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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich 1 Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „öpiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »en Inseraten ti, »ermittag „ Ahr. Inserate »erden mit w Pf. für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Latz nach b». senderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Mittwoch, den 17. Februar 1904. 3. Jahrgang Nr. 20. Oertliches und Sächsisches. Mitendors-Dkrilla, z6. Februar 1SV4. Bei der am 11. und 12. Februar er folgten Anmeldung der schulpflichtig werdenden Kinder an hiesiger Schule wurden 52 Knaben (im Vorjahre 65 Knaben) und 56 Mädchen (im Vorjahre 50 Mädchen) angemeldet. — Seit gestern hat auf der Elbe auch wie der der regelmäßige Schiffahrtsbetrieb seitens der Vereinigten ElbschiffahrtS-Gesellschaft zu Berg wie zu Tal begonnen. — Protestversammlung des sächsischen Saalinhaber-Verbandes in Dresden. Tie in den von der Negierung eingebrachten Gesltzentwurs« enthaltenen Vorschläge bezüglich der Neuregelung der Gemeindesteuern in Sach sen, rufen schon jetzt eine gewaltige Aufre gung in verschiedenen gewerblichen Kreisen hervor. Gegen die geplante Betriebs-, Bier- und Eintriltskartensteuer nimmt der obenge nannte Verband Stellung, zu welchem Zwecke ein Landesvecsammlung deS Saalgewerbes in Dresden sMUfindet. — Dec Radsport ist in den letzten Jahren besonders mächtig aufgeblüht und in immer weitern Kreisen dringt die Erkenntnis, daß das Radfahren sür Tausende und abermals Tau sende nicht bloß ein gesundheitliches Bedürfnis, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Viele aber müssen sich die Anschaffung ver sagen, da sic nicht den immerhin erheblichen Preis, den solch ein Rad kostet, auf einmal aufbringen können, deshalb weisen wir unsere Leser auf das heutige Inserat der Noland Maschinen-Gesellschaft, G. m. b. H. zu Köln hin. Die Gesellschaft gibt ihr. beliebten und bestens bewährten Noland Fahrräder auf be queme Teilzahlung ab, sodaß ein jeder sper die günstigste Gelegenheit hat, ein gutes Rad a erwerben. Die prachtvolle Preisliste erhalte.! unsere Leser kostenfrei. — Die Deutsche Turnerschaft wird von dem geschäftsführenden Ausschuß und dem Vorstände des Italienischen Turnerbundes zum sechsten italienischen Turnfest Anfang Juni in Florenz cingela en. Dabei wird allen ausländischen Vertretern und Turnern herzlichste und festlichste Aufnahme versichert Der Ausschuß der Deut schen Turnerschaft plant jedoch nur eine Achtungs vertretung. Sollten jedoch Mitglieder deutscher Turvereine auf eigene Kosten an diesem Feste teilnehmen, so werden sie gebeten, dies bis 1. April dem Geschäftsführer der Deutschen Turner schaft mitzuteilen. Langebrück- Bei der auf dem hiesigen Rebler abgehaltenen Hochwildjagd wurden 1 Zehner, 1 Sechser, l Gabler, 2 Spieler und 8 Stück Wild zur Strecke gebracht. Dresden. In einem hiesigen Juwelier- Geschäft in einer sehr belebten Straße sind gestern im Laufe des Tages mittels Einbruchs zum Teil wertvolle Ketten, Ohrringe, Broschen und Ringe gestohlen worden. Die Königliche Polizcidirektion hat mit aller Energie die Ver folgung der Einbrecher ausgenommen. — Eine Anzahl Glasmacher russischer Na tionalität, die in der Dresdner Glasfabrik vorm. Siemens und in Döhlen seit Jahren beschäftigt sind, haben infolge des Krieges Order erhalten, binnen drei Tagen in einer der russischen Grenz stationen Sosnowice, Myslowitz oder Eydtkuhnen als Reservisten einzutreffen. Es sind bereits mehrere dieser russischen Reserveleute nach den genannten Orten abgereist. Sie wurden von ihren Familien nach dem Neustädter Bahnhofe begleitet, wo es zu rührenden Abschiedsszenen kam. Hiesige Mitglieder der russischen Kolonie hatten die Landsleute mit Geld und Proviant ausgestattet und wollen auch für die zurückge lassenen Familien sorgen. -- Ein Straßenbahnunfall mit recht glück lichem Auögang ereignete sich in der vergan genen Woche in Dresden vor dem Hause Cra nach-Straße 8, aus welchem die kleine 4jährige Lieschen Hensel gerade in dem Augenblick über die Straße sprang, als der elektrische Wagen 259 der Deutschen Straßenbahngesellschaft vom -olbein Platz vorüberfuhr, wobei das Kind von der Seite gegen ihn anprallte, umgerissen wurde und unter den Vorderperron quer über die Fahrschiene zu liegen kam- Dem Umstande, daß der betreffende Wagen mit der Schutzvor richtung „System Helbig" versehen war, durch welche der kleine Körper erfaßt und vor dem iberfahrenwerden geschützt wurde, sowie der Geistesgegenwart des Wagenführers Lang, wel cher den Wagen durch sofortiges Bremsen zum Stehen brachte, ist es zu danken, daß das Kind völlig unverletzt unter dem Wagen wieder her vorgezogen werden konnte. — In der Grundstraße in Dresden wurde )as 5jährige Söhnchen des Bautechnickers M. durch eigene Schuld schwer verletzt. Der Knabe hatte sich an einen Lastwagen gehängt, fiel herab, wobei ihm von einem Hinterrade ein Fuß voll- tändig breit gequetscht wurde. — Am Sonnabend wurde auf der Schäfer- traße in Dresden das neunjährige Töchterchen der in derselben Straße wohnenden Falkenstein chen Eheleute von einem Straßenbahnwagen iberfahren und schwer verletzt, daß es am Montag seinen Verletzungen erlegen ist. — Am Donnerstag vormittag lief in der Nähe deS Tolkewitzer Wasserwerkes in Dresden ein Mädchen in die Elbe, kehrte aber, als ihr das Wasser bis unter die Arme ging, wieder an das Land zurück. Auf der Tolkewitzerstraße nahm sich ein Gendarm der vor Kälte zittern den Lebensmüden an und brachte sie zunächst bei einer Frau T. aus der Hofmannnstraße, welche sich freiwillig zur Hilfeleistung erboten hatte und das Mädchen zunächst auch mit trockener Kleidung versah, unter. Das erst 18jährige Mädchen gab an, daß es lediglich deshalb sich habe das Leben nehmen wollen, weil es zu ei ner von ihr geplanten Heirat die Zustimmung ihrer Eltern nicht erlange. — Schwermut und Liebeskummer bestimm ten vor einigen Tagen ein 19jährigeö Kinder mädchen in Dresden, sich den Tod zu geben. Sie Nahm zu diesem Zwecke in einem hiesigen Hotel, in das sie sich unter falschen Namen ein logiert hatte, etwas Bitterkleesalz und eine Opium lösung zu sich und wurde in ihrem Zimmer, auf dem Fußboden liegend, vorgefunden. Man brachte sie sofort in das Johannstädter Kranken haus. Eine Gefahr für ihr Leben soll nicht bestehen. Lo schwitz. Der Streik der Bauarbeiter des Baumeisters Winkler hier ist beendet und die Arbeit wieder ausgenommen worden. In einer am Freitag nachmittag im Dresdner Hauptbahnhof stattgefundenen Versammlung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verlangten letztere 46'/, Pf. Stundenlohn. Nach längerer Debatte bewilligte Herr Winkler 45 Pf. (statt bisher 44 Pf.). Wie sich die anderen Arbeit geber zu dieser Angelegenheit verhalten werden, ist noch unbestimmt. Kötzschenbroda. Die hiesige Gemeinde Petitionart um Errichtung eines Amtsgerichts und läßt zur Zeit unter den Verwaltungen der Lößnitzortschaften eine Petition zur Mitunter schrift zirkulieren. Mit Weinböhla, Coswig, Kötitz, Brockwitz, würde der Bezirk zusanimen etwa 40 000 Einwohner umfaßen, abgesehen von den Ortschaften links der Elbe. Riesa. Weil er sieben Mädchen zu glei cher Zeit das Eheversprechen gegeben und da durch von diesen seinen Geliebten Beträge von 45, 30, 232 und 185 Mark, zum Teil sauer erworbene Spargroschen, in seinen Besitz ge kracht hatte, wurde der Trompeter-Sergeant Richard Emil Hübner vom hiesigen Feldartillerie- Regiment Nr. 68 vom Kriegsgericht in Chem nitz wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis, zwei Jahren Ehrenrechtsverlust, Degradation und Versetzung in die zweite Klasse des Sol datenstandes verurteilt. Leipzig. Gin Bubenstreich ward auf ei nem Straßenbahnwagen dadurch verübt, daß ein brennender Feuerwerkskörper auf den Um schalter gelegt wurde, welcher Explodierte und dadurch Schrecken unter den Fahrgästen hervor rief. Einigen der letzteren ward die Kleidung verbrannt; ein Sergeant, der vom Wagen sprang, erlitt Verletzungen. Böhlitz-Ehrenberg. Im hiesigen Wald wurden der 21jährige Kaufmann Altwein und die I8jährige Bäckermeisterstochter Höhle aus Zeitz aufgefunden. Die jungen Leute hatten gegen den Willen der Eltern des Mädchens ein Liebesverhältnis unterhalten und beschloßen, ge meinsam zu sterben. Die Hand Altweins hielt den Revolver noch umspannt; die Leichen wa ren, da dieselben 10 bis 12 Tage an Ort und Stelle tagen, von Mäusen u. Krähen arg zernagt. Durch einen Brief sprachen beide die Bitte aus, gemeinsam begraben zu werden. Reinsdorf. Heute wurde auf dem Morgen sternschacht hier der 20 Jahre alte Geschirr führer Albin Rommer aus Zwickau von seinem Geschirr an eine Mauer gedrängt und durch Bruch des Halswirbels usw. so schwer verletzt, daß alsbald der Tod eintrat. Auerbach i. V. In einem nahen Dorfe erhielt ein Schiffchensticker wegen des überall fühlbaren Mangels an Aufträgen die Arbeit aufgekündigt. An einem der nächsten Abende wurde auf die Wohnung des betreffenden Arbeit gebers scharf geschoßen. Die Geschoßkugel hat ein Kaliber von 9 mm und wurde am Fenster elngeschlagen vorgefunden. Der Verdacht lenkte sich sofort auf den entlaßenen Arbeiter, der aber jede Schuld entschieden bestritt. Die Durch suchung seiner Wohnung war von Erfolg; man fand das offenbar zur Tat benutzte Gewehr im Taubenschlage unter dem Fußboden versteckt vor. Wer die Schußwaffe dort verborgen hat, will der Beschuldigte nicht wissen. Aus der Woche. Vor uns steht ein Globus. Auf der uns zugewandten Seite sehen wir über dem grüßen Afrika das bunte Europa, deßen östliche Hälfte ganz von Rußland eingenommen wird; und noch dreimal so groß nach Osten strecken sich dann die russischen Besitzungen in Asien hin, die vom Stillen Ozean begrenzt werden. Der zieht sich bis Amerika hinüber; nur am Süd ende des russisch-asiatischen Riesenbesitzes ein paar Inselchen! das ist Japan. Und dieses kleine Japan will dem russischen Koloß zu Leibe gehen? Lächerlich! — — Aber es ist wirklich so I Seit acht Tagen haben wir den Krieg, einstweilen nur zur See, aber der erste Zu sammenstoß zu Lande wird wahrscheinlich schon erfolgt sein, bevor noch diese Zeilen dem Leser zu Gesicht kommen. Auf dem Meere haben die Rußen bisher herzlich schlecht abgeschnitten. Der Zar hat in der Ansprache an seine Marine kadetten von einem „tückischen Feind" gespro chen und auf russischer Seite wird immer auf den „verräterischen Überfall" von Port Arthur durch die japanische Flotte hingewiesen. Und der Zar sowohl wie seine Rußen haben recht. Die Japaner hätten anständigerweise mit ihrem Angriff warten müßen, bis die Rußen ihre Flotte zusammengezogen und den Hafen von Port Arthur ordnungsmäßig durch Seeminen geschützt hatten! Aber die kleinen gelben Kerle fürchteten wahrscheinlich, daß ihnen dann die Rußen das Landen in Korea erschwert hätten Unsere russischen Nachbarn sind sehr tapfer, das muß ihnen auch der Neid zugestehen, der noch gelber als die Japaner ist; aber Kciegsklugheit scheinen sie nicht in dem nötigen Maße zu be sitzen. Herr Alexejew, der im fernen Osten kommandiert und in Port Arthur seinen Sitz hat, würde gescheit getan haben, wenn er sich des Beistandes eines Kieler Seekadetten ver sichert hätte. Selbstverständlich hat er am Sonntag sofort erfahren, daß die Japaner die diplomatischen Beziehungen zu Rußland abge brochen haben, d. h. zu deutsch aber auch au russisch! Wir kommen im Frieden mit euch nich aus, wir müßen die Waffen entscheiden laßen. Ein Kieler Seekadett würde daraufhin dem Herrn Allexejew empfohlen haben, sofort eine Minensperre vor dem Port Arthur-Hafen zu veranlaßen; vor dieser mußten dann Schnell kreuzer eine Postenkette einnehmen und weiter draußen mußten Torpedobootzerstörer und ge deckte Kreuzer Patrouillendienste verrichten. So wirds wenigstens auf der Kieler Akademie ge lehrt und da« scheint auch so ziemlich da» beste, vaS einstweilen zu machen gewesen wäre. Aber Herr Alexejew war wahrscheinlich der Meinung, daß das überflüssige Geldkosten verursachen würde und hat nicht» dergleichen getan. Der ganze russische Sicherheitsdienst scheint darin wstanden zu haben, daß einer der russischen Panzer ab und zu mit feinem Scheinwerfer jerumblinkerte und damit wenigstens den „tücki- chen Feinden" die russische Stellung verriet. Ferner hätte ein Seekommandant, der kein bloßer Salon-General ist, sofort am Sonntag den bei den in dem nahen Hafen von Tschemulpo sta tionierten Kreuzern den telegraphischen Befehl zugchen zu lassen, sich sofort auf das Gros der Flotte nach Port Arthur zurückzuziehen. Im Drange der Geschäfte — so ein Mann hat doch mehr in seinem Kopfe! — hat Herr Alexejew diese Anordnung zu treffen vergeßen und so ind diese beiden Schiffe der russischen Flotte völlig verloren gegangen. Die Japaner haben ihre Landung in Korea ohne ernstliche Störung vornehmen können. Alles in allem genommen ist der Beginn des Krieges für Rußland nicht lesonders günstig. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Auch die tapfern Buren haben im Kampfe um ihre Unabhängig keit unsern verehrten Freunden, den Engländern schwere Schlappen beigebracht und sind schließ lich doch, wenn auch ruhmvoll unterlegen. Ein tüchtiger Aderlaß kann unsern jetzigen Freunden, den Rußen, nicht schaden. Seine innere und äußere „Friedenspolitik" lastet wie ein schwerer Alp auf ganz Europa! Aber trotzdem würde sich jeder Europäer in das eigene Rindfleisch schneiden, der den Japanern einen entscheidenden Sieg in dem jetzt entbrannten Kampfe wünschen wollte. Denn ein solcher Sieg würde nicht nur das Ansehen Rußlands in Ostasien vernichten, sondern dasjenige aller Europäer im fernen Osten arg gefährden. Denn der kleine Japaner, der sich erst seit dreißig Jahren die europäische Kultur angeeignet hat, fühlt sich heute schon dem Europäer unendlich überlegen. Der Handel Europa» mit Japan würde durch den japant schen Chauvinismus noch mehr erschwert, als er es heute schon durch die ungemeine Rührig keit und Findigkeit der Japaner ist. Durch seinen siegreichen Feldzug gegen das große China mit seinen 400 Millionen Einwohnern ist da» kleine Japan vor zehn Jahren zum Bewußtsein seiner Kraft gekommen. Würden sie nun gar Rußland unterkriegen, dann wäre es mit ihnen gar nicht auüzuhalten. — Vor den Dingen in Ostasien verblassen alle andern Weltereigniße fast bis zur Bedeutungslosigkeit; selbst der Herero-Aufstand, von dem man in den letzten acht Tagen so gut wie nichts gehört hat und den man wohl al« beendet ansehen darf, hat dadurch, wenn nicht an Wichtigkeit, so doch an Jntereßenahme verloren. Der Kaiser hat seine beabsichtigte Mittelmeerfahrt aufgegeben und Präsident Loubet seine Romreise verschoben — alles mit Rücksicht auf Ostasien. Die Regie rungen haben alle Hände voll zu tun, um den ausgebrochenen Brand zu lokalisieren. Da» liebenSwürdige Albion erschwert die Sache nach russischer Behauptung dadurch, daß es die Pflicht der Neutralen zugunsten seines Verbündeten Japan verletzt und Wei-Hai-Wei den Japanern als Stützpunkt ihrer Operationen gegen Port Arthur eingeräumt habe. In England findet offenbar das Knackfußsche Bild mit dem kaiser lichen Motto: „Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter!" nicht viel Beifall.