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Vie „Gtteudc>rfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- rag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Morrtzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag t« Uhr. Inserate werden mit so Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mittwoch den 13. Januar 1904. Nr. 5. Oertlichrs und Sachgschrs. Vttendorf-Gkrilla, 12. Januar 1994. — Die Adresse! Im letzten Jahre blieben im Reichspostgebiet 118700V Sendungen un bestellbar, darunter 882 000 Postkarten. Bei 62 vom Hundert fehlte die Adresse des Absenders- — Gegen das Schuldenmachen beim Militär. Eine bemerkenswerte Maßnahme hat das sächsische Kriegsministerium vorgenommen. Im Bezug auf die Verminensverhältnisse der An wärter auf Militär-Verwaltungsbeamten-Stellen war es in der sächsischen Armee bis jetzt ge bräuchlich, daß nur die Anwärter auf höhere Stellen einen Bericht über ihre völlige Schulden freiheit einzureichen hatten. Wegen vieler Gerichtsklagen und Zwangsvollstreckungen ist nun nach der „Volks - Zeitung" angeordnet worden, daß auch bei der Besetzung der niederen Militärverwaltungsbcamtenstellen von den An- wäitern eine wahrheitsgetreue Erklärung über vollständige Schuldensreiheit abgegeben werden muß. Die mit Schulden belasteten Anwärter werden zurückgewiesen. — Der Bund der Kaufleute hat beschloßen, ungesäumt in eine Bearbeitung der Frage ein zutreten, auf welchem Wege das Eindringen des amerikanischen Tabakringes in die Kreise des deutschen Kleinhandels zu verhindern sei. Angeregt wurde auch, die Frage der Monopoli sierung des gesamten Detailhandels mit amerikanischem Petroleum in Behandlung zu nehmen. — Von ausländischen Versandhäusern wird oft. namentlich auch zur Weihnachtszeit, un lauterer Wettbewerb und direkter Schwindel betrieben. Es werden Goldwaren, Uhren, Galanteriewaren, Nahrungsmittel, wie Geflügel, Obst, Butter und anderes mehr zu anscheinend sehr vorteilhaften Bedingungen in den Zeitungen gegen Voreinsendung des Betrages angeboten; bei Ankunft der Waren stellen sich diese dann meistens als sehr minderwertig und den An kündigungen nicht entsprechend heraus. Schaden ersatzansprüche gegen die ausländischen Firmen sind aber immer ohne Erfolg. Wie nun die Leipziger „Uhrmacher-Zeitung" mitteilt, besteht bei der Braunschweiger Uhrmacher-Innung die Absicht, durch einen Prozeß festzustellen, ob die Zeitungen, welche derartige Annoncen aus ländischer Lchwiudetfirmey veröffentlichen, wegen Beihilfe zum unlauteren Wettbewerb nicht strafbar sind. Dresden. Im Laufe dieses Monats wird auch auf der Eiflnbahnstrecke zwischen Dresden - Hauplbahnhof rind Cosiebaude ein elektrischer Motorwagen verkehren. Dieser Motorwagen soll für weniger frequentierte Züge, die alsdann in Wegfall kommen, in Verkehr gestellt werden. — Ein Mord und Selbstmord hat abermals die Bewohner der östlichen Umgebung Dresdens in den vorgestrigen Nachmitlagsstunden in Auf regung versetzt. Gegen 1 Uhr hörten FriedhofS- b.sucher in Tolkewitz in d;r Nähe der Toten halle vier Schüße fallen. Sie fanden dort einen zehnjährigen Knaben tot und einen etwa 50 Jahre alten Mann stechend vor. Letzterer hatte einen Revolver in de? Rechten. Die Be sichtigung der beiden Ungücklicheu ergab, daß sowohl der Knabe als auch sein Vater je zwei Schußwunden in der Herzgegend hatten. Der Vater hatte seinen eigener Sohn durch zwei Revolverkugeln in die Herzgrube niedergestreckt und dann zwei Schüße auf sich selbst abgegeben. Die Leichen wurden durch den Gemeiudevorstand zu Tolkewitz aufgehoben. In dem Sohnes- mörder wurde der Sattlerneister Frauscr aus Kunnerödorf bei Schandau erkannt. Er hatte seinen Sohn mitten ins H-rz getroffen. Der Täter selbsi starb kurze Z.;; nach Verübung des Selbstmordes. Dresden. Am 7 d- M. hat eine hier zugereiste Dame auf dem hiesigen Hauptbahn hofe abends in der achten Stunde einem etwa 13 Jahre alten Knaben einen mit zwei Vorleg- schlößern versehenen Reisekorb zur Besorgung nach der Eisenstuck-Straße übergeben. Da der Knabe dort nicht eingetroffen ist, so nimmt man an, daß er die Wohnung nicht gefunden oder den Korb, in welchem sich 7 bis 8 Stück wertvolle Kleider, verschiedene Schmucksachen rc. befunden haben, unterschlagen hat. Sachdien liche Mitteilungen werden zu 6 Unbek. 57 an die Krinnnalabteilung, Hauptpolizei, Zimmer Nr. 29, erbeten. — Anfangs dieses Monats sind an ver schiedenen Orten in der Nähe Freibergs falsche Zweimarkstücke zur Verausgabung gelangt, welche das Bildnis des Königs Albert, die Jahreszahl 1900 und das Münzzeichen L tragen. Die Stücke sind als Fälschung leicht erkennbar. Da es nicht ausgeschlossen erscheint, daß auch in hiesiger Stadt und Umgegend die Falschstücke verausgabt werden, so sei hier durch darauf aufmerksam gemacht. — Unter Führung der technischen Beamten der königlichen Hoflheater fanden gestern Be sichtigungen des Opernhauses und des Schau spielhauses für die Vertreter der Preße statt. Die Besichtigungen ergaben, daß die Vorkehr ungen gegen Feuersgefahr höchst musterhafte und befriedigende sind. Klotzsche. Im hiesigen Forstrevier, in der Nähe dcs Militärwusserweckü, fanden Sonntag nachmittag zwei Knaben aus Dresden die Leiche eines neugeborenen Kindes weiblichen Geschlechts, die mit Laub zugedeckt war und offenbar schon sehr lange dort gelegen hatte. Lomnitz. Im Jahre 1903 sind hier ge boren: 30 Kinder (17 Knaben, 13 Mädchen, darunter 3 uneheliche, 2 totgeborene). Auf geboten wurden 16 Paare, 10 Paare getraut. Verstorben sind 15 Personen. Die Kommuni kantenzahl betrug 818. Die Kirchenkolleklen mkl. für Schrislenverbreitung in der Ephorie ergaben 56,23 Mark. An Liebesgaben (Haus- kollekte) wurden geopfert 21 Mark für äußere Mission, 8 Mark für innere Mission, 13,82 Mark für den Gotteskasten (einschließlich der Erntedankfestkollekte), für den Gustav Adolf- Verein 8 Mark. Für die kirchliche Armen pflege wurden verwendet die Kommuniongelder in Höhe von 20,93 Mark und 19,15 Mark freiwillige Liebesgaben bei Taufen und Aufge boten. Von christlichen Zeitschriften wurden der „Nachbar", der „Pilger" und „Die kleine Missionsglocke" gelesen. Ries a. Mit eigener Lebensgefahr hat der Dachdecker Max Sperling aus Keuern ver gangene Woche hier, wo er geschäsilich tätig war, ein durchgehendes führerloses Gefährt nebst Insassen vor dem Abstürzen in einen Steinbruch gerettet. Sperling, der das Ge fährt daherstürmen sah, fiel den Pferden in die Zügel und brachte dasselbe noch rechtzeitig zum Stehen. Zweifellos wäre das Geschirr und die Insassin, eine 72jährige Dame aus Dresden, die auf einem Gute bei Riesa zu Besuch weilte, in den Steinbruch gestürzt und schwer verunglückt. Für die mutige Tat hat Sperling von der Dame, d e ihn als ihren Lebensretter anerkennt, eine hohe Belohnung erhalten. Oschatz. Einen mutigen Hüter der Ord nung und noch dazu in Unterröcken zu besitzen, kann sich die unweit von hier gelegene Ge meinde C. rühmen. Als in der Nacht zum Montag zwei dortige Einwohner den Gasthof verließen, um sich auf den Heimweg zu be geben, stießen sie auf das Nachtwächter-Ehepaar, das sich gerade auf einem Patrouillengange befand. Aus irgend welchen Gründen kamen die Heimkehrenden mit dem Paare in Wort wechsel, in dessen Verlaufe die Frau mit dem Nachtwächterspieße ihres Mannes den beiden so eindringlich den Standpunkt klar machte, daß ihnen zunächst nicht bloß Hören und Sehen verging, sondern daß sie auch beide ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen mußten. So viel verspottet die «Waffen der Nachtwächter" auch sind, so können sie, wie Figura zeigt, unter Umständen doch recht gefährlich werden. Weixdorf. Das seltene Glück, den 100- Geburtstag zu erleben, wird am kommen den Donnerstag der Lehrcrswitwe Frau Böthig, die hier bei ihrem Enkel, Herrn Bauunter nehmer Felchner, wohnt, beschieden sein. Die GrUsin ist Ururgroßmutter, erfreut sich trotz ihres Alters geistiger uud körperlicher Frische und denkt noch lange nicht ans Scheiden. Löbau. Ein Luftballon der Militär- Luftschifferabteilung in Wien ist am Dienstag nachmittag kurz vor 2 Uhr in Kreischa bei Weißenberg niedsrgegangen. Vormittags Uhr in Wien aufgestiegen, hatte er zur Zurück legung der Entfernung von zirka 400 lcin fünf Stunden gebraucht. Als Begleiter des Ballons waren mit aufgestiegen die Herren Oberleutnant Tauber und Dr. Forster von der Meteorologischen Anstalt in Wien. Die Landung ging nicht glatt von statten und die Jnsaßen haben dabei einige nicht bedeutende Verletzungen erlitten Der Ballon war bis zu einer Höhe von 3000 Meter gestiegen. Auffällig ist noch, daß die Temperatur in einer Höhe von 1000 Mir. —7,8 Grad betrug, während in einer Höhe von 3000 Meter das Thermometer 4,8 Grad anzeigte. Mit dem bemannten Ballon wurde gleichzeitig ein unbemannter Ballon mit Registrier apparaten aufgelaßen. Wohin sich dieser ge wandt und wo er gelandet ist, ist noch unbekannt. Die Auffinder werden ersucht, ihn an die Militär-Luftschifferabteilung in Wien zurück zusenden. Leisnig. Infolge von Lohndifferenzen haben die Arbeiter der Schuhfabrik von Zehl L Camp, beschloßen, die Kündigung einzureichen. Hainichen. Während des am 2. d. M. hier abgehalteneu Amtstages überreichte AmtS- houptmann v. Nosiitz-Wallwitz dem Erblehn gerichtsbesitzer C. Thieme aus Bockendorf, der ein Kind vom Tode des Ertrinkens errettete, die silberne RettungS - Medaille am weißen Bande. Chemnitz. Der hiesige Rat hat auf ein Gesuch des Ausschusses zur Errichtung eines zoologischen Gartens hierselbst seine Förderung und Unterstützung des Unternehmens und Ueber- lassung eines städtischen Geländes von 100 000 Quadratmeter Größe in Aussicht gestellt. Aus dem Vogtlande. Außergewöhn lich strenge Kälte herrscht hier seit einigen Tagen. In den Morgenstunden zeigt das Thermometer nicht selten 9, 10 und mehr Grad unter dem Nullpunkt. Im oberen Vogt lande soll die Kälte noch strenger sein. Das aus den Teichen gewonnene hellklare Eis zeigt Stärken bis zu 25 und 30 Zentimeter. Der Eisbedarf ist daher bald gedeckt. — Am Mittwoch und am Donnerstag wurden in den späten Abendstunden Gewitter - Erscheinungen keobacktet. Aus der Woche. Der Katzenjammer auf den Silvesterrausch ist nicht ausgeblieben und heute schon sieht man die alte und doch ewig nene Tatsache ein, daß das neue Jahr auch nicht für einen Deut beßer ist als das alte. Wie die Dinge in Ostasien tatsächlich liegen, wissen nur sehr wenige und es fehlt jeder Anhalt zum Urteil darüber, ob der Krieg zwischen Rußland und Japan wirklich schon begonnen hat oder ob es überhaupt nicht zum Kriege kommt. So aufrichtig es die beiden Kaiser in Petersburg und in Tokio mit ihren Friedensbeteuerungen auch vielleicht meinen, — die Tatsachen sind stärker als beide zusammen und glücklicherweise gehört auch zu diesen Tat sachen, daß weder Rußland noch Japan das nötige Geld zum Kriege haben, und es gehört dazu heutigen Tages nicht wenig. Ueber die mazedonischen Angelegenheiten erfahren wir, daß Boris Sarafow weder von den schon ducchgeführten noch von den noch in Aussicht 3. Jahrgang. stehenden Reformen auch nur im mindesten befriedigt ist und daß die Aktion der Komi- tatschi mit frischen Kräften einsetzen soll, sowie die Witterung es erlaubt. Man muß ordent lich dem winterlichen Eisgott danken, daß er wenigstens für ein paar Monat Ruhe geschafft hat. Da nun aber gegenwärtig viel hinter den Kulissen gearbeitet wird, öffentliche Schauspiele aber dem neuigkeitshungrigen Publikum nicht geboten werden, so ist die Phantasie der Zeitungsberichterstatter auf die eigene Mache angewiesen und diese erweist sich als sehr frucht bar. Angesehene russische Zeitungen warnen vor dem Kriege aus dem Grunde, weil sich während der ostasiatischen Verhedderung leicht eine andere Macht in — Konstantinopel fest- setzen könnte, auf welche Stadt doch keine andere europäische Macht ein Anrecht habe, als Ruß land. Die englischen Zeitungen treiben es nicht weniger toll So wird in Londoner Blättern allen Ernstes berichtet, in Kiautsckou würden Medaillen verteilt, die den Kaiser Wilhelm als KciegSgott mit erhobenem Schwerte zeigen und außerdem wird an die „prophetischen" Worte des Prinzen Heinrich erinnert, ganz Schantung müßte deutsch werden. Die englischen Blätter sind nie ganz normal gewesen, wenn sie sich mit deutschen Zuständen oder Vorkommnissen in Deutschland beschäftigten, in der neueren Zeit aber scheint diese Rubrik der Londoner Zeit ungen von direkt Irrsinnigen redigiert zu werden I Für Deutschlands Lage begegnet man überhaupt im Auslande wenigem Verständnis. Man übersieht meistens, daß in dem zu zwei Dritteln protestantischen die katholische Partei im Reichs tage die relativ stärkste ist und daß mehr als drei Millionen Stimmen für die Sozialdemo kraten abgegeben worden sind. Wir haben keinen „Kulturkampf" wie Frankreich, keine parlamentarische Regierung wie Italien, keine abwechselnd regierenden Parteien wie England, keine abs lutistische Regierung wie Rußland, kein Völkergemisch wie Oesterreich-Ungarn — aber von jedem ein bißchen und diese Bißchen befehden sich untereinander offen und geheim in der heftigsten Weise; was auf dem Wege eines gesunden Fortschrittes geschieht, ist stets das Ergebnis eines Parallelogramms der Kräfte. Mag die eine Partei noch so laut schreien, ihre Forderungen aufwerfen, die andern sorgen schon dafür, daß nichts so heiß gegeßen wird, wies gekocht ist. Unter diesem Gesichts winkel müßen auch die bevorstehenden Arbeiten des Reichstages betrachtet werden. Es dürfte noch mancher Tropfen Wasser ins Meer laufen, bis Bebel Reichskanzler wird und sich mit den Geheimräten abquälen muß. Und ob sich auch mancher ein großes Gaudium verspricht, wenn im Reichstage wieder über Soldatenmißhand lungen und die vielen Uniformänderungen her gezogen wird, so lehrt doch die Erf hrung, daß solche Anzapfungen auslaufen wie das Horn berger Schießen. In Crimmitschau ist, nachdem die Fabrikanten Verhandlungen abgelehnt haben, die Sachlage so trübe wie vor den Festen. „Bis an's bittre Ende" soll dort der Kampf ausgefochten werden. Wenngleich die meisten Fabrikantenvereinigungen sich den dortigen Arbeitgebern finanziell zur Seite gestellt haben, so ist doch auch die Opferwilligkeit der Arbeiter groß, sodaß ein Ende des unseligen Kampfes noch garnicht abzusehen ist. So manche Be stellung dürfte dem Orte dauernd verloren gehen, zum Schaden der Arbeiter nicht minder wie der Arbeitgeber. Prinz Karneval, dessen Herrschaft bereits begonnen hat, trifft überall auf sauertöpfische Gesichter; er mag mit seiner Pritsche hier und dorthin schlagen, überall wird ihm Murren cntgegentönen. Nur der Philosoph lächelt still vor sich hin; er weiß, daß die Zeiten nie beßer gewesen sind und die Mensch heit auch nicht, trotz der vielen moralischen Flickschneidereien, die an ihr schon vorgenommen wurden und immer noch vorgenommen werden.