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MdmfferTageblatt Nr. 166 — 91. Jahrgang Wilsdruss-DreSden Montag, den 18. Juli 1932 Telegr.-Adr.: „Amtsblatt' Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerrchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlicd 2,— RM. bolcn bn Poftbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend «alle höherer Gewalt, S-L Krieg oder sonstiger Be. «riebsstörungen besteht kein Anspruch aus Li-ierung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung etngesandtcr Schriftstücke erfolgt nnr, wenn Votto beilieat. Postscheck: Dresden 2640 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis, die 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die Igespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen «v Reicks* Pfennige, die Sgespaltene Beklamrzeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Aeichspfennige. Dor' geschriebeneErscheinnugr. « t-g-nnd Platzoorfchri en werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wnssrun vir. v berücksichtigt. Anzeigen. annahmcbisvorm.lVUbr. Für die Richtigkeit ter durch Fernruf übermittelten Anzeigen Ldrrn. wir keine Garantie. Jeder Rabattansprnck erlischt, wenn der Betrag l rch Klage eingezogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Beerdigungsinstitut Völkerbund. Man hat in Genf beim Völkerbundrat wieder einmal in aller Fröhlichkeit ein Leichenbegängnis veranstaltet. Nit lautem Schlag wzirde der Sargdeckel zugeworfen und »er letzte Rest jenes Versuches in die Erde versenkt, Deutschland und Österreich wenigstens wirt schaftlich und handelspolitisch zusammenzubringen. In Nenf ist mit der A n l ei h e g e w ä h run g des Völker bundes an Österreich etwas beerdigt worden, über das der französische Ministerpräsident die Leichenrede im Aus wärtigen Ausschuß der Deputiertenkammer gehalten hat: „Österreich hat in Lausanne für 20 Jahre freiwillig auf den Anschluß und ein Handelsbündnis mit Deutschland verzichtet." Diese „Freiwilligkeit" war lillerdings die eines Ertrinkenden, dem im letzten Augen blick ei« Seil zugeworfen wird; nur Weitz er, datz man es sofort zurückzieht, wenn er nicht alle ihm gestellten Be dingungen sür seine „Rettung" annimmt, übrigens patzt diese „Hilfeleistung" für Österreich recht gut zu der ganzen Lausanner Konferenz, nach deren formeller Be endigung man sich auch noch daran erinnerte, datz draußen vor der Tür der österreichische Bittsteller stand! Für das Linsengericht von etwa 20 Millionen Mark mutzte er die politische, finanzielle und wirtschaftliche Souve ränität seines Staates verkaufen, — soweit davon noch etwas vorhanden war. Denn nun regieren in Österreich wieder dieVölkerbundkommissare, und von der großen Anleihe erhält die Wiener Negierung nur etwa 40 Millionen Schilling, während rund 200 Millionen dazu dienen, um die aufgelaufenen Zins- und Amorti sationsverpflichtungen für ausländische An leihen Österreichs zu bezahlen. Das meiste davon geht direkt oder indirekt doch wieder an Frankreich, so daß es diesem Staat weniger als ein Linsengericht kostet, wenn er sich jetzt in verbrieften und versiegelten Besitz der staat - lichen Hoheitsrechte Österreichs setzen konnte. Unter beredtem Schweigen hörte sich der Völkerbundrat die Erklärung des deutschen Vertreters an, er — enthalte sich der Stimmabgabe bei dieser finanziellen Hilfsaktion, die an politische Bedingungen gebunden sei. Deutschland hoffe, durch eine eigene Aktion an der Wiederanfrichtung Österreichs teilnehmen zu können. Das war ein nicht ge rade flammender Protest gegen dieses politische Er pressungsmanöver an Österreich, das der französischen Re gierung und ihren ost- und südosteuropäischen Trabanten staaten nur allzu gut geglückt ist und bei dem man einen italienischen oder englischen Widerspruch nicht mehr ge hört hat. Der Sargdeckel knallte zu. Aber noch etwas anderes knallte zu: Es ist die Tür, durch die Deutschland die Verbindung wirtschaftlicher Art mit dem Südosten Europas, mit dem „Donau-Raum", osfenhatten wollte, wenn sich dort wirtschaftliche oder handelspolitische Neuordnungen vollziehen sollten. Dar über ist schon genug geplant, geredet und konferiert, aber bisher noch nichts beschlossen worden, da den allzu drasti schen Hegemonieabsichten Frankreichs noch vor ein paar Monaten England einen gewissen Widerstand leistete. Allzu unverfroren hatte Tardieu versucht, Deutschland dabei auszuschalten. Ob jetzt, nach Lausanne, Macdonald dem so eng „befreundeten" Herriot in den Arm fallen wird, wenn nun wirklich die wirtschaftlichen Reformpläne für die Donaustaaten sestere Formen unter Frankreichs Leitung und italienischem Wohlwollen annehmen? Gewiß sind diese Pläne wirtschaftlicher Irrsinn, wenn man Deutschland dabei fernhalten will, aber es wäre ja nicht das erstemal, daß die wirtschaftliche Vernunft von der Politik einfach auf den Kopf gestellt wird mit dem Trost das geschehe „freiwillig"! Und man dürfte uns kaum Gelegenheit geben, uns „am Wiederaufbau Österreichs zu beteiligen", übrigens ist diese Völkerbund- Anleihe französischer Herkunft auch ein geradezu klassisches Beispiel dafür, wie man mittels eines solchen finanziellen Rettunksstrickes den Anleihenehmer politischfesseln kann, — was zu wissen und zu sehen auch sür nns Deutsche recht lehrreich sein mag! Werden doch die Folgen der Lausanner Ergebnislosig keit auch nach anderen Seiten auf handelspolitischem Ge biete immer deutlicher sichtbar! Rings um uns bildeten oder bilden sich größereWirtschafts räume durch zoll- und handelspolitischen Zusammenschluß kleinerer Staaten, — immer mit unverkennbarer Spitze gegen Deutschland. So hat sich schon längst der skandina vische Norden mit Einschluß Dänemarks znsammen- gefunden, dann folgten die neuen Ostseestaaten, und jetzt die Vereinbarungen zwischen Holland und Belgien-Luxem burg. Man stößt zum mindesten einige Löcher in die zoll- Politischen Jsolierwände, die man gegeneinander errichtet hat, — aber gegenüber Deutschland denkt man nicht daran, das gleiche zu tun. Und daß England heute nicht nach dem europäischen Kontinent blickt, wo es sich übrigens auch durch den Artikel 4 des Konsultativ-Abkommens mit Frankreich, Italien und Belgien Handels- und zollpolitisch ^or unangenehmen Überraschungen bis auf weiteres ge- uKeU hab baß England vielmehr jetzt und für die die Reichskonferenz von Ottawa kann das Bild von der Vereinsamung Nentrchlands nur noch unverkennbare»- machen. Mc LMiMU über de« freimWe« Arbeitsdienst In einer Verordnung hat die Reichsregierung den freiwilligen Arbeitsdienst neu geordnet. Den Gegenstand und Zweck bezeichnet die Verordnung mit den Worten: „Der freiwillige Arbeitsdienst gibt den jungen Deut schen die Gelegenheit, zum Nutzen der Gesamtheit in ge- gemeinsamem Dienste freiwillig ernste Arbeit zu leisten und sich zugleich körperlich und geistig sittlich zu ertüchtigen." Nach dem Inhalt der Verordnung müssen die Arbeiten des freiwilligen Arbeitsdienstes gemeinnützig und zusätzlich sein; sie dürfen nicht zu einer Verringerung der Arbeitsgelegenheiten aus dem freien Arbeitsmarkt führen. Träger der Arbeiten sind öffentliche Körperschaften oder sonstige Vereinigungen, die gemeinnützige Zwecke ver folgen. Diesen wird es auch obliegen, für das Vorhanden sein von geeigneten Arbeiten zu sorgen. Als Träger des Dien st es kommen neben den Trägern der Arbeit die Vereinigungen in Betracht, die sich in besonde rem Maße für die Betreuung der Arbeitsdienstwilligen eignen. Die Arbeitsdienstwilligen genießen die Vorteile der Sozialversicherung und des Arbeitsschutzes. In erster Linie sollen junge Deutsche unter 25 Jahren bedacht werden, und zwar von diesen wieder besonders Arbeitslose, die aus öfffentlichen Mitteln unterstützt wer den. Daneben kommen aber auch Nichtarbeitnehmer in Be tracht. Um eine möglichst einfache und sparsame Durchfüh rung des freiwilligen Arbeitsdienstes sicherzustellen, wer den die für diesen Zweck bereitstehenden Reichsmittel und Mittel der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Ar beitslosenversicherung einheitlich zusammen - gefaßtund verwaltet. Um die einheitliche Leitung zu gewährleisten, wird die Reichsregierung einen R e i ch s k o m m i s s a r, der dem Reichsarbeitsminister untersteht, ernennen. Der Reichs kommissar wird von Bezirkskommissaren unterstützt. Als Reichskommissar ist der Präsident der Reichsanstalt sür Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Dr. Syrup, in Aussicht genommen. Ein neuer Be hördenapparat wird nicht geschaffen. Vielmehr stehen die Einrichtungen der Reichsanstalt zur Verfügung. * Zu der Verordnung gibt die Reichsregierung die fol gende Erklärung: Die Reichsregierung hat in der Verordnung vom 16. Juli dem freiwilligen Arbeitsdienst eine neue Verfassung gegeben. Sie behält sich vor, diese ent wicklungsfähige und förderungswürdige Einrichtung unter Berücksichtigung der kommenden Erfahrungen weiter auszubauen. Der Reichskommissar wird beauftragt, über seine Er fahrungen zu berichten und ein Gutachten über die not- wendigen Voraussetzungen und die zweckmäßige Form einer Arbeitsdienstpslicht zu erstatten. Das Gutachten wird der Öffentlichkeit zur Beurteilung zu gehen. Neichsarbeitsminister Schäffer über den freiwilligen Arbeitsdienst. Der Zweck ist Verminderung, nicht Vermehrung der Arbeitslosigkeit. Im Rundfunk sprach Neichsarbeitsminister Schäf- f e r über den freiwilligen Arbeitsdienst. Er knüpfte an die bereits bestehenden Organisationen auf diesem Gebiete an, wie sie sich im Laufe der Zeit aus freiwilliger Initia tive entwickelt haben. Heute ist der freiwillige Arbeits dienst eine soziale Bewegung, vergleichbar mit einem Strom, der ausgetrocknetes Land bewässert und befruchtet. Der Minister erinn'erte in diesem Zusammenhang an die bereits geleisteten Arbeiten des Jungdo, des Stahl helm, des Reichsbanners, des überparteilichen Heimat werkes in Südwestdeutschland und in Hessen und des katho lischen Heimatwerkes in Köln. Der Arbeitsdienst ist frei willig, die Verordnung übt leinen Zwang aus. Der freiwillige Arbeitsdienst begründet kein Dienst- oder Arbeitsverhkltnis im Sinne der gesetzlichen Vorschriften. Es finden daher die Bestimmungen über den Arbeitsver trag, die Arbeitsverfafsung, den Betriebsrat usw. keine An wendung. Die arbeitsdienstliche Gemeinschaft gibt Rechte, insbesondere den Anspruch aus Unterhalt. Sie begründet aber auch Pflichten, insbesondere die der selbstlosen Ein ordnung. Von jedem Dienstwilligen wird völlige Hingabe an das Geheimnis der freien Gemeinschaft gefordert, in der es leine Knechte und leine Herren gibt. Die Gemein schaft steht unter dem Gesetz der Ehre. Der Arbeitsdienst steht auch Studenten und Bauernsöhnen offen. Für volkswirtschaftlich wert volle Arbeiten kann die Dauer der Förderung bis zu 40 Wochen verlängert werden. Reich und Reichsanstalt stellen bis jetzt im ganzen 55 Millionen Mark bereit. Die Aufsicht über den Arbeits dienst führt das Reichsarbeitsministerium. Beispiele sür die gemeinnützigen und zusätzlichen Arbeiten: Die Anlage und Verbesserung von Dorfstraßen, Feld- und Waldwegen, die Ausrichtung kleiner Flußläufe, Befesti gung und Schutz der Ufer von Bächen und Flüssen, Ge winnung und Verbesserung von Boden durch Kultivierung von Moor und Heide für Acker- und Gartenbau, Zuschüt tung von Sümpfen und Altwässern, Aufforstung von Öd ländern, ferner Abräumungsarbeiten zur Erschließung von Steinbrüchen, Kies- und Sandgruben, Planierung und Urbarmachung von Siedlungsgelände u. a. m. Not standsarbeiten als solche sind im allgemeinen nicht Gegen stand des freiwilligen Arbeitsdienstes, besonders nicht der Bau von Land- und Wasserstraßen, die Errichtung von Staudeichen, die Eindeichung, Ent- und Bewässerungen in großem Umfange. Es wird aber unter Umständen zu lässig und zweckmäßig sein, in räumlicher und zeitlicher Trennung zur Vorbereitung von Notstandsarbeiten Erd bewegungen im freiwilligen Arbeitsdienst zu bewirken. MW; Mimim in -er Wehksrage Vor entscheidenden Kämpfen in Genf. Die vertraulichen Verhandlungen zwischen den Ab ordnungsführern über die Vertagungsentschließung der Abrüstungskonferenz, die gleichzeitig den Kern des künf tigen Abrüstungsabkommens darstellen soll, werden mit Nachdruck sortgeführt. Herriot und Paul-Boncour treffen am Montag in Genf ein. Macdonald wird Mitte der Woche erwartet, um an den entscheidenden Be ratungen des Hauptausschusses teilzunehmen. In Kon ferenzkreisen verstärkt sich der Eindruck, daß schwere Kämpfe bevorstehen. Auf deutscher Seite werden folgende Forderungen gestellt werden: Die weitere Mitarbeit Deutschlands an der Abrüstungskonferenz hängt von der Feststellung der deutschen Gleichberechtigung ab. Falls diese in dem gegenwärtigen Abschnitt der Konferenz nicht mehr möglich ist, muß die Abrüstungskonferenz sogleich nach ihrem Wiederzusammentritt die Gleichberechtigungsfrage vor allen anderen Fragen entscheiden. Die Abrüstungskonferenz muß noch in diesem Jahre an einem bereits jetzt festzusetzenden Zeitpunkt zusammentreten. Aus einer Verweigerung der deutschen Gleichberech- tigunK kann Deutschland nnr die unvermeidliche Folgerung eines Bruches der internationalen Ver pflichtungen des Völkerbundvertrages und des Versailler Vertrages durch die anderen Mächte und damit eine Befreiung von de» ihm auferlegten Bindungen ziehen. Die Rüstung -er anderen. Major Erich Marcks vom Reichswehrministerium sprach kürzlich Wer das Thema .Die Rüstung der anderen". Er gab einen allgemeinen überblick über! die Grundsätze moderner Kriegsführung, und wog dann das Maß und die Art der Rüstungen der Mächte gegen-, einander ab. Auf die unerträgliche Lags Deutschlands, das von hochgerüsteten Mächten um geben ist, wies er zum Schluß mit folgenden zusammen fassenden Lätzen hin: „Das Kennzeichen moderner Wehrverfassung ist ein höchst kompliziertes System der Vereinigung neuzeitlicher Technik und des Berufssoldatentums mit dem Milizgedanken und der vollen Ausnutzung der ganzen Wehrkraft für die Kriegsführung. Erfüllt von dem Gedanken, daß die Erhaltung der nationalen Frei heit überall besteht, legt man sich dabei willig die größten finanziellen Opfer auf. Das moderne Beispiel eines solchen modernen Wehrsystems finden wir vor allem in Frankreich. Deutschland allein ist heute noch immer von dem Recht eines Volksstaates ausgeschlossen, für den Schutz seines Gebietes nach eigenem Maß zu sorgen. Noch immer besitzen wir weder gleiches Recht noch! gleiche Sicherheit. Wir stellen diese Tatsache fest. Aber! wir wissen sogleich, daß dieser Zustand einmal im Inter esse Deutschlands und der ganzen Welt überwunden wer den mub und überwunden werden wird." NanlreWSoffimng auf denAomg-Plan. Die Nebenabkommen, die nach Abschluß der Lau sanner Konferenz bekannt wurden, haben bekannt lich ernste Besorgnisse auftauchen lassen darüber, was mit den deutschen Tributzahlungen geschehen wird, wenn das Lausanner Abkommen nicht die Zustimmung derParkä me n t e der vertragschließenden Länder findet. Die Be fürchtung, daß dann die Bestimmungen des Doung- Pla»es wieder aufleben würden, wurde vom Rebbs-