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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft Nr. 244 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.-. »Amtsblatt- Postscheck: Dresden 2640 Montag, den 17. Oktober 1932 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter wndkn nach Möglichdei, Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr 6 und Platzvorichrisi-r . . - . , . - » iv»,. annahmc bisvorm.lOIIbr s- berücksichtigt, Anzrioeu« rlevsiiorungev besteh, de,» Aniprun auf ^'efcrnng der /euurig oder Kürzung de-. B.-utL;re,irL. — Rücksendung durch Fernruf Übermittelten An,e,acu üdern mir die Richtigkeit de, echriSMch. NN.. w-nn P°..° "°un d.r» Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschatt Melken des genchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Das WUrdrufser Tageblatt- crlcheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. Ire, Hau«, bei Poftdestellung 1,80 SiM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstallen, Post, nehmen u> ird"e'"cii Be.' Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend stÄungen^ch^^ -7 — Krieg oder i-nstig-r B-> Die „gefährliche" Schupo. In der vergangenen Woche hat sich hinsichtlich der geplanten Viermächtekonferenz die Lage völlig verschoben. Sah es vor acht Tagen noch so aus, als käme nach heftigem französischen Widerstand diese Konferenz in London zustande, so hat der Besuch Herriots beim englischen Ministerpräsidenten genügt, um diesen nicht blotz äußerlich, sondern auch grundsätzlich zum Nachgeben gegenüber den fortgesetzten französischen Attacken zu ver anlassen. Denn es ist ja nicht nur äußerlich, daß Frank reich die Verlegung des Konferenzsitzes von London nach Genf erreichte, ohne dabei mehr zu konzedieren als die Ausschaltung der kleinen Mächte von der Konferenz. Selbst wenn Herriot mit seinen Worten, daß die Konferenz in Gens „im Rahmen des Völker bundes" stattfinden sollte, ebenso über das in London mit Macdonald Vereinbarte hinausgeschossen hat, wie mit der anderen Behauptung, die Konferenz werde „auch ohne Deutschland" abgehalten werden, — so ist es doch von grundsätzlicher Wichtigkeit, daß sowohl London wie Nom der französischen Forderung auf Einberufung der Konferenz nach Genf nachgab, obwohl die englische und die italienische Regierung — genau so wie natürlich auch die französische — es wissen mußten, daß die deutsche Regierung das damit geplante plumpe Manöver nicht mitmachen würde, sich in Gens durch einen mehr oder minder starken „moralischen" Druck allmählich wieder in die Abrüstungskonferenz hineinbugsieren zu lassen. Die amtliche französische Nachrichtenagentur hatte es aber sehr eilig damit, wieder einmal von dem „bösen Willen" Deutschlands zu sprechen, weil der Außen minister von Neurath erklärt hatte, nicht nach Genf gehen zu wollen. Wir können es uns aber auch nicht verhehlen, daß man in England zu dieser Weigerung Deutschlands ein nicht gerade übermäßig erfreutes Gesicht macht. Um fo strahlender schaute Herr Herriot aus, als er London verließ, und noch mehr mag Wohl sein Gesicht gestrahlt haben als er in Paris eintraf. Die Zensur jedenfalls, die er von der Presse Frankreichs erhält, ist für ihn sehr angenehm- getadelt wird er höchstens deswegen, weil er sich überhaupt auf Sonderverhandlungen wegen der deutschen Gleichberechtigungsfrage hat einlassen »vollen. Daß es wirklich noch dazu kommt, wird aber auch Herriot nicht für sehr wahrscheinlich halten. Er tut ja alles oder läßt alles tun, um die Lage noch gespannter zu machen; denn es kann nicht ohne seine Billigung geschehen sein, daß einer der französischen Hauptdelegicrten für die Genfer Abrüstungskonferenz dort — nicht zum erstenmal — Näheres über die angeblichen deutschen Geheimrüstungen mitgeteilt hat und dabei ausgerechnet auf die Schupo verfiel. Es ist das alte, aber nicht richtiger gewordene Märchen von der mili tärischen Organisation der Schutzpolizei, das Herr Massig« mittels des französischen Entrüstnngsfeucrchens wieder einmal erwärmte. Schupo — Reichswehr, hier wie dort seien die militärische Ausbildung und die Kaser nierungsstärken die gleichen, und vor allem wisse man nicht, ob sich Deutschland denn überhaupt an die zulässige Beschränkung ans 140 000 Mann Schupo halte! Dieser „Zweifel" ist natürlich nur ausgesprochen worden, nm eine beweislos aufgestellte Behauptung den Zuhörern zur Gewißheit zu machen. Daß hingegen von der Schupo ein Drittel Bürodienst, ein Drittel Revierdienst macht, nur das letzte Drittel in Gruppen von 60 bis 100 Mann kaser niert ist, kann jeder Ausländer feststellen, der nach Deutsch land kommt, und es ist zwar eine Behauptung, aber keine beweislose, daß die Militärattaches und sonstige Beauf tragte der Anslandsmächte sehr genau darauf achten bzw. darauf achten lassen, Deutschland auch in dieser Beziehung fest in den Bestimmungen von Versailles zu halten. Die Polizeiorganisation ist ganz uneinheitlich, da bekanntlich teils die Innenminister der einzelnen Länder, teils sogar nur die Kommunalverwaltungen die Schutzpolizei diri gieren. Nichts von dem, was heutzutage zu den einfachsten taktischen Attsbildungsnotwendigkeiten militärischer Art gehört, wird von der Schupo betrieben — wenn man nicht etwa dazu die Schießausbildung rechnen will! Die Zahl der vorhandenen Maschinengewehre ist ganz gering, ans je 20 Mann der Schupo z. B. entfällt eine Maschinenpistole, und auf je drei Beamte ein Karabiner! Doch was hat es für einen Zweck, den französischen Behauptungen mit dem schnell und leicht zu beweisenden Gegenteil entgegenzutreten! In der Genfer Atmosphäre hat eben nicht die Wahrheit und der Verständigungswille heute irgendeinen Platz, sondern dort herrscht nur noch die Lüge, und darum ist es geradezu eine Zumutung für Deutschland, zu verlangen, uns im Kampfe um die Gleich berechtigung in diese Atmosphäre hineinzerren zu lassen. Die Senal-wahlen ln Frankreich. In Frankreich fanden die Neuwahlen für ein Drittel des Senats statt. Im ersten Wahlgang wurden bereits 53 Kandidaten gewählt. Unter ihnen befinden sich Poincars, Paul-Boncour. General Hirschaner und der bisherige elsässische Abgeordnete Francois de Wendel, „MH am Volke Stürmischer Beifall während der Kanzlerrede in Paderborn. In der überfüllten mehr als 6000 Personen fassenden Schützenhalle zu Paderborn sprach auf einer Tagung der Vereinigten Wirtschaftsverbände Paderborns und Umgebung Reichskanzler von Papen. Der Reichskanzler ging zunächst auf den Wirtschafts- Plan der Reichsregierung und die Ziele der Wirtschafts politik ein. Arbeit und Brot zu schaffen und dem Wieder anstieg der Wirtschaft die Bahn frei zu machen, ist da vornehmste Ziel. Der W i r t s ch a f t s k a m p f ist ein wichtiger Teil unseres nationalen Freiheitskampfes. Der führende Gedanke im Wirtschaftsplan der Regierung war es, aus dem Stellungskrieg zur Bewegung überzu- gchen und die moralischen Energien der Nation wieder frei zu machen zum entschlossenen Handeln. Die Staatsführung ist vorangegangen und drängt un aufhaltsam weiter. Die Wirtschaftsführung hat diesen Vorstoß mutig ausgenommen und wird ihn hoffent lich immer weiterireiben. Wir haben uns kün besonderes „System" ausgeklügelt, sondern wir glauben, daß der Appell an die persönliche Verantwortung und den persön lichen Wagemut auch der Allgemeinheit den größten und nachhaltigsten Nutzen bringt. In diesem Sinne ist das Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung auch von der Wirtschaft verstanden worden. Aber dieses Programm ist keineswegs nnr für die Großen bestimmt, es soll und wird allen Wirtschaftenden zugute kommen. Was wir wollen, ist ausgesprochene Mittelstands- pokitik, ist ein wirtschaftlicher Wiederaufbau auf breitester Grundlage. Nur so find auch die Opfer zu rechtfertigen, die wir in Durchführung unseres Programms vom Lande fordern müssen. Der Reichskanzler ging dann auf die Arbeits beschaffung s fr a g e ein und betonte die Bereit schaft der Regierung, Arbeitsbeschaffungs pläne, die aus dem starken Drang, zu helfen, entstanden sind, zu erörtern. Eine Vorbedingung müssen aber alle vorgeschlagencn Maßnahmen erfüllen: die Arbeiten müssen produktiv sein und dürfen Währung und Kredit nicht aufs Spiel setzen. Eine noch so große Ausweitung der öffentlichen Aufträge hätte für sich allein niemals ein solches Maß von Arbeit und zusätzlicher Gütererzeugung schaffen können, wie es zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erforderlich ist. Keine von oben her geleitete Wirtschaft, keine Sozialisierung, keine Planwirt schaft würde das Problem lösen können, Deutschland durch den nächsten Winter zu führen. Die Reichsregierung wird sich bemühen, ihren Wirtschaftsplan noch durch wei tere Maßnahmen zu vervollständigen. Der Kanzler wies dabei auf die Auftragserteilung durch die öffentliche Hand, Reich, Länder und Gemeinden fowie Reichsbahn und Reichspost hin und kennzeichnete dann die bereits in seiner Münchener Rede erwähnte Geschäftsbelebung und Entlastung des Arbeitsmarktes. Seit der Ankündigung der wirtschaftspolitischen Maß nahmen ist der Kurs der Wertpapiere, die an den Börsen gehandelt werden, um rund 2K Milliarden Mark ge stiegen. Dabei handelt es sich nicht um spekulative, son dern um reine Anlagekäufe, womit die Kredit- unterlage der deutschen Wirtschaft beträchtlich ausgeweitet worden ist. Infolge der Besserung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage hat sich der Reichs- finanzministcr schon jetzt entschlossen, die monatliche Aus schüttung der Wohlfahrtshilfe an die Gemeinden im Oktober von 50 auf 60 Millionen Mark, im November um weitere 5 Millionen Mark zu erhöhen. übergehend zur sogenannten Lohnsenkungs- Verordnung vom 5. September, betonte der Kanzler, daß die Schwierigkeiten, die zunächst entstanden, durch Zusammenwirken von Unternehmer und Arbeiterschaft bereits zum größten Teil gelöst seien, so daß eine Ge fährdung des Wirtschaftsfriedens nich! mehr zu be fürchten sei. Der Kanzler wies in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Unternehmern, Arbeitern und Angestellten hin, da nur eine friedliche Durchführung des Wirtschaftsplanes die Möglichkeit gebe, die Arbeitslosenunterstützung für den Winter sowie gewisse Sozialleistungen zu erhöhen. Die stark kritisierte Ermächtigungsverordnung bezüglich der Sozialpolitik soll die sozialen Einrichtungen leistungs fähig erhalten und ihre Verwaltung zum Nutzen der Per- sicherten vereinfachen. Der Kanzler ging in diesem Zu sammenhang auf einen offenen Brief der Verbands präsides der katholischen Arbeitervereine em und betonte unter starkem Beifall der Versammlung, daß er gern an sein katholisches Gewissen appellieren lasse. Er müsse es aber als im höchsten Grade bedenklich be zeichnen, wenn von verantwortlichen geistlichen Leitern der katholischen Arbeiterschaft der Eindruck erweckt werde, als M W Amte!" sei die Regierung daran, die Wohlfahrt aus dem Staat überhaupt zu vertreiben. Aus diesem offenen Brief spricht ein so krasses Mißverstehen der Absichten und Auswirkungen, die der Wirtschaftsplan der Ncicbsregierung in sozialer Hinsicht haben soll und haben wird, daß ichdieseVer« fälschung der Bestrebungen der Reichsregierung nicht scharf genug zurückweisen kann. Der Kanzler behandelte dann handelspoli tische Fragen. Der Kritik an der Regelung der Einfuhr gewisser landwirtschaftlicher Produkte stellte er die Schilde- rung der schweren Notlage der Landwirtschaft gegenüber, die zu der Notwendigkeit führe, die Einfuhr gewisser Lebensmittel einer Regelung zu unterwerfen. Gerade die Einfuhrkontingcntierung trifft den Verbraucher am wenigsten und schützt die nationale Produktion. Im Hinblick auf den Widerstand des Auslandes gegen die Kontingentierungspläne sprach der Kanzler die Erwartung aus, daß die augenblicklichen Schwierigkeiten bald überwunden sein werden. Ausdrücklich trat der Reichskanzler den Gerüchten ent gegen, daß die Kontingentierungspolitik möglicherweise die Währung gefährden könne. Eine solche Gefahr liegt nicht vor, sie ist auch von keiner Stelle behauptet worden, die für die Währung Verantwortung trägt. Dem Vorwurf einer zwiespältigen Wirtschaftspolitik be gegnete der Kanzler mit dem Hinweis, daß eine Wirt schaftspolitik geführt werden mutz, die alle Wirtschafts zweige im Rahmen des Möglichen vor der völligen Zer rüttung schützt. Ausgabe einer jeden Ncichsregierung muß es sein, die Grundproduktion des Landes als Basts für die seelische und materielle Wiedergeburt der Nation z« schützen. Von diesen Gesichtspunkten hat sich die Reichsregierung auch bei ihren jüngsten Maß nahmen leiten lassen, die sie dem Reichspräsidenten Vor schlägen wird: bei der Reorganisation der P reußen- kasse und bei der Entschuldung des OsthilfegebieteS. Die Reichsregierung hat im Einverständnis mit der preußischen Staatsregierung trotz der Bereitstellung er heblicher Mittel geglaubt, auf das Leitungsrecht übe, das neue Institut, die „Deutsche Zentralgenossenschafts- kasse", zu verzichten und an seine Stelle eine körper schaftliche Willensbildung durch dessen Organe setzen zu können, da sie verantwortliche Selbstverwaltung an die Stelle des Staatskapitalismus zu setzen wünscht. Der Kanzler behandelte dann di« Frage der Auslandsverschuldung. Wenn es auch gelungen ist, in kurzer Zeit über 5 Milliarden Reichs- mark ausländischen Leihkapitals zurückzuzahlen, so ist ein abermaliger Abzug fremder Gelder doch gegen- wärtig nicht möglich. Es muß daher erwartet werden, daß über das Bestehen des Stillhalteabkommens hinaus das Ausland die von ihm nach Deutschland ge- liehenen Gelder konsolidieren läßt. Der Reichs kanzler wies dabei darauf hin, daß Deutschland auf der Weltwirtschaftskonferenz seinen Standpunkt dahin vertreten wird, daß der Schuldner seine Verbind- lichkeiten nur durch Zahlung in Waren erfüllen kann. Die Gläubigerländer können also nur dann mit der Abzahlung der deutschen Auslandsschulden rechnen» wenn sie bereit sind, deutsche Waren als Zah- lung dieser Schulden entgegenzunehm en. Das setzt voraus, daß sie unseren Waren ihre Grenzen öffnen. Zum Schluß gab der Reichskanzler einen kurzen Aus blick auf die politische Lage. Eine starke Staats gewalt ist dazu da, daß sic die Unsicherheitsfak« toren nach Möglichkeit beseitigt und dem Volk das Ge fühl gibt: Wir gehen voran, wir fassen die Unsicherheiten an der Gurgel! Aus diesem Grunde haben wir außenpolitisch den Kampf um Deutschlands Recht und Freiheit auf nehmen müssen. Das Ziel ist nicht Aufrüstung auf den Rüstungsstand unserer Nachbarn, sondern Ab rüstung in ganz Europa und in der Welt, gleiches Recht und gleiche Sicherheit. Unser Ziel ist ein Zustand, in dem es innerhalb Europas keine Hegemonie und kein System politischer Bündnisse gibt, sondern wo die Völker in gegenseitiger Achtung ihren Menschheitszielen nachstreben können. Der Gedanke des sacrum imperium ist nicht geboren im „Jahrhundert der Nationalitäten", er ist nicht, wie ein Teil der Auslandspresse es dargcstellt hat, „imperia - listisch" im Sinne hegemonialer Herrschaftswünsche. Er ist vielmehr der Ausdruck der großen abendländischen Völkerverbundenheit, wie ihn gerade die katholische Kirche