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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen b20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Aloritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme van Inseraten bis vormittag io Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Rr. 46. Sonntag, den 19. April 1903. 2. Jahrgang. Wegesperrung. Mit Genehmigung der Königlichen Amttzhauptmannschaft wird wegen Massenschüttung der von Oltenchors nach Lomnitr führende Kommunikationsweg in der Flur Ottendorf vom 18. bis mit 22. dieses Monats für den öffentlichen Fährverkehr gesperrt. Letzterer wird über Seifersdorf gewiesen. Zuwiderhandlungen werden auf Grund von H I der Verordnung vom S. Juli 1872, den Verkehr auf öffentlichen Wegen betreffend, bis zu 30 Mark bestraft. O t t e n d o r f - M o r i tz d o r f, am 14. April 1903. Der Gemeinchevorstanch. Lincke. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, <8. April I90Z. M Hermsdorf. Der fahrplanmäßige Nachtzug nach Dresden erlitt gestern Abend auf hiesiger Station einen unfreiwilligen Auf enthalt, indem die Lokomotive beim Arisfahren aus der Station durch den Bruch eines sogenannten Herzstückes von den Schienen kam und entgleiste. Glücklicherweise kam aber bei diesem Unfall Niemand schwer zu Schaden, nur der Heizer erlitt eine Hand verstauchung. Der Personenverkehr wurde durch Umsteigen aufrecht erhalten. Das aus den Werkstätten zu Dresden herbeigerufene Personal nahm sofort die Rettungsarbeiten in Angriff und gelang es demselben heute Vormittag die Lokomotive wieder auf das Gleis zu bringen. — Auf der Linie Leipzig—Döbcln-DreSden wird vom 2b. April ab auch die Teilstrecke Großsteinberg—Grimma zweigleisig betrieben tv rden. Damit ist nun die Strecke (Leipzig—) Borsdorf—Großbothen zusammenhängend zwei gleisig ausgebaut. Der Zuasverkehr ist nun nicht mehr durch die Kreuzungen wie bisher gebunden und dürfte an Pünktlichkeit gewiß gewinnen. — Die Beschaffenheit der Briefe giebt der Postverwaltung immer wieder Anlaß zu Mahn ungen an die Briefschreiber. Insbesondere ist das Format Privatbriefe immer noch wenig einheitlich. Für die schnelle Abwicklung des Briefverkehrs wäre es am förderlichsten, wenn die Briefe womöglich eine einheitliche Größe hätten; dann können sie schnell aufge stellt, gestempelt, sortiert und verpackt werden. Bei den Geschäftsbriefen hat sich schon teilweise eine leidliche Gleichmäßigkeit eingebürgert. Die Pcivatbriefe leiden aber in dieser Beziehung unter der Mode. Besonders störend sind ganz kleine Umschläge von der Größe einer Eiscn- bahnfahrkarte. Sie können sä wer erfaßt und gehalten werden, sie lassen sich schlecht in die Briefbunde einfügen, paffen nicht für die Stempelmaschiuen usw. Auch leidet die Deut lichkeit der Adresse unter der Kleinheit. So kleine Briefe sind auch mehr der Gefahr aus gesetzt, verloren zu gehen. Die Marke soll stets in die rechte obere Ecke der Vorderseite zu stehen kommen. Auf die Briefmarkensprache der Liebenden ist die Post schlecht zu sprechen. Die Post hätte sogar das Recht, Sendungen, bei denen die Marken an anderer Stelle stehen, zurückzuweisen. Bei vorgedruckten Umschlägen empfiehlt es sich, die Stelle für die Briefmarke besonders zu bezeichnen. Die Adresse ist über sichtlich anzuordnen. Insbesondere ist der Ort groß, deutlich und unterstrichen rechts unten an zubringen. An der Befolgung dieser Regeln hat das Publikum selbst das größte Interesse. — In der Berechnung der Giltigkeitsdaucr der zwammenstellbaren Fahrscheinhefte tritt am l. Juni eine wichtige Aenderung ein. Während die Hefte jetzt bei Reisen bis zu 2000 Km 45 T ge und bei größeren Reisen höchstens 60 Tage gelten, ist die Giltigkeitsdauer vom ge nannten Tage ab wie folgt festgesetzt: 45 Tage bei Reisen von 600 bis 2000 km, 60 Tage bei Reisen von 2001 bis 3000 km und 90 aTge bei Reisen über 3000 km. Eine Aus dehnung des Rundreiseverkehrs des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen auf Spanien und Portugal wird in Aussicht gestellt. Am 1. Juni treten dem Vereinsverkehr die fran zösische Südbahn, die Staatsbahn und die PariS-Ocleansbahn, sowie die italienischen Bahnen bei. — Blutreinigende Frühjahrskuren waren von altersher bekannt und beliebt- Wie sich die Pflanzen im Frühling durch gesteigerten Saft strom verjüngen, so bedarf auch der menschliche Organismus mindestens einmal im Jahre einer gründlichen Säftereinigungskur, um die ange sammelten Auswurfsstoffe zu beseitigen, die Vcrdauungswege zu entlasten, Blut- und Lymph gefäße neu zu beleben. Als »Blutreinigende Frühlingskräuter sind besonders geschätzt Löwen zahn, Erdrauch, Wegwart, Brunnenkresse, Peter silie, Schafgarbe, Andorn, Gundermann, Waffer- gauchheil, Kerbel uni Sauerampfer. Die Wirkung dieser Kräuter als solche in Gestalt von Kräutersaft, Extrakt, Tee oder Pillen be ruht im wesentlichen auf einer milden Anreg ung der Magen- und Darmtätigkeit und da durch auf den gesamten Stoffwechsel im Orga nismus. — Anzeigenfälschung als Urkundenfälschung bestraft. Vor kurzem ereignete sich wiederum der Fall, daß eine unter falschem Namen ein gesandte Anzeige vom Gericht als Urkunden fälschung angesehen und dementsprechend ge ahndet wurde. Ein Arbeiter sandte einer Zeit ung eine fälschlich mit dem Namen eines Arbeitgebers unterzeichnete Annonce ein, durch welche Personal für letzteren gesucht wurde. Der Zweck der Anzeige war, dem betreffenden Arbeitgeber einen Schabernack zu spielen resp. dessen Personal zur Kündigung zu veranlassen. Der Arbeitgeber machte Anzeige bei ber Staats anwaltschaft und diese erhob gegen den Auf geber der Annonce, der ermittelt wurde, An klage wegen Urkundenfälschung. Die Straf kammer erachtete solche als vorliegend, hielt eine empfindliche Strafe für angebracht, da häufig den Zeitungen falsche Anzeigen, besonders Verlobungsanzeigen, zugesandt werden und ver urteilte den Arbeiter zu 14 Tagen Gefängnis. Dresden. Die Gesellschaft, die jetzt hier Probefahrten sowohl mit der kürzlich erwähnten elektrischen Droschke, als auch mit Benzinwagen unternimmt, ist die neugegründete „Dresdner Automobil-Droschken-Gesellschaft", der sich fast sämtliche hiesige Droschkenbesitzer angeschloffen haben. Die Resultats mit den beiden erprobten Typen sind recht befriedigend ausgefallen. Nicht aber die Betriebsaktiengesellschaft in Köln liev diese Probefahrten vornehmen, sondern die vereinigten Droschkenbesitzer. Dresden. Im Neustädter Bahnhofe starb am Mittwoch nachmittag ein 50 Jahre alter Herr plötzlich an Herzschwäche. Der Verstorbene ivurde als der Gemeindevorstand Reinhardt aus Röderau erkannt, welcher aus dem hie sigen Krankenhause in seine Heimat zurück kehren wollte. Cossebaude. Günstiges Wetter in den nächsten Tagen vorausgesetzt, dürfte am kommen den Sonntage die Baumblut sich in ihrer schönsten Pracht entfaltet haben. Großenhain. Bahnvermeffungen zwischen Zeithain —Röderau — Großenhain (Berliner Bahnhof) haben angeblich zu Militärbahn- bauzwecken in den letzten Tagen in hiesiger Gegend stattgefunden. Mühlberg a. d. E. Zwei mit Kalk be ladene Lastwagen des Gutsbesitzers L. in Lieber- sce sollten mit der Fähre über den Elbstrom gesetzt werden. Als das erste Geschirr auf das Fährschiff fahren wollte, drängten die unruhig gewordenen Pferde auf der etwas abfallenden Zufuhrstraße seitwärts, sodaß sie mit dem Wagen der Elbuferböschung zu nahe kamen. Noch ehe es der Geschirrführer verhindern konnte, rollte der schwere Wagen, die beiden Pferde nach sich ziehend, die steile Böschung hinab in die Fluten der Elbe. Mit Hilfe der Fährleute gelang es glücklicherweise noch recht zeitig, die beiden wertvollen Tiere zu erreichen und den Fluten wieder zu entreißen. Pirna. Am Dienstag wurde hier der Bau eines Theaters in Angriff genommen. Ein schmuckes Stadttheater hatten wir schon jetzt. An die Stelle desselben soll aber nun ein anderer Bau treten. — Eine vielgenannte und auch vielgerühmte Pirnaer Spezialität, der Hafftmannsche Magenbitter, zeigt sich im Jubi läumsschmucke, indem am Mittwoch seit dem Bestehen der Firma Joh. Gottl. Hasftmann 110 Jahre vergangen waren. Das 100 jähr. Bestehen wurde seinerzeit mit besonderen Fest lichkeiten begangen. — Aus der Festung König stein erfolgen in diesem Jahre wieder größere Bauausführungen. Von einem Aufgeben Ler Festung ist also, wie bereits berichtet, durchaus nicht die Rede. Pirna. Die sächsischen Sandsteinbruch-Jn- haber haben sich zu einer Vereinigung zu sammengeschloffen unter dem Namen „Verband sächsischer Sandsteinbruch-Jnhaber". Der Ver band hat seinen Sitz hier und ist in das Ver einsregister eingetragen worden. Die seither bestandene „Konvention sächsischer Elbsandstein- bruch-Jnhaber" hat bekanntlich in einer vor kurzem hier abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung sich mit einer eventuellen Auflösung beschäftigt. Schandau. Ein unfreiwilliges Bad im Osterwasser war den Musikern und der Sänger schaft von Krippen in der Osternacht beschert. Auf einer morschen, alten Holzbrücke hatten sie Aufstellung genommen und waren soeben be reit zum Spiel und Gesang, als Pfosten und Balken, von der Last erdrückt, nachgaben und den gesamten Chor in das Bächlein gleiten ließen. Instrumente, Noten, Musiker, Burschen und Mädchen, alles lag durcheinander. Das Wasser war zum Glück nicht tief, aber die Beteiligten haben sämtlich etwas „abgekriegt". Döbeln. Ein schon lange gesuchter Deser teur der 4. Kompagnie des 139. Infanterie- Regiments hier wurde in der Strohscheune der Papierfabrik zu Technitz versteckt aufgefunden, woselbst er ohne Nahrung und trotz der kühlen Witterung ca. acht Tage zugebracht hatte. Zwickau. In Leubnitz bei Zwickau wurde der Arbeiter Kriegel im Bette vom Schlage tödlich getroffen. Auf seiner Brust befanden sich drei Sparkaffenbücher über 1500 M. — In Planitz hat sich ein Hüttenarbeiter aus Furcht vor Strafe wegen eines Sittlichkeitsver brechens durch Erhängen entleibt. Freiberg. Der Sächsische Gästwirtstag wird im Juli hier abgehalten. Mit ihm ist eine allgemeine Fachausstellung verbunden. Die Anmeldungen sind bereits so zahlreich einge gangen, daß der Gastwirtsverein zu Freiberg, der die Ausgestaltung des Verbandstages über nahm mit dem Zentralausschuß für das Dom baufestspiel ein Abkommen wegen pachtweiser Ueberlassung der Dombaufesthalle auf dem Werner-Platze getroffen hat. Für die Zwecke der Ausstellung sind in der Halle etwa 1000 Quadratmeter verfügbar. Leipzig. Bei dem Neubau der Kirche zu Kieinzschocher hat sich ein bedauerlicher Unglücks fall ereignet. Ein dort beschäftigter 16jähriger Maurerlehrling trat auf dem im Innern der Kirche errichteten Gerüst fehl, stürzte aus einer Höhe von 9 Meter herab und war sofort tot. Meerane. Hier wurde der 18jährige Sohn des Oekonomen Rudolph, der den besten Ruf genießt, wegen vierfacher Brandstiftung ver haftet. Der Verhaftete, der geständig ist, hat anscheinend nur aus jugendlichem Leichtsinn und aus Freude an Bränden gehandelt. Jedes mal hat er sich vor der Tat in Gastwirt schaften Mut angetrunken. Er ist stets einer der ersten am Brandplatze gewesen. Plauen i. V. Wie bereits in letzter Nummer gemeldet, wurden in der Nähe von Elsterberg zwei äußerst freche Raubanfälle verübt, und zwar von einem jungen Mann von ungefähr 25 Jahren. Dienstag nachmittag gegen 3 Uhr befand sich die schon bejahrte Frau Jung aus dem reußischen Dorfe Görschnitz auf dem Heim wege. Als sie den Waldweg passierte, sprang plötzlich ein junger Mensch hervor, überwältigte die Frau und schleppte sie in den Wald. Dort verübte der Unhold an der Frau ein Sittlich keitsverbrechen. Dann schnitt er vom Rock der Frau die Tasche ab, in der sich 1 M. befand. Der Räuber ergriff hierauf die Flucht. Die ohnmächtig gewordene Frau erholte sich nach längerer Zeit wieder und konnte ihren Heim weg fortsctzen. Nachmittags in der fünften Stunde wurde in der Näbe ber sogenannten Frödenmühle im Fröbersgrüner Grund von demselben Unhold ein gleiches Verbreche» ver übt, Die dort weilende 65 Jahre alte Frau Künzel auS den Genshäusern bei Fröbersgrün wurde von dem Räuber ebenfalls überfallen, ihrer gesamten Barschaft beraubt und, als sich die alte Frau heftig wehrte, von dem Räuber durch Messerstiche in den Hals schwer verletzt. Plauen i. V. Seinen qualvollen Ver sitzungen erlegen ist der 16 jährige Fabrikarbeiter Hiller, der in der Robert Vischreitschen Bleicherei in eine mit siedender Flüssigkeit gefüllte Bleich pfanne stürzte. — Die im Holzgewerbe be schäftigten Arbeiter, größtenteils Tischler, fordern von den Meistern ebenfalls mehr Lohn und weniger Arbeitszeit. Dieselben beabsichtigen zu streiken. Plauen i. V. Dem hiesigen sozialdemo kratischen Gewerkschaftskartell ist es nun doch gelungen, das große Vergnügungsetabliffement „Schillergarten" zu kaufen und es nun zu einem Gewerkschaftshaus und Sammelort der Sozialdemokraten umzuwandeln. Am Mittwoch ist der Kauf vollzogen worden. Das Gewerk- schaftskartell bezw. die Sozialdemokratie fir miert nun „Offene Handelsgesellschaft Friedrich Langenstein L Co." Als Kaufpreis wurden 190 000 Mark gezahlt. Zur bevorstehenden Reichstagswahl wird den Sozialdemokraten, denen bisher kein Saal zu Versammlungs zwecken zur Verfügung stand, der „Schiller garten gute Dienste leisten. Oelsnitz i. V- Die Reichsbank kauft jetzt Wechsel auf Voigtsberg (auch Vogtsberg ge schrieben), welche vom 1. Mai d- I. ab fällig werden, an. Sie sind an die hiesige Reichs banknebenstelle zu girieren. Tetschen-Bodenbach. Die alte schöne Sitte des Osterreitens wurde auch in diesem Jahre hier und in zahlreiAen umliegenden Ort schaften in ausreichendem Maße geübt. Ueber- all tritt im Gegensatz zu früher das Bestreben zu tage, diesen Brauch mehr und mehr seines bisherigen kirchlichen Charakters zu entkleiden und das Osterreiten als eine Sitte rein ger manischen Ursprungs zu pflegen. Während in Letschen zum Beispiel die festlich geschmückte Reiterschar am ersten Festtag früh zur Kirche ritt und Fähnchen mit kirchlichen Emblemen trug,' findet schon seit einigen Jahren die Schlußfeier beim Denkmal Kaiser Joseph II. statt. Auch Heuer war dies der Fall. In Bodenbach wurden Heuer sogar zwei Osterreiten abgehalten, eines mit kirchlichem Anstrich und eines mit deutsch-nationaler Tendenz.