Kauf manns Emil Adolf Bergmann, der als alleiniger Inhaber der Firma „Bombastuswerke Emil Adolf Bergmann" in Potschappel in das Handelsregister eingetragen ist, wurde das Konkursverfahren eröffnet. — Am Sonntag wurde in einem Hotel zu Dreüd n-Ncustadt eine tags zuvor dort ab gestiegene italiensche Baroneste tot aufgefunden. Die etwa 45 Jahre alte, aus Triest stammende Dame war wegen ihres Nervenleidens in einer nahen Heilanstalt unteigebracht gewesen und hatte hre hier lebenden nahen Verwandten besucht. Vie die Untersuchung der Toten ergab, batte sie Kranke durch Gift ihrem Leben ein Ende gemacht. Der Leichnam wurde nach dem St. Pauli-Friedhof gebracht. — Sonnabend früh stürzte auf der Oppell« traße ein radfahrender Vizefeldwebel infolge Bruchs der an der Lenkstange befindlichen Kobel o heftig zu Boden, daß er besinnungslos liegen siieb. Einige Männer trugen den Verunglückten, der eine Gehirnerschütterung und Verletzungen am Unterkiefer und an der Nase erlitten hatte, nach seiner Wohnung, wo er das Bewußtsein wieder erlangte. — Der Vorstand der nationalliberalen Landespartei im Königreich Sachsen hielt am Sonntag in Dresden eine Sitzung ab. Die von der Regierung akzeptierte Hnnksche Wahlkreis- eintesiuna, sowie der neueste Eventualvorschlag der Regierung zur Wahlrechtsreform wurde für ganz unannehmbar erklärt Im ganzen Land sollen gegen diesen Entwurf Protestoersammluugen abgehalten werden. — Der Gesamtvorstand des sächsischen Landesverbands Evangelischer Arbeiteroe eine legte am Sonntag in einer in Dresden ab- qehaltenen Sitzung entschieden gegen die neuen Regieiungsvorschläge zur Wahlrechtsreform Ver wahrung ein. Niederlößnitz. Seine Geliebte erschießen wollte gestern abend in der 8 Stunde ein aus Böhmen stammender Korbmachergehilfe. Sie halte das Liebesverhältnis lösen wollen, womit er aber uicht einverstanden war. Vielmehr zog er einen Revolver und feuerte mehrmals aus die Geliebt', ohne sie aber zu treffen. Danach flüchtete er nach Dresden, wo er indessen noch in der vergangenen Nacht festgenommen worden ist. Großdittmannsdorf. Der im 75. Lebens jahre stehende Kirchschullehrer emer. Apel, jetz in Dresden, Helgolandstraße 11 wohnhaft, der in der Zeit von 1876 bis 1895 in unserer G meinde seiner ersprießliche Tätigkeit entfaltete, feierte am 17. dieses Monats mit seiner Gattin das Fest der goldenen Hochzeit. Das hier im besten Andenken stehende geschätzte Ehepaar erfreut sich noch bester Gesundheit. Kamenz. Von einem schweren Unglücksfal wurde gestern vormittag der Königliche Kammer herr von Bünau auf Bischheim betroffen. Auf einer Ausfahrt scheuten die Pferde, gingen durch und das Geschirr stieß mit einem andern Wagen zusammen, wodurch das herrschaftliche Geschirr völlig zertrümmert und der Kammer herr herausgeschleudert wurde. Er erlitt schwer Verletzungen, unter anderem einen Schädelbruc Ob er mit dem Leben davonkommen wird, ist noch ungewiß. Der Kutscher kam mit leichteren Verletzungen davon. Strehla. Dem Sergeanten Schramm un dem Pionier Behrmann vom 1. Pionier bataillon Nr 12 in Dresden, welche anläßlic der Uebungen im Brückenschlägen über die Elbe bei Strehla unter Einsetzung ihres Ledens einen Ertrinkenden retteten, ist die silberne Lebens rettungsmedaille mit der Befugnis, dieselbe am weißen Bande zu tragen, verliehen worden. Bärenstein. In der im Geisinggrunde gelegenen Holzstofffabrik von Ernst Krödel brac am Freitag abend g-gen 7 Uhr ein größeres I Schadenfeuer aus, welches leicht das ganze Verk hätte vernichten können. Der völligen Windstille und dem tatkräftigen Eingreifen der Feuerwehren ist es zu danken, daß der Brand auf den Schälschuppen mit seinem reichen Inhalt an Holz und auf dem Boden lagernden Heu leschränkt blieb, während Maschinenhaus und Fabrikgebäude gerettet wurden. Leipzig. Arn Freitag vormittag gegen Hi 9 Uhr sprang ein größerer Knabe von der rn L.-Lindenau gelegenen Friedrich-August-Brücke aus in selbstmörderischer Absicht in das Master des Kanals. Der Junge ertrank. Die Leiche wurde bald darauf gelandet und polizeilich auf gehoben. In dem Toten wurde später der in der Hellmuthstraße in L.-Lindenau bei seinen Eltern wohnhafte Schulknabe Johannes Fritz Scheidt, am 21. September 1896 in L -Reudnitz geboren, festgestellt. Was den unglücklichen knaben zu dem verzweifelten Schritte getrieben w«. war nicht festzustellen. — Einen empfindlichen Verlust erlitt ein n der Roßmäßlerstraße in L.-Connewitz wohn hafter Privatmann. Ihm kam am Sonnabend in der Zeit von vormittags 11 bis nachmittags 5 Uhr von der deutschen Bank bis L.-Connewitz und von dort nach Gautzsch und zurück ein Kuvert abhanden, in demj sich 5000 Mark, bestehend u. a. in einer Tausendmarknote und acht Fünshundertmarknoten befanden. Der Finder hat sich bisher nicht gemeldet. Crimmitschau. Ein schrecklicher Unfall ereignete sich am Sonnabend vormittag in der Tuchfabrik von Karl Köhler. Die Kehrfrau Witwe Schmutzler wurde von dem unvermutet niedergehenden Fahrstuhl, als sie unter ihm mit Reinigen beschäftigt war, zerquetscht und sofort getötet- — Ein hiesiges 11 Jahre altes Schulmädchen hat zweimal hintereinander Stubenbrände ver ursacht, indem es, das eine Mal bei einem Materialwarenhändler, das andere Mal im separierten Zimmer des Bahnhofsrestaurants, durch die offen stehenden Fenster brennende Streichhölzer an die Gardinen hielt. Die jugendliche Missetäterin ist entdeckt worden und hat beide Brandstiftungen eingestanden. Lößnitz. Ein Grobfeuer wütete hier am Freitag Abend und am Sonnabend Nacht. Die nebeneinander gelegenen Häuser des Böttcher meisters Richter und des Hausbesitzers Rösch wurden eingeäschert. Ein drittes, dem Maurer Richter gehöriges Gebäude, auf welches das Feuer Übergriff konnte gerettet werden, erlitt aber durch das Loschwasser schwere Be schädigungen. Die 33 jährige, taubstumme Frau Richter stürzte während des Wirrwarrs der Katastrophe von der Treppe, brach ein Bein und erlitt auch innere Verletzungen. Netzschkau. Die 16 jährige Helene Walz von hier begab sich auf den Bahnkörper der Göltzschtalbrücke und ließ sich von dem Leipziger Zuge überfahren. Die Leiche wurde furchtbar zerstückelt. Das Mädchen litt an einer un heilbaren Krankheit. Oel Snitz Innerhalb weniger Wochen hat der Anfang September von Hildesheim hierher übergesiedelte Ziegeleidir ktor Adolph Kämpf Unterschlagungen in Höhe von über 2000 Mk. verübt. Nachdem eine am Dienstag vor genommene Revision diese Tatsache sestgestellt hatte, erfolgte am Donnerstag abend auf dem hiesigen Bahnhofe Kämpfs Festnahme und Ueberführung in das hiesige Amtsgericht. Kämpf, welcher verheiratet und Familienvater ist hat die Veruntreuungen zugestandrn. Aus der Woche. Der Frieden auf dem Balkon ist gesicher So hört man allerorten, so schreiben die amtlichen Organe aller in Betracht kommenden Mächte, Und in der Tat: Nach dem ersten Lärm, der besonders Serbien und die Türke durchtobte, ist es jetzt verhältnismäßig still ge worden. Beide Länder, die sich in ihren Hoffnungen und Entwürfen getäuscht sehen, haben sich in stiller Stunde unter dem Natschlag luger Staatsmänner rechtzeitig überzeugt, daß hre Sache in ihrer Wehrmacht eine nur allzu- chwache Stütze hat. (Wer wollte, will er gleichem Schicksal in schwerer Stunde vorbeugen, och von Abrüstung reden? Bemerkenswert 't die Rolle, die England bei den gegenwärtigen Balkanwirren spielt. Noch vor wenigen Wochen rhielt Rußland in geheimer Unterredung beider« eiliger Staatsmänner die Zusicherung, daß es soffen dürfte, die Dardanellen eines Tages mit Englands Hilfe geöffnet zu sehen und wenige "age später stimmte die engliche Diplomatie u, daß Oesterreich-Ungarn eine Bahn durch >en Sandschak lege. Heute wird in dem von England ausgestellten Programm für die Balkan- Friedens-Konferenz von Oesterreich verlangt, es möge auf diese Bahn verzichten als Entgelt für die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina. Derartige gewaltsame Ent schädigungen wird überhaupt di» Konferenz mehrere beschlie ßm müssen, um den Wirren ein Ende zu machen. Aber England, plötzlich der uneigennützige Freund der Türkei, hat noch ein andres Plätzchen. Mit englischem, französischem und (merkwürdigerweise) italienischem Gelbe soll eine Bahn durch Mazedonien gebaut werden! Lohnt es nicht wirklich, einmal die Winkelzüge der modernen energischen Politik zu beleuchten und nachzuweisen, daß England nicht dulden will, daß auf irgend einem Erdenflecken etwas geschieht, woran das Jnselreich nicht beteiligt sei? Von Deutschland, dessen Handelsinteressen im Orient durch das Konserrenzprogramm Eng lands auf das schwerste bedroht sind, hört man nichts. Glaubt etwa die englische Diplomatie, daß der langersehnte Zeitpunkt gekommen, unser Ansehen im Orient gänzlich zu untergraben? So sehr man in weiten Kreisen den Zusammen tritt der Konferenz als eine Lösung der gegen wärtigen Balkankrise betrachtet, so sehr fürchtet man auch anderseits ihre Schwierigkeiten, di« internationale Verwickelungen unverkennbar bergen. — In Frankreich ist das Parlament eröffnet worden und der Ministerpräsident hat geheimnisvoll dem Hause mitgeteilt, daß die Marokkoangelegenheit zur allgemeinen Zufrieden heit erledigt sei. Noch aber ist Muley Hafid nicht anerkannt, noch ist keine Antwort auf Deutschlands letzle Note in dieser Angelegenheit erfolgt. Nlan muß abwarten, ob die neue französisch-spanische Note diejenigen Abänderungen enthält, die Deutschland in bezug auf die An erkennung Muley Hesids al« wünschenswert bezeichnet hatte. — In England haben di» Frauenrechtlerinnen wieder einmal vor dem Parlament eine Kundgebung veranstaltet, mit deren Hilfe sie für das Frauenstimmrecht zu wirken beabsichtigen. Eine Anzahl von Frauen wurde verhaftet und vom Polizeigericht zu längeren Freiheitsstrafen verurteilt. — In aller Stille hat sich in den Beziehungen Japans und Chinas eine große Wandlung vollzogen. Beide Regierungen find übereingekommen, je eine Kommission zu ernennen, um über die zwischen beiden Staaten schwebenden Streitfragen zu verhandeln. In manchen europäischen Kabinett gab man sich bisher den Anschein, al« ob man die heimliche Nebenbuhlerschaft der Raffen genossen mit Sorge betrachte und wünschte doch nichts sehnlicher, als daß keine Brücke sich zwischen ihnen schlagen möge, denn wohl weiß die Welt, daß ein mit Japan geeintes China eine ernste Gefahr für europäische Erobererpläne in Asien bedeutet. Es ist nicht anzunehmen, daß der Zwischenfall in Nordkorea, wo chinesische Soldaten eine japanische Polizeistation beschossen haben, auf die Dauer Mißstimmung zwischen beiden Staaten Hervorrufen könnte. China wird Genugtuung geben, denn eS braucht den Frieden — und gemeinsame Arbeit mit Japan. — Aber das moderne China hat ehrgeizigere Pläne. E« reckt die lange zurückgehaltene Hand hinüber nach Amerika, um mtt den Ver. Staaten einen Handelsvertrag zu schließen, der selbstverständlich nicht ohne Einfluß auf die politischen Be ziehungen beider Länder bleiben kann.