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Ottendorfer Zeitung. Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Druck und Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahmt von Inseraten di, vormittag w Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach te- senderem Tarif. Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 11. Mittwoch, den 27. Januar 1904. Donnerstag, den 28. Januar 1904, abenäs 8 dke öffentliche Gerrreinderatsschung. Ttttudorf-Morihdorf, am 26. Januar 1904. Der Gemeindevorstand. Lincke. —r- Aaisers Geburtstag. -Z— Lchwarz hingen die Wolken vom Himmelszelt Und ein wehruf ging durch die Lande, Der tönte vom Rhein bis an den Belt, Von der Memel zum Nordseestrande. In jedem tränenumflorten Blick Gar deutlich stand es zu lesen: „Bewahr' uns vor endlosem Mißgeschick, V Herr, laß' den Kaiser genesen!" Und die Wolken zerstoben. Am Himmel klar Aufleuchtete wieder die Lonne, Vorüber die dunkle schwere Gefahr; Da tönte der Ruf voller Wonne: „Hab' Dank, o Herr, hab' innigen Dank, Der Du uns vor schlimmsten Stunden Bewahrt, und den Kaiser, der gar so krank, Vom Uebel ließest gesunden/' So ist es gescheh'n und so mög' es gescheh'n, wenn wieder einst Wolken dräuen Und schwarz über deutschen Landen steh'n; Die Lonne soll sie zerstreuen. Drum wollen wir beten am heutigen Tag, Daß auch in künftigen Jahren Der Herr den Kaiser stets schützen mag Und Alldeutschland vor Schaden bewahren! Oertliches und Sächsisches. Vttendorf.Vkrilla, 26. Januar 1904. — Ter Ttenst bei dem hiesigen Kaiserlicken Postamt wird morgen zum Gebunstag Sr. Maj. des Kaisers wie an Sonn- und Feiertagen ab gehalten. — Am gestrigen Nachmittag entstand aus bis jetzt noch unaufgeklärter Ursache in der an das Wohnhaus angebauten Scheune des Schmiedemeisters Heine in Seifersdorf ein Schadenfeuer, welches dieselbe vollständig ein äscherte. Das Wohnhaus konnte erhalten werden. Von auswärtigen Wehren erschien als erste die Schönborner und als zweite die hiesige Freiwillige Feuerwehr. — Heute vormittag wurde bei dem Herrn Gemeindevorstand von Ottendorf-Moritzdorf eine Postkarte mit Poststempel Colditz folgenden In halts abgegeben: „Gelobt sei Gott, der mir morgens viel Licht heiliger Engel (auch als sich drehende Blume, Füllblättchen rote Spitzen) leuchten ließ! „Wer ist unter euch, der im Fin stern wandelt und scheinet ihm nickt? Der hoffe auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott" (Jes. 5o, 10). Wer aber richtet sich ganz nach Jes. 48, 17 18 und glaubt nun die Verkündigung göttlichen Naheseins (Jes. 53, 1)? Der Glaube wird außerordentlich durch die angeborne Abneigung gegen Gott erschwert. Die Eidame z. V. verlachten Lots Worte, ob gleich Gottes Boten nahe hinter der Tür stan den (2. Ptr. 2 und 3). Ebenso konnten die Juden nicht glauben an Gottes Sohn, dessen Wunder sie sahen (Joh. 12, 37—40): Demi sie lasen Gottes Gesetz nicht mit Gebel (Nöm. 23, 10, 21). beteten in hochmütiger Sclbstge- rechtigkeit nicht um Vergebung der Schuld und um Gottes heiligen Geist entweihten den Tem pel usw. Darum nichl Erneuerung zur Buße (Ebr. 6, 6) ! Wer dem Geiste Gottes in Un gehorsam widersteht und ihn folglich keinesfalls besitzt, vermag gar nicht zu glauben und ist dei Seele nach bereits dürres Holz (Luk. 23, 31), bas nicht zur Kreuzigung sondern zum Feuer verurteilt wird. (Zeph. 3, 8; Hos. 13, 8. 12. 5, 16. 19). Bitte wie in Ottendorf, Tauscha, Krakau, Königsbrück, Höckendorf, Lomnitz usf., Die Nachricht von Gottes allstündlichem Erschei nen in allen Familien (auch der Umgegend) mit Furcht zu lesen. Verheimlichung schadet ganz gewiß. Hermsdorf. Ein Unglücksfall ereignete sich hier am vergangenen Sonntag indem die Pferde eines Schlittens auf der stark ab fallenden Straße in der Nähe der Brauerei plötzlich durchgingen und auf einen weiter unten haltenden Einspänner auffuhren. Beide Schlitten stürzten um und wurden die In sassen, besonders die Kutscher schwer verletzt, auch ein Pferd hatte derartige Verletzungen erlitten, daß es getötet werden mußte. „Ist Pauli Bekehrung h>ll und klar, so hcffi mau auf ein gutes Jahr" — lautet eine der vielen volkstümlichen Regeln vom 25. Ja nuar, dein Paulstage, der dem Andenken an die Bekehrung des Apostels Paulis geweiht ist und deni Landmann, wie so mancher andere soge nannte Lostag, als vorbedeutend für das Wetter des kommenden Sommers gilt. Zwei andere dieser vielfach bespöttelten und anderseits auch durchaus ernst genommenen Bauernregeln besa gen : „Zu Pauli Bekehrung kommt der Winter wieder her" — und „Wenn Pauli Bekehr viel Nebel fällt, der Tod gern reiche Ernte hält." Ähnlich wie an Mariä Lichtmeß der Dachs, so soll am Paulstage der Bär aus seiner Höhle hervorkommen. Erblickt er Sonnenschein, so kehrt er schleunigst wieder um und legt sich auf die andere Seite, d. h. der Winter wird noch lange dauern. — Das sächsische Ministerium des Innern hat durch eine Verordnung vom 6. Oktober 1888 die Kreishauptmannschaften veranlaßt, die ihnen unterstehenden Polizeibehörden anzuweisen, die Veranstaltung öffentlicher hypnotischer Vor stellungen unter Strafandrohung zu verbieten. Mit Rücksicht auf neuerliche Vorkommnisse und nach Gehör des Landesmedizinül-Kollegiums hat das Ministerium in einer neuerlichen Verord nung verfügt, daß ein gleiches Verbot auch für solche öffentliche Vorstellungen ausgesprochen werde, in denen es sich um Einwirkungen auf den Menschen mittelst Suggestion, Magnetismus und ähnlicher Methoden handele. — Mit Schluß dieses Monats gehen in der Hauptsache die Jagden sowohl in Sachsen wie Preußen und Österreich zu Ende, da vom 1. Februar an in diesen Ländern die meisten Ar ten des Haar- und Federwildes gesetzlichen Schutz genießen. Nack sächsischem Jagdrecht treten vom 1. Februar an außer den Hasen und Rehböcken auch die Fasanen außerhalb der Fasanerien, die Schnepfen, sowie Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild in die gesetzliche Schonzeit ein. In Preußen beginnt zur selben Zeit die Schonzeit für weibliches Rot- und Damwild und außer dem auch für Auer-, Birk-, und Fasanhennen Haselwild und Wachteln, und in Österreich für Rehböcke, Rebhühner und alle Drosselarten. Dresden. Aus der Dresdner und anderen sächsischen Garnisonen haben sich etwa 45 Frei willige für den gegen die Hereros in Südwest afrika einzuleitenden Feldzug gemeldet. Diesel ben sind am Mittwoch mit mehreren Unteroffi zieren nach Wilhelmshaven befördert worden, um dort verschifft zu werden. — Der Unterschlagung von vereinnahmten Geschäftsgeldern beschuldigt, wurde gestern vor mittag ein in dem reiferen Mannesalter stehen der Buchhalter einer größeren Tapetenfirma in Dresden-Altstadt festgenommen. Der ungetreue Beamte war seiner Stellung entsprechend gut bezahlt, mißbrauchte aber dabei das ihm von seinem Prinzipal in vollem Umfange geschenkte Vertrauen in schnödester Weite. Großdobritz. In der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag hat die Tievstmagd des Herrn Gutsbesitzer Adolf Bahrmann hierselbst heimlich geboren, das Kind in einen Rock gewickelt und ins Bettstroh versteckt. Dort wurde es vorge funden. Die Gendarmerie wurde benachrichtigt, worauf die Ueberführung des Dienstmädchens ins Krankenhaus erfolgte. Wülknitz. Der Wirtschaftsbesitzer und Stell machermeister W. von hier ging am Freitag Abend auf dem Bahndamme zum Bahnhof hin. Kurz vor demselben wurde er von der Maschine erfaßt, aber zu seinem Glück aus dem Gleis geschleudert hinunter in den Schnee. Der Lo komotivführer ließ den Zug halten und die Be amten eilten zu der Unglücksstätte in der Mei nung, einen Verstümmelten zu finden. Als sie aber hinkamen, stand W. mit den Worten auf: „'s hat mir weiter nischt getan", und ging wohlgemut nach Hause. Geißmannsdorf. Ein schwerer Verlust hat den hiesigen Gutsbesitzer Boden getroffen, der zur Erwärmung seines Schweinestalles einen Koksofen darin ausgestellt hatte. Mag dieser Ofen irgendwie nicht richtig funktioniert haben, kurz, abends fand man 27 Schweine erstickt vor. Kamenz. Am 20. d. M. brannten das Wohn- und Scheunengebäude des Maurers Jurk in Döbra bis auf die Umfassungsmauern nie der. Da das Feuer rasend schnell um sich griff, hat das Jurksch? Ehepaar mit seinen fünf noch schulpflichtigen Kindern nur das Leben retten können. Das ganze ausgedroschene Getreide von ca. 11 Scheffel Roggen, Gerste, sowie viel Roggenmehl, ferner drei Schock Stroh, 15 Zent ner Heu, sämtliche Ackergeräte und alles Mo biliar, Betten und Kleidungsstücke sind verbrannt. Der Kalamitose hat Nicht versichert. Die Ent stehungsursache ist unbekannt. Leipzig. Im Vororte Wahren kehrte ver floßene Nacht der Händler Ritter vom Feuer wehrdienste bei einem Maskenballe heim, beugte sich über ein sein Haus von der Straße tren nendes eisernes Staket, um von seiner Frau den Hausschlüssel entgegenzunehmen, verlor hier bei unglücklicherweise das Gleichgewicht und spießte sich lebendigen Leibes auf dem Staket auf, dessen Spitzen ihm in den Leib drangen, sodaß ec auf der Stelle verstarb. Leipzig. Das spurlose Verschwinden des Versicherungskassierers der Magdeburgischen Le bensversicherung, Hartmann, beschäftigt unsere Kriminalpolizei fortgesetzt in außerordentlichem Maße. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob an dem hochgeachteten Beamten ein Ver brechen verübt worden sei; hoffentlich kommt bald Licht in die dunkle Sache. Lauter. Durch die von dem Bezirksarzt Dr. Zehlert und dem Gerichtsassistenzarzt Dr. Müller aus Schwarzenberg vorgenommene ge richtlicke Sektion der Leiche des zwölfjährigen Schulmädchens Keil ist, wie verlautet, festge stellt worden, daß es eines natürlichen Todes, nämlich an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben ist. Das Gerücht, daß die Todesur sache in Schlägen zu suchen sei, die das Kino von seinem Lehrer erhalten habe, hat sich dem nach als müßiges Gerede herausgestellt. Nus der Woche. Das ist in Deutsch-Südwestafrika eine böse Sache. Als der Bremer Kaufmann Lüderitz im Jahre 1884 bei den Haifisch-, Pinguinen- und Seehundinseln seine Faktorei Angra Pe- quena anlegte, war das deutsche Begehren nicht auf das Hinterland gerichtet, das heute im „Be sitz" des Reiches und an Flächeninhalt andert halb mal so groß wie dieses ist. Aber aus Angra Pequena Hai sich allmählich die heutige Kolonie Deutsch-Südwestafrika entwickelt, bei der am meisten zu bedauern ist, daß ihr natür licher und hauptsächlichster Hafen sich in engli- 3. Jahrgang. schein Besitz befindet. Die „vorgelagerten Stücke nimmt sich immer England, das ja auch 90 Jahre im Besitz von Helgoland war, die Insel Sansibar beherrscht, die Deutsch-Ostafrika „vor gelagert" ist und einen maßgebenden Einfluß in Fernando Po besitzt, welche portugiesische Insel die Küste von Togo und Kamerun be herrscht. Ein großer Teil des Innern von Deutsch-Südwestafrika befindet sich in der Pach tung englischer Gesellschaften und böse Zungen wollen behaupten, daß hinter dem Herero-Auf stande englische Hetzereien stecken. Das indessen nicht ohne weiteres zu glauben, denn die Eng länder würden sich selber in die Nase beißen, wenn sie unter den Hereros einen Europäerhaß entzünden wollten. Viel glaublicher will schei nen, daß das etwas zu summarische und schnei dige Vorgehen deutscher Verwaltungsbeamten gegenüber dem an Zucht und staatliche Ordnung noch nicht gewohnten Farbigen und etwa auch die Übervorteilung der dunklen Rasse durch weiße Händler die Ursache des nahezu mit ele mentarer Gewalt ausgebrochencn Aufstandes sind, der auf alle Fälle die Früchte jahrelanger Kul turarbeit mit einem Schlage vernichtet. Daß unsere dorthin entsandten Mannschaften gründ liche „Ordnung" schaffen werden, daran ist nicht zu zweifeln. Aber — aber! Es wird viele Opfer an Gut und Blut kosten und den Geg nern der Kolonialpolitik Wasser auf die Müh len liefern. — Während finsteres Gewölk fast urplötzlich am Himmel Süvwestafrikas aufstieg, haben sich die gewitterschwangeren Wolken im fernen Osten allmählich zerstreut und das poli tische Barometer zeigt dort gegenwärtig auf Frie den. Wetterkundige wollen allerdings glauben machen, daß dem Frieden nicht zu trauen ist", aber Zeit gewonnen, alles gewonnen! — Herz erfrischend ist der im Washingtoner Repräsen- tantenhause eingebrachte Gesetzentwurf, den neuen Panamastaat einzuverleiben und die Macher Vieser neuesten Staatsgründung für ihre gehab ten Mühen angemessen zu entschädigen. Ach, wenn es doch in der Diplomatie immer so of fen und ehrlich zuginge; wenn man beispiels weise in Amerika den Hunger auf San Do mingo nicht noch dadurch künstlich aufreizen wollte, daß man sagt, die Mulattenbevölkerung der genannten Republik sehne sich nach .... deutscher Oberherrschaft! Wozu denn hier diese Winkelzüge? Wir wissen, daß Nordamerika nach der Weltherrschaft, wenigstens nach der wirt schaftlichen Herrschaft strebt, und wenn sich in Berlin unter dem Vorsitze des Bruders der Kaiserin ein „mitteleuropäischer Wirtschaftsver ein" gebildet hat, so wird man in Amerika diese Sprache verstehen. Es ist die Antwort auf den Rockefellerschen Erdöltrust, auf den Morganschen Schiffahrtstrust, auf die Überschwemmung Eu ropas mit amerikanischem Eisen und Getreide. Wenngleich wir von einem mitteleuropäischen Zollverein noch weit entfernt sind, der die Staa ten des Dreibundes und ihre kleinen Nachbar staaten umfaßt, so ist die neueste Vereinigung doch ein Schritt auf diesem Wege, der auch ge eignet scheint, den imperialistisch-hochschutzzöllne- rischen Bestrebungen Chamberlains ein Paroli zu bieten. — In Mazedonien scheint die be reits in den dreißiger Jahren des verflossenen Jahrhunderts zugesagte und immer wieder ver sandete Reform jetzt ernstlich in Fluß zu kom men, nachdem die Ausführung unter europäische Kontrolle gestellt ist. Schwer genug mags ja dem Gcoßherrn geworden sein, zu allen diesen Neueinrichtungen seine Zustimmung zu geben und die Drohung der Albanesen mit bewaffne tem Widerstand gegen die Reformen wird am Goldenen Horn mit gemischten Gefühlen ausge nommen worden sein. Besonders peinlich muß aber in Kreisen der Pforte der Gedanke wir ken, daß es im wesentlichen Rußland ist, das tm Namen der „Gerechtigkeit" auf Verbesserung drängt; die Bilder Finnland, Kischinew, Sacha lin schweben dem Sultan immer vor Augen und ingrimmig ballt er die Fäuste vor der hei ligen Ordnung, die Rußland verzapft.