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MdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wilsdruff-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Dicnstan, den 16. Auqust 1932 kgchrini an allen W-rXIagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich r,- RM. n°!e? u»i> ^nnleee^'"'bglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Siptg. Alle Postanstalten, Pol«. Fa.7"LL" Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend tiiedsstSrunoen deltedi i>li„ .... ... ... ... . „ oder ionstiger Be« für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 MedsstSrungen deftehi »ein Anlpruch -ui Ltejerung der xeiwn, oder «ürzung des BezugspreNes. — Rüch'lendunä f 7^ durch^Fernms L^mittel^ mir I, i ss 7D—7 " Für die Nichtikici?'^ -.uge,°nd.er E»r.ststüch°e.!°lg. nur, wenn ir°„° Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachunaen der Amtsüauvtmannscknft gertchts und des S.-dtrat- zu Wilsdruff, d°s Forstrentam.s Tharandt und des FiLz-L W Nr. 191 — 91. Jahrgang Jie «Wen Absichten ber Regierung- Der Schrei nach Arbeit. Vor dem .Hintergrund einer innenpolitisch-parlamen tarisch außerordentlich gespannten Lage soll nun der gegen wärtige Reichskanzler und sein Kabinett das in die Öffent lichkeit bringen, was Herr v. Papen in einer Unterredung mit einem ausländischen Journalisten kurz nach den Wah len als „konstruktives Programm" bezeichnet hat und deut licher als Arbeitsbeschasfungsprogramm be zeichnet werden mag. Damals hatte der Reichskanzler er klärt, er werde dieses Programm dem Reichstag vorlegen und es diesem bzw. den Parteien überlassen, ob sie mit Ja oder Nein dazu Stellung nehmen würden. Nur noch vier zehn Tage trennen den Reichskanzler von dem Zusammen tritt des Reichstages, und die fast auffallende Form der Mahnung des nach Neudeck abgereisten Reichspräsidenten an Herrn v. Papen, dieser solle jetzt „mit der größten Be schleunigung die zur Behebung der Arbeitslosigkeit vor dringlichen Aufgaben" fördern, läßt vielleicht die Ver mutung zu, daß das kommende Arbsitsbeschafsungs- programm sich nicht erst zusammen mit dem parlamentari schen Schicksal des Kabinetts v. Papen entscheidet, sondern schon vorher herausgebracht wird. Denn wenn erst der Reichstag darüber befinden soll, dann teilt dieses Pro gramm das Ungewisse der Entscheidung über die innen politisch-parlamentarische Weiterentwicklung. Uber den Inhalt des Programms hört man einige Andeutungen, die insofern naheliegcn, als man in den drei Jahren der — Verhandlungen über solch ein Pro gramm immer zu denselben Endpunkten kam: Zusätz liche Arbeitsbeschaffung mannigfachster Art. Dazu die Erteilung öffentlicher Aufträge. Vielleicht auch noch die Erweiterung des Wirkungskreises des f r e i w i l l i g e n Arbeitsdienstes. Das wären Maßnahmen eines „Sofortprogramms", dem man aber — im Hinblick auf frühere Mißerfolge — ungern die Be zeichnung „Wirtschaftsankurbelung" geben möchte. Auch die Ausdchnung des S i e d l u n g s w e s c n s kann man nur sehr bedingt als eine „Sofortmaßnahme" an- schen zumal hier überhaupt Hoffnungen bestehen, die leider recht übertrieben sind. Weiter hört man von einem neuen Umbau der gesamten E r w e r b s l o s e n fü r s o r g e in einem Sinne der den Charakter der Arbeitslosenversiche rung angeblich ganz beseitigen und nur - für alle drei Zweige der Erwerbsloseuunterstützung — den Begriff der „Fürsorge" gelten lassen will. Durch diese Umorganisation, die die Voraussetzung der „Bcdürftigkeitsfrage" auch in die eigentliche Arbeitslosenunterstützung einführen würde, soll eine erhebliche Verminderung der öffentlichen Aus gaben für die Erwcrbslosenfürsorge erreicht werden. Ob man aber daun mit einer steuerlichen Erleichterung rechnen kann, ist noch fraglich; denn daß man im Reich, in den Ländern und den meisten Gemeinden finanziell mehr schlecht als recht von der Hand in den Mund lebt, läßt jede Hoffnung darauf vergeblich erscheinen, daß einer Herabsetzung der öffentlichen Ansgaben nun auch eine solche der Einnahmen, also der Steuern, ent sprechen würde. . In das Gebiet des rein Wirtschaftspolitischen gehört nun ein weiterer — angeblicher oder wirklicher — Pro grammpunkt, den man vielleicht mit der schon fast zu einem Schlagwort gewordenen Bezeichnung „Reform des Schlichtungswesens" oder „Auflockerung der Tarifpolitik" versehen kann. Das geht zurück bereits auf die Notverordnung vom Dezember 1931 und ans ver schiedene entsprechende Verlautbarungen des vorigen Kabinetts Brüning. Einerseits soll das staatliche Schlichtungswesen sich weit mehr als bisher zurückhalten, nur in den allerdringlichsten, volkswirt schaftlich bedeutsamsten Fällen von Lohnstreitigkeiten sollen unverbindliche Schiedssprüche gefällt, im übrigen aber den streitenden Parteien die Verantwortung zuge- schoben werden. Andererseits hört man, daß auch die soge nannte „Unabdingbarkeit" des Tarifvertrages zugunsten von Werkstarifverträgen gemildert werden soll. Tie Organisationen der Arbeitnehmerschaft haben sich nicht so sehr gegen die stärkere Zurückhaltung im Schiedsgerichts wesen, wohl aber gegen eine Einschränkung des allgemein verbindlichen Tarifzwanges gewandt, Wie sollen nur aber — und das ist ja immer der Dreh punkt aller derartiger Pläne und Vorschläge sür die Ar beitsbeschaffung gewesen, und bleibt es auch jetzt — zum mindesten die „Sosortpunkte" des Programms finan ziert werden? Allen Gerüchten, die von einem hart näckigen Widerstand der Reichsbank gegen „Kredit- ausweitungs-Erperiment n. dgl. sprechen, ist gerade von ihr aus entgegengetreten worden; sie sei bereit, Kredite zur Verfügung zu stellen, allerdings nur gegen Wechsel, die „reichsbankfähig" sind, also mindestens zwei „gute" Unter schriften tragen müssen. Praktisch scheint es also bei dem ganzen Arbeitsbeschasfungsprogramm jetzt vor allem darauf anzukommen, in welcher Form eine Einigung zwischen Negierung und Reichsbanklcitung über die Finan zierung zustande gebracht wirk. Darauf aber warten die Millionen deutscher Arbeits loser! Fast ist nun auch schau der dritte Sommer vorüber- geganLen, ohne dgß Wesentliches zur Erfüllung des Sie Reichsregierung berät das MrOastsprogramm. Die Mitwirkung der Reichsbank. Die Reichsrcgierung ist, nachdem nunmehr die poli tische Lage zunächst geklärt ist, am Montag zusammen- gctrcten, um sich mit der Durchführung ihres Aufbau programms zu beschäftigen. Dieses Aufbauprograunn sieht Arbeitsbeschaffung für Straßenbau, Eisenbahnober bau, Ausbau der Wasserstraßen, Meliorationen, Klein siedlung und Baumarkt vor. Im Reichsarbeitsmini st erium wird bereits ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die Erweiterung der * im freiwilligen Arbeitsdienst beschäftigten Personen von 85 000 auf 200 000 Mann vorsieht. Weiter arbeitet mar dort an einer Reform der Verwaltung der Sozialversiche rung mit dem Ziele, Ersparnisse innerhalb der Sozial versicherung zu erreichen. Ebenso werden dort die Pläm bearbeitet, die eine größere Elastizität bei der Handhabung der Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen un! eine Lockerung der Tarifpölitik unter Aufrechterhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bringen sollen. Schließlick ist das Ministerium noch für die Pläne federführend, dii die Förderung des Wohnungsbaues, besonders des Klein- Wohnungsbaues, vorsehen. Im Reichs ernährungsministerium sini die Referentencntwürfe bearbeitet worden, die der Sied lung auf dem Laude und der Stadtrandsiedlung dienen Einzelheiten hierüber sind bisher noch nicht bekanw geworden. Im Reichsverkehrsministerium und in Neichspostministerium werden Maßnahmen vorbereitet die durch neue Aufträge der Reichsbahn und der Reichs post die Wirtschaft beleben sollen. Hier handelt es sich ir erster Linie um die Erneuerung des Oberbaues der Reichs bahn. Weiter sind Maßnahmen für Straßenbau usw. vor gesehen. Auch das sogenannte Abwrackprogramm, dai zwölf Millionen Marl Mittel vorsieht, um 400 000 Tonne» Schiffe abzuwracken, wodurch 3000 Arbeiter beschäftig werden könnten, spielt hierbei eine Rolle. Eine wichtige Frage ist naturgemäß die Finanzieruni dieses Aufbauprogramms. Die Reichs bank hat sick schon vor einiger Zeit bereit erklärt, 135 Millionen für dal Arbeitsbeschaffungsprogramm zur Verfügung zu stellen Wie es heißt, wünscht die Reichsregierung noch weiten 200 Millionen von der Reichsbank zu erhalten. Die Ver handlungen zwischen Reichsregierung und Reichsban haben aber bisher noch zu keinem Ergebnis geführt. Ei geht dabei vor allem um die Frage der Rückzahlung der zur Verfügung gestellten Kredite. In politischen Kreiser glaubt man indessen, daß Reichsregierung und Reichsban sich doch irgendwie verständigen werden, um das Arbeits beschaffungsprogramm des Kabinetts zur Durchführunc bringen zu können. * Eingehende Kabinettsberaiungen. Das Reichskabinett, das erstmalig zusammengctreten war, nachdem der bekannte Ausgang der Verhandlungen über die Regierungsbildung eine gewisse Klärung herbei geführt hatte, befaßte sich in mehrstündigen Beratungen hauptsächlich mit Fragen der Arbeitsbeschaffung und Wirtschaftsbelebung. Es ist anzunehmen, daß neben den inzwischen fertiggestellten Referentenentwürfen auch die Frage der Finanzierung eingehend erörtert worden ist. Des weiteren dürfte sich das Neichskabinett mit der durch die Ablehnung der NSDAP, sowie durch die Haltung des Zentrums geschaffenen parlamentarischen Lage be faßt und die Möglichkeiten des weiteren Vorgehens be handelt haben. Eine offizielle Verlautbarung über die Kabinettssitzung wurde nicht ausgegeben. Hitler wollte -ie Macht wie Mussolini. über den Empfang Hitlers bei Hinden burg werden jetzt einige wichtige und sehr interessante Einzelheiten bekannt. Die Unterhaltung dauerte nur 20 Minuten und soll sich in höflichen, aber kühlen Formen abgespielt haben. Der Reichspräsident empfing den nationalsozialistischen Vertreter stehend, er hat auch die ganze Unterredung stehend, auf seinen Stock gestutzt, ge führt. Schreies nach Arbeit geschaffen ist. Und dieser Sommer hat die Erwerbslosigkeit viel weniger sinken lassen, als dies noch im Vorjahr geschah. Jener Schrei ist ein kant in die Wellt hinausgellender Ruf der Verzweiflung geworden. Hind enburg hat an Hitler dieFrage gerichtet, ob er bereit sei, zusammen mit einigen anderen Persönlich keiten seiner Partei in die von Reichskanzler von Papen geleitete Regierung einzutreten. Hitler hat dies ver - n eint, und hat an den Reichspräsidenten die Forderung gestellt, ihm die Führung der Reichsregierung und die ge samte Staatsgewalt in vollem Umfange zu übertragen. Was Hitler darunter verstand, gehe, so wird von zustän diger Stelle erklärt, daraus hervor, daß er für sich die Stellung beanspruchte, die Mussolini nach seinem Marsch aus Rom eingenommen hat. Hindenburg hat diese Forderung, wie von zuständiger Seite dargestellt wird, sehr bestimmt abgelehnt mit der Be gründung, daß er es vor seinem Gewissen und seinen Pflichten dem Vaterland gegenüber nicht verantworten könne, die gesamte Regierungsgewa.lt ausschließlich der nationalsozialistischen Bewegung zu übertragen, dl« diese Macht einseitig anzuwenden gewillt sei. Die Nationalsozialisten haben über den Empfang ebenfalls eine Mitteilung herausgegeben, in der es heißt, Hitler habe die eindeutige Führung der Re gierung verlangt. Von nationalsozialistischer Seite wird dazu 'erklärt, daß diese Worte einen anderen Sinn hätten als das, was in der amtlichen Erklärung stände. Bezüglich der Zusage Hitlers vor den Wahlen, das Kabinett von Papen auch ohne national sozialistische Beteiligung zu unterstützen, wird von zuständiger Seite erklärt, diese Zusage sei nicht nur von Hitler, sondern auch von anderen maßgebenden Führern der NSDAP, gegeben worden; es könne dar über kein Zweifel bestehen, weil die Erklärung vor Zeugen abgegeben wurde. Die Zusage sei auch nicht zeit lich begrent, sondern sollte so lange gelten, wie das Kabinett von Papen das Vertrauen des Reichspräsidenten hat. Von nationalsozialistischer Seite ist zu diesem Punkt noch keine Erklärung abgegeben worden. Von zuständiger Stelle wird nochmals bedauert, daß es zu keiner Einigung mit den Nationalsozialisten ge kommen sei, obwohl doch gerade die jetzige Reichsregierung es gewesen sei, die den Nationalsozialisten den Weg in jederBeziehungfreigemacht habe. Die Schuld an dem Scheitern der Verhandlungen treffe jedenfalls keineswegs den Reichspräsidenten oder die Reichs regierung. „Hitlers Nein!" Eine nationalsozialistische Parteicrklärung. Die Pressestelle der Reichsleitung der NSDAP, ver öffentlicht unter der Überschrift „Hitlers Nein!" grundsätzliche Betrachtungen, in denen es heißt: Hitlers Ablehnung der Vizekanzlerschaft unter der Herrschaft von Papens war eine Tat! Diese Entscheidung des Führers ist dem nationalen Deutschland aus der Seele gesprochen. Der durchsichtige Versuch, die NSDAP, durch einen wohl überlegten Schritt, durch eine Belastung mit der Verant wortung ohne gleichzeitige Führungs Möglichkeit, gewissermaßen auf kaltem Wege zu erledigen, ist an dem klaren und Weitblickenden Entschluß des Führers restlos gescheitert. Der Führer ist sich selbst, der Bewegung und dem Volke treu geblieben. Die Politik der Regierung von Papen kann niemals die Politik der NSDAP, sein. Jie MiMWWeii in Msster SWfitW. Berlin, 15. August. Line gewisse Klärung über die zu künftige Haltung der NSDAP, bringt die heutige Ausgabe des Berliner „Angriffs". Das Blatt Göbbels bemerkt, daß m der amtlichen Mitteilung über die entscheidende Unterredung Adolf Hitlers beim Reichs präsidenten die unrichtge Behauptung verbreitet werde, Hitler hätte die Uebertragung der „vollen Staatsgewalt im gesamten Umfang gefordert. Demgegenüber müsse festgestellt werden, daß nicht die volle „Staatsgewalt", sondern 'die volle politische „Staats führung" Gegenstand der nationalfozalistischen Forderungen ge wesen sei. Die bereits angekündigte parteiamtliche Erklärung der NSDAP, über diese nicht unwichtigen Schiefheiten in der Erklärung der Reichsregierung dürfte wohl, so heißt es wört lich weiter, volle Klarheit über die Worte, die bei der Unter redung in Wirklichkeit gefallen sind, bringen. Der „Angriff überschreibt seinen Artikel „Ein unmöglicher Besuch: Diktatur gegen das Volk - Adelscligue statt Volksregierung - Natio nale Dvlchstößler". Er beschwert sich dann zunächst darüber, daß er ausgerechnet heute auf der ersten Seite eine Auflagenach richt bringen muß und das- er infolgedessen auf der zweiten Seite zu den historischen Ereignissen vom Sonnabend Stellung nehmen muß Dann wird unter anderem ausgefühtt, die Be-