Volltext Seite (XML)
MMufferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Vorbestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umqeqend K-H- HSH-r« — — — KU-g od« lonfiger B-° trlebsstvrungen oei egt Lein Anjpruck aus Lieserung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- pfennige, die 3gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 AMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Dor- geschriebeneErscheiuungs- « tage und Platzvorsckriften werden nach Möglichkeit AbkN fPkSthSk. ÄMl v berücksichtigt. Anzeigen annahme bisvorm.10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Nodatlanspruck erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt geriÄts und des Stadtrats Nr- 106 — 91. Jahrgang ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts-- zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrufs-DreSden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 7. Mai 1932 Zwischenspiele. Der erste Wahlgang. — Das deutsche Schreckgespenst. Politische Musit von morgen. . Nachdem sich „om französischen Ministerpräsidenten s zum letzten Kandidaten jeglicher seine Kehlkopsenlzün- oung angeredet hatte, gab es in Frankreich den kl Iren Wahlgang. Eine klare Entscheidung hat er naturgemäß nicht gebracht —, die kommt vielmehr erst am nächsten Sonntag zustande. Gewiß ist eine leichte „Ten denz" nach links zu erkennen, die auch von der Rechten nicht bestritten wird, aber damit ist politisch vorläufig noch par nichts oder nur sehr wenig gesagt. Das „Persönliche" spielt ja beim französischen Parteileben und -streben eine ^it größere Rolle als in Deutschland, wo politische Ge- samlanschauungen die Grundlage der Parteien, ihrer Stellungnahme zu den politischen Tagesproblemen und weist auch ihrer Haltung gegeneinander abgeben. Der Nichtfranzose kennt besser die Namen der Parteiführer als die der Parteien, und da programmatische — um das echt deutsche Wort „prinzipielle" zu vermeiden — Gegensätze nicht oder kaum bestehen, bleibt allein eine ganz allgemeine politische Haltung für den Kandidaten maßgebend, sich in der neuen Kammer entsprechend zu placieren. Kompromisse zwischen den Parteien werden dadurch sehr erleichtert, allerdings auch leicht wieder zerstörbar. Bei der Gruppe der Sozialisten um Leon Blum liegen die Dinge zwar etwas anders, aber auch diese Partei trauert heute so manchem früheren Anhänger nach, der sich dann politisch-parlamen tarisch nach der Mitte oder gar noch weiter nach rechts hin entwickelte, ohne daß ihm das erheblich verübelt wurde. Seit 1914, also bei den dazwischen erfolgten Wahlen, hat das Schwergewicht in der Kammer sich streng abwechselnd mehr nach rechts oder mehr nach links verschoben, bekam also immer die Opposition recht —, und da ist heute die Linke dran. Es muß sich aber erst noch entscheiden, ob die Verschiebung dieses Schwergewichts nach links so groß ist, daß demgemäß auch die Sozialisten mit zu der neuen Re gierungsmehrheit gehören, die Parteien der Rechten und der rechten Mitte wie 1924 unter Herriots Ministerpräsi- dentschaft ausgeschaltet sein würden. Um dieser Entwick lung noch bis zu den Stichwahlen entgegenzuwirken, arbeitet man von Tardieu bis zum letzten Parteiagitator eifrig mit dem „dentsche.n Schreckgespenst". Wir verzeichnen das als Deutsche, ohne uns darüber in Er staunen setzen zu lassen. Wird sich doch erst in der welt politischen Praxis des Juni zeigen und entscheiden, ob die Wahlen in Frankreich ein belangloses Zwischenspiel sind oder ob sie wirklich zu neuen politischen Klängen und Melodien überleiten. * Auch in Deutschland gab es einige Tage hindurch im Haushaltsausschuß des Reichstages allerhand Zwischen spiele, die aber dem Steuerzahler nicht gerade sehr melo diös in die lauschenden Ohren klangen. Die Ausgaben wirtschaft der Reichsregierung für das Haushaltsjahr 1930 wurde bis in viele Einzelheiten hinein nachgeprüft, — und diese Einzelheiten waren oft von recht uner - sreulicher Art. Man muß zunächst übrigens daran erinnern, daß dieser Haushalt für 1930 nicht durch Be schlußfassung des Reichstages, sondern rechtlich durch Not verordnung in Kraft gesetzt wurde. Gerade darum ist nun die Nachprüfung besonders scharf durchgeführt worden und — die Vertreter der Reichsregierung hatten gegenüber den Anklagen der Abgeordneten aller Richtungen einen gar schweren Stand! Denn allzu viele Hände durften in den großen Topf Hineingreifen, der mit Reichssubventio nen wohl und voll gefüllt ist. Manche Organisation durfte sogar gleich beide Hände hineinstecken, weil das eine Ministerium nicht wußte, was das andere Ministerium an Subventionierung aller möglicher „zu fördernder" Zwecke und Verbände tat. Erhebliches und leider Zutreffendes wurde den Regierungsvertretern nicht bloß über die Größe des Subventionen-Topses gesagt, sondern noch mehr über die oft sehr zweifelhafte Art, wie die Gelder „wirtschaftlich" verwendet wurden. Immer länger wurde die Reihe der Klagen, immer lauter die Beschwerden darüber, daß das Reich und seine beauftragten Beamten sich in Geschäfte und mit „s märten" Geschäftsleuten eingelassen haben, denen sie nicht so ganz gewachsen waren. Mächtig genau nahm es der Reichstags-Ausschuß mit seinem Kon trollrecht, und später wird auch der Rechnungshof noch mals die Sonde der Kritik auch an die „wirtschaftlich zweckmäßige" Verwendung der Ausgaben legen. Leider sind die disharmonischen Zwischenspiele dieser Nachprü fungen recht häufig, wenn auch festgestellt werden darf, daß sie früher noch viel greller klangen. Es wird von manchen Behörden immer noch zu fchnell und zu „groß zügig" Geld ausgcgeben, das ihnen ja — nicht gehört, son dern nur anvertraut ist. * Auch für die deutsche innenpolitische Musik von mor gen werden die Instrumente besonders für den Zu sammentritt des Reichstages „gestimmt"; aber man wird auch dann und trotzdem kaum die Hoffnung hegen, daß dort nur liebliche Töne produziert werden. Schnell blies die Reichsregierung noch eine Melodie dazwischen, die eine gewisse Beruhigung bezweckt, aber wohl kaum erreicht: MMg Ns NMMWt Ismer Den Kugeln eines geisteskranken Russen erlegen Revolveranschlag nach einem Aus.- st e l l u n g s b e s u ch. Auf den französischen Staatspräsidenten Doumer wurde am Freitag nachmittag ein Revolver- anschlag verübt. Der Staatspräsident erhielt eine Kugel in den Unterleib; er wurde in hoffnungs losem Zustand in ein Krankenhaus gebracht. über das schreckliche Revolverattentat werden noch folgende Einzelheiten bekannt. Doumer wohnte der Er öffnung der Ausstellung bei, die von Schriftstellern, die am Kriege teilgenommen haben, veranstaltet wurde. Doumer war gegen 15 Uhr gerade im Begriff, das Buch eines französischen Schriftstellers mit seiner persönlichen Unterschrift zu zeichnen, um dann das Aussteüungs- gebäude zu verlassen, als aus dem Gedränge heraus fünf Rcvolverschüsse auf ihn abgegeben wurden. Am Hals und Unterleib schwer verletzt, brach der Staatspräsident zusammen. Er wurde sofort in das Krankenhaus Beaujon übergeführt. Die Ärzte zweifeln an seinem Aufkommen. Der bekannte französische Schriftsteller Claude Fur- röre, der dem Staatspräsidenten zu Hilfe eilen wollte, erhielt einen Rcvolverschutz ui den Unterarm. Der Täter, ein gewisser Paul Brad, wurde sofort verhaftet; seine genauen Personalien konnten zunächst noch nicht sestgestellt werden. Wie verlautet, soll es sich um einen Russen oder Letten handeln. , Erst im Krankenhause konnte man feststellen, daß Doumer nicht nur von zwei, sondern von drei Kugeln ge troffen wurde, von denen eine in den Kopf, die zweite in die Brust und die dritte in den Unterleib drang. Die Arzte, die in Anbetracht des hohen Alters des Staatsprä sidenten — er ist bereits 75 Jahre alt — das Schlimmste befürchten, haben sich zu einem schweren Eingriff ent schlossen, um die Kugeln zu entfernen. Vor dem Krankenhause und ebenso vor dem Elysse hat sich eine ungeheure Menschenmenge angesammelt, die auf Nachricht über den Zustand Doumers wartet. Es herrscht eine beispiellose Erregung, die sich vielfach in Verwünschungen gegen die Ausländer Luft macht. Auf der Straße ist allgemein die Meinung >er- breitet, daß es sich hier um einen kommunistischen An schlag handelt. Der Attentäter geisteskrank? Der verhaftete Attentäter heißt nicht, wie zunächst ge meldet war, Bard, sondern Paul Gorguloff und ist russi scher Emigrant und Arzt von Berus. Seine Erklärungen klingen so völlig unwahrscheinlich, daß man in ihm einen Geisteskranken vermutet. Augenzeugen berichten, daß sich gleich nach der Tat viele auf den Russen stürzten und ihn mit Stöcken und Fäusten bearbeiteten. Die Polizei mußte einschreiten, um den Attentäter vor der Wut der Menge zu schützen. Staatspräsident Doumer. den Erlaß der beiden Notverordnungen über die „militärähnlichen Organisationen" und über das Verbot der kommunistischen Gottlosenbewegung. Ob und wem es die Reichsregierung damit recht gemacht Hai, wird sich auch erst in den kommenden Tagen der kurzen Reichs tagsverhandlungen zeigen, die aber die übliche „große Aussprache" bringen sollen. Und dann wird jede Partei mit der ebenso üblichen Verve in ihre Trompeten stoßen, — doch auch hier nur zu einem Zwischenspiel, das erst nach Pfingsten zum politisch-parlamentarischen „Ocmoerto Lrosstz" werden wird. " ' Pr„ Oie Aussage -es Attentäters. Das Ministerpräsidium veröffentlicht folgende amtliche Verlautbarung: Staatspräsident Doumer wurde um 15 Ubr bei dem Besuch der Buchausstellung ehemaliger kriegsteil- nehmender Schriftsteller das Opfer eines Revolveranschlages. Der Attentäter, ein russischer Anarchist, scheint nicht im Voll besitz seiner Geisteskräfte zu sein. Der Präsident de? Republik wurde von einer Kugel am Scheitel in den Kopf getroffen, während eine zweite in die Schulter drang. Er wurde sofort in das Krankenhaus Beaujon übergeführt, wo ihm die besten Chirurgen sorgfältigste Pflege angedeihen lassen. Der fran zösische Ministerpräsident und die Mitglieder der Regierung haben sich sosori an das Krankenlager des Staatspräsidenten begeben. Der Schriftsteller Claude Farröre wurde am Unterarm verletzt. Der Ches der Pariser städtischen Polizei, Paul Guichard, der es durch sein Dazwtschentreten ver hinderte, daß das Attentat einen noch ernsteren Ausgang nahm, und der persönlich den Attentäter entwaffnete, wurde leicht am Handgelenk verletzt. Der Attentäter erklärte vor der Polizei, in Monako eine nattonalrusstsch- faschistische, aber antimonarchistische Partei gegründet zu haben, die etwa 40 Mitglieder umfasse. Diese Partei sei jedoch nach und nach zerfallen. Die Unterstützung, die die sowjetrussische Regierung von einer großen Anzahl europäischer Staaten erhalte, habe ihn dazu veranlaßt, einen „großen Schlag" auszu führen. Zu diesem Zweck sei er nach Paris gekommen und habe den Staatspräsidenten ermorden wollen. Er habe das Ziel verfolgt, Frankreich zu bewegen, Sowjetrußland den Krieg zu erklären. Am Donnerstagnachmittag habe er sich in dem Bureau der Vereinigung ehemaliger kriegsteilnehmender Schrift steller vorgestellt und um eine Eintrittskarte für die Er öffnung der Buchausstellung gebeten. Als man ihn nach seinem Namen fragte, habe er sich seines Pseudonyms „Brad" bedient, unter dem er in Europa und besonders in der Tschechoslowakei sehr bekannt sei, weil er in ver schiedenen dortigen Zeitungen Artikel veröffentlicht habe. In der Tasche des Attentäters fand man ein in russi scher Sprache abgefaßtes Notizbuch, in dem u. a. folgender Satz geschrieben steht: „Gargulow, Präsident der russischen Faschisten und Mörder des französischen Staatspräsiden ten". Gargulow ist ein plump und bäuerisch aussehender Mann von 37 Jahren. Sein sonderbares Benehmen und seine unruhig flackernden Augen scheinen die Auffassung vollkommen zu bestätigen, daß man es mit einem gefähr lichen Irren zu tun hat. Während seines Verhörs sprach er unausgesetzt vor sich hin, antwortete unklar auf die an ihn gerichteten Fragen und summte von Zeit zu Zeit eine Melodie. Soweit aus seinen unzusammen hängenden Reden hervorgeht, bezeichnet sich der Attentäter als Dichter und Mystiker. Er erklärte, er sei vor vier Monaten aus Prag nach Frankreich gekommen und habe sich dann in Monte Carlo niedergelassen. Gegen den Präsidenten der Republik habe er persönlich nichts gehabr, doch sei er ein fanatischer Gegner der Bolschewisten und habe als solcher gehandelt. Zu Ende des Verhörs erklärte der Attentäter: „Ich weiß, daß ich sterben muß und werde als Soldat sterben". Doumer erfolgreich operiert. Staatspräsident Doumer ist noch bewußtlos. Der be handelnde Arzt erklärte, daß eine der Kugeln die Schädel decke durchschlagen habe, ohne jedoch das Gehirn zu ver letzen. Die Kugel konnte bereits entfernt werden. Die Ärzte hoffen, den Präsidenten am Leben zu erhalten; eine tragische Wendung ist jedoch natürlich nicht ausgeschlossen. Infolge des hohen Alters des Präsidenten mußte die Entfernung der Kugel ohne Narkose vorgenommen wer den. Nach einem Gespräch mit dem Arzt erklärte auch Tardieu, daß Hoffnung bestehe, das Leben des Präsidenten zu erhalten. Im Sterbe«. Paris, 7. Mai. Gegen 2.30 Uhr nachts wird ein von fünf Aerzten unterzeichneter Bericht über den Zustand des fran zösischen Präsidenten der Republik herausgegeben, in dem es heißt: „Die im Zusammenhang mit der Schä'delverletzung cin- getretenen Gehirnstörungen verschlimmern sich. Die Schwäche nimmt zu. Der Zustand des Präsidenten wird immer bedenk- sicher." Um 2.30 Uhr ist der Präsident in den Tobeskampf ein getreten. Man erwartet jeden Augenblick sein Ableben. In gut unterrichteten Kreisen spricht man angesichts des hoffnungslosen Zustandes des Präsidenten bereits von der po litischen Lage, die sich durch seinen Tod ergeben würbe. Die französische Verfassung schreibt bekanntlich vor, daß im Falle des Todes des Präsidenten unverzüglich die Neuwahl vorge nommen werden muß. Das würde bedeuten, daß der National-