Volltext Seite (XML)
Die „Dttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr.j Inserate werden mit zo Pf. j für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 14. Sonntag, den 1. Februar 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Dkrilla, ZI. Januar 1903. — Als Ereignis der neuesten amtlichen Geburtenstatistik in Sachsen laßt sich folgendes feststellen: Es werden im Durchschnitt täglich 450 Kinder geboren, aber die relative Ziffer der Lebendgeborenen geht in Sachsen seit 25 Jahren zurück. Die wenigsten Geburten kommen auf den vorwiegend landwirtschaftlichen Kreis hauptmannschaftsbezirk Bautzen, die meisten auf den großindustriellen Bezirk Chemnitz. Die Zahl der Totgeborenen hat im allgemeinen abgenommen; die höchste Ziffer giebt es relativ im Bezirk Dresden, fast ebensoviel jedoch im Bezirk Bautzen, dessen Dörfer auch wiederum durch den höchsten Prozentsatz der unehelichen Kinder auffallen. In Sachsen werden mehr Knaben als Mädchen geboren und auf je 80 Geburten entfallen einmal Zwillinge. — Mit Ende Januar tritt der Schluß der Jagdsaison ein, da vom 1. Februar in Sachsen die meisten Sorten Haar- und Federwildes gesetzlichen Schutz genießen. Es dürfen vom 1. Februar nicht mehr geschossen werben: Hasen, Rehböcke, Fasanen außerhalb der Fasanerien, Schnepfen, Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild, Wachteln und Bekassinen. Bis zum 1. März dagegen dürfen noch die Kramtsvögel sowie Edel- und Damhirsche ge schossen werden, während Wildenten noch bis zum 15. März jagdbar bleiben. — Daß die Sozialdemokraten bereits leb haft mit der Agitation für die kommende Reichs tagswahl beschäftigt sind, haben die in der letzten Zeit in Dresden abgehaltenen größeren Volks versammlungen bewiesen. Diesen Sonntag sollen abermals in drei geräumigen Sälen öffentliche Versammlungen stattfinden. Die Referenten werden hierbei ein gleiches Tema behandeln, nämlich die neuesten Vorgänge im deutschen Reichstage. Hierbei wird für die so zialdemokratischen Kandidaten Stimmung gemacht werden. Dresden. Das „Journal" veröffent lichte folgende Allerhöchste Verordnung vom 14. Januar 1903: „Wir, Georg von Gottes Gnaden, König von Lachsen rc., haben Uns zu nachstehender Bestimmung bewogen gefunden. Nachdem Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin Louise Antoinette Marie geb. Erzherzogin von Oesterreich, Prinzessin von Toskana, am 9. Januar dieses Jahres auf alle Rechte, die ihr auf Grund ihrer Stellung als Kronprinzessin von Sachsen bis her zugestanden Haden, in feierlicher Weise für immer verzichtet hat, so erteilen Wir hierzu Unsere Genehmigung und erklären demgemäß in Kraft der Uns nach Z 4 Unseres Haus- gesetzes vom 30. Dezember 1837 zustehenden Hoheitsrechte, daß Hochdieselbe aus allen imder Zugehörigkeit zu Unserem Hause begründeten Rechten, Titeln und Würden von jetzt an aus geschieden ist. Gegeben zu Dresden, den 14. Januar 1903. Gez. Georg. Ggz. von Metzsch. Frhr. von Hausen, von Seydewitz. Dr. Rüger. Dr. Otto." — Der Verzicht Sr. Majestät des Königs Georg auf den tz 9 seiner Verordnung, wo nach ihm im anstehenden Scheidungsprozeß des Kronprinzen das Urteil zur Bestätigung vorzu legen war, wird mit der Rücksicht auf die Aufnahme begründet, welche das Verlangen einer Königlichen Bestätigung des Urteils im Volke gefunden hatte. Da die Kronprinzessin auf Ehescheidung klagt, so wird diese vom Gericht wahrscheinlich auch ausgesprochen werden. Im Volke befürchtete man, daß der König aus Anhänglichkeit zur katholischen Kirche, die eine Ehescheidung nicht kennt, ein solches Urteil nicht bestätigen würde. Da der König nun auf Be- stäligungsrecht verzichtet, erwartet mau all gemein, daß das am 11. Februar zu fällende Urteil auf Ehescheidung, die der Kronprinzessin die Wiederverheiratung ermöglicht, lauten wird. Das Verhältnis der Eltern zu den Kindern wird auch durch die Ehescheidung nickt berührt; für seine künftige Gestaltung kommen vielmehr lediglich die Hausgesetze sowie die Anordnungen des Königs, als Oberhauptes der königlichen Familie in Betracht. Natürlich wird die Prin zessin, die nun ihren Giron heiraten wird, jeder Einfluß auf die Erziehung der Kinder des Kronprinzen versagt bleiben; ebenso hat die Kronprinzessin, da sie ja der schuldige Teil ist, keinerlei Ansprüche auf irgend welche finanzielle Beihilfe durch den Dresdner Hof; dessen un geachtet werden ihr Mittel zur Verfügung ge stellt werden. — Aus Mentone wird geschrieben: Als die Kronprinzessin von Sachsen und Giron am Dienstag Blumen-Einkäufe machten, wurden sie von einer großen Volksmenge vor dem Blumengeschäft durch lärmende Rufe verhöhnt und sie kehrten deshalb im geschlossenen Wagen ins Hotel zurück. Dresden. Der Ständehausneubau am Schloßplatz soll in der herannahenden Bau- saison stark gefördert werden und es wird des halb auf den großen Steinmetzplätzen, die eigens für den Bau auf dem Platze des ehe maligen botanischen Gartens an der Ring straße und auf dem alten Militärbauhofe am Gondelhafen eingerichtet worden sind, emsig an der Bearbeitung eines großen Sandsteinmalerials gearbeitet. Ein Blick auf diese Arbeitsplätze ermöglicht einen ungefähren Begriff der zu dem Monumentalbau notwendigen Steinmassen und der Größe der einzelnen Stücke. Gegenwärtig ist Ler Ständehausneubau bis zum Erdgeschoß gediehen. Dresden. Nachdem für das Reiter standbild des verstorbenen Königs Albert, das bekanntlich seinen Platz vor dem neuen Stände hause finden soll, bereits vor drei Jahren das Hillsmodell vollendet und von dem verewigten Monarchen noch mit großem Interesse be sichtigt worden war, ist der ausführende Künstler, Herr Professor Max Baumbach in Berlin, an die Ausführung des Gußmodells herangetreten, das jetzt fast vollendet dasteht. Das doppelt große Standbild mißt vom Pferdehuf bis zum Scheitel des Reiters fünf Meter und zeigt den König in ruhiger Haltung, etwa in der Stell ung, wie er Paraden abzunehmen pflegte. Der Monarch, dessen Züge dem Künstler wunderbar gelungen sind, trägt große Generals uniform. Das ganze Standbild kommt auf einen vier Nieter hohen Sockel von Marmor zu stehen, der an der Vorder- und Rückseite durch reliefartige Darstellungen mit Bezug auf Sachsen und Dresden verziert ist. Auch der Sarkophag für den loten König Albert ist vor einiger Zeit im Model ferüggeflelltworden und beim Lauchhammerwerke in Arbeit. Dresden. Der nach dem Postplatz zu gelegene mittlere Teil der hiesigen umfang reichen Postneubauten und ein dazu gehöriger, an der Annenstraße befindlicher langer Anbau sind nunmehr im Rohbau vollendet und zum Teil bereits abgerüstet worden. Durch Len architektonisch sehr wirksamen Mittelbau wird der Postplatz um einen Prachtbau reicher, der namentlich durch die mit der Kaiserkrone be krönte Kuppel Line für unsere Residenzstadt neue Bauform schafft. Die Obe lettung bei der Aus führung der großen Projekte besorgt das kaiser liche Postbauamt, während die Bauausführung den Herren Baumeistern A. Mirus und L. Geyer übertragen worden ist. Meiste n. Em Steinbruchbesitzer aus der Umgegend hatte dieser Tage seine mit einer Anzahl Hundertmarkscheinen gefüllte Brieftasche auf der Ladentafel eines Geschäftes in Meisten liegen lassen und war fortgegangen. Erst nach geraumer Zeit bemerkte er seinen V rlust uns eilte nun wieder in das betreffende Geschäft zurück, mußte aber dort erfahren, daß von seiner Brieftasche nichts bekannt sei. Als der er schrockene Mann noch wie geistesabwesend da stand, kam ein anderer Herr in den Laden und brachte die verlorene Brieftasche, die er vorhin in der Meinung, daß es sein Eigentum sei, eingesteckt habe. Er zeigte auch seine eigene Brieftasche vor und die Anwesenden konnten sich von der täuschenden Aehnlichkeit beider Taschen überzeugen. Der Steinbruch besitzer war natürlich üoer den glücklichen Aus gang der bösen Geschichte hocherfreut. Mühltroff. Durch eine unsinnige Wette hätte hier der 25jähr?ge Schuhmacher Alwin H. beinahe sein Leben eingebüstt. H. vertilgte vor etwa 14 Tagen in einer Schank wirtschaft in ganz kurzer Zeit ein Pfund ge hacktes Rindfleisch und 12 Stück warme Würst chen mit 12 Semmeln, sowie mehrere Glas Bier. Ec wurde darauf so schwer krank, daß er jetzt noch das Bett hüten muß und seinem Berufe noch nicht wieder nachgehen konnte. Copitz. Beim letzten Eisgang war ein stattlicher Wels mit den Schollen nach den Copitzer Elbdämmen gedrängt worden, wo er zwischen dem Eise sitzen büeb und beim Rück gang des Wassers vom Strome abgeschnitten wurde. Vor einigen Tagen wurde der Fisch unter dem Eise entdeckt und nach längerem Sträuben gefangen. Sein Gewicht betrug ca. 20 Kilogramm. Schandau. Der dieser Tage auch hier erfolgte Witterungsumschlag hat bis heute auf die Eisverhältnisse im oberen Elbtale noch keinen Eindruck ausgeübt. Die Elbeisdecke' welche oberhalb Herrnskretschen beginnt und sich mehr als 15 Kilometer über Tetschen hinauf erstreckt, wurde vorgestern Mittag noch an verschiedenen Stellen ohne Gefahr über schritten. Erst wenn der Strom hinreichend viel Wasser erhalten haben wird, ist ein Auf bruch der Eismassen zu erwarten.— Bei einer Temperatur von 4 Grad Reaumur und sehr mastigem Elbwasserstanü brach am Freilag früh vor 3 Uhr die Elbeisdecke zunächst zwischen Herrnskretschen und Tetschen auf. Hier langten wese Trelbeismassen früh ^4 Uhr an. Die Schiffer und Fährleute waren rechtzeitig benach richtigt worden, so daß die Uebecsahrtsdampf- voote und Schaluppen in Sicherheit waren. Infolge der mäßigen Wasserzunahme geht auch Las Eis nicht dicht, weswegen man .bereits Vormittag 9 Uhr zwei UebecfahrlSdampfboote wieder in Betrieb setzen konnte. Wilthen. Hier wurde am Montag Nachmittag die ledige Anna Liebusch entkleidet und von Ratten angefressen tot aufgefunden. Sie besaß zwei Häuser, lebte dabei aber sehr kümmerlich. In der vorigen Woche erkrankte sie, verlangte aber keine Abwarmng. Am Sonnabend wurde sie zum letzten Mal gesehen. M i t l e l - S o h l a n d. Diesjährige Dienstmagd Ida Belka, welche am vorigen Donnerstag auf Lem Rittergut Mittel-Sohland bei Löbau von einer anderen Magd erstochen worden ist, wurde am Sonnabend unter zahl reicher Teilnahme zur letzten Ruhe bestattet. Die am Fceitag statlgefunLene Sezirung er gab Las Vorhandensein von sechs Messerstichen wovon sich außer einem in der rechten Hand je zwei im Rücken und in der linken Schulter befanden, während Ler tätliche Stich von ca. fünf Zentimeter Tiefe den Lungenflügel und beide Herzkammern durchbohrt hatte. Die ärztliche Feststellung widerlegte übrigens das Gerücht, Last sich die Belka m gesegneten Um- stänüen befunden habe. Letzteres trifft ledig lich von der 28jährigen Täterin Karoline Knesch zu, von deren gefühllosem Wesen die That- sache spricht, daß sie unmittelbar nach dem tätlichen Zusammensinken ihres Opfers mit dem selben Messer ihr Frühstück weiter verzehrte! Bei ihrer polizeilichen Abführung rief sie noch verschiedenen Bekannten ein Lebewohl zu! Chemnitz. Die Allgemeine Elekirizitäls- gesellschaft zu Berlin beabsichtigt die Erricht ung einer großen Ueberlandzentrale zwischen Wlltgensdorf und Burgstädt zur Kraft- und Lichlabgabe an die anliegenden Ortschaften der amtshauptmannschaftlichen Bezirke Chemnitz und Rochlitz. Crumbach bei Hainichen. Im Kontor der Wollwarenfirma I. G. Stein wurde nachts ein Einbruchsüiebstahl verübt, wobei dem Diebe gegen 140 'Mark Krankenkassengelder und ein Ichwarzmelierler Kammgarnrock zufielen. Der Dieb hat dafür einen Waffenrock der 3. Kom pagnie des 139. Infanterie-Regiments liegen gelaffen, doch hat er zuvor aus dem Rock den Namen herausgerissen. Rückersdorf. Der 19 Jahre alte Sohn des Viehhändlers Petzold war ain Mon tag mit dem Geschirr auf der Straße nach Werdau unterwegs, als in der Nähe des Fried hofes das Pferd scheute und mit Wagen und Geschircführer den an dieser Stelle steilen Ab grund hinabstürzte. Petzold war sofort tot, während der Wagen vollständig zertrümmert wurde. Das Pferd erlitt sehr erhebliche Ver letzungen. Colditz. Ein eigenartiges Gespann be wegte sich kürzlich durch unsere Stadt. Es war dies ein mit Kamelen bespannter Last wagen, dem Rittergute Leisenau gehörig. Der Besitzer des Rittergutes, Herr Huhn, hat in Sachsen die ersten Versuche mit Kamelen zur Arbeit in der Landwirtschaft gemacht. Wurzen. Die großen Bauten der Ka- sernementsgebäude am westlichen Ende unserer Stadt, die ziemlich bis zu dem benachbarten Nischwitz reichen, gehen ihrer baldigen Voll endung entgegen. Infolge ihres Rohbaues und ihrer gewaltigen Ausdehnung gewähren sie schon von weiter Feine einen imposanten Anblick- Das 8. Königliche Sächsische Artillerie-Regiment Nr. 78 ist bereits eingezogen. In der alten, früheren Jägerkaserne ist das Infanterie-Re giment Nr. 179 einquartiert. In der Studt herrscht nun ei i reges militärisches Leben. Leipzig. Kommerzienrat Mey, Be gründer der Firma Mey L Edlich in Leipzig- Plagwitz, ist am Freilag gestorben. Leipzig. Der Kaufmann Barth, welcher im Auftrage seines Vaters in den Hauslisten die Einträge bezüglich der Höhe der Wohnungs mieten so änderte, daß sein Vater in eine nie drigere Steuerstufe kam, ward zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Meerane. Nach und nach treten in den großen mechanischen Fabrikbetrieben und in Leu Lohnwevereien wieder geregelte Ver hältnisse ein und sind nunmehr so gut wie alle Arbeiter unterzebracht worden, die am Weber- ausstande beteiligt waren. Irgend welche Maß regelungen Haven die Fabrikanten nicht vor genommen. Jetzt giebt es nun überall alle Hände voll zu tun, und das ist ebenso er freulich, als notwendig, wenn der Ausfall des letzten Vierteljahres einigermaßen gedeckt werden soll. Die Webereien sind gegenwärtig noch reichlich mit Arbeit versehen und ist auch für die nächsten Monate keine Beschäftigungs losigkeit zu erwarten. Treuen. Bei einer groben Ausschreit ung in der Nacht zum Montag wurde Stadt rat Wolf durch Messerstiche erheblich verletzt. Annaberg. Schwer verunglückt ist ein Amateurphotograph einer Stadt bei Annaberg. Derselbe wollte innerhalb eines Vereinszirkels eine Blitzltchtaufnahme machen, mag aber nicht mit der gebotenen Vorsicht bei Entzündung des Magnesiums zu Werke gegangen sein. Die sich plötzlich entwickelnde Flamme verbrannte ihm die Hand derart, daß er ärztliche Hilfe zu Rate ziehen mußte. Der Aermste hat gräßliche Schmerzen ausgestanden. Markneukirchen. Der hiesigen Geigenmacher-Jnnung ist seitens der könig lichen Krelshauptmannschaff Zwickau der Be scheid geworden, die Geigenmacherei sei ein Kunsthandwerk und die dasselbe Ausübenden bedürfen der Führung des Meistertitels nicht, weshalb auch der Innung nicht das Recht der Meisterprüfung erteilt werden könne.