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, Mitelstan-snot. Mt rasender Schnelligkeit und unter gewaltigen Kütastrophen innerhalb der deutschen Wirtschaft ist nun schon ein ganzes Jahr seit jenem furchtbaren 13. Juli 1931 vergangen, als die Nachrichten von der Schalter schließung der Großbanken und bald auch der Spar kassen usw. wie Hammerschläge auf das geradezu betäubt dastehende deutsche Volk herniedersausten. Ungern genug erinnert man an das, was damals geschah; ungern mag und muß man auch an manches denken, was seitdem an Aufräumungsarbeit geschehen oder — nicht geschehen ist. Die damalige Reichsregierung sah sich zu einem scharfen Tadel gegen die Kreditpolitik der Großbanken gezwungen und sie erklärte im Reichstag, daß die Großbanken an die „Großen" das Geld mit vollen Händen hergegeben hätten, während kreditpolitisch „der mittlere und kleine Unternehmer, der kaufmännische und gewerbliche Mittelstand" ganz ins Hinter treffen geraten sei. Und als die Großbanken dann im Februar d. I. „Bilanz machten", da mußten sie selbst zu geben, daß ihre Verluste bei den Großkrediten verhältnis mäßig sehr viel beträchtlicher gewesen waren als bei den „Kleinkrediten" bis etwa 20 ONO Mark. Zugeben mußten sie aber auch, daß mehr als die Hälfte der ihnen zu geleiteten Gelder aus den Kreisen der mittleren und kleinen Sparer stammten. Wie lange, oft nnd laut, hatte man doch von dem „sterbenden Mittelstand" ge sprochen, und noch öfter und lauter von der unabänderlich sich weiterentwickelnden „Konzentrierung" in der Wirt schaft geredet! Und jetzt ist das Wort von der „Konzerndämmerung" schon oft und laut genug, außerdem mit kaum noch bestrittener Berech tigung in die Öffentlichkeit geworfen worden! Der „Mittelstand" in Handel, Gewerbe und Industrie hatte sich als weit krisenfester erwiesen, auch wenn man leider heute diese Krisenfestigkeit" als einen recht relativen Begriff betrachten muß! Und wicviele im Lause des jetzt vergangenen Jahres zusammeugebrochene Existenzen dieses Mittelstandes hätten gerettet werden können, wenn man neben der Sanierung der „Großen" nun auch eine wirklich tatkräftige „Mittelstandspolitik" getrieben hätte, die zum mindesten wenigstens die Kreditlage für den Mittelstand entscheidend erleichtert und verbessert hätte. In der Hauptsache aber hat er sich allein seiner Haut gegen die fortschreitende Krise wehren müssen, er folgte sogar manches von „oben" her, was ihm manche tiefe Wunden schlug. Was in der Notverordnung vom 10. Dezember 1931 für den „Mittelstand" abfiel, blieb ohne Wirkung, denn die Hauptbelastung durch Steuern, Abgaben, Gebühren und sonstige Zwangsfordcrungen der öffentlichen Hand wurden nicht geringer, sondern z. B. durch die Erhöhung der Umsatzsteuer noch gesteigert. Das hat jüngstens noch eine üble Fortsetzung erfahren dadurch, daß die Umsatz steuer nun bis zum letzten kleinsten Betrieb herunter aus gedehnt wurde. Es ist fast so, als ob es der Mittelstand in Handel, Gewerbe und Industrie büßen müsse, daß er sich besser gegen die Krise gewehrt hat, als dies die „Großen" vermochten. Und daß die behördlichen Plackereien sich vermindert hätten, wird man auch nicht gerade behaupten können! Der Mittelstand, besonders der in Handel und Gewerbe, wird nach wie vor auch kreditpolitisch schlecht be handelt — soweit er sich hiergegen nicht durch seine Scklbst- Hilfe-Organisationen, die Genossenschaften, wehrt —, und derselbe Mittelstand ist heute einer der größten — Kreditgeber! Denn wer vermag auch nur annähernd abzuschätzen, welchen Riesenumfang das „Borgen über den Ladentisch hinweg" angenommen hat, erzwungen durch die so tief gesunkene Kaufkraft einerseits und den zu einem erbitterten Ringen gewordenen „Kampf um den Absatz" auf der anderen Seite! Der Fiskus aber in seiner ebenso mannigfachen wie rücksichtslos zugreifenden Gestalt be hauptet, auf das ihm Zustehende unter keinen Umständen verzichten zu dürfen und zu können. Noch immer harrt der „Mittelstand" in Industrie, Handel und Gewerbe sehnsüchtig der Hilfe, die man ihm versprach. Man sollte „oben" erkennen, daß sie zu spät kommt, wenn man sich nicht sehr bald zu ihr entschließt. Verschärfung des OstgrönlandkonsMs. Norwegen dringt weiter vor. Wie aus Oslo mitgeteilt wird, ist die norwegische Regierung im Begriff, weitere Gebietsstreifcn an der Ostgrönlandküste zu befetzen. Eine amtliche Mitteilung liegt noch nicht vor. Der ganze Küstcnstrcifen im Südosten vom 60. bis 63 Grad soll in einer Länge von 300 bis 400 Kilometern und in einer Breite von 50 Kilometern besetzt werden. Es wird hinzugefügt, daß dieses Gebiet seit 1900 nicht mehr von Eskimos bewohnt werde. In Kopenhagen haben diese Nachrichten ungeheures Aufsehen erregt. Dänischerseits wird festgestcllt, daß der dänische Forscher Knud Rasmussen noch im vorigen Jahr das fragliche Gebiet im Auftrage der dänischen Regierung besucht habe. Ein solcher norwegischer Übergriff würde einen offenkundigen Bruch des Abkommens von 1924 darstellen. Nun die Aufbauarbeit! Nachdem die Reichsminister nun alle wieder in Berlin versammelt sind, müssen sie ihre ganze Kraft den drängen- den innenpolitischen Aufgaben zuwenden. Bekanntlich hat die Reichsregierung ankündigen lassen, daß alsbald nach Abschluß der Lausanner Verhandlungen die Beratungen über das Wiederaufbau Programm ausgenom men werden sollen. Das Programm soll so schnell wie möglich sertiggestellt werden. In diesem Aufbauprogramm spielt die Arbeitsbeschaffung durch Arbeitsdienst pflicht und durch Siedlung die Hauptrolle. Es stehen aber auch noch andere innenpolitische Fragen auf der Tages ordnung der Kabinettsberatungen, vor allem die Frage, ob irgendwelche Sondermaßnahmen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ergriffen werden müssen. In Verbindung damit wird auch wieder von der Einsetzung eines Reichskommissars in Preußen ge sprochen. * Sausteine aus dem WiederaufbauproMmm. Die Fahrt des Reichskanzlers nach Neudeck. ReichskanzlervonPapen fährt am Mittwoch nach Neudeck, um dem Reichspräsidenten über das Er gebnis der Lausanner Konferenz Vortrag zu halten. Der Reichskanzler kehrt am Freitag wieder nach Berlin zurück. Außer dem Reichskanzler wird auch Reichsinnen minister von Gahl nach Neudeck fahren. Man kann daraus schließen, daß außer den Lausanner Verhandlungen auch die innenpolitischen Verhält nisse zur Besprechung kommen; man wird wahrscheinlich die Zustimmung des Reichspräsidenten zu wichtigen Ent scheidungen der Rcichsregiernng einholen wollen. Diese dürften vor allem auf dem Gebiete der Arbeits beschaffung, und zwar der Siedlung und des Arbeitsdienstes liegen. Man denkt daran, mög lichst alle arbeitsfähigen Deutschen in bestimmten Alters- Lausanner Klippen. Zu den mannigfachen Unklarheiten, die über das Lausanner Abkommen bestehen, gehört auch die Frage, was geschehen soll, wenn der Pakt von den Parla menten der vertragschließenden Länder nicht ratifi ziert wird, ein Fall, der nicht in das Bereich der Un möglichkeiten gehört. Von französischer Seite wird ge flissentlich die Nachricht verbreitet, daß dann automatisch der Ao ung-Plan wieder aufleben würde. Demgegen über steht die deutsche Erklärung, die jetzt auch von eng lischen politischen Kreisen bestätigt wird, daß der englische Ministerpräsident Macdonald keinen Zweifel darüber ge lassen habe, daß im Fall einer Nichtratifizierung keine Schritte ohne vorherige Beratung mit Deutschland auf einer neuenKonferenz unternommen werden sollen. Es würde dann allerdings eine neue und sehr ernste Lage entstehen, aber der Ao ung-Plan würde nicht wieder automatisch in Kraft gesetzt werden. Auch der ehemalige englische Schatzkanzler Churchill gab dieser Meinung in sehr drastischer Weise Ausdruck, indem er erklärte: „Wenn irgend jemand glaubt, daß man je in Deutschland zum Aoung-Plan zurückkehren werde, so braucht er besondere ärztliche Behandlung!" Ein weiterer dunkler Punkt in den Lausanner Ab machungen sind die angeblichen Geheimabmachungen zwischen England, Frankreich und Italien, das Lausanner Abkommen erst dann zu ratifizieren, nach dem eine zufriedenstellende EinigungmitAmerika über die Kriegsschuldenfrage zustande- getommen ist. Die deutsche Regierung hat bekanntlich in Lausanne mit Erfolg den Standpunkt verfochten, daß für Deutschland eine Verquickung von Tributen und Kriegs schulden nicht in Frage komme, weil sie wußte, daß dies ein Standpunkt ist, an dem Amerika sehr kitzlich ist. Die amerikanische Antwort ist denn auch nicht ausgeblieben, und eine im amerikanischen Senat und Repräsen tantenhaus angenommene zuverlässige private Um frage ergab, daß wohl nicht zuletzt als Folge einer Er bitterung wegen der angeblichen Geheimabkommen die Stimmung in beiden Häusern gegen die Schulden- streichung ist. So erklärte der Führer der Re publikaner im Senat: „Ich werde die Kriegsschulden weder streichen-Noch revidieren, gleichgültig, welche Ve^ grenzen durch geeignete Maßnahmen zu dem freiwilligen Arbeitsdienst heranzuziehen. Auch die Lage in Preu ßen dürfte mit dem Reichspräsidenten besprochen werden * Ein Ar-eiis-ienstplan. Freiwilligkeit oder Pflicht? Die Arbeitsdienstpflicht erörterte der Preis kommissar, Oberbürgermeister Dr. Goerdeler, in einem Vortrag in Leipzig. Er erklärte, daß noch bis Ende dieses Jahres 2 0 0 0 0 0 Mann im Arbeitsdienst beschäftigt werden sollen. Die dazu notwendigen Mittel würden 60 000 »00 Mark bc- tragen; davon seien 40 000 000 greifbar. Dr. Goerdeler will den Arbeitsdienst zwar aus der Freiwilligkeit entwickelt, aber in der Form bin dender Verpflichtung für alle Jugend- l i chen zwischen 18 und 30 Jahren eingerichtet sehen. Nur körperliche Unfähigkeit dürfe einen Befreiungsgrund bilden. Die Dienstpflichtigen seien in Gruppen von nur 20 bis 40 Mann zusammenzuschließen. Die Führer dieser Gruppen hätten aus der Arbeitsdienftpflicht selbst hervor- zugehen. Der Dienst habe sich nicht allein auf die Arbeit, sondern auch auf die geistige Erziehung, auf disziplinierte körperliche Bewegung zu erstrecken. Die moralische Seite der ganzen Frage sei die durchaus entscheidende. Die vorzunehmenden Arbeiten müßten allgemein volkswirtschaftlichen Nutzen haben, doch seien alle Arbeiten auszuschließen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt unterzubringen sind. * Bon unterrichteter Seite wird hierzu mitgcteilt, ruß ver Entwurf des Reichsarbeitsministe riums vorsieht, daß der Arbeitsdienst freiwillig, zusätzlich und gemeinnützig sein müsse, weiter, daß der Präsident der Rcichsanstalt für Arbeitsver mittlung und Arbeitslosenversicherung, Dr. Syrup, die »berste Leitung des Freiwilligen Arbeitsdienstes erhalte. sprecynngen in LauiaMe gemacht oder welches Abkommen getroffen worden sind. Ich glaube nicht, daß jemals der amerikanische Kongreß die alliierten Schul den revidiert oder herabsetzt." Nun darf man solche Reden jetzt nicht allzu wörtlich nehmen, weil sie in der gespannten Atmosphäre der bevor stehenden amerikanischen Präsidentenwahl abge geben werden, aber man sieht doch immerhin, daß das Lausanner Schiff noch manche Klivpe zu umschiffen haben wird, ehe es in den sicheren Hafen einlausen kann. * Das letzte Wort öder Reparationen. Macdonald spricht im Unterhaus über Lausanne. In Erwartung der Erklärung des englischen Minister präsidenten Macdonald über die Lausanner Konferenz hatten sich fast sämtliche Abgeordneten im Unterhaus eingcfunden. Macdonald begann seinen Bericht über die Lausanner Konferenz mit der Feststellung, die Reparationen hätten die Staatshaushalte der einzelnen Länder verfälscht, sie hätten im Herzen Europas ein Land in eine finanzielle Lage gebracht, die eine Drohung für die Welt ge worden sei; sie hätten viel dazu beigetragen, die Wirtschaft der einzelnen Länder in Unordnung zu bringen. Solange cs Reparationen gebe, könne sich die Wirt schaft nicht wieder vollständig erholen. Immer wieder seit dem Kriege hätten auf allen Konfe renzen die wirtschaftlichen Trugschlüsse der Reparationen den Beteiligten ins Gesicht gestarrt. Er hoffe aber, daß man als Ergebnis von Lausanne nunmehr das letzte Wort über die Reparationen gehört habe. (Beifall.) Macdonald wies auf die Gefahren hin, unter denen die Welt dauernd wegen der Krise Deutschlands gelitten habe. Solange nicht die Lage Deutschlands als ein Element im Welthandel, als ein Faktor nicht nur innerhalb Europas, sondern auch als ein Faktor für England verstanden und behandelt werde, gebe es auch für England keine Erholung. (Beifall.) Macdonald verweist auf die geschichtliche Entwicklung seit der Londoner Sicbenmächtekonfcrenz und kommt auf die Kriegsschulden zu sprechen. Der Reichskanzler von Baven, so fuhr er fort, habe sich hartnäckig, geweigert, zu- NilsdmfferÄMM l_! Nr. 162 — 91. Jahrgang Wilsdruss-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 13. Juli 1932 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. frei Haus, bei Poftbcstellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld/ Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalten, Post- n°hm.n7u jÄr Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Lg-'^ Halle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung «ingesandter Schriftstücke crsolgt nur, wenn Porto bciinzi. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter gWb^Erschelnüng^ werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr n !°S°"ndPIatzv°r,chrif>°n -nn-hmebisoorm.ioUhr. , — -UV» y berücksichtig«. Anzeigen- durch Fernruf übermittelten Anze.g.u übern, wir »eine Garantie. Jede. 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