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MsdrufferTageblali Nr. 203 — 91. Jahrgang Wilsdruss-Dre-den Telezr.-Adr.: „Amtsblatt' Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 30. August 1932 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts, gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das ,Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, vei Pofibestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post boten und untere Aus- .. ... träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Aeil Be- Ä)il9okUff U. stellungen entgegen. 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Der Reichskanzler — und dies ist der wirtschaftspolitische Ausgangspunkt seiner Ausführungen — gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß Deutschland und die Welt den tiefsten Punkt der Wirt schaftskrise erreicht habe und daß es nun, wenn auch langsam, wieder aufwärts gehen könne und gehen werde. Allerdings sei hierfür notwendig, die einer Ent wicklung nach oben entgegenstehenden Hindernisse zu be seitigen, — nnd das mag man als die indirekten Kampf mittel im Ringen mit der Arbeitslosigkeit bezeichnen. Papen sprach von „Kräften", die in unserem Wirtschafts leben noch vorhanden sind und gestärkt werden müßten, und stellt dabei als wesentlichste dieser Kräfte die per sönliche private Initiative, die Steigerung des Gefühls der Verantwortung in den Vordergrund. Und da der Kanzler unter lebhafter Zustimmung seiner Zuhörer ausdrücklich „alle Eingriffe in die Sphäre der Privatwirtschaft" ablehnt, so scheinen sich diese Er klärungen ganz unzweideutig gegen die sogenannten „planwirtschaftlichen"' Ideen zu wenden, von denen man in letzter Zeit zwar sehr viel, aber meist sehr Unklares gehört hat. Dementsprechend soll auch die Betätigung des Staates im Schlichtungswesen stark eingeschränkt und die Verantwortung bei Verhandlungen über Lohn- und Tarifstreitigkeiten weitestgehend den Arbeitgebern und Arbeitnehmern überlassen werden. Ein Eingreifen des Staates dürfte also wohl nur bei volkswirtschaftlich schwer wiegenden sozialen Auseinandersetzungen erfolgen. Eben so soll dj? „Unabdingbarkeit", also die Allgemciuverbind- lichkcit der Tarifverträge, dann gelockert werden, wenn sich dadurch — bei glcichbleibendem Gcsamtlohnvolumen des Betriebes — eine Mchrcinstettung von Arbeitskräften er möglichen läßt. Es liegt auf der Hand — und der Reichs kanzler selbst ist sich dessen bewußt, daß diese „Auflockerung des Tarifwesens" auf heftige Kritik und scharfe Ablehnung in manchen Kreisen stoßen wird. Beziehen sich schon diese beiden in Aussicht ge nommenen Umbildungen des heutigen Schlichtungs- und Tarifwesens darauf, die Erzeugungskosten in der Wirt schaft herabzudrücken, so soll das noch ergänzt werden durch eine Erleichterung der auf ihren Schultern liegenden Zinslasten. Aber der Kanzler begnügte sich hier mit An deutungen über die Diskontsenkung einerseits,-das „Zins problem" andererseits. Doch hat es den Anschein, als werde auch hier ein „Eingriff des Staates in die Sphäre der Privatwirtschaft" nicht vor sich gehen, sondern eine „individuelle Schuldenabwertung" im Inland wie gegenüber dem Ausland angestrebt werden. Und schließ lich gehört zum Kapitel „Kostenersparnis" für die Wirtschaft auch das umfangreiche Programm einer Ver waltungsreform und -Vereinfachung, zn der die bisher durchgesührten Maßnahmen erst den Anfang zu bedeuten hätten. Sind diese — und noch einige andere — Darlegungen im Plane Papens mehr indirekte Kampfmittel gegen die Krise, sollen sie Hindernisse aus dem Wege räumen, die einem Sichaufraffen und Vorwärtskommen der wirtschaft lichen Privatinitiative entgegenstehen, so dürften doch die direkten Kampfmittel gegen die Arbeitslosigkeit mit größerer Erwartung und Hoffnung angehört worden sein. Neben der weiteren Ausdehnung des freiwilligen Arbeits dienstes und der Durchführung aller der „Notstands- arbciten", deren Finanzierung mit Hilfe der Reichsbank erfolgt bzw. erfolgen wird, „ist die Regierung entschlossen, in großem Rahmen den Versuch zu machen, durch eine Belebung der Privatwirtschaft zur Neuein stellung von Arbeitskräften und zur Verminderung der Zahl der Arbeitslosen zu gelangen". Der „Produktions apparat" Deutschlands soll wieder instand gesetzt, soll „repariert" werden. Das schafft in großem Umfange Arbeit und führt demgemäß zu weitgehenden Neueinstel lungen von Arbeitern. Wie aber soll diese „Arbeitsbeschaffung" finanziert werden? Die Zwangsanleihe, von der in diesem Zu sammenhangs gesprochen wurde, hat der Kanzler in seiner Rede ausdrücklich abgelehnt; von der gleichfalls gerücht weise aufgetauchten Vermögensabgabe hat er nichts gesagt. Die Finanzierung dieses großen „zusätzlichen" Teiles des Arbeitsbeschaffungsprogramms soll, kurz gesagt, durch Vorwegnahme von Steuererleichterun gen erfolgen, die kommen müssen, wenn die „Steuer anrechnungsscheine" in dem angedeuteten Umfange nun der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen „Steueranrcchnungsscheinen" sollen dann ab 1934 die Steuern bezahlt werden, d. h. es liegt die Zusage einer entsprechend großen Steuersenkung vor, die aber eine Siche rung durch Dokumente, nämlich durch jene Scheine erhält. Weitere 700 Millionen sollen dort hergegeben werden, wo eine direkte Mehreinstellung von Arbeitskräften erfolgt. Der Kanzler hat sich in seiner Rede damit begnügt, den Zweck-dieser Maßnahme dahin zu skizzieren, daß diese Anrecknunasscheine .sofort als Kreditmittel benutzt", also WmMMO PMWWr Hitler Ergebnislose Besprechung. — Der Reichskanzler «ach Neudeck abgereist. Zwischen dem Reichskanzler von Papen, dem Reichswchrminister Schleicher und Adolf Hitler fand vor der Abreise der Minister nach Neudeck eine Zu sammenkunft auf rein gesellschaftlichem Boden statt. Man unterhielt sich über die innenpolitische Lage, ohne daß sich die Stellung der Rcichsrcgierung irgendwie geändert hätte. Reichskanzler von Papen ist zusammen mit dem Reichsinnenminister vo » Gayl, dem Ncichswehrministcr von Schleicher sowie dem Staatssekretär Dr. M e i ß- ner mit dem fahrplanmässigen D-Zug nach Neudeck ab- gereist, um dem Reichspräsidenten Bericht zu erstatten. Die Mitglieder des Reichskabinetts werden für Mittwoch vormittag zurückerwartet. Für Mittwoch nachmittag ist eine Kabinettssitzung angesctzt, in der das Ergebnis der Besprechungen in Neudeck verhandelt werden soll. Inzwischen hat die gegenseitige Fühlungnahme der Nationalsozialisten und des Zentrums für den Reichstag nur so viel ergeben, daß die National sozialisten sich gegenüber dem Allersprästdinm der Kom munistin Klara Zetkin höchstwahrscheinlich mit einer Protesterklärung begnügen und ihren Ausführungen im Reichstag nicht beiwohnen werden, woraus dann, nach Erledigung der Formalitäten, noch am Dienstagnach- mittag eine z w e i t e S i tz u n g zur Wahl des Präsidiums abgchalten werden soll. Den Reichstagspräsidenten werden die Nationalsozialisten stellen, einen der Vizepräsidenten das Zentrum. Das Reichstagspräsidium soll dann bei der Reichs- rcgicrung bezw. beim Reichspräsidenten offiziell vorstellig werden, um über die Stimmung und die Koali tionsmöglichkeiten im Reichstage Mitteilung zu machen und zum Ausdruck zu bringen, daß ein Grund für die Auflösung des eben erst gewählten Reichstags nicht bestehe. * Berlin, 30. August. Wie die „DAZ." erfährt, hat dil Besprechung, die am Montag nachmittag zwischen Reichskanz ler von Papen, Hitler und Reichswehrminister von Schleicher statlfand, völlig ergebnislos geendet. Diese letzte entscheidende Fühlungnahme vor dem Reichstagszusammentritt sei fast genau so verlaufen, wie die Verhandlungen beim Reichspräsidenten vor 14 Tagen. Hitler habe genau ww damals die volle Staats gewalt verlangt. Er habe sich so unzulänglich verhalten, daß keine Annäherung zu erzielen gewesen sei. Der Reichskanzler habe Hitler schließlich vor die Frage gestellt, ob er glaube, seine Absichten mit Hilfe des Zentrums besser verwirklichen zu können. Vorbereitungen zum Keichstagsbeginn. Der Kampf um die Altcrspräsidentin. Am letzten Tage der verfassungsmäßig zulässigen Frist, nämlich am 30. Tage nach der Neuwahl, tritt der Reichstag — er ist der sechste, wenn man von der Nationalversammlung ab sieht — zu seiner ersten Sitzung zusammen. Für die 608 Abgeordneten, die vom deutschen Volke in das „Hohe Haus" entsandt worden sind und den Sitzungssaal bis zum überlaufen füllen werden, mußte erst noch Platz geschaffen werden, nnd nur noch die in vorderster Linie „stehenden" Parteiführer werden ein Pult an ihren Sitzen finden. Das hat gewisse Nachteile; denn jetzt können fast alle Abgeordneten leichter und schneller den Sitzungssal verlassen, wenn das „Hohe Haus" von der bei ihm nicht gerade seltenen „Erregung" gepackt wird. Das dürfte wohl schon gleich bei der ersten Sitzung der Fall sein, die gewohnheitsgcmäß von dem an Jahren ältesten Mitglied des Reichstages geleitet wird. Um dieses Recht wahrzunehmen, ist die der Kommunistischen Partei angehörende Fran Klara Zetkin aus Moskau nach Ber lin gekommen und setzt alles daran, trotz körperlicher Ge brechlichkeit das „Alterspräsidium" zu führen, das sie so lange behält, bis in der zweiten Sitzung der neue Präsident des Reichstages gewählt ist. Er wird nicht mehr Loebe heißen, wie seit 1919 mit kurzer Unterbrechung, da die Sozialdemokratie erst die zweitstärkste Partei im Reichstag ist und jetzt die Nationalsozialisten den Präsidenten stellen werden. Inzwischen hat sich der Widerspruch gegen die kommunistische Alterspräsidentin nicht nur verschärft, son dern auch bis weit in die Kreise der Reichstagsmitte hinein ausgedehnt, und von den Nationalsozialisten wird jetzt darauf hingewiesen, daß gegen Frau Zetkin 1915 vom Oberreichsanwalt ein Verfahren wegen versuchten Landes verrats — Kampf gegen die Landesverteidigung während des Weltkrieges — eingcleitet worden ist, dem sie sich durch die Flucht in die Schweiz entzogen habe. Aus diesem Widerspruch gegen Frau Zetkin als Alterspräsidemin dürfte sich also ein Widerstand ent- wickeln, der gleich der ersten Sitzung ein schnelles Ende be reiten kann. Nach außen hin wird, wie es bei solchen „großen Tagen" des Reichstages üblich und notwendig ist, die Schupo dafür sorgen, daß wenigstens rings um das „Hohe Haus" alles in Ruhe und Ordnung bleibt. Selbstver ständlich sind in Erwartung dieses „großen Tages" alle zu Geld gemacht werden sollen. Nach der negativen Seite hin läßt sich aber sagen, daß diese Scheine nun nicht etwa „reichsbankfähige Wechsel" sind, auf Grund derer die Rcichsbank Geld hergibt nnd die ihr als bankmäßige Kreditunterlagen für den Notenumlauf dienen. Wohl aber können diese Anrechnungsscheine „beliehen" werden, sind also „Lombards", ähnlich wie die Umschuldungsscheine des Osthilfegesetzes. Durch Einführung jener Scheine an den Börsen wird aus ihnen auch ein „börsengängiges" Papier gemacht, so daß dort für sie ein „Markt" gebildet wird. Der Zweck der ganzen Maßnahme ist doch der, dem Steuerpflichtigen — wobei die Personalsteucrn aber aus genommen sind — möglichst bald das notwendige Geld zu besorgen, mit dem die „Wiederinstandsetzung des ge samten deutschen Produktionsavparates" einaeleitet werden soll Tribünenkarten vergriffen. Auch iu seiuen Hallen, Gängen und Säten begann der Reichstag sich schon am Montag zu füllen, da die neugewähltcn Volksvertreter in Massen di« Stätte ihrer Tätigkeit besichtigten und mehrere Fraktionen bereits zu Sitzungen zusammengetreten waren. Di« Nationalsozialisten versammelten sich im Hotel „Kaiser hof" nm ihren nach Berlin gekommenen Führer Hitler. Gegenüber dem Zusammentritt des Reichstages ver liert das andere Vorkommnis stark an Interesse, daß auch der Preußische Landtag gleichzeitig seine Sitzun gen wieder anfnimmt. Politische Überraschungen stehen dort vorläufig aber nicht in Aussicht. Allerdings heißt es, daß die Verhandlungen zwischen Zentrum und Natio nalsozialisten über eine Koalition in Preußen jetzt „in das entscheidende Stadium eingetretcn" seien. * „Sie Sendbotin des Solschewismus." Beschlüsse der dcntschnatioualcn Reichstagssraktion. Die deutschnationale Reichstagssraktion beschloß, sich an denjenigen Sitzungen des Reichstages, die unter dem Vorsitz einer aus Moskau herbeigeholten Send botin des Bolschewismus stattfinden, nur insofern zu beteiligen, als es für die technischen Maßnahmen zur Konstituierung des Reichstages notwendig ist. Es kam hierbei zum Ausdruck, daß nichts den Tiefstand des Weimarer Parlamentarismus stärker kennzeichnet als der Umstand, daß die Eröffnungssitzung des neuen Reichs tages zum Schauplatz kommunistischer Propaganda ge macht werden soll. * Zentrum für klare Parlamentsmehrheit. In der Fraktionssitzung des Zentrums fand eine Entschließung einstimmige Annahme, in der es am Schluffe heißt: „In der klaren Erkenntnis, daß jede Regierung, ohne Mehrheit nnd Vertrauen in der Volks vertretung zu besitzen, notwendigerweise auf eine ab schüssige Bahn kommen muß, arbeitet die Zentrums fraktion unbekümmert nm Drohungen und Einschüchterun gen ihrerseits mit an der Schaffung einer Regierung, die sich auf eiue klare Mehrheit des Parlaments stützen kann und gewillt ist, mit ihm zusammenzuarbeiten, ge leitet von dem Gedanken, daß es verfassungsmäßig un möglich und für das Reich verderblich ist, eine Reichs- tag'sauflosnng nur deswegen zu befürworten und vor zubereiten, weil der gegenwärtigen Regierung die Mehr heit versagt bleibt." Me ArMonSslHang der ASdAP. Ansprache Hitlers. In der ersten Sitzung der nationalsozialistischen Reichstagssraktion nahm Adolf Hitler das Wort zu ein gehenden richtunggebenden Ausführungen über die Stel lung der NSDAP, zur politischen Lage. Wenn er die Hal tung einzelner Persönlichkeiten der Regierung im Hin blick aus ihren Wirkungskreis auch zu würdigen wisse, so hätten sie doch alle cncher einem nur ihren Namen ein zusetzen. Die NSDAP, habe aber nicht einen Namen ein zusetzen, sondern 14 MillionenPeutscher Menschen, die voll arenzenlosem Vertrauen hinter ihr ständen. Solange bei der Regierung eine Auffassung herrsche, wie sie bezüglich Beuchens zum Ausdruck gekommen sei, könne die national- koftalistiscke Beweauna diele Reaieruna nickt mit iürLM