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MMufferTageblatt Nr. 179 — 91. Jahrgang Wilsdrusf-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 2. August 1932 607 Reichstagsabgeordnete Insgesamt 607 Sitze In der Zahl der der Zentrumspartei zugefallenen Sitze sind mitenthalten die beiden Sitze, die auf den Reichs wahlvorschlag Zentrum und Bayerische Volkspartei im Wahlkreis Pfalz entfallen sind. Den übrigen Parteien, die noch Kandidaten aufgestellt hatten, hat es zu keinem Sitz gereicht. Es erhielten: die Volksrechtpartei 40 927 Stimmen, die Dt.- Hannover. Partei 46 873, Höchstgehalt der Beamten 5000 Mark 1147, Dt. Einheitspt. 1842, Dt.-Soz. Kampfbewegung 953, Nationale Minderheiten 34 969, Kampfgemeinsch. der Arbeiter 4597, Freiwirtschaftl. Partei 14131, Gerechtig keitsbewegung u. Dt. Volksg. 2656 Stimmen. Die Auffassung in Regierungskreisen. Wie verlautet, betont man in Regierungskreisen, daß das Ergebnis für die Regierung von Papen keinerlei Überraschung gebracht habe. Die Wahl bestätige die Auffassung, die die Regierung von der politischen Lage gehabt habe. Das gelte besonders hinsichtlich der Kommunisten. Der Erfolg der Kommunisten habe be wiesen, wie groß die kommunistische Gefahr gewesen sei, und wohin die Dinge getrieben wären, wenn die Regierung nicht eingegriffen hätte. Die Wahl erweise im übrigen, daß es keine eindeutige Mehrheit im Reichstag gebe, und daß auch keine der Parteien die Aussicht habe, eine Mehrheit zu bilden. Damit zeige sich, daß der Reichstag wieder auf seine ursprüngliche Aufgabe, sachliche Arbeit zu leisten, zurückgeführt werden müsse. Es könne eben nicht mehr nach parteipoli tischen Gesichtspunkten regiert werden, sondern es müsse sachliche Staatspolitik getrieben werden. Der parlamentarischen Aussprache im Reichstag sehe die Re gierung mit Ruhe entgegen, da sie angesichts dieser poli tischen Lage überzeugt sei, daß sich nicht so leicht eine ab lehnende Mehrheit gegen sie zusammenfinden werde. Der Reichskanzler und ein großer Teil der Minister gehen von Dienstag ab für etwa acht Tage auf Urlaub. Die verschiedenen Ressorts der Ministerien werden in zwischen an dem W i r t s ch a f t s p r o g r a m m der Reichsregierung weiter arbeiten und diese Arbeiten so weit fördern, daß sie zum Abschluß gebracht werden können, sobald das Kabinett nach Beendigung des Burgfriedens wieder in Berlin versammelt ist. Oer prozentaniell -er Parteien. Von den insgesamt abgegebenen gültigen 36 845 279 Stimmen entfielen auf die einzelnen Parteien nach Prozenten: Nationalsozialisten 37,2 Prozem, Sozialdemokraten 21,6 Prozent, Kommunisten 14,3 Prozent, Zentrum 12,4 Prozent, Deutschnationale 5 Prozent, Volkspartei 1,2 Prozent, . Wirtschaftspartei 0,4 Prozent, Staatsparter 1 Prozent, Bayerische Volkspartei 3 Prozent, Landvolk 0,2 Prozent, Christlichsozialer Volksdienst 1 Prozent, Deutsch-Han noveraner 0,1 Prozent, Radikaler Mittelstand 0,2 Prozent, Württembergischer Weingärtnerbund 0,2 Prozent, Bauern- Partei 0.4 Prozent, Oer neue Reichstag. Das in der Wahlnacht errechnete vorläufige Wahl- ergebnis hat sich am Montag noch geändert. Die erste Zahl von 602 Abgeordneten hat sich auf 607 erhöht. Wie der Reichswahlleiter mitteilt, ist die Erhöhung daraus zurückzuführen, daß aus verschiedenen Wahlkreisen nach- trägliche Meldungen eingcgangen sind. Insbesondere sind hinzugekommen die Ergebnisse aus den Bahnhofs stimmbezirken. Insgesamt wurden 36 862 434 gültige Stimmen ab gegeben. Es erhielten nach dem vorläufigen amtlichen End ergebnis: Der Reichskanzler über das Wahlergebnis Berlin, 1. August. Der Reichskanzler gewährte heute dem Vertreter der Associated Preß, Louis P.Lochner, ein Inter view, in dem er rundweg und unzweideutig erklärte, seine Re gierung beabsichtige keinesfalls, sich um die Bildung einer Koalition im Reichstage zu bemühen, die zur Unterstützung oer Reichsregierung auf die Parteien angewiesen ist, aus denen sie sich zusammensetzt . Der Reichskanzler erklärte dann: Wenn die Wahl über haupt eine besondere Bedeutung gehabt hat, dann besteht diese darin, daß das deutsche Volk das Bestreben der Regierung gut- geheißen hat, das Land von der Parteikontrolle zu befreien. Was wir verlangen, ist, daß unser Bemühen, Deutschland von leinen Schwierigkeiten zu befreien, geduldet werde. „Meine Kollegen und ich wollen mit unserem Programm ausbauenden Strebens vor den Reichstag treten und seine Mitglieder vor die Entscheidung stellen, ob sie uns ange sichts des dringenden Bedürfnisses nach objektiver un parteilicher Arbeit aus dem Sattel zu werfen wagen." Der Gedanke an die Möglichkeit eines Mißtrauensvotums schien den Reichskanzler, wie der Vertreter der Associated Preß bemerkte, vollkommen unberührt zu lasten. Er sprach die Hoff nung, aus, daß die Zentrumspartei, der er angehörte, bevor cr Reichskanzler wurde und die ihn während des Wahlfeldzuges scharf bekämpfte, nicht das Odium auf sich laden würde, eine neue Kabinettskrise hervorzurufen. Hinsichtlich Adolf Hillers war er der Ueberzeugung, daß der Augenblick, gekommen sei, da die nationalsozialistische Bewegung am Wiederaufbau des Vaterlandes tätig mithelfen müsse. Als der Vertreter der Associated Preß fragte, was. der Reichskanzler mit seiner Anspielung auf eine mögliche Verfas- sungsrevision in seiner letzten Rundfunkansprache gemeint habe- antwortete der Kanzler: Der jetzige Reichstag besitzt, so wie er gegenwärtig aus einer einzigen Kammer besteht, nicht die Ge gengewichte und Ausgleiche, die beispielsweise Ihr amerikanischer Kongreß im Senat besitzt Unser Reichsrat, unser Bundesrat, kann nicht mit Ihrem Senat verglichen werden. Seine Befug nisse sind weit geringer. Ich bin der Auffassung, daß Deutschland ein Oberhaus braucht. Eine andere Sache, die berichtigt werden müßte, ist unser so genanntes Listensystem, nach dem jede Partei eine Liste von Kandidaten aufstellt, von denen für je 60 000 erhaltene Stim men einer als gewählt erklärt wird. Es besteht da kein persön licher Kontakt oder praktisch kein Kontakt zwischen dem Kandi daten und seinem Wähler. Dieser hat nicht einmal einen Ein fluß auf die Aufstellung des Kandidaten. Diese erfolgt für ge wöhnlich durch einen kleinen Vollzugsausschuß der Partei. In England und Amerika muß sich ein Kandidat in seinem Wahl kreis stellen und das Vertrauen der Wähler, die ihn wählen, gewinnen. In Deutschland entscheidet ein Wähler über die Par tei, die er zu unterstützen wünscht, aber er hat keinen Kontakt mit seinen Kandidaten. Ich hoffe, daß unser Wahlsystem in dem Sinne revidiert werden wird, daß die persönliche Verantwortung des Reichslagsmitgliedes wiederherstellt wird. Hätte es gestern ein solches System gegeben, dann hätte ich in meinem heimatlichen westfälischen Wahlkreis gestanden, wo mich jeder kennt, und ich hätte mich selbst als Kandidat auf der Kan didatenliste des Zentrums gemeldet. Ich bin sicher, daß ich ge wählt worden wäre. ' — , Als der Vertreter der Assocciateb Preß den Reichskanzler darauf aufmerksam machte, daß einige amerikanische Zeitungen das Ergebnis der Reichstagswahl in dem Sinne interpretierten, daß sechzig Prozent des neuen Reichstags antirepublikanisch ein gestellt seien, womit sie die Nationalsozialisten, die Deutschnatio nalen und die Kommunisten meinten, erklärte Herr v. Papen: Die Frage der Staatsform steht nicht im geringsten zur De batte. Das stand auch bei der Wahl nicht zur Debatte. Das ganze deutsche Volk ist darum besorgt, sein Haus in Ord nung zu bringen, und wir haben keine Zeit, an die Staatsform zu denken. . L Zu den außenpolitischen Problemen übergehend, bemerkte der Reichskanzler, daß die deutsche Regierung nicht eine Poli tik der Autarkie zu ihrer Hauptpolitik mache. Er sagte: Die autarkischen Bemühungen, die wir machen, sind uns durch die Weltlage aufgezwungen worden und sind nicht aus unserem Willen hervorgegangen. Wir wollen ebensosehr wie irgendeine andere Nation daran Mitarbeiten, daß die Zollmauern meder- gelegt werden und der Güteraustausch erleichtert wird. Leben und leben lasten ist unser Wahlspruch — Gegen Ende des Interviews machte der Vertreter der Associated Preß den Reichskanzler darauf aufmerksam, daß die Linkspresse der Re gierung zum Vorwurf mache, daß sie gegen kommumststcye Aus- schreitungen Stellung nehme, aber nicht sage, daß Nationalsozia- Das Ergebnis. Mit Siegesfreude werden die einen, mit Trauer über eine Niederlage die anderen Parteien ihre Fahnen wieder einziehen, die lauter als je zuvor um Anhänger geworben haben. Sie taten es mit Erfolg, taten es mit Miß erfolg, — und wehten am Sonntagabend, als die Ent scheidung des 31. Juli gefallen war, doch nur über einer parteipolitischen Situation, die sich nicht allzusehr von jenem unterscheidet, was sich in drastischer Form durch die Wahlen des 24. April offenbart, hatte. Noch schriller fast als damals läutete das Toten- glöcklein über den sogenannten Mittel parteien — allerdings nur, säuert sie nicht dem Zen trum und der Bayerischen Volkspartei angehören. Ein halbes Dutzend Volksparteiler, ein paar Staats- oder Wirtschaftsparteiler, — das ist alles, was von den einstigen Nationalliberalen und den Demokraten übrig geblieben ist. Sie alle sind aber im neuen Reichstag nicht bloß zahlenmäßig, sondern auch politisch bedeutungslos geworden, denn sie haben jetzt die „Schlüsselstellung" ver loren, die sie immer wieder im vorigen Reichstag aus nutzten. Ein Stück deutscher Parteigeschichte ist damit zu Ende, die in unserer politisch raschleöenden Zeit Wohl auch sehr bald — vergessen sein wird. Allein in der Mitte blieb das Z e n t r u m stehen, das zusammen mit der Bayerischen Volkspartei — und durch geschickte Wahllistenverbindungen — einen recht beträcht lichen Gewinn aus der Wahlschlacht nach Hause brachte. Gewiß ist es nicht möglich, angesichts des Wahlgeheim nisses sagen zu wollen, aus welchen Wählerkreisen der Zuwachs des Zentrums stammt; man kann nur vermuten, daß viele Wähler der jetzt mehr als dezimierten Mittel parteien ihre Stimmen dem Zentrum gaben, das ja vor allem durch den früheren Reichskanzler Dr. Brüning in eine scharfe Oppositionsstellung gegen die Regierung v. Papen gebracht worden war. Diejenigen Wähler, die diese Opposition billigten, mögen vielfach dem Zentrum ihre Stimmen gegeben haben, weil allzu unsicher war, ob diese Stimmen bei den anderen oppositionellen Mittel parteien nicht verlorengehen könnten. Auffallend ist auf der Linken das Anschwellen der Kommunisten, das im Gegensatz zu der Ent wicklung dieser Partei in den letzten Jahren steht, ohne daß sich an den wirtschaftlichen Hintergründen der politi schen Wählerentscheidungen doch irgend etwas geändert hätte. Im wesentlichen mag dieser Zuzug in die Kommu nistische Partei hinein aus der Sozialdemokratie stammen, deren Anhängerscharen, durch die Tolerierungspolitik gegenüber dem Kabinett Brüning verärgert, auch durch den scharfen Kampf gegen die Regierung von Papen nicht mehr bei der sozialdemokratischen Stange zu ballen waren. Seit 1912 bis jetzt — mit nur einer kurzen Unter brechung — war die Sozialdemokratie die stärkste Partei im Deutschen Reichstag; weit über sie hinaus schoß jetzt die Mandatsziffer der Nationalsozialisten empor. Schwächer als diese sind heute sogar die Sozial demokraten und Kommunisten zusammengenommen. Über 37 Prozent der abgegebenen Stimmen, also mehr als ein Drittel vermochte die Nationalsozialistische Partei zu er halten. Obwohl die Deutschnationale Partei, die kleinste der fünf großen Parteien, ihre Stellung behaupten konnte, reicht dies zu einer parlamentarischen Rechtsmehr heit im neuen Reichstag ebenso wenig wie im Preußischen Landtaa. Unmöglich geworden ist natürlich auch die an sich schon immer sehr knappe Mehrheit, mit der Dr. Brüning fast zwei Jahre regierte". Das nach den preußischen Wahlen Erwartete ist ja nun auch im Reich und für das Reich geschehen: die Konzentration der Wählermassen auf die fünf Parteien der Nationalsozialisten, Deutschnationalen, der Zentrums-, Sozialdemokratischen und Kommunisti schen Partei, und zwar so drastisch, daß das solchen Zusammenballungstendenzen nicht gerade günstige Verhältmswahlrecht daran nur wenig korri gieren konnte. Trotzdem sind die Schwierigkeiten, die sich heute einer parlamentarischen Mehrheitsbildung im Reichstag entgegenstellen, nach Ansicht mancher Kreise so groß, daß man glaubt, mit einem praktisch ebenso arbeits unfähigen Reichstag rechnen zu müssen, wie es der Preußische Landtag ist und der vorige Reichstag bisher, war. Ein paar Tage nach einem Wahlkampf von unerhörter Schärfe bereits über „Kombinationen" politischer Art oder gar über das künftige Aussehen der Reichsregierung orakeln zu wollen, wäre etwas voreilig. All die partei politischen Erregungen der vergangenen Wochen müssen erst verklingen. Keine Partei oder Gruppe hat die un bedingte Macht erobert, so daß ihr mit diesem Gewinn auch die unbestrittene Staatsführung in den Schoß ge fallen wäre. In diesem Sinne also ist eine klare Ent scheidung ausgeblieben; da aber „irgendwie regiert werden muß" und man dabei nicht an den tatsächlichen Ergebnisseri des 31. Juli Vorbeigehen kann, wird man, so schwer es auch manchem fallen mag, sich parlamentarisch auch irgendwie einigen müssen, Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. srei Haus, bei Poftdestellung 1,80 RW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern Ul Rpsg. Alle Postanstalten, Posi- n-hm-'u j.ÄLiL Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgeqend Lugen em'g^ Falle höherer Gewalt, Krieg -der sonstiger B-- tmebsstorungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto btiiiixt. für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nn ff s°°°und Plotzvorschri, en annahmebisvorm.10Uhr. — — V berücksichtigt. Anzeigen, durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Stadatiansprnch erlisch "wenn d?r Nttog'»"» Klage eingczogen werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Sozialdemokraten 7 953 986 133 Sitze Nationalsozialisten 13 772 748 230 Sitze Kommunisten 5 365 666 89 Sitze Zentrum 4 587 477 75 Sitze Deutschnationale 2 184 971 37 Sitze Deutsche Volkspartei 435 547 7 Sitze Wirtschaftspartei 146 107 1 Sitz Staatspartei 373 560 4 Sitze Bayerische Volkspartei 1202 617 22 Sitze Deutsches Landvolk 91 287 1 Sil; Christl.-Soz. Volksdienst 364 986 4 Sitze Bay.Bauernbd.jDt.Bauernpt.) 137 090 2 Sitze Württemb. Bauern- u. Wein- gärtnerbund (Landbund) 96 868 2 Sitze