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Ottendorfer Zeitung. Die „Mten-orfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch di« Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit p Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 56. Sonntag, den 10. Mai 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Amtslokalitäten bleibt das Gemeindeamt Montag, den l1. Mai dieses Jahres geschlossen. Ottendorf-Moritzdorf, am 6. Mai 1903. Der Gememäevorstanck. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Gtttndorf'Gkrilla, 9. Mai 1903. Am 7. d. M. hielt der Ortsverein für Ottendorf-Okrilla und Umgegend im Fried rich-WilhelmSbad eine von 20 Mitgliedern be suchte Monatsversammlung ab. Nach Aufnahme eines neuen Mitgliedes wurde beschlossen, zu nächst zirka 20 Bänke an den hierzu bestimmten Plätzen aufzustellen und zur Erleichterung des Verkehrs im Walde eine Anzahl Wegweiser anzubringen. Wegen Einführung einer Plakat steuer soll mit den in Frage kommenden Gast wirten im Einvernehmen getreten werden. Dem Anträge eines Mitgliedes, betr. Anschluß an einen GebirgSverein, wird zugestimmt, ebenso die Veranstaltung eines Piknicks am 7. Juni gutgeheißen. Nach Vornahme der Wahl eines 1. Schriftführers an Stelle des wegen Weg zuges auü dem Verein ausgeschiedenen Herrn Lehrer Grundig wurde die Sitzung geschlossen. — Ottendorf-Moritzdorf. Kostende wegung bei der hiesigen Sparkasse im Monat April 1903: 15863 Mk. 33 Pf. Bestand am Schluffe des vorigen Monats. 6760 Mk. 63 Pf. neue Einlagen in 59 Posten. 114 Mk. 51 Pf. bezahlte Hypothekenzinsen. 22738 Mk. 47 Pf. Sa. Hiervon ab: 16145 Mk. — Pf., und zwar: 445 Mk. — Pf. Rückzahlungen in 4 Posten. 15700 Mk. — Pf. ausgeliehene Kapitale. 6593 Mk. 47 Pf. Kaffeubestand. Seit Bestehen der Kaffe, 1. November 1902. sind überhaupt 47851 Mk. 63 Pf. in 211 Einlagebüchern ringezahlt worden. — Auf die der heutigen Nummer bei liegenden Beilage, Vulneral-Präparate betr., seien die geehrten Leser noch besonders aus- Merksam gemacht. — Interessant ist die in der heutigen Nummer unserer Zeitung sich befindende Glücks-Anzeige von Samuel Heckscher senr. in Hamburg. Dieses Haus hat sich durch seine prompte und verschwiegene Auszahlung der hier und in der Umgegend gewonnenen Beträge einen dermaßen guten Ruf erworben, daß wir jeden auf dessen heutige» Inserat schon an dieser Stelle auf merksam machen. — Die Niesenarmee der Insekten befindet sich im Anmarsche. Wie jedes Dach sein Ach hat, so ist auch der liebliche Mai nicht ohne Plagegeister und unter der Blütenpracht, die er rings entfaltet, schlummert manch verderben bringender Geselle — manch schädliches Insekt. Jetzt, wo diese Schädlinge erst zur Entwickelung gelangen, also noch bevor sie sich in der ihnen eigenen, kaum glaublichen Schnelligkeit vermehrt haben, ist e» die beste Zeit, ihnen mit Erfolg entgegenzutreten. Der Gartenfreund sei daher auf der Hut. Er suche in den Morgen- und Abendstunden die gefräßigen Schnecken, gegen Mittag die schädlichen Raupen und bestreue am frühen Morgen, wenn noch da« Blattwerk vom Tau der Nacht benetzt ist, die Zweige der von Läusen heimgesuchten Gehölze mit Tabakstaub. Wer so früh und spät für seine Pflegebefohlenen im Garten sorgt, dem wird die Freude an einer ungestörten Entwickelung seiner Lieblinge nicht fehlen. — Der kleine braunröckige Geselle hat sich wieder eingestellt, dem die Kinder zusingen: Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, — Deine Mutter ist in Pommerland und Pommer land ist weggebrannt. — Während ihn unsere Kleinen als Spielkameraden mit Jubel begrüßen, zieht der Gärtner bei seinem Erscheinen ein saures Gesicht, der Spatz aber, unser treuer Genosse, der uns selbst im Winter nicht ver ließ, sowie die brave Henne, die sich zur Oster zeit im Eierlegen hervorgetan hat, sind hocher freut über die willkommene Abwechselung, die der sechsbeinige Gast in ihr „Menü" bringt. — Man sieht: „Was dem Eenen sin Uhl, istz dem Annern sin Nachtigall." — Der Fliederstrauch erfreut wieder unser Auge und entzückt uns durch seinen Duft. Er giebt der Zeit seines Blühens eine besondere hervorgehobene Frühlinosstimmung durch seine Blütenfülle und seinen charakteristischen Geruch, der in solchen Mengen ausströmt, daß er ganze Gärten anfüllt und ein Strauß schon ein Zimmer parfümiert. Der Flieder stammt aus dem warmen Mittelasien und ist aus China zu uns gebracht worden. Jetzt hat er durch seinen einschmeichelnden Duft alle Länder Europas, freilich auf die friedlichste Weise, er obert und sich deren Klima anbequemt. Er ziert die Gärten Neapels, wie die von Paris, London, Berlin, Wien und Pest; sein ent zückender Duft ist jetzt heimisch in Deutschland und Rußland, wie in Mittelschweden und Fin- land. Freilich hat das Klima seine Blütezeit verändert. In den Ländern am Mittelmeer blüht er bereits im März, in Frankreich und Ungarn im April, während England und Deutsch land erst im Mai sich durchschnittlich seines Duftes erfreuen und er in Miltelschweden und Finland sogar erst zum Sommerflor gehört, Die Kunstgärtnerei überhebt sich solchen Ab hängigkeiten und liefert uns blühenden Flieder bereits zur härtesten Winterszeit. Freuen wir uns seiner draußen im Freien zur herrlichen Maienzeit l — Die mit einem Lungenleiden behafteten jungen Leute, welche vor der Aushebungs kommission seitens des Militärarztes bei der letzten Rekrutierung als solche befunden wurden, sind kürzlich von den Zivilbehörden, welchen seitens der Militärbehörden die Namen der Lungenkranken bezeichnet wurden, aufgefordert worden, bei der Landesversicherungsanstalt die Übernahme eines Heilverfahrens zu beantragen. Die Folge davon ist die augenblickliche Über füllung der Anstalten Albertsberg, Görbersdorf und andere Lungenkurorte. Da die eigene Heilstätte der Versicherungsanstalt erst im Herbst übergeben werden kann, sehen sich die Orkane der Landesversicherungsanstalt, um der Be stimmung des Z 18 des Jnvalidenversicherungs- gesetzeS gerecht, zu werden, angesichts der überall herrschenden Überfüllung sächsischer Anstalten genötigt, Lungenkranke nach thüringischen und anderen Anstalten zu überweisen. — Unter der zweijährigen Dienstzeit sind, wie sich aus den Berichten der Militärgefäng nisse ergiebt, die Bestrafungen im Heere um über ein Drittel zurückgegangen. Die meisten Vergehen der Mannschaften kamen früher im dritten Dienstjahre vor. Königsbrück. Gestern kehrte das 3. Ba taillon des 102. Infanterieregiments nach be endeten Schießübungen von hier nach Zittau zurück. Dresden. Se. Königliche Hoheit der Kron prinz, kommandierender General des 12. Armee korps, begab sich gestern zum PrüfungSschießen im Gelände des 3. Bataillons Infanterie regiments Nr. 102 nach dem Schießplatz Königsbrück. Dresden. Unweit der Radeberger Land straße entstand gestern mittag ein Waldbrand, der sich über zirka 12000 gm Fläche ver breitete, die zum Teil aber nur mit Heidegras bewachsen war. Dresden. Im großem Sitzungssaals der Generaldirektion der sächs. Staatseisenbahnen hatte sich am Mittwoch vormittag 10^/z Uhr der der Generaldirektion beigeordnete Eisenbahn rat zur 47. Sitzung eingefunden. Nachdem der Vorsitzende, Herr Generaldirektor v. Kirch bach die zum ersten Male erschienenen Mitglieder, sowie die Herren Finanzminister Dr. Rüger und die mit ihm erschienenen Herren Geh. Rat Dr. Ritterstädt, Abteilungsdirektor im kgl. Finanzministerium, und Geh. Finanzrat von Seydewitz begrüßt hatte, ergriff zunächst Herr Dr. Rüger das Wort und legte die Gründe dar, welche die Staatsregierung zur Einbring ung der gegenwärtigen, den einzigen Gegen stand der Tagesordnung bildenden Vorlage, die 6i/tprozentige Erhöhung der Rückfahrkarten- preise betreffend, genötigt habe. Nach Schluß der Debatte erklärte sich der Eisenbahnrat mit 14 gegen 7 Stimmen damit einverstanden, daß von Weiterverfolgung der am 4. und 5. Febr. beratenen Reformvorlage abgesehen wird. Ferner billigte der Eisenbahnrat mit 15 gegen 6 Stimmen, daß die Preise der Rückfahrkarten um 6^/4 pCt, erboht werden. Weiter erklärte der Eisenbahnrat sein Einverständnis dazu, daß die für Personenzüge giltigen festen Rundreise karten, sowie die Sonntagsfahrkarten nach Bad Elster, in welche halbe Rückfahrkartenpreise ein gerechnet sind, den Preisen der letzteren ange paßt und demgemäß ebenfalls um 6^4 pCt. gesteigert werden. Ferner entschied sieb der Eisenbahnrat gegen 5 Stimmen für Beibehalt ung der jetzigen Sätze der Monats- und Neben karten Ober- und Mittelebersbach. Das an gekündigte kaiserliche Fahnengeschenk für den hiesigen Militärverein ist nunmehr eingegangen. Es besteht aus Schleife und Nagel. Elstra. In den Vormittagsstunden des 1. Mai wurde hier eins Magd des Gutsbesitzers Ad. Richter aus Kriepitz oberhalb der Zechten Schläfe in den Kopf geschossen. Die Magd war mit anderen Arbeitern auf dem Felde be schäftigt, in dessen Nähe sich auch zwei Guts besitzer aus Jauer mit Jagdgewehren aufhielten. Jedenfalls ist das Vorkommnis aus Unvorsich tigkeit geschehen. Es ist noch nicht ersichtlich, welche Folgen dieser Vorgang für die betroffene Magd, welche sich in ärztlicher Behandlung befindet, nach sich ziehen kann. Großenhain. Ünterhalb des Hommelscheu Wehres bei Skassa wurde in der Röder die Leiche des seit 30. Januar vermißten Schul knaben Arthur Max Winkler gefunden. Winkler war ein Pflegekind der Waisenkolonie Bauda, er wohnte in Skassa und war 1889 in Dresden geboren. Am Tage seines Verschwindens war er auf das Eis der Röder gegangen und, wie man schon vermutete, eingebrochen. Meißen. Nach neunwöchiger Dauer ist am Mittwoch durch Einigung vor dem Gewerbe gericht der Streik in den Köhlerschen Granit werken beendet worden. Der neue Lohntarif, welcher zu der Arbeitsniederlegung führte, ist in einzelnen Punkten zu gunsten der Arbeiter ab geändert worden. Grimma. Hier wurde die Hutgarniererin Scholz, der ihr Geliebter, Husar Heider, die Pulsader geöffnet hatte, als geheilt aus dem Krankenhause entlassen; auch Heider wird vor- aussichilich am Leben bleiben. Leipzig. Der 1859 in Müglenz bei Wurzen geborene Handarbeiter Jul. Osw. Zschau be gann, obwohl verheiratet und Vater zweier Kinder, mit der Zigarrenhändlerin Rüger in L.-Lindenau ein Verhältnis, welches diese lösen wollte, als sie erfuhr, daß Zschau Ehegatte war. Da alle Versuche Zschaus, Frau Rüger zur Fortsetzung des Verhältnisses zu bewegen, er folglos blieben, entschloß er sich, die Frau zu töten. Am 24. Dezember vorigen Jahres drang er früh in die Wohnung der Frau R. und ——— versetzte ihr wohl 30 Hammerschläge auf den Kopf. Schwerverletzt kam die Frau ins Kranken haus, blieb aber dem Leben erhalten. Wegen versuchten Mordes wurde Zschau zu 8 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verur teilt. Glauchau. Schon seit einiger Zeit hat unter der hiesigen Arbeiterschaft eine gewiffe Mißstimmung Platz gegriffen, die bereits zu den ärgsten Auseinandersetzungen zwischen den Fabrikanten (den Webereibesitzern) und den Arbeitnehmern Anlaß gegeben hat. Worin der Minton seinen eigentlichen Grund hat, ist nicht recht klar, um so weniger, als man mit dem Ende des Weberstreikes auf lange Zeit hinaus den Frieden erhofft hatte. Die Zwistigkeiten scheinen durch eine Differenz, die bei der Firma Petzold L Co. ausgebrochen ist und mit der Entlastung eines Arbeiters (des Verbandsvor sitzenden des Textilarbeiterverbandes, Ortsgruppe Glauchau) zusammenhängt, entstanden zu sein. Infolgedessen haben die Arbeiter bei der ge nannten Firma die Arbeit niederlegt. Die Fabrikanten haben nun den Arbeitern mitge teilt, daß am Sonnabend den 9. Mai die Aus sperrung sämtlicher Arbeiter erfolgt, wenn am genannten Tage morgens 6 Uhr die Arbeit bei Petzold L Co. nicht ausgenommen ist. Durch diese Maßnahmen würden Tausende von Arbeitern betroffen werden. Reuth i. V. Eine Brandstiftung aus selt samen Beweggründe beging letzten Sommer der 21 Jahre alte, hierselbst bedienstete Knecht Suchy aus Wohlhausen. Weil die im Stillen von Suchy geliebte, ebenfalls in Reuth wohn hafte Dienstmagd Erika Biedermann ihren An beter in der Nacht zum 6. Juli trotz unge stümen Drängens nicht in ihre Behausung ein ließ, ging der abgewiesene Freier hinter die Scheune ihres Dienstherrn Penzel und steckte letztere in Brand, damit seine Geliebte ebenfalls keine ruhige Nacht habe. Von Gewissensbissen geplagt, hat Suchy nun nach Jahresfrist die Brandstiftung selbst eingestanden; er wurde daraufhin vom dortigen Gendarm festgenommen und in das Adorfer Amtsgerichtsgefängnis ein geliefert. Der Brandstifter war übrigens im vergangenen Jahre in eine blutig verlaufene Mesteraffäre, die sich in Markneukirchen ab spielte, verwickelt, mußte damals aber wegen mangels an Beweisen freigesprochen werden. Cs ist ein altes deutsches Erbübel, daß man sich trennt und spaltet, anstatt sich zu ver einigen, daß jeder seine eignen Wege geht, an statt einem gemeinsamen Ziele nachzustreben, und doch ist es unschwer, aus der Geschichte nachzuweisen, daß die Uneinigkeit unser Vater land stets zerrüttet und den Feinden preisge geben, die Einigkeit dasselbe aber groß und stark gemacht hat. Dieselbe Erfahrung finden wir im Kleinen bestätigt an unsern hiesigen Ortschaften. Dieselben bestehen z. Z. noch aus 3 selbständigen Gemeinden, und doch haben die selben vollständig gleiche Interessen und würden vielmehr aufblühen, wenn sie sich vereinigen wollten, wie viele hiesige Einwohner durch eine letzthin im Umlauf gebrachte Petition angestrebt haben. Die Einwohner der hiesigen Ortschaften sind gegenseitig auf sich angewiesen. Schule, Kirche, Standesamt und Feuerlöschwesen ist ihnen schon gemeinsam. Viele segensreiche Ein richtungen in Ottendorf würden uns in Groß- Okrilla mit zu gute kommen, ohne daß ein Pfennig dafür ausgegeben brauchte. Ungleich heit in der Handhabung der Verwaltungsrechte würde verschwinden, Rechte und Pflichten würden einheitlich geregelt werden. Der jetzt bestehende Steuersatz in Groß-Okrilla würde dadurch, daß verschiedene Einnahmen in Ottendorf auch uns mit zu gute kämen, und verschiedene Ausgaben wegfielen, keineswegs erhöht zu werden brauchen. Möchte da der Gemeinderat den mehrfach geäußerten Wünschen hiesiger Einwohner Rech nung tragen und einen im Sinne vieler liegen den Beschluß auf Vereinigung fasten.