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Alle diese Wirkungen sind auch zugegeben worden, nur ist man über das Reden und Zugeben noch immer nicht zu Taten der Rettung aus diesem Labyrinth gekommen. In Gens „beriechen" sich die Staatsmänner vorläufig noch gegenseitig auch wegen jener Fragen, hüllen sich aber dabei gegenüber der pro fanen Öffentlichkeit in ein so tiefes Schweigen, daß man nicht weiß, ob Vorsicht dahinter steckt oder die Angst davor, daß aus der „Fühlungnahme" wieder einmal eine „Aus einandersetzung" wird. Um so drastischer wirkt die Geste, die der englische Schatzminister Neville Chamberlain vor dem Unterhaus machte, als er seine Rede über das Budget Englands hielt. Auch im Haushalt des einst „old mcrry England", des „alten, glücklichen Englands", sieht es sehr unglücklich aus. Die gewaltige, jetzt schon vor handene Steuerlast wird nun noch vermehrt durch Schaf fung eines Tee-Einfuhrzolles, den man vor mehr als lOO Jahren aufgehoben hatte und der trotz seiner geringen Höhe einen Ertrag von 70 Millionen Mark bringen soll. Doch das ist zwar Wirklichkeit und keine Geste, aber auch nicht mehr überraschend. Es handelt sich um etwas anderes, um eine wirklich überraschende Geste: Neville Lhambcrlain erklärte nämlich, daß er auf der Einnahmen- owohl wie auf der Ausgabenseite des Haushaltsent- vurss keinerlei Rücksicht genommen habe aus die deut- chcn T r i b i, t v e r p f l i ch t u n g e n , andererseits aber auch nicht auf die Kriegsschulden gegenüber Amerika. In der Hauptsache war das übrigens ein „durchlaufender Posten" insofern, als England sich bei der Schaffung des Houng-Plans im wesentlichen damit begnügte, von uns soviel als Zahlung zu verlangen, wie es selbst an Amerika z» entrichten hat. Dieses Verhalten des englischen Kabinetts steht zu nächst einmal in einem überaus Drastischen Gegen satz zu dem des französischen Ministerpräsidenten. Tar dieu hat kürzlich in seiner Haushaltsrede sogar aus drücklich darauf hingewiesen, er habe unter den Ein nahmen auch jene aufführen lassen, die dem französischen Anteil an den deutschen Tributverpslichtungen für I932 — also ab l. Juli nach Ende des Hooverfreijahres — voll entsprächen, wobei er sich allerdings auch gleich mit der Unwahrscheinlichkeit vertraut machte, diese Zahlung wirk lich zu erhalten. Das war also auch eine Geste, aber eine entgegengesetzt gemeinte. Neville Chamberlain hat die ebenso nüchterne wie richtige Erklärung hinzugefügt, auf der L a u s a n n e r Konferenz erst werde die qanze Reparations- und Kriegsschulden- rage entschieden werden, und darum wolle er sticht nach dieser oder jener Seite hin vorgreifen. Das Provisorische dieser „Regelung" des Haushalts ist also dom englischen Schatzkanzler so stark betont worden, daß es stuch bei dem Gläubiger Englands, also in Amerika, sofort der naheliegenden Kritik die Spitze abgebrochen hat. Aber das ändert nichts an dem politisch Sensationellen dieses Beschlusses des MacDonald-Kabinetts und es beweist auch, wie stark die ganze Reparationsfrage — denn Deutschlands Noungplan-Perpflichtungen sind zwar nicht rechtlich", wohl aber tatsächlich die eigentliche Quelle auch iir die Bezahlung der Kriegsschulden an Amerika — heute doch schon a u f g e l o ck e r t ist. Und diese Sensation >vird in Genf stärker wirken als nur wie eine Geste. Sie ist ein politisch ganz unzweideutiger Schritt, der der Erklärung Deutschlands Rechnung trägt, tributzahlungsnnfähig zu üi«. Was aber wird Amerika dazu sagen, wo m immer mit schärfster Betonung erklärt wurde und wird, daß die englisch-französischen Schuldenverpflichtungen an die Vereinigten Staaten eine Sache für sich seien, besondere Verträge also, die zu erfüllen sind, gleichgültig, ob und wie- fiel Deutschland an Tributen zahlt? Denn Amerika ge hört — als Staat — nicht zu den Unterzeichnern des '4oimg-Plans und unsere Tributzahlungen an Amerika lind gleichfalls in einem Sondervertrag^ geregelt, gehen Pch nicht über die Baseler Internationale Bank! Naturgemäß ist es augenblicklich sehr schwierig, aus -istierika eine klare, unzweideutige Antwort zu erhalten, 'Pinal sich in Genf auch der Staatssekretär Stimson höchst sssrig in der dort üblichen „Schwcige-Diplomatie" übt. Aenn der bekannte Senator Bora h, dem man nicht mit Precht ein gewisses Billigkeitsgefühl, eine Art Unvor- suigenommenhcit uns gegenüber nachsagt und der als Vor- dhender des Auswärtigen Senatsausschusses ein Mann Pn politischer Bedeutung ist, die Ziele der, wenn man so ?8cn will: Europapolitik Amerikas in ein paar eindcu- Pen Sätzen zusammenfaßt, so ist das zwar wertvoll, aber Pcht entscheidend. Er hat in seiner Senatsrede, die noch Unkenntnis der sensationellen Beschlüsse des englischen Minetts gehalten wurde, ein amerikanisches Entgegen- ^vlmen den alliierten Schuldnern gegenüber an die drei Voraussetzungen geknüpft: Abrüstung, Regelung deutschen Tributsrage, Überprüfung des Versailler Eklats. Das sind drei außerordentlich schwerwiegende und D darüber werden wir Deutsche uns ohne weiteres klar A — schwer zn bewältigende Voraussetzungen. Und Un- Die VmtWen des Kanzlers in Genf. Der LiafsMe. Die Hoffnungen unentwegter Optn.ästen, daß der amerikanische Staatssekretär Stimson bei seinem Besuch in Genf das Reparations- und Schul denproblem mit seinen Kollegen, die dorthin aus aller Welt zusammengcströmt sind, besprechen würde, sind, wie es vorauszusehen war, zerplatzt. Amerika hat jetzt gerade genug mit sich selbst und seiner Wirtschaftskrise zu tun, als daß es Europa in der Streichung der Schulden irgendwie entgegenkommen könnte. Bei einer Besprechung des Reichskanzlers mit Stimson ist denn auch offen bar das Schuldenproblem gar nicht berührt worden. In der A b r ü st u n g s f r a g e und in der Forderung aus Gleichberechtigung soll der Amerikaner Brüning gegenüber seine Zustimmung zu dem deutschen Stand punkt ausgesprochen haben. Das ist durchaus möglich und bietet keine Überraschung, denn dieser Standpunkt liegt durchaus in der Linie der europäischen Politik Amerikas. Eine möglichst schnelle und möglichst durch greifende A brüstung der europäischen Staaien ist das A und das O aller Forderungen Amerikas, von denen es eine Befassung mit weiteren europäischen Angelegenheiten abhängig macht. Entwaffnung und Beendigung des wirtschaftlichen Krieges durch Lösung der Reparations frage sind nach amerikanischer Auffassung rein euro päische Angelegenheiten, deren Erledigung nicht in der Macht Amerikas liegt. Daß es aber nicht gewillt ist, bevor diese Bedingungen erfüllt sind, an eine Streichung der internationalen Schulden heranzutreten, das hat mit großer Deutlich keit in Washington jetzt Senator Borah, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, ausgesprochen. Diese Ausführungen lassen an Deutlichkeit nichts zn wünschen übrig und sollten denen, die immer noch nach Amerika als dem Berge, von dem die Hilfe kommen soll, schielen, endlich die Augen öffnen. Europa ist in der Lösung der Reparationsfrage ganz auf sich gestellt, und innerhalb Europas steht Deutschland auf ein samem Posten trotz aller schönen Reden von „Ver ständigung". Vereinsamung kann zur Verzweiflung führen, sie kann aber auch zur Anspannung aller eigenen Kräfte führen und stolz machen, so daß dann der Einsame, statt anderen nachzulaufen, selbst wieder zum begehrten Bundesgenossen wird. Einsamkeit ist auch nötig zur Selbstbesinnung. Möge Deutschland sie nutzen! * Wes Sröning mit Stimson besprach. Vor einem deutsch-französischen Zusammenstoß? Über die zahlreichen Unterredungen des Reichskanzlers in Genf wird von betreffender Seite vollkommenes Stillschweigen bewahrt. Über keine dieser Unterredungen ist bis jetzt weder offiziell noch inoffiziell irgendwelche Mitteilung gemacht worden. Jedoch werden von amerikanischer Seite Einzelheiten über die Unterredung zwischen dem Reichskanzler und dem amerikanischen StaatssekretärStimson mitgeteilt, die jedoch mangels amtlicher Bestätigung nur unter Vorbehalt wiedergegeben werden können. Nach diesen Mitteilungen soll der Reichskanzler dem Staats sekretär eingehend den bekannten deutschen Standpunkt über die Frage der Gleichberechtigung Deutsch lands dargelegt und insbesondere unterstrichen haben, daß die deutsche Forderung auf Gleichberechtigung in der Abrüstungsfrage auf den internationalen Ver trägen beruhe und dem Grundsatz der Gerechtigkeit entspreche. Stimson soll in der Unterredung volles Verständnis und Sympathie für den deutschen Standpunkt bekannt haben. Reichskanzler Brüning beabsichtigt, am Donnerstag an der Sitzung des Hauptausschusses der Abrüstungs konferenz teilzünehmen, wird jedoch vorläufig persönlich in die Verhandlungen nicht eingreifen. Jedoch scheint es möglich, daß er bei der Behandlung der für Deutschland entscheidenden Frage der Gleichberechtigung, die als Punkt 5 auf der Tagesordnung des Hauptausschusses steht, und wahrscheinlich Anfang oder Mitte der nächsten Woche zur Verhandlung kommen soll, eine Darlegung des recht hat Borah gewiß nicht, daß nur dann Europa zu einer nicht bloß politischen, sondern auch wirtschaftlichen Sa nierung kommen kann, wenn man über jene drei Punkte auf der Lausanner Konferenz nicht bloß etwa ergebnislos streiten, sondern über sie zu einer europäischen Einigung kommen wird. Aber zum mindesten hat das englische Vor gehen hinsichtlich der Reparationssrage doch trotz aller Kulissendiplomatie in Genf die Folge, daß auch der Außen stehende von dieser Frage mit Galilei sagen darf: „Und sie bewegt sich doch!" grundsätzlichen deutschen Standpunktes in dieser Kern frage geben wird. In Genfer Kreisen wird angenommen, daß bei dem Punkt 5 der Tagesordnung der deutsche und französische Standpunkt zum ersten Male in aller Schärfe au feinander stoßen werden. Brüning beabsichtigt vorläufig, entgegen den ursprüng lichen Dispositionen am Sonnabend nach Sigmaringen zur Abstimmung zu den Preußenwahlen zu fahren und wird Sonntagabend in Genf zurückerwartet. * TriSuifrage — AbrüstLmgsfrage. Die Beratungen des Kanzlers in Gens. Von zuständiger Stelle der deutschen Abord nung in Genf werden über die bisherigen Verhandlun gen des Reichskanzlers Brüning Mitteilungen gemacht, in denen es u. a. heißt: In den zahlreichen Gesprächen, die der Reichskanzler während seines bisherigen Auf enthaltes mit den leitenden Staatsmännern geführt hat, sind sämtliche Gebiete der internationalen Politik, insbe sondere die Abrüstungsfrage, die Repara tionsfrage und die D o n a u f r a g e erörtert worden. In den Unterredungen mit den italienischen und englischen Außenministern hat ein außerordentlich weitgehender und wertvoller Gedankenaustausch über die Repärationsfragc und damit eine Vorbereitung der Lausanner Konferenz stattgefunden. Es ergab sich, daß »ich« nur eine dringende und schnelle Lösung der Reparations frage, sondern im Zusammenhang damit auch die Lösung der Wirtschaftskrise in Angriff genommen werden soll. In der Reparationssrage hat sich der begrün dete Eindruck ergeben, daß keine großen Entscheidungen vor den französischen Kammerwahlen zu erwarten sind, und daß erst nach den Wahlen die Verhandlungen in das entscheidende Stadium eintretcn werden. Der amerikanische Staatssekretär Stimson will in gleicher Weise wie der Reichskanzler Brüning seinen Gen fer Aufenthalt zunächst zur allgemeinen Orien tierung über die Lage benützen. Ein persönliches Hervortreten des Reichskanzlers aus der Abrüstungskonferenz wird erst in dem entscheidenden Augenblick der Verhandlungen, jedoch erst nach der am Donnerstag stattfindenden ersten Besprechung mit Mac donald erfolgen. über die Dona «fragen wird erklärt, daß die Londoner Konferenz eine Etappe bedeute, in der sich ge klärt hat, daß bei der endgültigen Lösung des Donau problems in erster Linie den Forderungen der Wirtschaft Rechnung getragen werden müsse. Es könne angenommen werden, daß die weiteren Verhand lungen über die Hilfsmaßnahmen für die Donaustaalen von den Londoner Ausführungen des deutschen Staats sekretärs beeinflußt sein werden. Der Reichskanzler, der am Sonnabend vormittag zur Teilnahme an den preußischen Landtagswahlen Genf verläßt, wird an dem traditionellen Frühstück der internationalen Presse am Sonnabend nicht teilnehmen können. Er beabsichtigt aber, bereits am Sonntag abend nach Genf zurückzukehren. Donaufrage am 23. April in Genf. Die auf der Londoner Donaukonferenz eingesetzten Sachverständigen der englischen, deutschen, italie nischen und französischen Regierung werden nunmehr endgültig am 23. April in Genf zur Aufnahme der Ver handlungen zusammentreten. Es sollen in erster Linie finanzpolitische Fragen behandelt werden, insbesondere die internationale Kreditgewährung an die Donaustaaten. In Oslo wird auch in diesem Sommer deutscher Flottenbesuch erwartet. Für den 6. bis 12. Juli ist der Besuch der beiden deutschen Linienschiffe „Hessen" und „Schleswig-Holstein" angemeldet worden. * die Sennchtwg der Großangriffswaffen Die Frontbildung gegen Frankreich» Der Hauptausschuß der A b r ü st u n g s k o n f e r en z verhandelte den dritten Punkt der Tagesordnung: Gleich zeitige Anwendung der q u a n t i t a 1 i v e n u n d q u a l i- tativen Begrenzung durch absolutes Verbot gewisser Materialien, ausgenommen bestimmter Bedingungen für deren Beibehaltung. Der englische Außenminister Simon trat in einer großen Rede mit außerordentlichem Nachdruck- und großer Überzeugungskraft für den Vorschlag der englischen Abordnung ein, nach dem sich die Abrüstungskonferenz endgültig für den Grundsatz der qualitativen Abrüstung aussprechen soll. Nach dem englischen Vorschlag erklärt die Abrüstungskonferenz, daß sie den Grundsatz der qualitativen Abrüstung, d. h. die Abschaffung, Ver nichtung und das