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MsdmfferTageblatt Wilsdruff-Dresden Nr. 126 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 1. Juni 1932 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten des Amts. gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Postdestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Atte Postanstalten, Post boten und unsere Aus- - 11 —iräger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit De- fUk U. UMAegkNo stettungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bewegt. für- Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 du-ch S«°ru, üdnmw.I.«» iib-". w» Klage eingczogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Schlechte Aussichten. Zweck hat es jg wirklich nicht mehr, nun immer wieder neue Zeitungsartikel oder sonstige Auslassungen des seht bald auch zum offiziellen Leiter der französischen Außen politik aufsteigenden Herrn Edouard Herriot zu zitieren. Alles ist auf denselben Ton abgestimmt, ist immer nur eine Wiederholung des ost Gesagten, — und dieses Ge sagte wie jener Ton sind unerfreulich für die Lausanner Konferenz im allgemeinen und für uns Deutsche insbe- sonders. Darum interessieren uns Deutsche heute auch kaum noch die innenpolitischen Schwierigkeiten Herriots, ob er nun zur Bildung einer festen Regierungskoalition mit der bürgerlichen Mitte oder mit den Sozialisten schreitet, oder ob er es vorzieht, eine Schaukelpolitik zu treiben, — in beiden Fällen wird er außenpolitisch die Verbindung nach rechts bis zu Tardieu hinüber suchen und finden. Aber es ilt doch — im Kampf der Franzosen gegen eine wirkliche und radikale Streichung der deutschen Tribute — eineneucWaffeerschienen.die man selbst unter der Voraussetzung gebrauchen kann, daß Amerika auf eine Streichung der deutschen Tribute auch eine solche der interalliierten und der deutschen Schulden an die Vereinigten Staaten unmittelbar folgen lassen würde. Diese Waffe hat man in Paris übrigens schon im vergangenen Spätherbst geschmiedet, sie aber erst jetzt ordentlich benutzt, um damit den angeblichen Forderungen Englands auf völlige Streichung der Reparationen ent gegenzuwirken, und zwar in einer Weise, die weder in London noch in Washington ohne Eindruck bleiben kann und — bleiben wird! Wenn wir nämlich in Lausanne eine völlige Strei chung der deutschen Tribute erleben würden und wenn sich Amerika seinen Kriegsschuldnern gegenüber zu gleicher Maßnahme entschlösse, dann gäbe es — so argumentiert man heute in Paris — ein Deutschland, das etwa 12 Mil liarden Staatsschulden hätte, aber ein England mit 120 MMtarven Mart Schulden. DatMslvMd'e und müßte sich in einigen . Jahren eine weltwirtschaftliche Gleich gewichtsstörung insofern ergeben, als nach Überwindung der gegenwärtigen Kreditkrise sich das schuldenentlastete und daher steuerbegünstigte Deutschland mit Vehemenz auf die Weltabsatzmärkte stürzen und sie erobern würde, noch mehr als das heute überschuldete Deutschland es jetzt unter dem Zwang der Ausfuhrsteigerung tut. Allerdings guckt dann unter der „moralischen Verpflichtung zu Re- parationen* der nicht mehr ganz unbekannte Pferdefuß des Versailler Friedens hervor, wonach die „Repara tionen" tatsächlich zur wirtschaftspolitischen Niederhaltung Deutschlands bestimmt sind. Und nun verstehen wir, warum sowohl auf französischer wie leider auch auf eng lischer Seite immer wieder der Plan auftaucht, Deutsch land zu einer künftigen Jahreszahlung von 400 bis 600 Millionen zu verpflichten, was — kapitalisiert — einer Verdoppelung unserer augenblicklichen Reichsschuld gleich käme. Auch der kluge englische Völkerbundezperte Sir Arthur Salter, der in Genf und Basel hart mit den Fran zosen zusammenstieß, macht jetzt einen derartigen Vorschlag. Schwinden also schon von diesen beiden Seiten her die Aussichten, in Lausanne zu einer wirklichen Endlösung zu kommen, erheben sich weiter schon jetzt auch erhebliche Schwierigkeiten bei den Verhandlungen mit der Bank von Frankreich, in die Verlängerung des unserer Neichsbank gewährten und am 4. Juni fälligen Gold-Kredits von 90 Millionen Dollar unbedingt einzuwilligen, so scheinen auch die letzten Versuche Macdonalds gescheitert zu sein, aus Lausanne mehr als nur eine Reparationskonferenz der europäischen Gläubigermächte und Deutschlands zu machen, sie zu einer wirklichen Weltwirtschaftskonferenz zu gestalten. Denn Amerika hat, trotz eifrigster Be mühungen des englischen Ministerpräsidenten, es rundweg abgelehnt, nach Lausanne zu kommen. Amerika will nach wie vor erst einmal ein Programm sehen, das, wie der bekannte Senator Borah sagte, „das Schuldenstreichen unsererseits zu einem intelligenten Akt oder zu einem Akt der wirklichen Weltverbesserung machen würde*.- Es gehört nicht viel Pessimismus dazu, um schon heute die Befürchtung auszusprechen, daß es in Lausanne nicht zu einer Einigung auf ein solches „intelligentes* Programm kommen wird. Lausanner Konferenz muß staiifin-en. Wegen Ablauf des Hoover-Moratoriums. InPariser politischen Kreisen erhält sich das Ge rücht, daß die Lausanner Konferenz in Anbetracht de, deutschen Regierungskrise vertagt werden könnte. Allerdings wird diese Auffassung in diplomatischen fran zösischen Kreisen nicht geteilt. Man erklärt im Gegenteil, daß alle an der Konferenz interessierten Mächte sich mit Lem Zeitpunkt des 16. Juni einverstanden erklärt hätten. Es könne auch schon keine Vertagung stattfinden, da das Hoover-Moratorium am 1. Juli ablaufe. Die Regie rungen seien daher gezwungen, vor diesem Zeitpunkt ein« Einigung zu treffen. Die deutsche Kabinettskrise könne sich ebensowenig wie die französische aus die Lausanner Konferenz auswirkeu. kleidete. Generalleutnant von Schleicher, Regierung der natisnulen KilizentmtW Herr v. Papen mit der Regierungsbildung beauftragt Oie Ministerliste von Papens. Herr von Papen hat für die verschiedenen Ministerien folgende Persönlichkeiten in Aussicht genommen: Inneres: Freiherr von G a y l; Äußeres: Botschafter von Neu rath; Reichswehr: General von Schleicher; Wirt schaft: Warmboldt; Arbeit: Goerdeler; Land wirtschaft: von Lüuinck; Post: Schätzel. Unbesetzt sind nach dieser Ministerliste noch das Finanzministerium, das Justizministerium und das Ver kehrsministerium. Her von Papen wird die in Frage kommenden Persön lichkeiten im Laufe des morgigen Tages befragen, ob sie bereit sind, die angetragenen Ämter zu übernehmen. Wie verlautet, wird der neue Reichskanzler, Herr vo« Papen, aus der Zentrumspartei ausscheiden. der vor wenigen Wochen das SO. Lebensjahr vollendete, begann seine militärische Laufbahn im Kadettenkorps und wurde im Kriege vor allem im Generalstab verwendet. Rach dem Kriege zur Reichswehr übernommen, wurde er im Jahre 1921 zum Oberstleutnant befördert und am 1. Februar 1926 zum Abtei- lunasleitcr im Reichswehrministerium ernannt. Mit dem 1 April 1929 übernahm er als Ches das neugcbildete Minister- amt im Reichswehrministerium und wurde kurz« Zeit daraus zum Generalleutnant befördert. Herr M Pam nimmt an. Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichspräsident empfing heute abend Herrn vonPapenund erteilte ihm den Auftrag zur Bildung einer Regierung der nationalen Konzen tration. Herr von Papen hat diesen Auftrag angenommen. * Franz vonPapen wurde am 29. Oktober 1879 inWerl (Westfalen) geboren und war ursprünglich Ossizier im Düssel- dorser 5. Ulanenregiment. Seit 1911 im Großen Generalstab verwendet, war er während des Krieges Militärattachü bei der deutschen Botschaft in Washington, wo ihm vorgeworsen wurde, daß er verschiedene Attentate gegen amerikanische Munitionsfabriken in Szene gesetzt habe. Nach dem Kriege nahm er den Abschied und wurde 1921 im Wahlkreis Westsalen-Nord in den Preußischen Landtag ge wählt, wo er zum rechten Flügel des Zentrums ge hörte. Er ist Aufsichtsratsvorsttzender und Besitzer eines großen Aktienpaktes des Berliner Zentrumsorganes Germania. Er wohnt in Haus Merfeld bei Dülmen (Westfalen). Reichstag wünscht Regierungserklärung zu höre«' Präsident zur Einberufung ermächtigt. Der Ältestenrat des Reichstages hat in seiner Sitzung mit Mehrheit den Präsidenten des Reichstages ermächtigt, den Reichstag sofort telegraphisch einzube- rufen, sobald eine neue Regierung gebildet ist und diese ihre Bereitschaft zur Abgabe einer Regierungserklärung bekundet. Sollte sich die Abgabe einer Regierungserklärung über Erwarten lange hinausziehen, so soll der Reichstags präsident den Ältestenrat nochmals zusammenrufen. Ohne neue Steuern. Die Aufgaben der neuen Reichsregierung. Reichspräsident von Hindenburg setzte seine Empfänge »er Partei- und Fraktionsführer fort. Er empfing nach, einander als Vertreter des Zentrums Prälat Dr. Kaas and Dr. Perlitius, als Vertreter der Deutschnationalen Volkspartei Geheimrat Hugenberg und Landrat a. D. von Winterfeld, von der Bolkspartei Dingeldeq und von »er Wirtschaftspartei die Abgeordneten Drewitr und Mollath. Mit dem Besuch aller noch weiteren Fraltions- sührer der bürgerlichen Parteien schlossen dann die Empfänge beim Reichspräsidenten ab. Über das Ergebnis der Unterredungen zwischen dem Reichspräsidenten und den Fraktionssührern wird amt licherseits strengstes Stillschweigen bewahrt. Wie von gut unterrichteter Seite verlautet, kann die Haltung der Nationalsozialisten gegenüber der Neubildung des Reichskabinetts auf der vom Reichspräsidenten angestrebten Grundlage dahin ge kennzeichnet werden, daß die Partei an der geplanten Neu- bildung uninteressiert ist. Das nationalsozialistische Ziel sind nach wie vor möglichst baldige Neuwahlen im Reich. Die Nationalsozialisten würden aber je nachdem, wie die Regierungsbildung ausfällt, das neue Kabinett unter Umständen vorläufig tolerieren. — Bei -er Unterhaltung zwischen Hitler und Hindenburg soll sich der Reichspräsident nicht abgeneigt gezeigt haben, einer neuen Reichsregierung die Ermächtigung zur Reichs- tagsauslösung zu geben. Im übrigen habe Hitler erklärt, daß für die Nationalsozialisten leine Regierung, wie sie auch immer aussehen möge, erträglich sein werde, die den Charakter einer Kompromitzrcgierung hätte. Andererseits aber seien die Nationalsozialisten jederzeit bereit, nicht nur die Regierung, sondern die volle Verantwortung zu über- nehmen, immer allerdings unter der Voraussetzung, daß derReichstag neu gewählt werde. In nationalsozialistischen Kreisen denkt man sich die weitere Entwicklung so, daß zu nächst ein Kabinett unter nationalsozialistischer Führung und unter Beteiligung der Deutschnationalen, vielleicht auch der Deutschen Volkspartei gebildet werde, das mit einer Regierungserklärung vor den Reichstag trete und diesen dann auflöse. Die Einberufung des Reichstages müsse dann allerdings so verzögert werden, daß die Neu- wählen erst nach der Ernte, also Mitte September» vor- genommen würden. Die Haltung des Zentrums ist nach dem Ausscheiden Brünings, der sich an der Neu bildung des Kabinetts auf keinen Fall beteiligen wird, zwar nicht direkt ablehnend; es will seine Haltung von der Persoy des neuen Kanzlers abhängig machen. Die Mög- lichkeit von baldigen Neuwahlen rückt bei dieser Haltung der Parteien aber stärker in den Vordergrund. Auch die Deutschnationalen dürften ihre Haltung von der Person des kommenden Kanzlers abhängig machen. Die kleineren Mittelparteien, soweit ihre Führer bisher vom Reichspräsidenten emp fangen worden sind, dürften der geplanten Neubildung loyal gegenüberstehen. Es tauchen immer neue Namen aus von Männern, die der neuen Reichsregierung angehören sollen, die zu nächst als ein übergangskabinett gedacht ist, das die Re gierungsgeschäfte bis zu den Neuwahlen führen soll. Die Person des Reichskanzlers steht noch nicht genau fest. Neuerdings tauchen Namen des rechtsstehenden Zen trumspolitikers von Papen und des Herrn von Westarp aus. Als Reichsernährungsminister ist Graf Kalckreuih, als Wirtschaftsminister v. Knebel in Aussicht genommen. Ob Freiherr v. Gahl das Innenministerium oder ein anderes Ressort übernehmen wird, ist noch nicht bestimmt. An seiner Stelle wird auch Edler v. Braun für das Ressort des Innern genannt. Die Namen v. Schleicher, Freiherr v. Neurath und Graf Schwerin dürften außer Zweifel stehen. Die neue Regierung soll übrigens versuchen, ohne Not verordnungen zu regieren, keine neuen Steuern zu ver hängen und auch die Prämienanleihe nicht aufzulegen. Sie steht da vor einer sehr schwierigen Ausgabe, da die vom alten Kabinett vorgesehenen Maßregeln die Deckung von rund 800 Millionen bezweckten. In politischen Kreisen herrscht allgemein die Ansicht vor, daß dem Reichspräsidenten die Bildung des neuen Kabinetts in der von ihm für notwendig gehaltenen kurzen Frist gelingen wird. Oie neue« Kabineitsmiiglieder. Wilhelm Freiherr von Gayl. der im 53. Lebensjahr steht, entstammt einer alten preußischen Offiziersfamilie. Nach dem Studium der Rechts- und Staats- Wissenschaften war er zunächst tn der preußischen Verwaltung tätig und übernahm im Jahre 1909 die Leitungder Ostpreutzi- schen Landgesellschaft, eines gemeinnützigen Siedlungsunter nehmens für die Provinz Ostpreußen. Im Kriege, an dem er aktiv teilnahm, wurde er im Jahre 1916 Chef der Abteilung für innere Politik und innere Verwaltung beim Oberbefehlshaber Ost. Nach dem Umsturz organisierte er vom Januar 1919 ab den Schutz Ostpreußens gegen die Bolschewisten. Im Jahre 1920 führte er als Reichs- und Staatskommiffar die Abstim mung im ostpreußischen Abstimmungsgebiet durch. Seit 1921 ist er Mitglied des Preußischen Staaisrats und Bevollmäch tigter Ostpreußens im Reichsrat. Er ist Mitglied der Deutsch- nationalen Volkspartei, hat aber weder Parteiämter über nommen, noch sich an der Agitation beteiligt. Freiherr Konstantin von Neurath, der am 2. Februar 1873 geboren wurde, trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften in den Konsulardienst ein und war in den Kriegsjahren Botschaftsrat in Konstantinopel. Im Jahre 1917 erfolgte seine Berufung zum Kabinettschcf des Königs von Württemberg. Im Jahre 1919 trat er wieder in den diplomatischen Dienst ein und ging zunächst als Gesandter nach Kopenhagen. Von 1922 bis zum Mai 1930 war von Neurath Botschafter am Quirinal in Rom. Dann übernahm er das Botschafteramt tn London, das er bis zum heutige« Tage be-