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Ottendorfer Zeitung. Die ,<vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen t,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werden mit ,o ps für die Spaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be> sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Dkrilla. Nr. 137. Mittwoch, den 16. November 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vtrendorf-Dkrilla, H. November 190^. — Zu einem Fischereigesetz für das deutsche N>ich sind die Vorarbeiten in Angriff ge- nomMen. Bei den Fischerei-Interessenten wird jetzt v'on den Negierungen Umfrage gehalten über ih.'e Ansichten und Wünsche bezüglich einer einheitlichen Ordnung des gesamten Fischereiwesc.^S im deutschen Reiche. Radeburg. Herr Bürgermeister und Spar kaffendirektor a. D. Moritz Richter aus Leipzig wurde mit grog^r Mehrheit zum hiesigen Bürgermeister gewählt- — Bei der Wahl von Wahlmännern zur Handelskammer wurden die Herren Fabrik besitzer Mar Mitscherling und Kaufmann Louis Beeg gewählt. Zu Ergänzungswahl für die Gewerbekammer war"«» 67 Gewerbe treibende an der Wahlurne erschienen, also weit mehr als in Großenhain. Gewählt wurden aus der Klasse der Handwerker die Herren Seifenstedermeister W. Zeidler und Sckloffermeister P. Fiebig, aus der Klaffe der Nichihandwerker die Herren Galanteriewaren händler G- Thieme und Agent K. Göttlich Königsbrück. Das Königliche 4. Jnfanterie- Rtgnwnl Nr. 1l)3 hält in der Zeit vom 17. vis mit 30. November d. I. täglich von 7 Uhr vor!üUag i bis 4 Uhr nachmittags auf hiesigem Gefichlsschießplatze Einzelgefechts- und Gruppen schießen ab. Dresden. Am Montag erhielten in Löbtau zwei Schulknaben den Auftrag, mehrere Flaschen Arrak nr.o Essenzen an verschiedene Kunden in einem Handwagen zu befördern. Auf dem Wege dahin öffneten die beiden Knaben eine Flasche Arrak und tranken sie aus. D«r eine Knabe wurde später auf der Löbtautt Straße regungslos vorgefunden und in das Friedrichstädrer Krankenhaus gebracht, während der andere bewußtlos auf dem Hand wagen liegend, durch seinen davon be nachrichtigten Vater in die elterliche Wohnung getragen wurde, wo er trotz sofortiger ärztlicher Hilfe infolge Alkoholvergiftung verstarb. Burgk. In der Sonnabend-Nacht gegen 11 Uhr hörte der im Dienst des Herrn Baron von Burgk stehende, etwa 36 Jahre alte Revierförster Schelling am Waldrande der Jochhöhe zwei Schüsse fallen. Der Forster ging sofort den Schüssen nach und traf am dortigen Walde mit einem Wilderer zusammen. Er stellte diesem, der sich sofort zur Wehr setzte. Es kam zu einem heftigen Handgemenge bet den, der Förster stürzt« und sich die Schulter ausfiel. Der Wilddieb benutzte diesen Sturz und die Verletzung seines Gegners, um ihn zu mißhandln. Dann flüchtete der Wild dieb und suchte seine in Pesterwitz gelegene Wohnung auf. Herr Förster Schellig hatte den Wilderer erkannt und machte noch in derselben Nacht beim Obergendarm in Potschappel Anzeige. Bereits um 2 Uhr nachts war die Verhaftung des gefährlichen Wilderes erfolgt Der unter starker Bedeckung in Untersuchungshaft abgeführte Mann ist der Schlaffer August Kaden, der schon im Januar -in «ine Wilddiebaffäre verwickelt war. Er HM in der Nacht zum Sonnabend auf dem Burgker Revier nach Fasanen gejagt. Bei seiner Verhaftung fand man ein von ihm selbst gefertigtes Jagdgewehr und Patronen vor. — Am Freitag wurde von der Polizei- hireltion Dresden und auf deren telegraphische Reqmution auch von dem Leipziger Polizeiamte die rm Klischee-Verlag Leipzig erschienene B e ätsche Bcosüü e: „Luise und ihr sächsisches VAk' wegen Mujestätsbeleidigung und Be leidigung von Mitgliedern des Königlichen Haukes beschlagnahmt. Ullersdorf. Der seit einer Woche flüchtige Lehrer, der wegen schwerer sittlicher Vergehen sein Amt verließ, wurde in Hamburg verhaftet. Man iand eine UeberfahrtSkarte nach Amerika in semem Besitz. Bischofswerda. Am Sonnabend ist zwischen hier und Schmölln ein etwa 60 Jahre alter Mann auf dem Bahnkörper tot auf gefunden worden. Vermutlich ist er durch den nachmittag 5 Uhr 48 Minuten von Zittan hier eintreffenden Personenzug überfahren worden. Ob der Bedauernswerte verunglückt ist oder ob er den Tod gesucht hat, konnte noch nicht festgestellt werden. Löbau. Hier sollte das sechsjährige Söhnchen des Schneidermeisters Kleditzsch wegen eines Bruchleidens operiert werden. Unter Beihilfe des Krankenhausinspektors und einer Schwester waren alle Vorbereitungen hierzu getroffen und der kleine Patient cingeschläfert worden. Bei den ersten Eingriffen bemerkte aber der Operateur ^eine ungewöhnliche Starr heit des kleinen Körpers. Die sofortige Unter suchung ergab, daß der Tod dei den Kleinen bereits eingetreten war. Meißen. Zum Morde an den Roten Stufen verlautet noch, daß die Mörderin bei ihrer Vernehmung durch die Polizei nach der Haussuchung in der Wohnung ihrer Mutter zunächst noch längere Zeit geleugnet hat, die Wendrich umgebracht zu haben. Erst nach und nach hat sie unter Schluchzen Selbst beschuldigungen, wie: „Was bin ich nun für ein schlechtes Mensch", und „daß mich aber auch der Teufel so sehr gepackt hat", hervor gebracht, welche einem Geständnis gleichkamen. Bei ihrer ersten Vernehmung vor dem Staats anwalt hat die Mörderin ausgesagt, sie sei mit der Wendrich in der Küche gewesen, wo diese sich an der Wasserleitung Wasser zum Trinken habe einlaffen wollen. Als die Wendrich sich nach einem Gefäße gebückt habe, habe sie das Beil in der Küche liegen gesehen, und da sei ihr plötzlich der Gedanke gekommen, die Wendrich mit dem Beile zu erschlagen. Sie habe nach dem Beile gegriffen und, indem sie es mit beiden Händen erfaßt, der Wendrich einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf, also von hinten her, versetzt- Die Wendrich sei sofort und ohne einen Laut von sich zu geben nieder gesunken. Dann habe sie ihrem Opfer noch einen zweiten Schlag mit d^-Beile auf den Kopf versetzt, worauf die Westlich nach ihre« Ueberzeugung tot gewesen sei. Sie habe die Leiche in der Küche liegen lassen, sei in die Stube gegangen, habe sich dort niedergesetzt und einige Zeit überlegt, was sie begangen hatte. Dann erst habe sie die Leiche in den Keller gestürzt. Schreiberhau. Die Befürchtung, daß die Elbquelle dauernd versiegt sein würde, hat sich nickt bestätigt. Schon Mitte des verflossenen Monats, noch ehe die ergiebigen Schnee und Regenfälle erfolgten, war die Kiesschicht der Quelle mit einer mehrere Zentimeter hohen Wassermenge bedeckt. Die letzten Niederschläge haben den ummauerten Raum vollständig ge füllt. Ein fast gänzliches Versiegen des oberen Zulaufs ist bei anhaltender Regen losigkeit schon früher beobachtet worden. Die die Elbquelle umgebende Erdschicht besaht hauptsächlich aus Moorboden. Dieser besitzt gleich einem Schwamme ein starkes Auf- saugungSvermöge», durch welches das auf genommene Wasser festgehalten wird, und zwar so lange, bis der Sättigungspunkt er reicht ist. Dann erst erfolgt der Abfluß, der sich nach dem Gefälle und der Stärke der Moorschicht richtet. Eiu tieferes Eindringen des Wassers verhindert der Untergrund, der zumeist aus Lette besteht. Ist nun — ivie bei der Umgebung der Elbquelle — die Moordecke nur mäßig stark, so ist eS ganz erklärlich, wenn lbei wachen-, ja monatelanger Dürre der Abfluß ganz ausbleibt. Leipzig. Der Mechaniker Johannes Gottlieb Müller aus Leipzig-Plagwitz gab am Sonnabend abend auf ein 15 jähriges Mädchen in den Westendhallen drei Schüsse mit einem Revolver ab. Das Mädchen wurde an der linken Wange nicht lebensgefährlich verletzt. Müller hatte mit dem Mädchen ein Verhältnis angeknüpft, daß jedoch von sden Eltern nicht geduldet wurde. Der Täter entfloh Leipzig. Der Aufsichtsrat des großen Konsumvereins Leipzig - Connewitz, der bei 2950 Mitgliedern 152 Angestellte und 22 Filialen zählt, hat wie der „D. A." schreibt, eine außerordentliche Generalversammlung ein berufen und beantragt, die Liquidation sowie die Aufhebung des erst vor sechs Wochen gefaßten Beschlusses, aus dem Reingewinn von 2^/z Millionen Einnahme eine 9 "/« Dividende an die Mitglieder (5 o/y an Nichtmitglieder) zu verteilen. Der Verein soll an den Leipzig- Plagwitzer, der mit einem noch weit kolossaleren Umsatz arbeitet, angeschloffen werden. Es fällt auf, daß der Geschäftsführer des Connewitzer Vereins, Bock, nachdem er sechs Jahre dem Stadtverordneten-Kollegium angehört hat 'und soeben wiedergewählt worden war, sein Mandat nudergelegt hat. Die umlaufenden Gerüchte, daß sich der Verein in finanziellen Schwierig keiten befinde (der Betrieb der Fleicherei soll sich als unlukrativ erweisen,) haben in den Reihen der Mitglieder große Beunruhigung hervorgerufen. Plauen i. V Eigentümliche Krankheits erscheinungen haben sich kürzlich bei einem hiesigen Herrn gezeigt, der plötzlich eine wesentliche Verminderung seiner Sehkraft wahr nahm, als er frühmorgens sein Blatt zur Hand nahm und auf einmal nichts mehr lesen konnte. Das änderte sich auch im Laufe des Tages nicht, sodaß er sich veranlaßt sah, zu einem Augenarzt zu gehen. Dieser stellte fest, daß die Erkrankung ihre Ursache nicht in einer Erkältung, wie der Patient vermeinte, sondern im Genuss« von verdorbenem Fleisch haben müsse. Auf Befragen fiel dem Patienten schließlich ein, daß er wenige Tage vorher allem Anscheine nach nicht mehr ganz frischen Aal in Gelee genossen habe, wodurch eine Blinddarm-Entzündung entstand, die sich merkwürdigerweise auf die Augen übertragen hat. Erst in etwa vierzehn Tagen oder drei Wochen hat der Arzt Genesung in Aussicht gestellt. Nus der Woche. Obwohl der Reichstag noch nicht wieder ver sammelt ist, der mit den temperamentvollen Reden der Opposition das politische Leben würzt, kann man sich über den Mangel an interessantem Lesestoff durchaus nicht beklagen. Das Hauptereignis ist zweifellos die Wieder wahl Roosevelts, die kurz vor dem Wahltage nicht so sicher erwartet werden konnte als zu vor. Denn in den letzten Tagen noch hatte die gegnerische Clique der Demokraten die Nachricht verbreitet, daß die Trusts mehrere Millionen Bestechungsgelder zugunsten Roosevelts hergegeben hätten. Das war um so unwahr scheinlicher, als sich Roosevelt wiederholt gegen die Trusts erklärt hatte, was sogar unklug war; denn gegen die Geldmagneten ist die Macht eines Roosevelts nur zu gering. Um so mehr mußte es Verwunderung erregen, daß die Stimmenmehrheit, die Roosevelt auf sich vereinigt hatte, größer war, als die eines Präsidenten je zuvor. Es darf übrigens nicht übersehen werden, daß sich die Zahl der sozialistischen Stimmen in Amerika gegen die Wahl vor vier Jahren verdoppelt hat. Immer hin dürfte noch eine gewaltige Zeit verfließen, bis einmal ein sozialistischer Präsident ins Weiße Haus zu Washington einzieht. Auch d'e Wahlen in Italien, die am vorigen Sonntag stattgesunden haben, zeigten ein kolossales An wachsen der Sozialistenstimmen, aber praktische Bedeutung hat dieser Zuwachs auch in Italien nicht, denn das Verhältnis der bürgerlichen Abgeordneten zu denen der Sozialisten in der Kammer stellt sich immer noch wie 15 zu I. — Der Hüller Zwischenfall ist, obwohl weder die Untersuchungskommission ihre Arbeiten be gonnen hat, noch den beteiligten Schiffern bis her irgend eine Entschädigung gezahlt worden ist zur „vollen und aufrichtigen Zufriedenheit Englands" erledigt, wie sich ein Minister in öffentlicher Volksversammlung ausdrückte. Der kreißende Berg hat wieder einmal ein Mäuschen geboren. Bei der Zusammensetzung der internationalen Untersuchungskommissson hat man einen französischen und einen nord amerikanischen Admiral in Aussicht genommen, die sich als dritter im Bunde eines spanischen oder holländischen Kollegen beigesellen werden. An Deutschland hat man leider nicht gedacht; entweder weil man ihm nicht genügende Un parteilichkeit zutraute, oder weil die Flotte des Deutschen Reiches noch zu unbedeutend erscheint um ihren Besitzer in den Augen der andern seefahrenden Nationen als ihnen ebenbürtig er scheinen zu lasten. Die baltische Flotte setzt ruhig ihre Fahrt fort und wenn sie auch nicht mehr hoffen darf, Port Arthur vor besten Fall zu erreichen, so haben doch die Rusten den Engländern gegenüber ihren Willen durch gesetzt. Auf dem östlichem Kriegsschauplatz« hat sich während der Berichtswoche so gut wie nichts ereignet, es müßte denn sein, daß sich die Meldung bewahrheitet, General Stössel habe um einen Waffenstillstand nachgesucht; denn das würde zweifellos die unmittelbar bevorstehende Kapitulation der so tapfer und hartnäckig verteidigten Feste bedeuten. Im Norden am Schahe ist es zu neueren be deutenden Zusammenstößen noch nicht wieder gekommen. Kuropatkin ist jetzt der allein Kommandierende des Heeres, während Alexejew der Statthalter in Petersburg eingetroffen und vom Volke „mit ungeheuren Jubel begrüßt" worden ist. WerS nicht glaubt, zahlt drei Mark. Daß der Zar ein linderndes Pflaster auf Alexejews RüäberufungSwunde legen mochte, zeigt die Tatsache, daß er seinem Statthalter das Winterpalais in Petersburg zur einstweiligen Wohnung angewiesen hat. Uebrigens hieß es, daß der Kaiser mit dem Zaren unweit der russischen Grenze zu sammentreffen werde und ein mit besonders eingeweihten Berichterstattern arbeitendes Berliner Blatt hatte sogar die Stirn, Näh-res darüber mitzuteilen. Unter anderem sollte der Zar angeordnet haben, daß dem deutschen Kaiser bei seiner Anwesenheit auf russischem Boden alle nur erdenkliche Rücksicht zu teil werden sollte. Als nun die so sicher an gekündigte Zweikaiserzusammenkunft unter blieb und Kaiser Wilhelm sich mit einer deputativ-n Begrüßung des Zaren begnügte, fielen die Kurse an der Berliaer Börse ganz rapide, denn es hieß, Kaiser Wilhelm sei krank und könne deshalb nicht reisen. ES kann aber auf das bestimmteste versichert werden, daß am Berliner Hofe gar keine Reiseabsicht bestand. Kaiser Wilhelm hat sich wahrscheinlich gesagt, wenn er jetzt unter vier Augen mit dem Zaren spräche, würde die böse Welt, daß heißt Frankreich, England und Amerika, allerhand FriedenSvermittelungS- absichten wittern und dann auf Deutschland losschlagen, das einseitig vorgehe. Auch sonst war die Woche an interessantem Stoff reich. Die Einzelnachrichten über die Ausnahme des Grafen Posadowsky in Wien und Budapest und seine Verhandlungen wegen des Handels vertrages, das glückliche Zustandekommen des deutsch-schweizerischen Handelsvertrages, die schiedlich-friedliche Wendung in Lippe-Konflikt, die dem französischen Kciegöminister Andre vom Abg. Syveton beigebrachle Ohrfeige, die Ankündigung eines 80 Millionenkredits für Südwestasrika, die Innsbrucker Krawalle nnd der Sieg der deutschen Revolte, die Ein bringung des Combesschen Gesetzwurfs über Trennung von Kirche und Staat in Frankreich die Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt des in seinem Amte kaum warm gewordenen neuen russischen Ministers des Innern — — das war gewiß eine reichhaltige politische Speisekarte, so daß einem die Auswahl aus dem Jnterkfsanten schwer fiel.