Volltext Seite (XML)
Ottendorfer Zeitung. vir „Otiendorser Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für dis Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an Inseraten bis vormittag 4» Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeil« berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. 2. Jahrgang. Nr. 54. Mittwoch, den 6. Mai 1903. OertUches und Sächsisches. Ottendorf-Vkrilla, K. Mai 1903. — Im Laufe des gestrigen Tages wurden in der Gemeinde Ottendorf-Moritzdorf mehrere Plakattafeln zur Aufstellung gebracht. — Der heutigen Nummer unserer Zeitung liegt ein Prospekt über Apotheker Grundmanns Vulneral-Blutreinigungstee bei. — Der Allgemeine Deutsche Schulvercin zur Erhaltung des Deutschtums im Auslände wird seine diesjährige Hauptversammlung in der Pfingstwoche in Potsdam abhalten. Djr erden. Mit dem Lloyddampfer „Kron prinz Wilhelm" wurde der Stadtsekretär Reichel aus Dresden in Bremerhaven angebracht. Er war nach Unterschlagung amtlicher Gelder nach Newyork entflohen und ist jetzt von Amerika ausgeliefert worden. Reiner wird nach Dresden weiter transportiert werden. Dresden. Das hiesige Amtsgericht verur teilte den Bäckermeister Lau zu 50 Mark Geld strafe wegen Uebertretung des Nahrungsmittcl- gesetzcS. Derselbe hatte zu Mohnbrötchen und -Kuchen Mohn verwendet, der mit — Mäuse kot untermengt war. In dem alten Waschkesiel in welchem Lau den Mohn seit Jahresfrist aufbewahrte, hatten verschiedene Mäusefamilien ihr Domizil aufgeschlagen. Vor Gericht meinte der Angeklagte, er habe ja den Mohn durchge- siibt, wodurch unreiner Mohn tadellos werde, eine „Naivität", welche der Vorsitzende mit der Bemerkung charakterisierte: „Na, Sie haben doch gewiß keinen solchen Mohnkuchen gegessenI" Der Direktor des städtischen chemischen Unter- suchungsamtk», Dr- Beylhien, fand bei Lau Mohn vor, der zu 3,7 Prozent mit Mäusekot durchsetzt war. Durch das Sieben verliere der Zusatz seinen ekelerregenden Charakter nicht. Lierische Exkremente seien auch gesundheits schädlich, denn sie beständen in der Hauptsache aut Bakterien. Dresden- Bei dem am Sonntag veran stalteten Rennen de» Vereins für Radwettfahren siegte in allen drei Läufen der französische Be rufsfahrer CoNtenet. Bei dem anschließenden Schrittmacher-Rennen ereignete sich ein überaus bedauerlicher Unglücksfall. Der Schrittmacher Eontenet«, Azani, nahm die nach der Neubert- Straße zu gelegene Kurve zu hoch, stieß mit der Maschine ün, zertrümmerte die Barriere und verletzte dadurch mehrere Personen. Ein junger Mann erlitt einen Oberschenkelbruch, mehrere Personen Hautabschürfungen. Da« Rennen war überaus zahlreich besucht. In dem vorangegangenen Herrenfahren wurde Engel- Mann erster, Lieber zweiter und Baumgärtel dritter. Wachwitz. Die Beteiligung bezüglich der Anmeldung zur Abnahme von Ga» aus den Dresdner Gaswerken ist ziemlich lebhaft. Da die Anmeldefrist nunmehr abgelaufen ist, dürfte es sich empfehlen, daß die noch ausstehenden Anmeldungen recht bald bewirkt werden, damit die Einführung de« Gase« gesichert und ermög licht wird. Lockwitz. Ein Mißgeschick betraf die Fa milie eines hiesigen Tischlermeister». Der 12- jährige Sohn hat am Donnerstag im Schuppen des väterlichen Grundstücks gespielt, ist mit einem Wagen umgekippt, wobei er sich derartig mit dem Kopfe in einer Wäscheleine verfing, daß er erstickte. Blasewitz. Am Montag früh gegen 8 Uhr bemerkte ein Schiffer, wie vom Blasewitzer Ufer aus gegenüber den Albrechtschlösscrn eine Frauensperson in selbstmörderischer Absicht in die Elbe sprang. Er bemühte sich, sie den Fluten zu entreißen, doch gelang es ihm nur noch, sie am Blasewitzer Ufer, gegenüber der Saloppe, als Leiche zu landen. In der Selbst mörderin erkannte man ein in Langebrück ge borenes Dienstmädchen K. Radeberg. Goldsucher trieben in letzter Zeit auf jenem Feldgrundstücke bei Schmiede felde, auf dem Ende März d. I. — wie schon mehrfach früher — wieder zwei güldene Du katen aus alter Zeit aufgefunden worden waren, ihr Wesen, um weitere Teile des daselbst noch alter Sage vergrabenen Schatzes zu heben. Die Bemühungen sind auch nicht erfolglos ge wesen, denn tatsächlich ist noch eine Anzahl der artiger altertümlicher Goldstücke gefunden worden. Man vermutet allgemein, daß die Goldstücke einem Massengrabe aus der Schlacht am 12. Mai 1813 zwischen Russen und Franzosen ent stammen. Pulsnitz. Am Sonnabend war im benach barten Fricdersdorf eine Summe Geldes aus einem Hause entwendet worden. Der Verdacht, sich durch Einschlcichen dieses Geld angecignet zu haben, richtete sich gegen den Handelsmann R. aus Bretnig. R. muß dies in Erfahrung gebracht haben und au» Furcht vor der zu er wartenden Strafe entleibte er sich unweit der Bretniger Grenze im königlichen Forste. Kötzschenbroda. Vermißt wird das 17- jährige Dienstmädchen Elfriede Jorissen, las vor kurzem als Hauptzeugin in einer gegen ihre Pflegeellern, den PrivatuS Jörissen und dessen Ehefrau, anberaumten Verhandlung vor dem Landgericht Dresden wegen gefährlicher Körperverletzung auftreten sollte aber trotz Lad ung nicht erschienen war. Bis jetzt hat man von dem Mädchen noch keine Spur entdecken können. Großenhain. Auf ein Begrüßungstele- gramm des hiesigen Konservativen Vereins an den König ging folgende Anwort ein: „Der mir zugesandte Willkommenügruß hat mich sehr erfreut. Ich danke herzlich dafür. Georg." Großenhain. Noch gut abgelaufen ist ein Unfall, der sich Sonnabend vormittag in der Nähe des kleinen Exerzierplätze» ereignete. Bei einem von Wildenhain kommenden Geschirr war die Widerhalte gerissen, sodaß der Wagen dem Pferde in die Beine fuhr. Es wurde dadurch unruhig und scheute. Auf dem Wagen saß die Führerin des Geschirres, eine Magd, neben sich hatte sie einen Korb mit zirka zwei Schöck Eiern stehen. Der Wagen fuhr an einen Baum an, wodurch die Magd samt dem Eierkorb mit schönem Schwung herauSgcschleudert wurde. Abgesehen von kleinen Hautabschürf ungen kam Vie Magd Mit dem Schrecken da von. Vollständig verloren waren die Eier, denn nicht eines war ganz, als sich die Magd mit den Eiern im Straßengraben wiederfand. — In einem hiesigen Fabriketablissement er eignete sich vergangenen Sonnabend vormittag ein Unfall dadurch, daß in der Färberei der Fabrik das Drahtseil riß und sich in die Riemen scheibe verwickelte. Die schwere Riemenscheibe zersprang mit lautem Krach und drückte eine Mauer heraus, zerstörte auch eine Treppe. Hinter der einstürzenden Mauer arbeitende Männer kamen glücklicherweise ohne ernstere Verletzungen davon, wie überhaupt von großem Glück zu sagen ist, daß niemand verunglückte. Nur einige Männer erlitten leichtere Haut abschürfungen. Colmnitz. Am Montag früh in der 4. Stunde entstand in der Scheune des Gutsbe sitzers ^Schurig hier aus noch unaufgeklärter Ursache ein Brand, durch den die Scheune und das Seitengebäude eingeäschert wurden. Die Pferde konnten nur mit vieler Mühe gerettet werden. Die Futtervorräte sind verbrannt. Görzig. Am Sonnabend früh »/i6 Uhr brannte das Wohnhaus des Wirtschastsbesitzers Schurig (früher Schade) nieder. Der herrschen den Windstille und der aus den Nachbardörfern herzugeeilten Löschmannschaften mit ihren Spritzen war es zu danken, daß ganz in der Nähe be findliche Strohgebäude nicht von den Flammen ergriffen wurden. Das Feuer soll von einem jungen Dienstmädchen angelegt worden sein, das dadurch dachte aus dem ihr unbequemen Dienst zu kommen. Nossen. Hier gelang es, den 20 jährigen Schreiber Pietsch aus Zaschendorf dingfest zu machen, welcher der Firma Hönicke daselbst am 6. April d. I. einen Betrag von 1600 Mark, den er zur Post hatte bringen sollen, unter schlagen hatte und flüchtig geworden war. Man fand bei ihm noch 1300 Mk. Zittau. Von einem frechen Raubanfall wird aus dem benachbarten Ostritz berichtet. Bei der Näherin Krause stieg Donnerstag nacht ein Mensch ein, der sich durch eine Maske un kenntlich gemacht hatte, und bedrohte das junge Mädchen mit einem Messer. Der Eindringling steckte seinem Opfer einen Knebel in den Mund, fesselte es und band e» am Kleiderschrank fest; al»dann machte er sich an das Durchsuchen der Wohnung, wobei ihm 220 Mark in die Hände gefallen sind. Das junge Mädchen wurde am andern Morgen von Nachbarn aus ihrer unan genehmen Lage befreit. Von dem Diebe fehlt noch jede Spur. Thum. Infolge Bruchs de» Hinteren Kurbel- zapfens an der Lokomotive konnten am Sonn tage die nachmittags 2 Uhr 43 Minuten von Thum nack Oberherold und 2 Uhr 58 Minuten von dort nach Thum verkehrenden Personen züge nicht verkehren. Die Reisenden von Thum, welche den nachmittags 2 Uhr 56 Minuten von Oberherold nach Wilischtal abgehenden Zug benutzen wollten, waren infolgedessen genötigt, zu Fuß nach Oberherold zu gehen. Lößnitz i. E. Der zehn Jahre alte Sohn des Kaufmanns Sieber stürzte 3^ Meter tief in einen mit Steinen ausgelegten Kellerraum hinab. Der Knabe zog sich dadurch eine schwere Gehirnerschütterung zu, an der er nach einem Tage verschied. Falkenstein. Donnerstag abend wütete hier ein größeres Schadenfeuer. Das zum Schützenhaus gehörige Kolosseum wurde nebst dem der freiwilligen Feuerwehr gehörigen Steiger haus und das Wachzelt der Schützengesellschaft eingeäschert. Ein 12jähriger Schulknabe erlitt hierbei einen Beinbruch. Zwickau. Die Gnadengesuche der bekannt lich wegen gemeinschaftlichen Betrugs zu 1 Jahr beziehentlich 6 Monaten Gefängnis verurteilten Fabrikanten Zwieger und Appreteur Clauß wurden vom König abgelehnt. Zwieger ver büßt seine Strafe gegenwärtig in Bautzen, während Clauß Noch auf freiem Fuße ist. Plauen i. V. Der allgemeine Streik der Tischlergehilfen Plauens ist proklamiert worden. Die Donnerstag abend im hiesigen neuen so zialdemokratischen Gewerkschaftshaus abgehaltene, von über 300 Gehilfen besuchte Versammlung beschloß, Sonnabend in den Ausstand zu treten, und zwar feierten sofort über 250 Gehilfen; der Rest will nachfolgen. Man ist gespannt, wie der Ausstand abläuft. Die Bautätigkeit ist hier eine sehr flotte. Die Meister hoffen auf Zuzug von Arbeitswilligen aus größeren Städten. Aus der Woche. Rußland und China zanken sich gegenwärtig um die Ehre, wer von beiden am besten schwindeln kann. Rußland soll dem Reiche der Mitte den Vorschlag gemacht haben, ihm die Mandschurei ganz abzutreten und die Handeltreibenden der andern Mächte aus dem Mandschureigebiete nach Möglichkeit ganz aus zuschließen. China habe das Anerbieten abge lehnt. Man vermutete eine kurze Zeit lang, die chinesischen Machthaber hätten dies Mär lein erdacht, um gegen Rußland scharf zu machen, aber trotz aller Ableugnungen aus Petersburg gewinnt es doch immer mehr den Anschein, daß Väterchens Leute in Ostafien hätten im Trüben fischen wollen. Japan und England — die beiden ostasiatischen Freunde! — sind darüber ganz empört und zwischen ihnen und Rußland hat sich die Frage so zu gespitzt, daß man in Petersburg rund heraus erklärt, man könne sich in der Mandschureifrage von dritten Mächten nicht dreinreden lassen. Jedenfalls macht sich Rußland mausig und pocht auf seine starke Stellung im Osten, wahrend Japan die inneren Streitigkeiten über- gleistert, um nach außen hin stark dazustehen. Rußland pflegt überall durch Dickfelligkeit und Beharrlichkeit zu siegen. — Auf der Restanten liste des Monats April stehen noch Marokko und Macedonien. Neues, Entscheidende» hat sich weder hier noch dort ereignet. Aus Vene zuela hört man ab und zu etwas über den Bürgerkrieg, aber weder siegt die Revolution, noch gelingt e» Castro, den Aufstand ganz niederzuschlagen. Die Abwickelung mit den Mächten vollzieht sich gleichfalls nach dem Marschtempo des österreichischen Landsturm». — Kaiser Wilhelm ist nach Rom gereist, um den Besuch de» Königs Viktor Emanuel zu er widern. Der Kaiser macht auch dem Papste einen Besuch, wie es auch sein Onkel, der König Eduard getan hat, welcher jetzt nach Paris, dem Dorado seines langen Thronfolger- Lebens gereist ist. Jetzt muß er dortselbst eine ernste Miene aufstecken. Es ist nicht mehr der Genosse des Prinzen Citron und der gol denen Jugend von Auteuil, der da kommt, sondern der Herrscher Britanniens, der den Franzosen hier und dort entgegentreten muß und dem man ganz ungerechtfertigterweise so gar Faschoda und Transvaal auf das Schuld konto schreibt. In der Pariser Presse sind die merkwürdigsten Ehrungen für den königlichen Gast in Vorschlag gebracht worden; am stärksten hat Beifall gefunden, ihn überall in den Straßen mit dem Gesänge des Gassenhauer» zu grüßen, der au» dem Berlinischen in» Französische übertragen, sich in Paris gegen wärtig der gleichen Volkstümlichkeit erfreut wie der Cake-Walk: „Komm, Karlinicken, komm, Karlinicken, komm!" Ob die 60 Geheimpoli zisten, die von London zur Bewachung der teuren Person de» britischen Königs in Paris eingetroffen sind, diese ebenso gemütliche wie unpassende Ovation werden verhindern können, erscheint mindesten« zweifelhaft. — In Frank reich dauern inzwischen die Ausweisungen der nichtgenehmigten Kongregationen an, die fast überall mit Störungen der öffentlichen Ruhe verbunden sind. Diejenigen Namen dabei, die für das Ausland am auffälligsten waren, sind Lourdes und die Grand Chartreuse, wenn beide auch au» sehr verschiedenen Ursachen. Die Wundergrotte von Lourdes, an die sich in Deutschland der Name Majunke verschollenen Gedenkens knüpft, ist auf dem Wege eine» sonderbaren Kompromisses unter die Verwalt ung von Weltgeistlichen gestellt worden, während die guten Mönche der Chartreuse das Geheim nis ihres wunderbaren und weltberühmten gelben Likörs nach Tarragona gerettet haben, welche spanische Bischofsstadt ohnehin schon durch ihren feurigen Wein berühmt ist. — Von sonstigen Weltereignissen ist zu melden, daß der Mai gekommen ist und die Bäume ausschlagen, bei welcher Gelegenheit nur diejenigen mit Sorgen zu Hause zu bleiben pflegen, die dazu Lust haben. Lust, den 1. Mai festlich zu begehen, zeigten auch wie alle Jahre zahlreiche Schichten der Arbeiter aller Welt, Lust zur Maifeier zeigte auch der alte deutsche Reichstag, der am Tage zuvor — am Donnerstag, in die wohl verdienten Ferien ging. In seiner jetzigen Ge staltung wird er nicht mehr zusammentreten. Das Klosettgeheimnis wird seine Umgestaltung umgeben, die Wähler werden am 15. Juni ihre früheren Irrtümer korrigieren und nun eine Volksvertretung zusammenzustellen, die musterhaft ist: lauter weise, vorsichtig wägende, edelmütig und gerecht denkende Leute werden aus der Wahlurne hervorgehen und der Reichs regierung ratend und fördernd zur Seite stehen, um im lieben deutschen Vaterlande gesunde und gerechte Verhältnisse, politische Zufriedenheit und Freiheit in allen Bevölkerungtschichten erstehen zu lasten. Allerdings sind sich die Parteien noch nicht ganz einig, wie sich dieses Programm erfüllen laste; aber bis zum 15. Juni ist ja auch noch eine ganze Zeit hin und bis dahin wird diese notwendige Einigkeit wohl erzielt sein!